Auch ich bin von Florian gefragt worden, ob ich was zur Lage der Fantasy hierzulande schreiben will. Aus Zeitgründen fiel meine Antwort recht knapp aus.
Sinngemäß schrieb ich, dass es kein Wunder ist, wenn ein länger andauernder Hype dafür sorgt, dass die Masse der Erscheinungen eher ›
mau‹ (oder einheitlich, unspannend, berechenbar) ist.
Wenn man will, lässt sich die ›
Fantasy‹* in zwei Traditionen teilen.
Anfangs (vor ca. 100 Jahren bis etwa in die 1950-er) ein munteres Durcheinander, große Vielfalt.
Die weitaus größere Gruppe bilden mittlerweile Werke, die durch Entwicklungen der letzten Jahrzehnte geprägt werden (nicht vergessen: Fantasy ist erin sehr junges Genre und noch nicht lange (wenn überhaupt) aus der Formungs- und lebhaftesten Verhandlungsphase raus). Das sind Werke, die für die Ausreifung von Fantasy zur erkenntbaren Genre-Marke stehen. Die Schwert & Magie-Schule und noch mehr LOTR und Mittelerde sind hier prägend. Vor allem letzteres hatte großen Einfluss als Vorbild oder Anstoß, es anders zu machen.
Wichtig erscheint mir, dass die Spiele-Industrie (zuerst Papier und Brett, später PC und Konsole) erheblich dazu beigetragen haben, die Wirkungsmacht jener Fantasy-Spielarten zu verstärken, die sich dazu eignen in luditive Produkte umgesetzt zu werden (›
luditiv‹ von Ludus, lat. für ›Spiel‹ … sprich: Fantasy, die sich gut eignet, in Spielregeln umgesetzt zu werden, siehe Charakterklassen, Monster, Queste, Plündern usw.)
Gegenbeispiel: »Gormenghast« ist ein typisches Werk der ›anderen‹ Fantasy-Tradition. Erschien in etwa zeitgleich mit LOTR, eignet sich aber so gar nicht als Steinbruch für Spiele. —— (Es ließe sich noch viel darüber sagen, worin sich Fantasy-Weltenbauten unterscheiden, die sich entweder eher für ›
narrativ-künsterische‹ oder ›
luditiv-kybernetische‹ Systeme eignen. Klarerweise bevorzugt die Kulturindustrie Werke der letzten Art, deren Bestandteile sich leicht taxomonisch & tabelarisch klassifizieren und anschließend permutieren lassen.)
Desweiteren: folgende Dreiteilung finde ich recht praktisch, wenn man über die verschiedenen Spielartigen der Fantasy (oder auch Fantasy-Phantastik) nachdenkt.
1) Fantasy(-Phantastik) als
Modus: Hier streben die Macher danach, Neues zu erdenken, den Rahmen zu sprengen. Wichtig ist hier das Ausloten künstlerischer Freiheiten und Möglichkeiten, oft auch sprachlich und strukturell originelle Handhabung.
2) Der gegenteilige Pol ist Fantasy als
Formel der Kulturindustrie: Hier dienen die Fantasy-Merkmale als Ingredienzen für Rezepturen. Typische Figuren und Handlungsmerkmale fördern eine leichte Wiedererkennbarkeit, erleichtern aber zugleich das leichte und schnelle Zusammenmixen neuer Marken und Produkte.
3) Im Spannungsfeld zwischen Formel und Modus befindet sich das weite Feld der Fantasy als
Genre. Positiv also im besten Fall Werke, die ökonomisch gesehen gute Vermaktungsqualität besitzen, zugleich aber soetwas wie *künstlerische Originalität* anstreben.
Wiegesagt, sollte man sich nicht wundern, wenn in Zeiten großer Nachfrage nach einem bestimten Genre dann quantitativ das Formelhafte Oberwasser hat. So funktioniert nun mal der Markt (egal ob für Parfüms, Turnschuhe oder Bücher).
ERGÄNZ:
Zur Buchmesse 2007 habe ich 1381 Titel von sechs Verlagen ausgewertet.. Hier das End-Ergebnis:
Titel insgeammt: 1381 (100 %)
Titel die Teil einer Serie oder Franchise sind (Sonderfall: Hier wurden die Sach-, Antho- & Werksausgaben-Titel von Shayol dazugerechnet): 1080 (78,20 %)
Abgeschlossene Einzeltitel: 301 (21,79 %)
Ich wage zu vermuten, dass sich der Anteil mittlerweile weiterhin zugunsten der Serien- und Franchise-Titel verschoben hat.
Grüße
Alex / molo
Anmerk:
* Ich setzte den Begriff ›
Fantasy‹ immer wieder mal gerne in einfache Anführungszeichen, um aufmerken zu lassen dazu, wie uneinheitlich das Feld eigentlich ist, das mit diesem Wort bezeichnet wird … ja, das richtet sich gegen die (paranoid gemutmaßten) Vereinnahmungen durch die High-, Epic- und S & S-Fantasy-Fans. Wie auch bei anderen anglo-amerikanischen Import-Worten für Genres — Thriller, Mystery — darf nämlich m.E. vermutet werden, dass hierzulande schnell mal über- oder unter-interpretiert wird, was der Begriff ›
eigentlich‹ bezeichnet.