Also um auf den Artikel zurückzukommen: Natürlich ist es Blödsinn, Kinder, die aus künstlicher Befruchtung hervorgegangen sind, als "Halbwesen" oder sonst was zu sehen. Ich glaube, wir hier brauchen da gar nicht drüber diskutieren.
Was jedoch stimmt, ist, dass das Auswahlverfahren durchaus unangenehme Parallelen zur Zeitgeschichte zulässt. Da sollten ja Behinderte sowie sg. "Asoziale" von der Fortpflanzung ausgeschlossen werden. Durchaus per Tötung und Zwangssterilisation. (Wobei das bei Erbkrankheiten, auf die Bevölkerung hochgerechnet, selbst bei Massentötungen die Zahl der Betroffenen kaum verringert, da Erbkrankheiten meist rezessiv vererbt werden und wenn man nur offensichtliche Träger von der Fortpflanzung ausschließt - von denen ein nicht unerheblicher Teil vermutlich auch ohne das nie Kinder gehabt hätte - ändert statisch gesehen praktisch nichts. Selbst wenn man ein Mensch ist, der recht frei von ethischen Vorbehalten ist, muss man einsehen, dass es recht sinnlos ist, auf diese Weise eine gesündere Population zu erhalten.)
Bei uns auf der Uni haben sie immer wieder nach Samenspendern gesucht. Die sollten natürlich jung, kerngesund, ohne Erbkrankheiten in der Familie sein, aber auch Kleinigkeiten wie Fehlsichtigkeit waren ein Thema. (Während sich vermutlich eine normale Frau, die einen netten Mann kennen lernt, keine Gedanken drüber macht, ob denn die Kinder mal Fehlsichtigkeit erben könnte. Da überlegt man wohl eher, ob die Beziehung Bestand haben wird, ob er nett zu Kindern ist usw.) Und interessanterweise wurde auch gefordert, dass der junge Mann entweder Student sein müsse oder eine abgeschlossene Berufsausbildung hat. Das hat mich schon wieder an die "Asozialen" erinnert, die sich nicht fortpflanzen sollten ...
Ich glaube, im normalen Fortpflanzungsgeschehen wäre wohl jeder entrüstet, wenn man Menschen ohne Berufsausbildung bzw. mindestens Abitur das Recht auf Kinder verwehren würde. Und bei der künstlichen Befruchtung scheint es plötzlich klar, dass man keinen will, der möglicherweise Gelegenheitsjobber oder Sozialhilfeempfänger ist. Oder erwarte ich da gar zu viel Menschlichkeit von den Menschen, meint ihr, dass es vielleicht doch genug gäbe, die Sozialhilfeempfänger gerne zur Zwangssterilisation schicken würden???
Ersatzteile gibt es anders viel viel billiger.
Wieviel zahlen die für eine Niere in den Slums von Bogota? Wieviel für ein Auge in Kalkutta?
Ein Organ muss aber zum Spender passen. Einfach willkürlich wen rauspicken geht nicht. Deshalb ist es auch sinnvoll, beispielsweise bei Knochenmarkspenden nicht irgendwo, sondern unter den engsten Verwandten zum Suchen anzufangen. - Mal abgesehen davon, dass ich nicht wissen will, welche Krankheiten jemand hat, der so verzweifelt ist, eine Niere zu verkaufen. Die hygienischen Bedingungen alleine in Slums sind ja miserabel und wenn einer dann nach der Organtransplantation noch extra Mittel zur Unterdrückung der Immunabwehr nimmt, ist der wohl schnell weg, wenn der Spender eine Infektionskrankheit hat.
Eine ähnliche Problematik gibt es übrigens in dem Film (Buch) Beim Leben meiner Schwester. Dort bekommt eine Familie, ganz aus Be-
rechnung, noch ein drittes Kind, eine genetisch maßgeschneiderte Retortentochter, die als eine Art Ersatzteillager dienen soll, um die
erste schwerkranke Tochter zu retten.
So einen Fall soll es mal mit einem Baby gegeben haben, das auch nur gezeugt wurde, um als Knochenmarkspender zu dienen. (Wenn die Geschichte denn stimmt, weil nur weil es in der Zeitung steht ...) Hier wird natürlich niemand getötet, aber ich habe mich auch gefragt, wo denn die Gesetze sind, um so was einzudämmen. Eine vergleichsweise harmlose Blutspende darf man erst mit 18 abgeben und da ist es völlig legal, einem Baby (egal, ob es bewusst dafür gezeugt wurde oder nicht), Knochenmark zu entnehmen? - Und nein, so ohne ist der Eingriff auch wieder nicht, wie manchmal getan wird. Vor allem erfolgt der aber ohne Einverständnis der betroffenen Person (wie denn auch, bei einem Baby?), ohne Aufklärung über die Risiken und auch ohne dass dieser für die Person notwendig ist. (Manchmal wird das ja auch als Argument gegen Impfungen angeführt, allerdings darf man zumindest davon ausgehen, dass diese in den meisten Fällen eben helfen, die Gesundheit betreffender Person zu erhalten.) Daher gilt meine Hochachtung noch mehr Personen, die sich freiwillig dazu bereit erklären. Aber was genau ist freiwillig?
Ich sehe es aber auch kritisch, wenn in einer Familie beispielsweise der Druck da ist, eine Niere zu spenden. So etwas muss jemand meiner Meinung nach einfach aus freien Stücken machen und da auch sehr genau Risiken und spätere Einschränkungen abwiegen. Und wie sehr dann der freie Wille noch zählt, wenn man dann in der Familie immer wieder zu hören bekommt, man sei schuld, wenn der andere bei der Dialyse leidet oder gar stirbt. (
Schuld ist man aber nicht, schuld ist die Krankheit, die der Betroffene hat.)
Mit Organspenden bewegt man sich ethisch gesehen immer auf dünnem Eis. (Und am "liebsten" sind mir dann die Leute in einer Diskussion, die meinen, man könne Organe noch brauchen, wenn was mal eine steife Leiche ist. Also der Spender muss im Normalfall entweder noch leben oder hirntot sein, aber mit "richtigen" Leichen fängt man normal nicht mehr allzu viel an.)