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SF-Seminar in Karlsruhe

Verfasst: 25. April 2019 17:26
von noosphaere
Im Seminar am ZAK | Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft und Studium Generale des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) sind noch Plätze frei.

:lehrer:

Die Zukunft der Vergangenheit – Gesellschaftsentwürfe in osteuropäischer Science Fiction

Beginn: 03.05.2019, 09:45 - 13:00
Ort: KIT, Geb. 20.30, SR -1.009 (UG)

Science Fiction (SF) als moderne Subgattung phantastischer Literatur stand schon immer den Gattungen Utopie/Dystopie nahe. Sie erscheint als triviale Spielart dieser positiven oder negativen Entwürfe einer fiktiven Gesellschaftsordnung. Weniger spektakulär, doch bei näherer Betrachtung interessanter als utopische und dystopische Zuspitzungen sind „neutrale“ Entwürfe zukünftiger Gesellschaften in der osteuropäischen SF-Literatur der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts. Bemerkenswert ist, dass es diese Entwürfe überhaupt gab; dass diese Literatur nicht nur eine technologische, sondern auch eine soziale Zukunft mit den Mitteln der Phantastik erfand. Im Seminar wollen wir (in deutscher Übersetzung) Prosatexte osteuropäischer „Klassiker“ der SF – Arkadi & Boris Strugatzki und Stanislaw Lem – vor dem Hintergrund ihres ideologischen und sozialen Entstehungskontexts lesen, um diese Gesellschaftsentwürfe herauszuarbeiten. Sind jene Zukunftsentwürfe lediglich „Zeugen“ der Vergangenheit, in der sie entstanden, oder haben sie noch heute Zukunftspotential? Teilnahmevoraussetzungen: Bereitschaft zu regelmäßiger vorbereitender Lektüre und zur Übernahme eines Referats.

Wer also Student:in in Karlsruhe, ist herzlich eingeladen, sich anzumelden:
http://www.zak.kit.edu/anmeldung.php/event/37804

Re: SF-Seminar in Karlsruhe

Verfasst: 10. Mai 2019 17:44
von Ben79
Interessantes Thema, ich habe genau darüber vor ca. 25 Jahren meine Jahresarbeit in der Schule geschrieben. Mein Vater hatte eine umfangreiche Sammlung osteuropäische SF aus den 60er bis Ende der 80er Jahren.

Mein persönlicher Eindruck war, dass je berühmter der Autor war, desto weniger hat er sich um Propaganda gekümmert und eher versteckte Kritik eingebaut. Aber die große Masse, Autoren und Bücher die heute kaum noch jemand kennt, haben auf den ersten 10 Seiten erstmal den Sieg/Überlegenheit des Kommunismus beschrieben.

Heutige Analysten scheinen sich im Wesentlichen auf die bekannten Autoren zu beschränken und heben die versteckte Kritik hervor. Vermutlich weil der ganze Durchschnitt größtenteils in den Müll gewandert ist, und sie ihn nie gelesenen haben. Die Zeit sortiert aus.

Re: SF-Seminar in Karlsruhe

Verfasst: 10. Mai 2019 20:05
von L.N. Muhr
"Versteckt" ist relativ. Die Strugatzkis waren in der SU lange teilverboten, weil die Kritik - die heutigen lesern kaum noch auffällt - viel zu offen für das System war, außerdem warf man ihnen vor, "amerikanisch" zu schreiben.

Darüber hinaus hatte SF im Ostblock eine IMHO fundamental andere Funktion als in den westlichen Staaten, eben weil sie metaphorische Räume zur Alltagskritik eröffnete, die die Alltagsliteratur nicht bot. Insofern muss man SF auch als Funktionsliteratur lesen, der sich auch anerkannte Gegenwartsliteraten zugewandt haben als Möglichkeit des Ausweichens vor der Zensur. Da hier die Verhältnisse in den westlichen Staaten fundamental anders waren, kam es dort nie zur Entstehung einer solchen Funktion. SF war damit im Ostblock vielfach (aber natürlich nicht immer) der Satire näher (in den westlichen Staaten dagegen der Odyssee - okay, ich übertreibe).

Und in ost wie West sind viele schlechte und ein paar gute autoren vom Sand der Zeit zugeweht.

Re: SF-Seminar in Karlsruhe

Verfasst: 9. Juni 2019 15:04
von Martian
Ein gutes Beispiel diese "Funktionsliteratur" sind die Timothy Truckle Romane von Gert Prokop: "Wer stielt schon Unterschenkel" (1977) und "Der Samenbankraub" (1983). Beide im Verlag Neues Berlin, in der damaligen DDR erschienen und vergriffen ;-)