Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

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Badabumm
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von Badabumm »

Die Vorstellung, von „Mama-Bots“ bevormundet zu werden, ruft bei vielen eine quasi automatische Ablehnung hervor. Auch bei mir. Das sofort mit „Teufelszeug“ und „faschistisch“ zu betiteln, kann ich deshalb nachvollziehen. Da fällt einfach eine geistige Jalousie runter. Aber tatsächlich begeben wir uns immer bereitwillig in irgendwelche Hände. Gerade in 3sat „Homo digitalis“ gesehen: junge Menschen lassen sich freiwillig Chips implantieren, um damit ihr Handy fernzusteuern oder bargeldlos bezahlen zu können. Ist das verrückt oder nicht? Insofern lassen sich auch Buddy-Roboter vorstellen - der Mensch macht fast alles mit...

Es ist aber etwas anderes, wenn ich behaupte „das wird nie funktionieren“. Ich beziehe mich auf Wolfgang Sofsky „Traktat über die Gewalt“, der - vereinfacht - behauptet, dass die Aggression Selbstzweck ist. Sie explodiert in gewissen Zeitabständen immer wieder, und dazu reicht nur ein banaler Anlass. Die Gre(ä)ueltaten, die in Kriegen, Revolutionen und Aufständen stattfinden, sind rational nicht erklärbar. Normale Menschen, die ihre Kinder lieben und jahrzehntelang jeden Tag brav zur Arbeit gegangen sind, begehen unvorstellbare Exzesse an brutaler Gewalt. Ist das immer erklärbar durch unterdrückte Triebe, Gängelung durch politische Systeme oder persönliche Veranlagung - oder lassen sich überhaupt nachvollziehbaren Gründe angeben?

Wir sind es gewohnt, nach Gründen zu suchen. Eine Volksgruppe hat diese oder jene Vorgeschichte oder Kultur, ein Mensch hat die oder jene Veranlagung, die oder jene Kindheit, ein Traumata oder fehlgeleitete Erziehung durchlebt - was auch immer. Daraus entsteht nach dem Prinzip Ursache-Wirkung diese oder jene Aggression. Wir postulieren, dass Aggression hervorgerufen, gebildet, geprägt wird. Findet man die Ursache, lässt sie sich verhindern, in dem man die Ursache beseitigt. Aber ist das wirklich so? Hat Gewalt wirklich immer eine Ursache? Was wäre, wenn Gewalt überhaupt keinen Grund hat?

Sollte es so sein, dass Gewalt sich selbst genügt, helfen vernünftige Algorithmen und „Roboterverfassungen“ rein gar nichts. Das würde nämlich bedeuten, dass sich Aggression in dem Ausmaße, wie sie beim Menschen vorkommt (und die ist anders als bei Tieren) gar nicht verhindern lässt, weil sie unbewusst gewollt ist. Und in dem Moment, in dem sie stattfindet, wird sie von den Tätern auch als „richtig“ akzeptiert. Sie ist keine Krankheit, die man heilen kann, sondern ein inhärenter Bestandteil. Sofsky stellt sogar die Prämisse auf, dass die menschliche Kultur zwangsläufig Gewalt hervorbringt.

Sie würde also auch in einem System. das mit fairer Gegensteuerung und liebevoller Glättung arbeitet, trotzdem hochkochen. Sofsky versucht, über die staatliche Gewaltenteilung und die Strukturierung von gegenseitiger Sicherheit zu begründen, weshalb Gewalt in komplexeren Kulturen (und wir haben eine) automatisch entstehen muss. Dann kann man nichts machen. Außer, er hat Unrecht...
„Wenn Außerirdische so sind wie wir, möchte ich nicht von uns entdeckt werden.“

Harald Lesch
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Aggression und Gewalt - unveränderliches Schicksal?

Ungelesener Beitrag von manu2107 »

Da hast Du einige interessante Punkte angesprochen, die ich gar nicht alle auf einmal kommentieren kann:
Badabumm hat geschrieben: 28. Februar 2019 00:58 Die Vorstellung, von „Mama-Bots“ bevormundet zu werden, ruft bei vielen eine quasi automatische Ablehnung hervor. Auch bei mir. Das sofort mit „Teufelszeug“ und „faschistisch“ zu betiteln, kann ich deshalb nachvollziehen. Da fällt einfach eine geistige Jalousie runter.
Genau dasselbe habe ich mir auch gedacht. Ich mir vorgestellt, jemand anderes hätte diesen Vorschlag gemacht: ich würde auch protestieren, weil ich nicht von der Dummheit und Gutgläubigkeit eines anderen abhängig sein will. Ich würde das auch bespötteln, als unnötig oder falschen Ansatz bezeichnen, nicht mehr kommentieren und es dann vergessen (wollen).
Badabumm hat geschrieben: Aber tatsächlich begeben wir uns immer bereitwillig in irgendwelche Hände. Gerade in 3sat „Homo digitalis“ gesehen: junge Menschen lassen sich freiwillig Chips implantieren, um damit ihr Handy fernzusteuern oder bargeldlos bezahlen zu können. Ist das verrückt oder nicht? Insofern lassen sich auch Buddy-Roboter vorstellen - der Mensch macht fast alles mit...
Ich habe auch darüber nachgedacht, wie weit Smartphones schon als KI bezeichnet werden können? Google Maps macht Vorschläge, das Wetter meines Standorts wird angezeigt, und doch ist das noch nicht 'Situation prüfen, bewerten, evtl. individuell reagieren', was ich so als Kern einer KI ansehen würde.
Badabumm hat geschrieben: Es ist aber etwas anderes, wenn ich behaupte „das wird nie funktionieren“. Ich beziehe mich auf Wolfgang Sofsky „Traktat über die Gewalt“, der - vereinfacht - behauptet, dass die Aggression Selbstzweck ist. Sie explodiert in gewissen Zeitabständen immer wieder, und dazu reicht nur ein banaler Anlass. Die Gre(ä)ueltaten, die in Kriegen, Revolutionen und Aufständen stattfinden, sind rational nicht erklärbar. Normale Menschen, die ihre Kinder lieben und jahrzehntelang jeden Tag brav zur Arbeit gegangen sind, begehen unvorstellbare Exzesse an brutaler Gewalt. Ist das immer erklärbar durch unterdrückte Triebe, Gängelung durch politische Systeme oder persönliche Veranlagung - oder lassen sich überhaupt nachvollziehbaren Gründe angeben?
Wow, 7 Seiten Rezension in der FAZ von 1996 von Wolfgang Sofskys „Traktat über die Gewalt“ . Werd ich mir morgen oder die nächsten Tage durchlesen. Schon vorher sage ich, dass die Gräueltaten schon rational erklärbar sind. Vielleicht nicht bei jedem Mensch individuell, welches jeweils die Faktoren waren, die den Ausschlag gaben: Es ist für mich immer erklärbar mit dem "mir soll es besser gehen oder zumindestens nicht schlechter". Wieso foltert jemand, der daheim liebevoll zu seinen Kindern ist? Er sieht es als Job, muss Geld verdienen. Den Gefolterten kennt er nicht, er hat Techniken gelernt die erfolgreich sind (eine perverse Art von Erfolgserlebnis?), er hat Angst, selbst gefoltert zu werden, falls er sich dagegenstellt und weigert? Er schätzt die Gemeinschaft in seinem 'Amt', und wird indoktriniert, wie wichtig das ist (Kampf gegen Terrorismus) und hat dann sogar das gute Gefühl, etwas bewirken, verhindern zu können. Er wird immer eine Rechtfertigung haben, die ihm genügt, ansonsten würde er ja verrückt werden. Oder er sagt am Schluß: mir macht das Spaß, diese Macht, diese absolute Macht. Ja, da kann die Psyche schon extreme Wege finden.
Badabumm hat geschrieben: Hat Gewalt wirklich immer eine Ursache? Was wäre, wenn Gewalt überhaupt keinen Grund hat?
Ich sehe es so: mit einem Aggressionsschub, der durch Ausschüttung von Adrenalin, Testosteron und anderen Anheizern zum Angriff oder Wegrennen wird wohl jeder gefährlich (jedenfalls Männer). Mich muss nur einer schneiden im Straßenverkehr und ich kann voll ausflippen: ich schreie manchmal so laut im Wagen, dass mir noch 1 Stunde lang der Hals weh tut. Danach beruhige ich mich, sehe, dass das eine Kleinigkeit war, und auch nicht wirklich gefährlich. Aber der Moment war da. Gewalt hat auf jedenfall eine Ursache, wenn best. Hormone freigesetzt werden
Badabumm hat geschrieben: Sollte es so sein, dass Gewalt sich selbst genügt, helfen vernünftige Algorithmen und „Roboterverfassungen“ rein gar nichts. Das würde nämlich bedeuten, dass sich Aggression in dem Ausmaße, wie sie beim Menschen vorkommt (und die ist anders als bei Tieren) gar nicht verhindern lässt, weil sie unbewusst gewollt ist.
Nun, ich denke, wenn ein System verhindern kann, dass Menschen überhaupt aggressiv werden, oder weniger oft und heftig, dann könnte es funktionieren. Es ist doch auch ein großer Wunsch von fast jedem Menschen, in Zufriedenheit und Sicherheit zu leben. Wer unzufrieden ist, wird aggressiv, dort ist der Ansatz. Menschen Zufriedenheit ermöglichen, ohne die Umwelt zu zerstören. Ob sich mit der Zeit auch die Gene verändern und weitergegeben werden, keine Ahnung. Jedenfalls ist jede Art von Deeskalation, Entschuldigen lernen, Einsehen, eine Sinn in anderen Dingen haben, Freude, Verantwortung und Bestätigung zu erfahren und vieles mehr sehr effektiv, dass bei jemanden der Schalter eben NICHT umschlägt. 'Unbewusst gewollt' wird es erst, wenn die Hormone wirken. Dann WILL man es, sonst fürchtet man körperlich zu explodieren, zu sterben. Was in grauer Vorzeit einfach überlebenswichtig war. Das ist so ein primitiver Mechanismus, dass ich es oft nicht glauben will, da in mir als menschlichem Wesen so ein Mechanismus drin wirkt, stärker wie jeder Wille, wenn es zu spät ist das zu stoppen.
Badabumm hat geschrieben: Sie würde also auch in einem System. das mit fairer Gegensteuerung und liebevoller Glättung arbeitet, trotzdem hochkochen. Sofsky versucht, über die staatliche Gewaltenteilung und die Strukturierung von gegenseitiger Sicherheit zu begründen, weshalb Gewalt in komplexeren Kulturen (und wir haben eine) automatisch entstehen muss. Dann kann man nichts machen. Außer, er hat Unrecht...
Das werd ich mir mal zu Gemüte führen. Wenn Gewaltenteilung usw. Aggression erzeugt, dann muss man rechtzeitig mit Menschen reden, sie versuchen zu überzeugen, dass sie nicht ohnmächtig ist, dass dies auch ihnen oft zum Vorteil ist, wie denn eine Alternative aussehen würde.

Menschen können es nicht ausreichend tun, zu wenig Gelegenheiten und Anlass, man wird als Feind empfunden wenn man widerspricht, man gerät selbst in Wut, wenn der andere 'unsinnig' reagiert, und man weiß selbst, dass man allein da wenig bewirkt.

Solche "Mama robots" wären geduldig, niemals zornig (ausser als Mittel zum Zweck), wären bei vielen Menschen in der Nähe. Das Problem ist wirklich die Akzeptanz. Ich denke, wenn jemand so eine Androiden hat, und der einem das Leben so sehr erleichtert und durch Betreuung verschönert, dann wird man auch akzeptieren und feststellen, dass dieses Ding einem nichts schlechtes will. Vertrauen kann sich auch zu einer Maschine aufbauen, wie viel danken ihren Autos dafür, den Besitzer nie im Stich gelassen zu haben.

So, doch auf alles eingegangen. Ich bin immer ganz aufgekratzt bei dem Thema, ich habe auch eine Hypomanie, werde also leicht euphorisch, kann nicht einschlafen, und am nächsten Tag denke ich mir: ogott, was habe ich mir dabei gedacht. Aber insgesamt habe ich das Gefühl, dass das nicht komplett daneben ist. Zwar utopisch, heute noch inakzeptabel in der Endausbaustufe. Aber so einen Haushaltsroboter (ohne 'Überwachung' und 'Kontrolle') hätte ich schon sehr gerne. Wenn nur die Technologie nicht noch soooo weit hinten wäre. Das, was ich im Internet gefunden habe, hat mich schon etwas geschockt. Das ist zwar alles faszinierend, aber doch noch nur Spielzeug.
George Nelson
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von George Nelson »

Uschi Zietsch hat geschrieben: 27. Februar 2019 12:17 Was die KI betrifft: Entweder sie ist nur eine Maschine, dann ist sie so schlau wie der Programmierer, der sie programmiert. Der ist dann derjenige, der bestimmt, was die Maschine bestimmt. Also ein menschlicher Diktator wie alle anderen vorher.
Oder sie ist tatsächlich eine Intelligenz, die sich weiterentwickelt, bis sie irgendwann ein Bewusstsein hat (das lässt sich gar nicht vermeiden, wenn sie sich selbst weiterentwickelt). Dann bestimmt sie alles.
Nur für das Protokoll: Da ist die aktuelle KI-Forschung (s.u.) schon weiter. Es gibt bereits KIs, die Aufgaben besser lösen können als Menschen, ohne dass diese Fähigkeit programmiert wurde. Diese KIs werden sich allerdings nie über ihre Aufgabe hinaus entwickeln.

Im Spiegel (s.u.) gibt es ein Interview zum „entgleisten Kapitalismus“. Der aktuelle Egoismus der Eliten ist kein Naturgesetz. Die Menschen können auch andere Werte haben, wie man in der Geschichte sieht. Ich meine, dass z.B. das Christentum durch gelebte Nächstenliebe groß geworden ist.

https://www.zeit.de/digital/internet/20 ... s-menschen
https://magazin.spiegel.de/SP/2019/9/16 ... centerpage
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von Badabumm »

Danke für die Links. Um den Spiegel-Artikel lesen zu können, muss ich mich allerdings anmelden.

Ich erwarte demnächst bei der Jobsuche, dass mich ein Kameraauge anglotzt und meine Mimik analysiert... ;)
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von Badabumm »

http://www.3sat.de/mediathek/?mode=play&obj=76675

Ein nachdenklicher Beitrag, der die richtigen Fragen stellt, aber natürlich keine beantworten kann.
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von Badabumm »

Anmerkung zum 3sat-Film: der Tenor ist (natürlich), dass jeder was tun und bei sich selbst anfangen kann, außerdem kann er seine Gedanken weitergeben (Meme) und Mitstreiter suchen. Gut, das geschieht gerade. Aber wie Collier sagt: die verantwortlichen Eliten haben sich längst aus der Gemeinschaft verabschiedet. Kurz: man kann soviel demonstrieren, wie man mag - das wird Banker und Präsidenten wenig beeindrucken. Weiter: Fossile Energie und Umweltsünden müssten teurer werden, damit über den Geldbeutel zu weltfreundlicheren Lösungen gewechselt wird. Schöne Idee, wenn es denn Alternativen und wenn es "echte" Marktwirtschaft gäbe. Auch wenn eine Million aufs Fahrrad umstiegen: das würde den Klimawandel nun nicht mehr aufhalten. Es ist fast sinnvoller, jetzt an Lösungen zu arbeiten, wie wir mit 4 oder 6° Grad Erwärmung klarkommen werden. Und ganz ehrlich: soviel wird es werden, alles andere ist geschönt.
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Harald Lesch
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Was machen mit der jetzigen Marktwirtschaft?

Ungelesener Beitrag von manu2107 »

Badabumm hat geschrieben: 1. März 2019 17:54 Anmerkung zum 3sat-Film: der Tenor ist (natürlich), dass jeder was tun und bei sich selbst anfangen kann, außerdem kann er seine Gedanken weitergeben (Meme) und Mitstreiter suchen. Gut, das geschieht gerade.
Hab mir den Beitrag nicht ganz durchgeschaut, sowas zieht mich eher runter .. :-o ... weil es eben das ist, was man von jedem hört: 'wir können doch nichts dagegen tun' usw. Und Mitstreiter zu was? In den Wald gehen und von Wurzeln leben?

Bei einem Problem muss man immer danach suchen, wo der größte Hebel ansetzbar ist. Und vorallem muss man vorher festlegen, wie denn das Problem genau definiert ist. Auch haben wir nicht 1 gravierendes Problem, sondern 20.
Aber wie Collier sagt: die verantwortlichen Eliten haben sich längst aus der Gemeinschaft verabschiedet. Kurz: man kann soviel demonstrieren, wie man mag - das wird Banker und Präsidenten wenig beeindrucken.

Das ist mir zu einfach, denn diese Eliten können auch nichts ändern. Es ist ja auch nicht so, dass viele Menschen die jetzige Konsumgesellschaft hassen. Würde keine Katastrophe dadurch kommen, würde man sich gar nicht darüber aufregen.

Und da ist er, der Kern des Problem: Konsum macht einfach zu viel Freude, Zufriedenheit, Spaß.
Weiter: Fossile Energie und Umweltsünden müssten teurer werden, damit über den Geldbeutel zu weltfreundlicheren Lösungen gewechselt wird.

Was in einer Marktwirtschaft bedeuten würde, wer Geld hat kann sich Sünden leisten. Das schafft noch mehr Unzufriedenheit. Ein Liter Benzin für 10 EUR? Wer reich ist, brettert deswegen trotzdem mit dem Maserati über die Autobahn. Vor allem, weil die dann so schön frei ist .. ;-) Naja, solche Aussprüche bringen uns auch nicht weiter, es zeigt nur: Menschen wollen (einigermaßen) Gerechtigkeit. Sonst reißt der Neid und die Gier alles wieder nieder.

Jetzt ist es leider so geworden, dass jetzt alle wie wild konsumieren können (tu ich ja auch), und es kurbelt die Wirtschaft an, und das freut alle. Wie kann man etwas verändern oder abschaffen, was dem Menschen gefällt?. Man muss es durch etwas anderes ersetzen. Ein Ausspruch, der erkenntnisreich ist: Bevor du einem Kind seine alte, schmuddlige Puppe wegnimmst, musst du ihm schon eine schönere, neuere Puppe anbieten.

Für welche schönere Puppe würden die Menschen die heutige Marktwirtschaft weglegen?

Das ist knifflig. Was würde denn Menschen sonst so viel Freude bereiten, dass er dafür nur das Nötigste kauft?
Musik hören? Ein Hobby? Sport? Reisen .. aber nicht mit Öl-Fliegern!
Und was hilft es, wenn die Menschen immer mehr werden, denn: wenn das Leben schön ist, warum nicht mehr Kinder? Gut, bei uns ist der Zuwachs der Bevölkerung moderat, und man hat die Vermutung, dass Menschen in wohlhabenden Ländern wegen des Wohlstands weniger Kinder haben. Nur, die wohlhabenden Länder sind von der Anzahl nicht ausschlaggebend:
DER SPIEGEL hat geschrieben:Die Themen Verhütung und sexuelle Aufklärung sind im konservativen Pakistan heikel. Kaum ein Politiker wagt sich daran. Das Gesundheitsministerium in Islamabad räumt ein, es sei nicht in der Lage, "effektive Maßnahmen zu treffen".
Pakistan: die Bevölkerung wächst rasant!
Klar, noch sind wir westlichen Länder die Haupt-Ressourcenverbraucher. Nur, die armen Länder wollen auch dahin. Aber das ist ja alles schon 1000 x 1000 mal gesagt worden.
Schöne Idee, wenn es denn Alternativen und wenn es "echte" Marktwirtschaft gäbe. Auch wenn eine Million aufs Fahrrad umstiegen: das würde den Klimawandel nun nicht mehr aufhalten. Es ist fast sinnvoller, jetzt an Lösungen zu arbeiten, wie wir mit 4 oder 6° Grad Erwärmung klarkommen werden. Und ganz ehrlich: soviel wird es werden, alles andere ist geschönt.
Ja, es wird wesentlich mehr wie 2° Celsius werden, sehe ich auch so. Und trotzdem wird das Wachstum nicht aufhören, und auch der CO2-Ausstoß nicht.

Nun, so traurig das ist: für unsere jetzige Zivilisation sitzen wir in einer Zwickmühle bzw. sind schachmatt.
Also, ran an die Planung fürs Jahr 4000!
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Re: Was machen mit der jetzigen Marktwirtschaft?

Ungelesener Beitrag von Andreas Eschbach »

manu2107 hat geschrieben: 1. März 2019 21:31 Für welche schönere Puppe würden die Menschen die heutige Marktwirtschaft weglegen?
Die heutige Marktwirtschaft ist trotz all ihrer Fehler das bislang am besten (oder am wenigstens schlecht) funktionierende Wirtschaftssystem. Deswegen wollen sie alle, sogar die, die sie nominell nicht wollen. (Mal im "kommunistischen" Vietnam gewesen? Die haben den Kapitalismus besser drauf als wir und die Amis zusammen.) Weil die Marktwirtschaft die Dinge hervorbringt, die die Menschen wollen.

Eine "bessere Puppe" zu finden hieße, ein besseres Wirtschaftssystem zu erfinden. Keine leichte Aufgabe – jedenfalls sind alle, die es bisher versucht haben, daran gescheitert.
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von Uschi Zietsch »

Ich war noch nicht in Vietnam, aber ich habe Peking als die am meisten kapitalistische Stadt empfunden. Die kommunistischen Systeme haben begriffen, dass der Kapitalismus funktioniert.
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Re: Was machen mit der jetzigen Marktwirtschaft?

Ungelesener Beitrag von George Nelson »

Andreas Eschbach hat geschrieben: 2. März 2019 12:30
manu2107 hat geschrieben: 1. März 2019 21:31 Für welche schönere Puppe würden die Menschen die heutige Marktwirtschaft weglegen?
Die heutige Marktwirtschaft ist trotz all ihrer Fehler das bislang am besten (oder am wenigstens schlecht) funktionierende Wirtschaftssystem. Deswegen wollen sie alle, sogar die, die sie nominell nicht wollen. (Mal im "kommunistischen" Vietnam gewesen? Die haben den Kapitalismus besser drauf als wir und die Amis zusammen.) Weil die Marktwirtschaft die Dinge hervorbringt, die die Menschen wollen.

Eine "bessere Puppe" zu finden hieße, ein besseres Wirtschaftssystem zu erfinden. Keine leichte Aufgabe – jedenfalls sind alle, die es bisher versucht haben, daran gescheitert.
Das mit dem reinen Kapitalismus ist so eine Sache. Ich fand hierzu das Buch von Ha-Joon Chang, Wirschaftsprofessor in Cambridge, sehr erhellend:

https://www.amazon.de/L%C3%BCgen-die-%C ... %C3%A4hlen
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Re: Was machen mit der jetzigen Marktwirtschaft?

Ungelesener Beitrag von Andreas Eschbach »

George Nelson hat geschrieben: 2. März 2019 14:30
Andreas Eschbach hat geschrieben: 2. März 2019 12:30
manu2107 hat geschrieben: 1. März 2019 21:31 Für welche schönere Puppe würden die Menschen die heutige Marktwirtschaft weglegen?
Die heutige Marktwirtschaft ist trotz all ihrer Fehler das bislang am besten (oder am wenigstens schlecht) funktionierende Wirtschaftssystem. Deswegen wollen sie alle, sogar die, die sie nominell nicht wollen. (Mal im "kommunistischen" Vietnam gewesen? Die haben den Kapitalismus besser drauf als wir und die Amis zusammen.) Weil die Marktwirtschaft die Dinge hervorbringt, die die Menschen wollen.

Eine "bessere Puppe" zu finden hieße, ein besseres Wirtschaftssystem zu erfinden. Keine leichte Aufgabe – jedenfalls sind alle, die es bisher versucht haben, daran gescheitert.
Das mit dem reinen Kapitalismus ist so eine Sache. Ich fand hierzu das Buch von Ha-Joon Chang, Wirschaftsprofessor in Cambridge, sehr erhellend:

https://www.amazon.de/L%C3%BCgen-die-%C ... %C3%A4hlen
Oh, man kann eine Menge Schlechtes über Kapitalismus und Marktwirtschaft sagen. Und es wäre wirklich gut, wenn jemand etwas Besseres erfände. Aber es müsste halt wirklich besser sein (im Sinne von: behalte die Vorteile, vermeide die Nachteile), und das ist bis jetzt trotz einiger, u.a. auch blutig ernster Versuche noch niemandem gelungen.
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von Kruhling »

Hallo zusammen,

das ist ja eine spannende Diskussion. Ich denke nicht, dass irgendeine KI, die meines Erachtens ohnehin überschätzt wird, unsere Probleme, welcher Art auch immer, lösen könnte. Und - wie bereits gesagt - hielt ich auch das auch für anmaßend und vor allem totalitär. Letztlich ist das - wieder einmal - der Rufe nach dem großen Problemlöser und den gibt es nicht und jeder Versuch, den die Geschichte uns zeigt, ist übel ausgegangen. Dafür gibt es zahllose Beispiele in der Geschichte.
Statt uns mehr und mehr auf Maschinen und Algorithmen zu verlassen und uns selbst als fehlerbehaftet und damit unbedingt optimierungsbedürftig zu verstehen, sollten wir mehr lernen, mit unseren Fehlern und Stärken zu leben und besser mit ihnen umzugehen.
Aber am schlimmsten an KI ist der ihr innewohnende Gedanke, dass irgendwer weiß, wie es geht und man das alles berechnen kann und vor allem soll. Wenn man dazu noch die zur Verfügung stehenden Daten nutzt, wird daraus ein Selektionswerkzeug, das mich schaudern läßt. Das, wonach dann selektiert wird, ist auf Basis von Daten entstanden und steht für unser Profil, unsere Eigenarten, unseren Charakter, unsere Gewohnheiten, Präferenzen etc. Daraus ergibt sich ein Bild des jeweiligen Menschen, das richtig oder falsch sein kann, auf jeden Fall aber ein gruseliges Werkzeug in der Hand von totalitären Regimen. Das hatten wir alles schon einmal, nur mit weniger Computer.
Ich bin jetzt ein wenig abgedriftet, aber das Risiko der KI sehe ich genau dort. Wenn z.B. ein selbstfahrendes Auto einen kommenden tödlichen Zusammenstoß erkennt und klar ist, dass beide Möglichkeiten des Zusammenstoßes - z.B. mit dem Rentner oder dem arbeitslosen Jugendlichen - für sowohl den Rentner wie auch den Jugendlichen tödlich sein wird, muss entschieden werden, wer sterben soll. Hierzu werden sicher Daten herangezogen, mit deren Hilfe man das entschiedet. Also wird selektiert nach dem, was an Daten vorliegt. Bei dem Gedanken wird mir schlecht.
Gruß, Kruhling
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von George Nelson »

Wie in dem oben erwähnten Buch von Ha-Joon Chang erläutert wird, funktioniert der Kapitalismus ohne staatliche Eingriffe nicht stabil. Die freie Marktwirtschaft ist wie ein fahrendes Auto, das nicht gelenkt wird. Allmählich kommt es von der Fahrbahn ab, rumpelt auf dem Seitenstreifen und landet schließlich im Graben oder auf dem Acker. Man denke nur an Weltwirtschaftskrisen, Börsenblasen oder die Bankenkrise von 2008. Ohne massive Eingriffe der Staaten wäre das System kollabiert.

Auch in anderen Bereichen wie der Energiewirtschaft, Verkehr und Umwelt werden massive Schäden auf Kosten unserer Zukunft verursacht. Das System verbraucht mehr Ressourcen als die Erde auf Dauer zur Verfügung stellen kann. Millionen Menschen in Deutschland sind von Kinderarmut, Hartz IV oder Altersarmut betroffen. Schüler demonstrieren gegen Tatenlosigkeit, in Deutschland wird AfD gewählt, in Frankreich gibt es die Gelbwesten, und in den USA kommt so jemand wie Trump an die Macht. Der Kapitalismus rumpelt und bockt gewaltig.

Zu welcher Pervertierung der freie Markt im Gesundheitsbereich geführt hat, beschreibt Jörg Blech in seinem Buch „Die Krankheitserfinder“:

https://www.amazon.de/Die-Krankheitserf ... B6rg+blech

Wir müssen erkennen, dass Wirtschaft gelenkt werden muss. Dazu braucht es einen aktiven Staat, der die Interessen der Menschen vertritt. Wie das konkret aussieht, sollte uns bald einfallen. Denn Roboter und KIs nehmen uns nach und nach die Arbeit und damit das Einkommen weg.
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von Badabumm »

@George Nelson: Das Problem, das du ansprichst, ergibt sich aus dem Irrglaube, dass Marktwirtschaft und Kapitalismus für den Menschen gemacht seien, und sie deshalb ohne staatliche Kontrolle an die Wand fahren. Aus der Sicht des Menschen ist das richtig, aber nicht aus der Sicht des Kapitalismus. Dieser hat sich längst verselbständigt, denn der Mensch ist nur ein Rädchen in einer Reihe von Marktfaktoren. Da das Ziel der maximale Gewinn ist, strebt der Kapitalismus asymptotisch zu einer Nulllinie, die 100% Gewinn bei 0% Kosten bedeutet. Die Tendenz, den Menschen immer schlechter zu behandeln und ihn schließlich ganz zu eliminieren, ist inhärentes Prinzip des Kapitalismus. Und das Gesundheitswesen ist ja ein schönes Beispiel dafür, wohin es driftet. Der Kapitalismus hat bereits seinen eigenen Gott, und der ist nicht menschlich, weil das System nicht menschlich ist. Es ist für Geldopfer gemacht, aber nicht für den Menschen. Deshalb würde es vielleicht in den Graben fahren, hätte sich aber damit selbst verwirklicht, in dem es z.B. Sklaven für 0 Euro Lohn für sich arbeiten lässt, was dem maximalen Gewinnstreben entspräche.

Mein Vorschlag wäre, dass Geld ein Verfallsdatum hätte. Wer sagt denn, dass derjenige potentiell immer mehr Geld bekommen muss, der schon viel hat? Brot, Obst und Heringe haben auch ein Verfallsdatum, sogar Menschen. Warum nicht auch Geld?
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Harald Lesch
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Flossensauger
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von Flossensauger »

Badabumm hat geschrieben: 3. März 2019 19:49 Wer sagt denn, dass derjenige potentiell immer mehr Geld bekommen muss, der schon viel hat?
Vorschlag: Kein reicher Mensch auf der Welt darf mehr als das 10 (oder 5, 100, ausdiskutieren) fache an Geld haben als ein armer Mensch auf der Welt.

Der Kniff ist: Die Reichen dürfen ja immer noch unglaublich reich sein, kein Problem. Sie dürfen nur nicht die abhängen, die ihnen das ermöglichen.

Gerne KI überwacht, da aber bitte die Routinen aus der Organisationssoziologie der 1980er mit einflechten (meine Studienzeit), die interessieren heute schon keinen mehr. Mal bei der Planung vom Berliner Flughafen einen Diplom-Soziologen hinzugezogen, es wäre nicht schneller, nur minimal billiger aber auf jeden Fall unterhaltsamer gewesen worden. Sein.
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