Der "Liest zur Zeit" Thread
- Teddy
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread
Kim Stanley Robinson - Roter Mars
Über den Roman ist schon viel geschrieben wurden. Die einen fanden ihn großartig, die anderen langweilig und zäh. Wobei mit letzterem wohl gemeint ist, dass es sich nicht um einen actiongeladenen Pageturner handelt, den man gar nicht mehr aus der Hand legen kann. Ein Pageturner ist "Roter Mars" in der Tat nicht, aber langweilig schon gar nicht. Die mögliche Besiedlung des Mars mit all ihren technischen und vor allem soziologischen Problemen wird äußerst spannend und glaubwürdig erzählt. (Mal abgesehen davon, dass das doch alles recht fix geht.) Die stärksten Momente hat der Roman aber, wenn der Mars selber im Mittelpunkt steht. Viele haben geschrieben, Robinson beschriebe die Landschaften des Mars, als wäre er selber da gewesen. Dem kann ich mich nur anschließen. Wem das "Mars One"-Projekt zu unseriös erscheint, kann sich hier zumindest für einige Stunden vom Zauber des Mars gefangen nehmen lassen. Und zurückkehren kann man auch. Ich zumindest habe "Grüner Mars" bereits fest für nächstes Jahr eingeplant.
Über den Roman ist schon viel geschrieben wurden. Die einen fanden ihn großartig, die anderen langweilig und zäh. Wobei mit letzterem wohl gemeint ist, dass es sich nicht um einen actiongeladenen Pageturner handelt, den man gar nicht mehr aus der Hand legen kann. Ein Pageturner ist "Roter Mars" in der Tat nicht, aber langweilig schon gar nicht. Die mögliche Besiedlung des Mars mit all ihren technischen und vor allem soziologischen Problemen wird äußerst spannend und glaubwürdig erzählt. (Mal abgesehen davon, dass das doch alles recht fix geht.) Die stärksten Momente hat der Roman aber, wenn der Mars selber im Mittelpunkt steht. Viele haben geschrieben, Robinson beschriebe die Landschaften des Mars, als wäre er selber da gewesen. Dem kann ich mich nur anschließen. Wem das "Mars One"-Projekt zu unseriös erscheint, kann sich hier zumindest für einige Stunden vom Zauber des Mars gefangen nehmen lassen. Und zurückkehren kann man auch. Ich zumindest habe "Grüner Mars" bereits fest für nächstes Jahr eingeplant.
- Khaanara
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread
Trifft heute in meiner Packstation ein und geht mit in den Mallorca-Urlaub:
- Teddy
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread
Solar von Ian McEwan
Vordergründig geht es in Solar um die Entdeckung einer neuen, effizienteren Art der Nutzung der Sonnenenergie mittels künstlicher Photosysteme. Dies ist aber nur der McGuffin und in Wirklichkeit geht es um das Innenleben eines egoistischen Physikers, dem nach einer Sternstunde nichts Neues mehr einfällt und der nur an Essen, Alkohol und Sex denkt, vierfach geschieden ist und versucht mit den Entdeckungen eines Anderen wieder zu Ruhm zu kommen. Obwohl komplett aus der Sicht dieses unsympathischen Antihelden geschrieben, ist der Roman dank seines Humors und der zahlreichen Spitzen gegen den Wissenschaftszirkus oder die Medien gut zu lesen. Das ganze ist Fiktion, eine Menge Science kommt auch vor, aber Science-Fiction ist es eher nicht.
Vordergründig geht es in Solar um die Entdeckung einer neuen, effizienteren Art der Nutzung der Sonnenenergie mittels künstlicher Photosysteme. Dies ist aber nur der McGuffin und in Wirklichkeit geht es um das Innenleben eines egoistischen Physikers, dem nach einer Sternstunde nichts Neues mehr einfällt und der nur an Essen, Alkohol und Sex denkt, vierfach geschieden ist und versucht mit den Entdeckungen eines Anderen wieder zu Ruhm zu kommen. Obwohl komplett aus der Sicht dieses unsympathischen Antihelden geschrieben, ist der Roman dank seines Humors und der zahlreichen Spitzen gegen den Wissenschaftszirkus oder die Medien gut zu lesen. Das ganze ist Fiktion, eine Menge Science kommt auch vor, aber Science-Fiction ist es eher nicht.
- Naut
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread
"Auslöschung" von Vandermeer - soooo unglaublich gut!
Re: Der "Liest zur Zeit" Thread
Auf diese Trilogie freu ich mich schon. Bin gespannt.Naut hat geschrieben:"Auslöschung" von Vandermeer - soooo unglaublich gut!
- Naut
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread
Kannst Du. Ich komme aus dem Assoziieren gar nicht mehr raus: Lovecraft, "Picknick am Wegesrand", "Im Rausch der Stille", "Mumins Inselabenteuer" ... so viele meiner Lieblingsbücher.Amtranik hat geschrieben:Auf diese Trilogie freu ich mich schon. Bin gespannt.Naut hat geschrieben:"Auslöschung" von Vandermeer - soooo unglaublich gut!
- andy
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread
Nach 2001 jetzt 2010.
Ich bin zu 60 Prozent durch mit dem Buch, das ich vor zirka 15 Jahren schon einmal gelesen habe (Den Film habe ich irgendwann in den 1980ern gesehen und kann mich an kaum noch etwas erinnern). Die Handlung ist für mich also weitestgehend neu.
Das Buch knüpft eher an den Film 2001 an und nicht an den Roman. Das bringt kleine, aber durchaus wichtige Unterschiede mit sich. Und ist verwirrend für mich, da ich die beiden Bücher direkt hintereinander lese.
Die Story ist bisher eher eine Abenteuergeschichte im All - auf Europa wird das chinesische Raumschiff angegriffen, das Wrack der Discovery muss geborgen werden etc. - und greift die eher übergeordnete Handlung von 2001 bisher nicht auf. Aber jetzt nähert sich "Bowman" wieder der Erde, es dürfte also wieder in höhere Sphären gehen.
Clarke beschreibt die Wunder im All sehr mitreißend und voller Leidenschaft. Da ist der Leser mittendrin im Jupiter-System.
Bisher eine schöne SF-Story mit jede Menge "Sense of Wonder".
Ich bin schon auf 2061 gespannt.
Andy
Ich bin zu 60 Prozent durch mit dem Buch, das ich vor zirka 15 Jahren schon einmal gelesen habe (Den Film habe ich irgendwann in den 1980ern gesehen und kann mich an kaum noch etwas erinnern). Die Handlung ist für mich also weitestgehend neu.
Das Buch knüpft eher an den Film 2001 an und nicht an den Roman. Das bringt kleine, aber durchaus wichtige Unterschiede mit sich. Und ist verwirrend für mich, da ich die beiden Bücher direkt hintereinander lese.
Die Story ist bisher eher eine Abenteuergeschichte im All - auf Europa wird das chinesische Raumschiff angegriffen, das Wrack der Discovery muss geborgen werden etc. - und greift die eher übergeordnete Handlung von 2001 bisher nicht auf. Aber jetzt nähert sich "Bowman" wieder der Erde, es dürfte also wieder in höhere Sphären gehen.
Clarke beschreibt die Wunder im All sehr mitreißend und voller Leidenschaft. Da ist der Leser mittendrin im Jupiter-System.
Bisher eine schöne SF-Story mit jede Menge "Sense of Wonder".
Ich bin schon auf 2061 gespannt.
Andy
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread
Zuletzt hatte ich mit "Verflucht" von Chuck Palahniuk viel Spass, "Midnight Movie" von Tobe Hooper ist dagegen eine absolute Katastrophe, die seinen schlimmsten Filmen in nichts nachsteht.
Dafür habe ich das neue Jahr mit "Der Jesus-Deal" von Andreas Eschbach begonnen. Bin gespannt, ob es mit dem Vorgänger mithalten kann.
Dafür habe ich das neue Jahr mit "Der Jesus-Deal" von Andreas Eschbach begonnen. Bin gespannt, ob es mit dem Vorgänger mithalten kann.
Lese zur Zeit:
Annika Brockschmidt - Amerikas Gotteskrieger
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread
Ich lese gerade: "In dunklen Gegenden" von Thomas Ballhausen.
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread
"Waldesruh" von Anja Bagus
Steampunkwelt, in der sich wie bei Shadowrun eine "magische" Veränderung ereignet hat, die neue Möglichkeiten und Seinsformen aber auch Widerstand und Gefahren hervorruft. Spannend und farbig erzählt. Plus durch interessante Figuren und schwärzwälderischen Lokalkolorit.
Empfehlenswert.
MB
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread
Meine ersten beiden Bücher 2015 waren "Armageddon Rock" von George R. R. Martin und "Ready Player One" von Ernest Cline, die ich zusammen in meinem Blog besprochen habe. http://translateordie.wordpress.com/201 ... layer-one/
Meine Internetseite (mit Buchbesprechungen): http://lesenswelt.de/
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread
Anja ist eine der wenigen Self-Publisher, die es richtig macht: Zum einen keinen Schnellschüsse, das ist einfach auf hohem Niveau. Und dazu in einem Umfeld, wo es noch nicht so viel gibt (Steampunk) und dann durch Veranstaltungsbesuche auch noch ganz nahe bei den Leuten, die so was mögen.Bungle hat geschrieben:"Waldesruh" von Anja Bagus
Steampunkwelt, in der sich wie bei Shadowrun eine "magische" Veränderung ereignet hat, die neue Möglichkeiten und Seinsformen aber auch Widerstand und Gefahren hervorruft. Spannend und farbig erzählt. Plus durch interessante Figuren und schwärzwälderischen Lokalkolorit.
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread
Stimmt, von ihr können andere Self-Publisher was lernen.Nina hat geschrieben:Anja ist eine der wenigen Self-Publisher, die es richtig macht: Zum einen keinen Schnellschüsse, das ist einfach auf hohem Niveau. Und dazu in einem Umfeld, wo es noch nicht so viel gibt (Steampunk) und dann durch Veranstaltungsbesuche auch noch ganz nahe bei den Leuten, die so was mögen.Bungle hat geschrieben:"Waldesruh" von Anja Bagus
Steampunkwelt, in der sich wie bei Shadowrun eine "magische" Veränderung ereignet hat, die neue Möglichkeiten und Seinsformen aber auch Widerstand und Gefahren hervorruft. Spannend und farbig erzählt. Plus durch interessante Figuren und schwärzwälderischen Lokalkolorit.
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread
10 Tage gebraucht für
Neal Stephenson "Anathem"
Großes Kino für Erwachsene, mit Überlänge (1000 Seiten!).
So ungefähr würde ich es knapp zusammenfassen wollen. Da die Handlung andernorts nachgelesen werden kann, beschränke ich mich hier 'mal auf die Dinge, die mir individuell wichtig sind. "Anathem" als Genuss zu lesen bedeutet, dass man Ausdauer benötigt und auf den ersten Seiten auch eine ziemliche Frustrationstoleranz. Die ersten 50 Seiten hat Stephenson imho geschrieben, um Klischee-SF-Leser abzuschrecken. Hätte ich nicht soviel Vertrauen in den Autor gehabt, hätte ich das Buch auch weggelegt. Extremes Wording und kaum eine Handlung. Erfreulicherweise ändert sich das später, aber der Verfasser braucht so an die 200 Seiten, um überhaupt einen erkennbaren Handlungsfaden im Sinne eines story telling aufzubauen. Danach gibt es eine spannende, nur gelegentlich hakelnde Handlungsebene, die sich auch gut liest. Unterbrochen wird das ganze durch eine Vielzahl philosophischer und kosmologischer Überlegungen, die sich in den Gesprächen zwischen den Hauptpersonen abspielen. Um deutlich zu machen, dass wir uns auf Arbre befinden und nicht auf der Erde, neigt Stephenson hier wiederum zum intensiven Gebrauch (erfundener) Fremdworte. Ich sag's mal so: Wer das verstehen will (und das ist möglich!!), sollte einigermaßen fundierte Kenntnisse der vorsokratischen, der platonischen und der neoplatonischen Philosophie mitbringen sowie die Grundzüge der antiken und modernen Kosmologie parat haben. Stephenson hat das Ganze offensichtlich intensiv durchgearbeitet und daraus eine konsistente Fremdweltwissenschaft/-philosophie gemacht. Erfreulicherweise hat das Buch (in meinem Fall die gebundene Ausgabe) ein umfangreiches Glossar am Schluss und einige Erläuterungen zu den verwendeten mathematischen Modellen. Trotzdem bleibt es auch für den gebildeten Leser stellenweise zugleich anstrengend und faszinierend, dem Verfasser in seiner Darstellung zu folgen. Zur Belohnung gibt es dann im letzten Drittel auch Außerirdische, pardon: Außerarbrische und Raumschiffe und Action-Abenteuer im Weltraum. Letzteres fand ich persönlich nicht die stärkste Seite im Roman; mich hat mehr der Mittelteil intensiv angesprochen. Solche Verbindung von ansprechendem Erzählenkönnen, anspruchsvollen Inhalten und einer sich spannend aber unvorhersehbar entwickelnden Handlung gehört zu dem Liebsten, was ich lese. Die langsame Entfaltung dieser Ideen und die Überlegungen zum Erstkontakt-Szenario sind großes wissenschaftliches Erzählkino!
Daher gibt es von mir
9 von 10 hyläischen Theorischen Welten
Aber nochmal ausdrücklich: "Anathem" ist definitiv kein Buch für Actionbuchleser und wissenschaftlich Ungebildete.
Es grüßt
Lensman
Neal Stephenson "Anathem"
Großes Kino für Erwachsene, mit Überlänge (1000 Seiten!).
So ungefähr würde ich es knapp zusammenfassen wollen. Da die Handlung andernorts nachgelesen werden kann, beschränke ich mich hier 'mal auf die Dinge, die mir individuell wichtig sind. "Anathem" als Genuss zu lesen bedeutet, dass man Ausdauer benötigt und auf den ersten Seiten auch eine ziemliche Frustrationstoleranz. Die ersten 50 Seiten hat Stephenson imho geschrieben, um Klischee-SF-Leser abzuschrecken. Hätte ich nicht soviel Vertrauen in den Autor gehabt, hätte ich das Buch auch weggelegt. Extremes Wording und kaum eine Handlung. Erfreulicherweise ändert sich das später, aber der Verfasser braucht so an die 200 Seiten, um überhaupt einen erkennbaren Handlungsfaden im Sinne eines story telling aufzubauen. Danach gibt es eine spannende, nur gelegentlich hakelnde Handlungsebene, die sich auch gut liest. Unterbrochen wird das ganze durch eine Vielzahl philosophischer und kosmologischer Überlegungen, die sich in den Gesprächen zwischen den Hauptpersonen abspielen. Um deutlich zu machen, dass wir uns auf Arbre befinden und nicht auf der Erde, neigt Stephenson hier wiederum zum intensiven Gebrauch (erfundener) Fremdworte. Ich sag's mal so: Wer das verstehen will (und das ist möglich!!), sollte einigermaßen fundierte Kenntnisse der vorsokratischen, der platonischen und der neoplatonischen Philosophie mitbringen sowie die Grundzüge der antiken und modernen Kosmologie parat haben. Stephenson hat das Ganze offensichtlich intensiv durchgearbeitet und daraus eine konsistente Fremdweltwissenschaft/-philosophie gemacht. Erfreulicherweise hat das Buch (in meinem Fall die gebundene Ausgabe) ein umfangreiches Glossar am Schluss und einige Erläuterungen zu den verwendeten mathematischen Modellen. Trotzdem bleibt es auch für den gebildeten Leser stellenweise zugleich anstrengend und faszinierend, dem Verfasser in seiner Darstellung zu folgen. Zur Belohnung gibt es dann im letzten Drittel auch Außerirdische, pardon: Außerarbrische und Raumschiffe und Action-Abenteuer im Weltraum. Letzteres fand ich persönlich nicht die stärkste Seite im Roman; mich hat mehr der Mittelteil intensiv angesprochen. Solche Verbindung von ansprechendem Erzählenkönnen, anspruchsvollen Inhalten und einer sich spannend aber unvorhersehbar entwickelnden Handlung gehört zu dem Liebsten, was ich lese. Die langsame Entfaltung dieser Ideen und die Überlegungen zum Erstkontakt-Szenario sind großes wissenschaftliches Erzählkino!
Daher gibt es von mir
9 von 10 hyläischen Theorischen Welten
Aber nochmal ausdrücklich: "Anathem" ist definitiv kein Buch für Actionbuchleser und wissenschaftlich Ungebildete.
Es grüßt
Lensman
"Und nun, durch zwiefach Glas, sehe ich
Des Bruders dunkelnd Ebenbild.
Jetzt mach' uns frei, an unserer Seite stehe,
den Hammer schwing, o Thor, und leih uns deinen Schild."
Gordon Dickson
Des Bruders dunkelnd Ebenbild.
Jetzt mach' uns frei, an unserer Seite stehe,
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Gordon Dickson
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread
Ich lasse ja auch gerne lesen ... derzeit das Hörbuch "Irondead" von Wolfgang Hohlbein. Ich bereue es aber inzwischen, wenn ich dran denke, dass ich das eigentlich rezensieren wollte. Die Handlung sind drei Sätze und die eine oder andere Riesenspinne.