Hallo Kollegen!
etwas verspätet kapitel 9:
- "There's no capon so tender as a cock that has been fought to death, just as the best beef comes from a bull that has died in the bull ring and the best venison from a stag the hounds have run all day."
klingt nett, aber widerspricht allem was ich über fleisch weiß ... üblicherweise bringt man wild und nutzvieh möglichst nervenschonend zu tode, weil stress vor dem schlachten/töten sich negativ auf die fleischqualität auswirkt.
llama/pig: als nicht nur eine Hühnerfarm.
ich glaube, das sollte in erster linie ein verweis auf andere wohlbekannte fabeln oder märchen sein; sozusagen eine andeutung eines reicheren geschichtenschatzes im hintergrund. aber es ist auch korrekt, dass es sich nicht nur um eine hühnerfarm gehandelt hat (siehe anfang des kapitels: "It was especially noted for its poultry", also gab's dort auch anderes).
- "It was sunrise, ever the most dangerous time for those who do not do well."
auch etwas kryptisch; als anspielung fiele mir hier Petrus ein ("ehe der hahn dreimal gekräht ...") - was noch?
- die schlüsselszene der geschichte:
'The Pancreator is infinitely far from us,' the angel said. 'And thus infinitely far from me, though I fly so much higher than you. I guess at his desires—no one can do otherwise.'
soll wohl auch heißen, dass keines der geschöpfe gottes letztlich das recht (oder auch nur die fähigkeit) hat, über andere geschöpfe zu richten und zu entscheiden - jedenfalls nicht im namen gottes. auch die höchsten diener führen keine befehle aus, sondern "guess at his desires" - bestenfalls. der leser, dem der hahn an diesem punkt der geschichte hoffentlich leid tut, kann nur zustimmend nicken
kurz zuvor hatte der engel noch gesagt:
“'Now,' said the angel, addressing all the assembled birds, 'you have seen justice done. Be not proud! Be not boastful, for surely retribution will be visited upon you.”
im nachhinein wird klar, dass er nicht als bote gesprochen hat, sondern aus sich heraus. er hat sich wohl gröber ins unrecht gesetzt als der hahn.
ich denke, diese szene ist sehr aussagekräftig, wenn wir sie im gesamtkontext des buchs (oder überhaupt Wolfe's literatur) betrachten.
- "It is a foolish tale we tell our little children, who know nothing but the dust and the farm animals and the sky they see above them. Surely every word of it must make that clear."
gerade der kleine monolog des engels am schluss macht klar, dass es eben keine kindergeschichte ist (die, wie Nessuno richtig anmerkt, mit der moral "hochmut kommt vor dem fall" geendet hätte).
- "If the story I have just told can win, then I shall never disappoint her, at least with my stories. I have a thousand that are better than that."
naja, an hochmut mangelt es Melito nicht - wie seine geschichte zeigt muss das ja aber nichts schlechtes sein ^^
Natürlich hält der Ascier, seine Art zu spechen und Geschichten zu erzählen, für besser als die von Hallvard und Melito. Auch er macht sich letztlich zum Hahn oder anders gesagt: er tut nur das, wofür ihn der Pancreator geschaffen hat.
also in bezug auf menschen (oder andere denkende wesen) würde ich es einigermaßen befremdlich finden, den willen des Pankreators auf die biologischen funktionen zu reduzieren. aber auch ich kann natürlich nur "guess at his desires"
insofern als man als atheist überhaupt solche gedankengänge ernst nimmt (aber zumindest im rahmen von Wolfe's welt müssen wir sie ernstnehmen!)
- "He means you should not judge by the content of the stories, but by how well each was told. I'm not sure I agree with that—still, there may be something in it."
"I do not agree," Hallvard grumbled. "Those who listen soon tire of storyteller tricks. The best telling is the plainest."
eine ewige und unlösbare debatte in der literatur ... wobei man noch zwischen lyrik und prosa unterscheiden müsste. in der erzählenden prosa scheint mir jedenfalls, dass auf dauer die geschichte (also inhalt, charaktere ...) vor der form zählt - wenn man sich ansieht, welche bücher über die jahre stabil verkauft werden und welche nicht mehr aufgelegt werden.
grüße,
Georg