Gene-Wolfe-Lesezirkel Teil 4: The Citadel of the Autarch

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g. b. corner
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Re: Gene-Wolfe-Lesezirkel Teil 4: The Citadel of the Autarch

Ungelesener Beitrag von g. b. corner »

so, jetzt auch meine anmerkungen zu kapitel 7:

- "A year passed. A ship of Erebus came raiding out of the mists, and two ships put in for hides, sea ivory, and salt fish."
das zeigt dass es auch im süden eine "militärische" bedrohung (von wahrscheinlich geringen ausmaßen) gibt; Erebus verfügt auch dort über verbündete oder sogar eigene truppen.

-"The lights that spirits make in the ultimate south flamed all night ..."
anscheinend ist das magnetfeld der erde noch sehr intakt, wenn polarlichter nur im polbereich auftreten.
Eine hübsche Geschichte, zweifellos, aber eigentlich viel zu geradlinig für GW
- für Wolfe mag die geschichte zu geradlinig sein; für Hallvard passt sie meines erachtens nach sehr gut. der einzige "haken" dran (der aber durch Gundulfs geständnis entkräftet wird) wäre die möglichkeit dass es tatsächlich ein unfall war und Anskar aus seinem groll gegen Gundulf heraus dann das seil zerschnitten hat.

grüße,
georg
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Scott Lynch- The Lies of Locke Lamorra

Ja, ich habe was abzuarbeiten.

Re: Gene-Wolfe-Lesezirkel Teil 4: The Citadel of the Autarch

Ungelesener Beitrag von Rafael »

Ich muss auch nochmal kurz was zu Wolfes Helden anmerken, dann bin ich aber wirklich raus :D .

Sir Able konnte ich nie leiden, auch wenn ich ebenfalls eine Außenseiterrolle in der Schule einnahm. Für mich ist ja der gesamte Knight/Wizard eine Reise durch seine Psyche und Gedanken und da unterscheidet sich Able nicht von seinen Altersgenossen. Aber als Mensch hatte ich um diesen brutalen Schläger nie Angst, auch als er vollkommen geläutert und total erwachsen von der Götterebene zurückkehrte und sich als Heiland feiern ließ.

Latro mochte ich auch nicht. ZU distanziert, zu machohaft, wie die meisten von Wolfes Helden.

Silk kenn ich jetzt nicht, aber Pater Chris aus Pirate Freedom mochte ich irgendwie, vielleicht aber weil ich bei dem das Gefühl hatte, dass er trotz seiner brutalen Methoden noch am ehrlichsten mit dem Leser umgeht. Muss das Buch aber nochmal lesen.

Ich sehe in Wolfes Helden, immer Ausbuchtungen von Wolfe selbst und als solche macht er sie natürlich immer unwiderstehlich für alle Frauen(bei Able kann man das aber geschickt erklären, da Triebfantasie eines Hosenscheißers, in dem gerade die Hormone toben), unbesiegbar und stets im Recht(selbst wenn sie Severian heißen) und ich stehe auch ihn als Autor misstrauisch gegenüber, vor allem da ich glaube dass der gute Mann ein wenig homophob ist(widerspricht meinen Ansichten).

Allerdings kann ich ihn nicht in den Kopf schauen, vielleicht ist er ja doch recht weltoffen. Na ja, Schlusssatz: Als Charakterzeichner ist er aus meiner Sicht nicht so der Bringer, aber als Stilist ist er unübertroffen genial, muss ich neidlos zugeben :prima: .
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Re: Gene-Wolfe-Lesezirkel Teil 4: The Citadel of the Autarch

Ungelesener Beitrag von Lichtspruch-an-TRAV »

Hallo Leute!

Einige kurze Anmerkungen zu Kap. 7 "Hallvards Geschichte: Die beiden Robbenjäger/ Hallvards Story - The Two Sealers"

- Wieder mal geht es um Brudermord - bei Wolfe ein beliebtes Thema.
Nessuno hat geschrieben:“Her family hat no more claim on it .. has the portion that came to him from his wife”: offenkundig bringt die Braut das Land als Mitgift mit in die Ehe (vgl. auch später: “my unmarried sisters will have some part too for their marriage portions”). Wie soll man dann das “no more” interpretieren? Ich vermute, dass das Land „unter Vorbehalt“ übertragen wurde und bei Scheidung wieder an die ursprüngliche Familie zurückfiel. Mit dem Tod von Bega gehört das Land aber endgültig Hallvards Großvater. Allerdings gibt es später einen kleinen Widerspruch: einerseits „it shall be diveded among his sons“, andererseits: „my unmarried sisters will have some part too for their marriage portions and only what remained would be divided between my brother and myself“. Vielleicht kann uns ja Gerd aufklären.
Gerne: was der Großvater hier verfügt ist am ehesten mit dem bei uns so beliebten "Berliner Testament" zu vergleichen. Er und seine Frau hatten sich gegenseitig als Erben eingesetzt. Mit dem Ableben von Bega wird der Großvater zunächst Alleinerbe hinsichtlich ihres Vermögens (Begas Familie bliebe - nach deutschem Recht - grundsätzlich unberücksichtigt). Sobald er stirbt fällt die Erbmasse den beiden Onkeln als sog. "Schlusserben" zu gleichen Teilen zu. Allerdings könnte Hallvard (sen.) als (zunächst) übergangener Sohn bei uns zumindest den Pflichtteil einfordern. Da nun mit Versterben der beiden Onkel Hallvard (sen.) Alleinerbe geworden ist, gehe ich - nach Lage der Dinge - davon aus, dass er seine beiden Söhne per Testament als Erben eingesetzt hat und die "enterbten Töchter" ihrerseits den Pflichtteil (= die Häfte des gesetzlichen Erbteils) geltend machen werden. Möglich wäre aber auch, dass der "Alte" überhaupt kein Testament aufgesetzt hat, damit die gesetzliche Erbfolge eingreift und die Kinder zu gleichen Teilen erben. Natürlich wären bei uns "Testamente" - wie auf der Robbeninsel - mangels eigenhändiger Niederschrift und Unterschrift formungültig und damit nichtig. Der Sonderfall eines Nottestaments (§§ 2249 ff. BGB) dürfte vorliegend nämlich nicht einschlägig sein... :-P

- "Now the mainland law avenges bloodguild, which is better."

Das kann einem im Hinblick auf die Selbstjustiz, die auf den Sanguinary Fields geübt wird eigentlich nur ein müdes Lächeln kosten!
Nessuno hat geschrieben:Severian macht einen Wandel zum Guten durch, wenn man es platt ausdrücken will, oder vielleicht besser: er übernimmt Verantwortung für sein Tun und lernt dadurch moralische Maßstäbe zu akzeptieren.
Zustimmung: er ist vielleicht nicht sonderlich sympathisch, aber er bekennt sich zu seiner Identität und hat den festen Willen sich weiter zu entwickeln. Im "Zerberus" haben wir (typisch Wolfe) drei Sev entgegen gesetze Charaktere, die allesamt ihre Identität bekämpfen, abspalten bzw. ein anderer sein wollen. Zuletzt haben sie den Kontakt zu sich selbst verloren. Severian bleibt - das Kompliment muss man ihm machen - sich selber treu.
g. b. corner hat geschrieben: ich war selbst immer der kleinste in der schule und habe mit in der phantasie durchaus öfter ausgemalt was ich mit den anderen anstellen könnte wenn ich "allmächtig" wäre - kommt mir also sehr realistisch vor
Zum Trost Georg: ich war immer der Längste in der Schule und hatte deshalb nicht weniger Komplexe, weil ich nirgendwo mal "untertauchen" konnte. Wie ein "Beglückter" hab' ich mich jedenfalls nicht gefühlt :D
Rafael hat geschrieben:vor allem da ich glaube dass der gute Mann ein wenig homophob ist(widerspricht meinen Ansichten).
Meinen auch! Allerdings muss man Wolfe zugestehen, dass er sich um Differenzierung bemüht und seltenst den moralischen Zeigefinger hebt. Im Gegenteil: bei der Darstellung der eigenen Dämonen schont er sich kein bisschen. Mit Sicherheit hat das Schreiben für ihn auch einen therapeutischen Effekt und seine Bücher wären nicht mal halb so gut, wenn er in diesem Punkt nicht ehrlich wäre!

Grüsse,

Gerd
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g. b. corner
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Re: Gene-Wolfe-Lesezirkel Teil 4: The Citadel of the Autarch

Ungelesener Beitrag von g. b. corner »

- "Now the mainland law avenges bloodguild, which is better."

Das kann einem im Hinblick auf die Selbstjustiz, die auf den Sanguinary Fields geübt wird eigentlich nur ein müdes Lächeln kosten!
aber das Duellieren dort habe ich eher als "sport" betrachtet ... keiner zwingt ja die Duellanten dazu. mit dem justizsystem hat das gar nichts zu tun, oder? Agilus wird ja hingerichtet, weil er einen zuseher ermordet hat, hätte er "nur" seinen duell-partner ums eck gebracht, hätte keiner sich drum gekümmert.
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Re: Gene-Wolfe-Lesezirkel Teil 4: The Citadel of the Autarch

Ungelesener Beitrag von Lichtspruch-an-TRAV »

Hi Georg!

Da hast Du nun wirklich eines meiner Lieblingsthemen angeschnitten :D
g. b. corner hat geschrieben:aber das Duellieren dort habe ich eher als "sport" betrachtet ... keiner zwingt ja die Duellanten dazu. mit dem justizsystem hat das gar nichts zu tun, oder?
Nun ja, eigentlich eine ganze Menge :lehrer:

Bis ins 20. Jhd. war das Duell als sogenannter "Ehrenstreit" gerade in Deutschland und Österreich durchaus noch salonfähig. Immerhin stand es bei uns seit 1871 unter Strafe (wenngleich die Verfolgung in vielen Fällen eher lax gehandhabt wurde). Der Rechtsstaat geht davon aus, dass Leben (auch das eigene) grundsätzlich nicht disponibel ist. Folglich ist dieser "Sport" Selbstjustiz (genau so wie Blutrache oder aktuelle "Ehrenmorde") und kann von keinem Staat, der auf sich hält hingenommen werden.
Interessant übrigens wie in Deutschland Schopenhauer (in Österreich Schnitzler) die Verlogenheit der sogenannten "Satisfaktion" durchschaut haben. Beide gehen davon aus, dass die unterbezahlte (preußische bzw. KuK-) Militärschicht auf diese Weise versucht zusätzliche "Ehre" zu erwerben, letztlich also ihre Minderwertigkeitskomplexe gegenüber dem (reicheren) Bürgertum kompensiert. "Dummer Bub hat er mich genannt, der Bäcker" - genial wie das im Leutnant Gustl dargestellt wird :D
g. b. corner hat geschrieben:Agilus wird ja hingerichtet, weil er einen zuseher ermordet hat, hätte er "nur" seinen duell-partner ums eck gebracht, hätte keiner sich drum gekümmert.
Was gerade beweist, in welch verrottetem Zustand sich das Rechtssystem der Republik (wie die Republik überhaupt) befindet. Severian merkt ja auch an einer Stelle an, dass die Duelle zähneknirschend "von oben" geduldet werden. Einmal um Druck aus der Gesellschaft zu nehmen. Zum anderen zeigt dies aber auch deutlich, dass dem Autarch schlichtweg die Macht fehlt gegen diesen quasi - anarchischen Zustand vorzugehen.

Grüsse,

Gerd
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Re: Gene-Wolfe-Lesezirkel Teil 4: The Citadel of the Autarch

Ungelesener Beitrag von Nessuno »

Ahoj, Kameraden!

IV 8: The Pelerine / Die Pelerine

“but because we knew that those wounded who would die were more liable to do so after the sun set”: Stimmt das? Und vor allem: Woher weiß Severian das? So viel Erfahrung hat er ja noch nicht. Hier scheint GW irgendwie seine Korea-Erfahrung (er wurde ja dort verwundet) eingebracht zu haben.

„watch“: ein Zwanzigstel eines Tages, also 1 Stunde und 12 Minuten, falls ein 24-Stunden-Tag zugrunde liegt. GW behauptet am Ende des Appendix von Claw allerdings: 1 Stunde 15 Minuten. Falls das nicht ein simples Versehen von GW ist, sind die Tage von Urth folglich 25 Stunden lang. Hat sich die Rotationsgeschwindigkeit der Erde verlangsamt? (Es ist übrigens falsch, was Andre-Driussi im Lexicon Urthus s.v. watch behauptet: GW spricht in Otter, S. 20 nur von „one twentieth of an Urth [!] day“, nicht von 1 Stunde 12 Minuten.)

„He has recalled his name.“ Ob Miles tatsächlich diesen Namen trug? Oder wollte er Severian nur beruhigen/loswerden?

“She seemed to be a woman past middle age, with a kindly, austere face”: Kennen wir sie? Eine von Cyriacas Bekannten? Etwa Katharine (just kidding)? Sie ist 29 Jahre volles Mitglied im Orden. Das einzige Ereignis aus dieser Zeit, von dem ich weiß, ist Palaemons Exilierung. Und sie hat ein auffälliges Interesse an den Torturern.

“But it is much better, particularly for men, if they have a home.” Hier spricht die umherwandernde Pelerine.

“got me at the place where the patient's grandfather made his will”: Das mag deswegen wichtig sein, weil die Pelerine nicht mitbekommen hat, dass beide Brüder schworen, nicht zu heiraten.

“and specifically one who already possessed a child, so there would be a larger family for him as soon as there was a family for him at all. He would have regained some part of the time he had lost.” Auf so eine Interpretation muss man erst mal kommen. Wie die Pelerine das Verhalten von Menschen rationalisiert, ist schon großartig von GW geschildert.

“I thought the torturers' guild abolished long ago”: das wurde schon einmal behauptet, oder?

"No doubt, but some centuries ago it was a true guild”: ich würde das so interpretieren, dass damals für eine “echte” Gilde ein Mindestzahl von Mitgliedern, vielleicht auch eine Organisation, ein Matrikelverzeichnis etc. Vorausssetzung waren, um als „Zunft“ anerkannt zu sein und vielleicht auch um bestimmte Privilegen (Steuern etc.) zu genießen. Ist das nicht (mehr) gegeben, wird die Verbindung „informell“, d.h. ohne konkreten rechtlichen Status. Also eine „brotherhood“, wie die Pelerine meint.

“I am, perhaps, mad in certain respects”: GW zündet mal wieder eine Nebelkerze.

"Is there no other form of special authority that you believe yourself to possess?" Das dreifache Beharren der Pelerine auf dem Thema “Autorität” ist schon auffällig.

„ocelot“: in Mittel- und Südamerika lebende Leopardenart.

„carcara“: ein südamerikanischer (!) Raubvogel, eine Falkenart.

“you showed him a small black claw, such as might perhaps have come from an ocelot or a caracara”: Das ist wohl die deutlichste Beschreibung in TBotNS, dass die Gläubigen des Commonwealth mit „claw” das verhornte dunkle Teil am Ende der Extremitäten eines Raubtieres meinten. Georg hat schon mal darauf hingewiesen, dass statt Klaue korrekter mit “Kralle” zu übersetzen sei (auch wenn das Wort im Deutschen in meinen Ohren nicht gut klingt bzw. auch andere Assoziationen erweckt). Man fragt sich allerdings, wie sie sich dann den Conciliator insgesamt vorstellten. Wie einen Engel mit Flügeln und Krallen statt Händen?

„raised many from the dead“: wer übertreibt hier, die Pelerine oder Miles?

„I did not steal it“: so ganz sicher ist das m. M. n. nicht. Vgl. oben.

„as big around as an orichalk“: Falls GW an eine Bronzemünze wie einen römischen As denkt, war die „Ummantelung“ der claw ca. 2-3 cm im Durchmesser. Die Pelerine weiß offenbar nichts vom „Inhalt“ der Claw bzw. hält ihn für einen „flaw at the heart of the jewel“. Merkwürdig. Wie erklärt sie sich dann den Namen und seine Verbindung zum Conciliator?

„epopt“: “An initiate” (GW). Vgl. I 10.

“Quite unexpectedly she smiled, leaned forward, and kissed me”: Intimitäten hat ja Severian meistens (ausschließlich?) mit Mitgliedern seiner eigenen Familie … da die Pelerine als “small figure” beschrieben wird, gehört sie im Zweifelsfall eher in die Dorcas-Linie.

Dass Severian einerseits sich gut fühlt, andererseits stolpert, mag damit zusammenhängen, dass hier wieder Thecla den Körper übernommen hat.

Wenn Emilian mit geschlossenen Augen Theclas/Severians Stimme erkennt, ist er wohl in die Reihe ihrer Liebhaber (neben Aphrodisius, einem Neffen eines Chiliarchen (und Guibert? Vgl. III 16 und IV 2) aufzunehmen.Was macht Emilian hier? Ist er eingezogen worden oder spioniert er vielleicht auf Befehl des Autarchen/Father Inire?

Die wie vielte (gelungene) Heilung haben wir jetzt? Zählt einer mit? Wir haben übrigens wieder das Phänomen, dass Severian danach ausgepowert ist.

„He opened his eyes and screamed“: nicht verwunderlich, wenn er Theclas Gesicht erwartet hat.

“and tried to focus my thoughts on Melito and Foila as well as Emilian—on all the sick in the lazaret. It flickered and was dark.” Warum funktioniert es nicht? Es kam schon bei Baldanders und Jolenta vor, dass der „bewusste“ (im Gegensatz zu dem fast unwillkürlichen) Einsatz der Claw nicht oder nur schlecht funktionierte. Hängt dies – außer vom Objekt – auch noch von anderen Faktoren ab?

Mal wieder sind es die kleinen Details, die Freude an diesem Kapitel machen.

Nessuno
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Re: Gene-Wolfe-Lesezirkel Teil 4: The Citadel of the Autarch

Ungelesener Beitrag von g. b. corner »

Hallo Kollegen!

Kapitel 8:

eine recht humorige situation: die Pelerine kommt sich sehr überlegen vor; sie analysiert Hallvards geschichte für Severian; aber sie nimmt in keiner sekunde seine aussagen ernst oder überhaupt wahr, als er versucht, ihr von der Claw zu erzählen :-?
Dass Severian einerseits sich gut fühlt, andererseits stolpert, mag damit zusammenhängen, dass hier wieder Thecla den Körper übernommen hat.
ja, das "ich" in den folgenden sätzen ist Thecla.

grüße,
Georg
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Re: Gene-Wolfe-Lesezirkel Teil 4: The Citadel of the Autarch

Ungelesener Beitrag von Nessuno »

Ahoj, Kameraden!

Wir kommen zu einer meiner Lieblingsgeschichten, weil sie Wahrheiten, Humor und den gewissen GW-Touch vermischt.
Melito: IV 9: Melito´s Story – The Cock, the Angel and the Eagle

St. Melito galt als Prophet und Schriftsteller, dem viele christliche Schriften zugeschrieben wurden.

„Once not very long ago“: eine klare Parodie auf Märchenanfänge.

„flocks so ducks white as snow ... colorful as parrots”: typisches Märchen-/Utopie-Setting.

“a farmer … a fool he was”: kennen wir ihn? Er hat “family” und scheint recht krude “darwinistische” Vorstellungen zu haben.

“Besides, eating capons saps a man's virility”: Was da wohl der Nachbar gedacht und geantwortet hat?

“torn to ribbons”: wie würdet ihr das übersetzen?

„but the geese said it had been“: unmerklich hat uns GW durch diese endgültig ins Märchenland geführt.

“You could not hope to see anything finer, no, not if you saw the Autarch himself showing off his favorite at the Well of Orchids—the more so since the Autarch is a capon, as I hear it.” Klingt da Kritik am Autarch an? Anscheinend schwirren viele Gerüchte im Volk über den Orchid of Well. Vgl. III 7: “It is said that when the Autarch has a consort—as ours does not—she holds her court there, in the most beautiful place in the world”. Vgl. insgesamt zum Orchid of Well II 10.

“bugs for breakfast”/“Who has ever seen an amazed expression on the face of an owl?”/”The cock flew up and up and up, until he seemed about to pierce the sky, and at last, at the very apogee of his flight, perched himself atop the weathervane on the loftiest gable of the barn—the highest point in the entire farmyard”. Melito hat einen feinen Sinn für Humor.
„but he become too proud“: Anspielung auf das alte griechische Motiv vom Neid der Götter? Es ist wie schon bei Hallvard viel von Herodot in der Geschichte.

teratornis: Vgl. I 35.

llama/pig: als nicht nur eine Hühnerfarm.

„the pig, those whom mos princes choose to help guide their affairs“: macht sich hier GW etwas über Orwells „Farm der Tiere“ lustig?

“for seven is a lucky number”. Die Sieben ist natürlich auch die Unglückszahl.

In der christlichen Symbolik ist die Acht meist eine positive Zahl, die des glücklichen Neuanfangs.

„the angel tore open his breast, and displaying all the qualities therein“: erinnert mich ein wenig an die Büchse der Pandora.

“The truth is that you have argued your way to your own death.” Wohl weil statt des mitleidigen Engels nun ein unerbittlicher Adler (der wahre „König der Vögel“) kämpft.

“'Now,' said the angel, addressing all the assembled birds, 'you have seen justice done. Be not proud! Be not boastful, for surely retribution will be visited upon you.” Eigentlich sollte die Geschichte bereits an dieser Stelle enden. Der Engel gibt selbst die einfachste Erklärung („Hochmut kommt vor dem Fall“, ein Spruch aus der Bibel) für sie. Wie immer bei Wolfe, ist sie nur eine Seite der Medaille. Daher geht die Geschichte auch gleich weiter.

„replaced the ability he had for a time surrendered … and for a time the salt goose followed them.” Mir ist nicht ganz klar, was ich die Passage mit der Wandelfähigkeit interpretieren soll. Und warum erwandelt sich die salt goose nicht zurück? Als Symbol für die „hochfliegende Sehnsucht“?

„I guess at his desires – no one can do otherwise.“ Anscheinend hat der Engel erkannt, dass er den Hahn nicht dafür bestrafen darf, dass dieser ein Hahn ist und sich wie ein Hahn verhält.

“That is the end of the story.“ Ist sie das wirklich? In gewisser Weise geht der Hahnenkampf ja weiter.

“He is not so well as I am, not so strong, and in this way he has drawn a woman's sympathy to himself. It was cunningly done, little cock.” Der Witz ist hier, dass Hallvard sich selber wie ein Gockel aufführt.

"Yes, the worst.” Ob sich nicht auch Melito ein wenig wie der Hahn gebärdet?

Was will der Ascian sagen? Ich glaube nicht, dass es allein um „intonation“ und „how well each [story] was told“ geht. Es geht darum, die für eine Situation passenden „Zitate“ auswählen und zusammenzufügen, um einen neuen Sinnzusammenhang zu stiften. Natürlich hält der Ascier, seine Art zu spechen und Geschichten zu erzählen, für besser als die von Hallvard und Melito. Auch er macht sich letztlich zum Hahn oder anders gesagt: er tut nur das, wofür ihn der Pancreator geschaffen hat. Ich interpretiere daher das Kapitel so, dass GW eine allgemein gültige Weisheit auf mehreren Ebenen erzählen will. Letztlich gelingt es ihm sogar, diese Ebenen miteinander zu verschmelzen, sodass man nicht erkennt, dass die „Fabel“ der Geschichte auf einer anderen, „Metaebene“ weitergeht.

Nessuno

Nachtrag: In V 21 kommt Severian nochmals auf die Geschichte zu sprechen: „When I could speak again, I said, "Sieur, it is a foolish question. But once I heard two tales of shape-changers, and in one an angel--and I think that you, sieur, are such an angel--tore open his breast and gave the power he had to change his shape to a barnyard goose. And the goose used it at once, becoming a swift salt goose forever. Last night, the lady Apheta said I might not go lame always. Sieur [Tzadkiel], was he--was Melito--instructed to tell me that story?"”
Omnis clocha clochabilis, in clocherio clochando, clochans clochativo clochare facit clochabiliter clochantes. Parisius habet clochas. Ergo gluc (Rabelais).
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Re: Gene-Wolfe-Lesezirkel Teil 4: The Citadel of the Autarch

Ungelesener Beitrag von g. b. corner »

Hallo Kollegen!

etwas verspätet kapitel 9:

- "There's no capon so tender as a cock that has been fought to death, just as the best beef comes from a bull that has died in the bull ring and the best venison from a stag the hounds have run all day."
klingt nett, aber widerspricht allem was ich über fleisch weiß ... üblicherweise bringt man wild und nutzvieh möglichst nervenschonend zu tode, weil stress vor dem schlachten/töten sich negativ auf die fleischqualität auswirkt.
llama/pig: als nicht nur eine Hühnerfarm.
ich glaube, das sollte in erster linie ein verweis auf andere wohlbekannte fabeln oder märchen sein; sozusagen eine andeutung eines reicheren geschichtenschatzes im hintergrund. aber es ist auch korrekt, dass es sich nicht nur um eine hühnerfarm gehandelt hat (siehe anfang des kapitels: "It was especially noted for its poultry", also gab's dort auch anderes).

- "It was sunrise, ever the most dangerous time for those who do not do well."
auch etwas kryptisch; als anspielung fiele mir hier Petrus ein ("ehe der hahn dreimal gekräht ...") - was noch?

- die schlüsselszene der geschichte:
'The Pancreator is infinitely far from us,' the angel said. 'And thus infinitely far from me, though I fly so much higher than you. I guess at his desires—no one can do otherwise.'
soll wohl auch heißen, dass keines der geschöpfe gottes letztlich das recht (oder auch nur die fähigkeit) hat, über andere geschöpfe zu richten und zu entscheiden - jedenfalls nicht im namen gottes. auch die höchsten diener führen keine befehle aus, sondern "guess at his desires" - bestenfalls. der leser, dem der hahn an diesem punkt der geschichte hoffentlich leid tut, kann nur zustimmend nicken :)
kurz zuvor hatte der engel noch gesagt:
“'Now,' said the angel, addressing all the assembled birds, 'you have seen justice done. Be not proud! Be not boastful, for surely retribution will be visited upon you.”
im nachhinein wird klar, dass er nicht als bote gesprochen hat, sondern aus sich heraus. er hat sich wohl gröber ins unrecht gesetzt als der hahn.
ich denke, diese szene ist sehr aussagekräftig, wenn wir sie im gesamtkontext des buchs (oder überhaupt Wolfe's literatur) betrachten.

- "It is a foolish tale we tell our little children, who know nothing but the dust and the farm animals and the sky they see above them. Surely every word of it must make that clear."
gerade der kleine monolog des engels am schluss macht klar, dass es eben keine kindergeschichte ist (die, wie Nessuno richtig anmerkt, mit der moral "hochmut kommt vor dem fall" geendet hätte).

- "If the story I have just told can win, then I shall never disappoint her, at least with my stories. I have a thousand that are better than that."
naja, an hochmut mangelt es Melito nicht - wie seine geschichte zeigt muss das ja aber nichts schlechtes sein ^^
Natürlich hält der Ascier, seine Art zu spechen und Geschichten zu erzählen, für besser als die von Hallvard und Melito. Auch er macht sich letztlich zum Hahn oder anders gesagt: er tut nur das, wofür ihn der Pancreator geschaffen hat.
also in bezug auf menschen (oder andere denkende wesen) würde ich es einigermaßen befremdlich finden, den willen des Pankreators auf die biologischen funktionen zu reduzieren. aber auch ich kann natürlich nur "guess at his desires" :lol: insofern als man als atheist überhaupt solche gedankengänge ernst nimmt (aber zumindest im rahmen von Wolfe's welt müssen wir sie ernstnehmen!)

- "He means you should not judge by the content of the stories, but by how well each was told. I'm not sure I agree with that—still, there may be something in it."
"I do not agree," Hallvard grumbled. "Those who listen soon tire of storyteller tricks. The best telling is the plainest."
eine ewige und unlösbare debatte in der literatur ... wobei man noch zwischen lyrik und prosa unterscheiden müsste. in der erzählenden prosa scheint mir jedenfalls, dass auf dauer die geschichte (also inhalt, charaktere ...) vor der form zählt - wenn man sich ansieht, welche bücher über die jahre stabil verkauft werden und welche nicht mehr aufgelegt werden.

grüße,
Georg
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Re: Gene-Wolfe-Lesezirkel Teil 4: The Citadel of the Autarch

Ungelesener Beitrag von Lichtspruch-an-TRAV »

Hallo Leute!

Mehr als verspätet ein paar Anmerkungen zu Kap. 8/ 9

Kapitel VIII: "The Pelerine/ Die Pelerine"
Nessuno hat geschrieben:Wie die Pelerine das Verhalten von Menschen rationalisiert, ist schon großartig von GW geschildert.
Stimmt - und dieser tiefgehende Blick in die Abgründe der Männerseele :evil: dürfte - wieder mal - stark autobiographische Züge tragen.
Nessuno hat geschrieben:“I thought the torturers' guild abolished long ago”: das wurde schon einmal behauptet, oder?
Vom "Lochage" im ersten Buch (glaube ich). Die Pelerine ist ihm nicht unähnlich: beide sind gute Beobachter und besitzen eine erstaunliche Menschenkenntnis.
Nessuno hat geschrieben:Man fragt sich allerdings, wie sie sich dann den Conciliator insgesamt vorstellten. Wie einen Engel mit Flügeln und Krallen statt Händen?
Das dürfte realistisch sein: die Figur des "Schlichters" besitzt viele unheimliche Züge. Ich stelle ihn mir eher wie so eine Art "Todesengel" vor (was bestens zu Severian und seinem makabren Broterwerb passt).

Interessant auch die Worte:""The Conciliator was a man, Severian the Lictor, and not a cat or a bird".

Ein Wortspiel. Spricht die Pelerine Severian nur mit seinem Namen an - oder weiß sie vielleicht doch viel mehr über ihn? Außerdem wissen wir von Dorcas, dass der Schlichter in alten Legenden häufig in Tiergestalt erscheint...
Nessuno hat geschrieben:Was macht Emilian hier? Ist er eingezogen worden oder spioniert er vielleicht auf Befehl des Autarchen/Father Inire?
Möglich wäre auch, dass er "strafversetzt" wurde. Wenn Emilian mit Thecla zu tun hatte, dann war er sicherlich auch Teil der Kamarilla die gegen den Autarchen intrigiert. Erfahrener Herrscher der er ist, entledigt er sich seiner Widersacher langsam, geräuschlos und der Reihe nach.

Kapitel IX: "Melitos Story/ Melitos Geschichte"

Eine hübsche kleine Fabel! Die Hybris und - unnötig - harte Bestrafung des kleinen Hahns erinnern deutlich an die griechische Sage.
Nessuno hat geschrieben:“The truth is that you have argued your way to your own death.” Wohl weil statt des mitleidigen Engels nun ein unerbittlicher Adler (der wahre „König der Vögel“) kämpft.
Sehr "engelhaft" ist das zumindest nicht. Schon vorher bekam es der Hahn mit der Angst zu tun und versuchte den Zweikampf mit allen Mitteln zu vermeiden. Das hätte einem "mitleidigen Engel" eigentlich genügen sollen und er hätte damit sicher mehr Größe gezeigt.

Es endet, wie es enden muss: der Adler hat den tapfer kämpfenden Hahn besiegt. Doch während z.B. Marsyas von Apollon zur Strafe gehäutet wurde konnte unser Hahn seine Federn retten "But as you value your honour, never say that you have beaten me." Er behält seine Ehre und bleibt - in gewisser Weise - der moralische Sieger.
g. b. corner hat geschrieben:“'Now,' said the angel, addressing all the assembled birds, 'you have seen justice done. Be not proud! Be not boastful, for surely retribution will be visited upon you.”
im nachhinein wird klar, dass er nicht als bote gesprochen hat, sondern aus sich heraus. er hat sich wohl gröber ins unrecht gesetzt als der hahn.
Stimmt! Wolfes Engel sind nicht frei von Widersprüchen. Später werden wir erfahren, dass Tzadkiels Macht durchaus ihre Grenzen hat und im "braunen Buch" stirbt ein Engel, der sich bis dato für unsterblich hielt an einer Wunde, die ihm von einem Kinderpfeil zugefügt wurde...

Grüsse,

Gerd
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Re: Gene-Wolfe-Lesezirkel Teil 4: The Citadel of the Autarch

Ungelesener Beitrag von Nessuno »

Ahoj, Kameraden!

IV 10: Ava/Ava

“While I was ill I had never paid much attention to the people who brought our food, though when I reflected on it I was able to recall them clearly, as I recall everything”: eine Variante unseres running gag.

“Postulant”: Einer, der vor dem Eintritt in einen Orden/Noviziat eine Probezeit absolviert”. Auch Cyriaca war eine.

„gray-eyed“: kommt, glaube ich, nirgendwo sonst in TBotNS vor, was an sich schon auffällig ist. GW hat es mit den Augen und ist (mit einer Ausnahme, die wir noch besprechen werden) sehr konsistent.

“I saw her smile.” Lächelt Ava, weil sie auch aus Nessus stammt oder weil in Nessus vielleicht nicht rekrutiert wird?

nocturne = Einbruch der Dunkelheit. Wie würdet ihr diesen Satz übersetzen: “I've nothing more to do until the nocturne must be played anyway”?

“We used to go there and watch”: Mit dem “we” dürften wegen des Verbotes wohl eher Geschwister als Freunde gemeint sein.

"But you lived. It's better, surely, to lose and live than to take another man's life”: GW´s auffälliger sense of humour.

“There was a sweetness in her face that I have not seen in the faces of other women. For a moment she stroked my skin”. Die Intimität deutet m.E. auf Verwandtschaft (s.u.).

„exultant in masquerade“: diese Vermutung wahrscheinlich wegen Severians Größe.

someone threw a cudgel: Hildegrin.

Wie lange lag der Kampf zurück? Kaum länger als ein Jahr, oder? Wenig Zeit, um sich den Pelerinen anzuschließen, die ja ohnehin zur selben Zeit Nessus verlassen haben.

„a lot of argument about legalities“: Gemeint ist wahrscheinlich, dass Agilus vor dem Duell seinen Helm nicht abnehmen wollte.

„I shall be honored“ ... Severian ist nicht eitel/beleidigt und zeigt einen gewissen Sinn für Humor.

Optimate´s daughter: Wir kennen noch die Optimatinnen Dorcas und Marcellina.

“I'm told some optimates think all they have to do is make a large gift and their girls will be accepted”: Anscheinend gilt die Aufnahme in den Pelerinen-Order als sehr hohe Auszeichnung. Und anscheinend steht Avas Vater in gutem Verhältnis mit ihnen. Auffällig ist, dass die Aufnahme praktisch zur selben Zeit wie Severians Duell stattgefunden hat. Bedenkt man auch noch die lokale Nähe, gibt es da wohl einen Zusammenhang. Nur welchen? Cyriacas Kontakt mit den Pelerinen heißt „Einhildis“ (falls Cyriaca nicht gelogen hat) und muss mindestens schon 15 Jahre dort leben. Ava, die als girl und postulant beschrieben wird, scheidet also aus. In Urth wird sich Severian nochmals kurz an sie erinnern: “I thought then of Ava, and what she had said to me: "„You're a materialist, like all ignorant people. But your materialism doesn't make materialism true“." Little Ava had died with Foila and the rest. "Nothing," I muttered. "I know nothing of the anima."” Wenn Ava in Severians Stammstamm gehört, dann wohl am ehesten über Dorcas oder besser Ouen, der ja nicht weit vom Sanguary Field aufgewachsen ist und dort arbeitet. Dieser erwähnt einmal (IV 37): “helping a certain optimate with his affairs”.

„not really as corrupt as people like to believe“: Über solche Logik muss man einfach schmunzeln.

Severian is one of those brother—sister names, isn't it? Severian and Severa. Do you have a sister?" Deutlicher wird GW kaum.

Conexa: Pelerinenrang nach LU, aber Belege dafür finde ich nicht. Wahrscheinlich war die Aufseherin der postulants. Vielleicht ist sie auch die von Cyriaca erwähnte Pelerine: „Our director of postulants had that look.“

Epicharis: sonst nicht erwähnt; es gibt sowohl einen männlichen als auch einen weiblichen Heiligen mit diesen Namen.

“But it isn't murder for a man to kill one”: überraschende Behauptung, aber, wenn ich mich recht entsinne, für manche Mittelalterorden durchaus korrekt.

"Do you think that if something—some arm of the Conciliator, let us say—could cure human beings, it might nevertheless fail with those who are not human?" Leider erhalten wir keine Antwort auf diese Frage.

“we're not supposed to when people outside the order are around.” Immerhin darf man es, wenn man unter sich ist.

“she didn't think you would ever hurt anyone” / “That's what they all tell me, and it isn't true, and even if it were, this isn't that": ziemlich humorig, dieses Kapitel.

“insurgent captives”: Vodalarii.

„out of control“: scheint aber nicht immer der Fall zu sein, man denke z.B. an Ultan. Hm, vielleicht doch kein überzeugendes Beispiel ...

"Then don't you see? It did bring her back. You just said it could act without your even knowing it. You had it, and you had her, rotting, as you say, inside you." Interessantes Argument. Dann ware also nicht Severians perfektes Gedächtnis, sondern die claw die Ursache für Theclas dauerhafte Präsenz in ihm. Bedenkenswert gerade für die, die der claw besondere Kraft zusprechen.

„It was peaceful“: Anscheinend sind die Pelerinen auch nicht immum gegen die Auswirkungen des Krieges, die sie tagtäglich miterleben.

„A thorough man, rather”: trotz ihrer Jugend und ihrer teilweise merkwürdigen Ansichten über Politik ist Ava ein heller Kopf.

“It seems to me that it should be more than mere chance, though perhaps the link is something I cannot know." In der Tat, mir ist auch schleierhaft, wann die claw funktioniert und wann nicht.

„I would expect that“. Hm, aber was ist mit dem Uhlan?

„The powers of healing protect us from Nature.“ Wie ist das hier konkret in Bezug auf die claw gemeint?

„to someone who seemed at times within me and at times, as the angel had said, infinitely remote”. Ähnlich hat wohl Silk in “Long Sun” in Bezug auf den Outsider empfunden.

Nessuno
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g. b. corner
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Re: Gene-Wolfe-Lesezirkel Teil 4: The Citadel of the Autarch

Ungelesener Beitrag von g. b. corner »

Hallo Leute!

kapitel 10:
“I saw her smile.” Lächelt Ava, weil sie auch aus Nessus stammt oder weil in Nessus vielleicht nicht rekrutiert wird?
sicher ersteres - aber in Nessus wird, wenn überhaupt, dann nur sporadisch rekrutiert, wie Severians folgende bemerkungen zeigen. in Saltus hat Severian truppenbewegungen nach norden gesehen; die dürften also von weiter südlich gekommen sein. möglich ist auch dass in Nessus nur für die stadteigenen truppen rekrutiert wird.

- "She touched my arm ..."
später wird sie ihm auch noch die brust streicheln ... der womanizer schlägt wieder zu :prima: - dass sie mit ihm verwandt ist möchte ich aber nicht daraus schließen.
nocturne = Einbruch der Dunkelheit. Wie würdet ihr diesen Satz übersetzen: “I've nothing more to do until the nocturne must be played anyway”?
http://de.wikipedia.org/wiki/Nocturne_%28Musik%29

- die schilderung des duells aus Avas perspektive zeigt deutlich die unterschiedliche wahrnehmung des selben sachverhalts durch verschiedene teilnehmer/zeugen und damit eines der kernthemen von Wolfe - was ist (wenn es denn so etwas überhaupt gibt) die eigentliche realität und wie nehmen wir sie wahr bzw. interpretieren sie? immer wieder finden wir bei Wolfe solche szenen wo ein charakter einem anderen szenen schildert oder ein gespräch wiederholt/analysiert, das wir eigentlich aus anderer perspektive kannten.
"Do you think that if something—some arm of the Conciliator, let us say—could cure human beings, it might nevertheless fail with those who are not human?" Leider erhalten wir keine Antwort auf diese Frage.
naja, Severian wird doch sehr deutlich wenn er z.b. an Jolenta erinnert oder Jonas.

"If it's possible for someone to lose his humanity, surely it must be possible for something that once had none to find it. What one loses another finds, everywhere."
kurz nach der ermahnung schon wieder eine sehr materialistische betrachtungsweise - und natürlich an den haaren herbeigezogen.

- "Our Domnicellae had it burned just before I came to the order."
beim betreffenden kapitel hatte ich noch zweifel (http://forum.sf-fan.de/viewtopic.php?f= ... &start=236) aber offenbar war der brand absicht.

grüße
Georg
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Re: Gene-Wolfe-Lesezirkel Teil 4: The Citadel of the Autarch

Ungelesener Beitrag von Lichtspruch-an-TRAV »

Hallo Leute!

Kap. X "Ava"
g. b. corner hat geschrieben: “I saw her smile.” Lächelt Ava, weil sie auch aus Nessus stammt oder weil in Nessus vielleicht nicht rekrutiert wird?sicher ersteres - aber in Nessus wird, wenn überhaupt, dann nur sporadisch rekrutiert, wie Severians folgende bemerkungen zeigen. in Saltus hat Severian truppenbewegungen nach norden gesehen; die dürften also von weiter südlich gekommen sein. möglich ist auch dass in Nessus nur für die stadteigenen truppen rekrutiert wird.
Dem würde ich grundsätzlich zustimmen. Stutzig macht mich lediglich das "I' m afraid" in Severians Antwort (Die Übersetzung macht daraus "Meine Vaterstadt ist leider Nessus." Ava interpretiert dies möglicherweise als ungelenken Versuch des "fishing for compliments". So mancher Franzose würde sich lächerlich machen, wenn er in der "Provinz" behauptete "nur" aus Paris zu kommen. Dort zu wohnen beinhaltet (immer noch) viel Prestige. Ein Glück nur, dass das mit Berlin so ganz anders ist :D

Aus Nessus dürfte außerdem der gesamte Generalstab kommen - und natürlich der Autarch, der höchstpersönlich bei den Truppen eingetroffen ist. Vor diesem Hintergrund denke ich, dass Severian einfach ein bisschen vor den "Landpomeranzen" angeben möchte...

"Ascians are not human".

Eigentlich hat diese Aussage fast schon faschistoide Züge. Erst später wird klar, was Ava mit dem Verlust der Menschlichkeit konkret verbindet: "There are others who lose their's without intending to, often when they think, they are enhancing it (...). Still others, like the Ascians, have it stripped from them."

Später werden wir feststellen, dass es den Asciern mehr und mehr gelingt sich der gedanklichen Gleichschaltung durch Abaia zu entziehen. Um mit Avas Worten zu sprechen: die Ascier gewinnen ihre Menschlichkeit Stück für Stück zurück, woran sie auch die "Newspeak" der Megatheriums nicht dauerhaft zu hindern vermag.
Nessuno hat geschrieben:"Then don't you see? It did bring her back. You just said it could act without your even knowing it. You had it, and you had her, rotting, as you say, inside you."
Ironie, dass Severian erst jetzt diese neue Variante in Betracht zu ziehen scheint. Nach seiner abgrundtiefen Verzweiflung darüber Theklas Auferweckung "verpasst" zu haben scheint er nun zu begreifen, dass es keinen Anlass zu Selbstvorwürfen gibt. Dank Ava kann unser Held wahrscheinlich - nach langer Zeit - Frieden mit diesem Aspekt seiner Vergangenheit machen.

Grüsse,

Gerd
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g. b. corner
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Re: Gene-Wolfe-Lesezirkel Teil 4: The Citadel of the Autarch

Ungelesener Beitrag von g. b. corner »

Ich bin die nächsten Wochen in England unterwegs ... werd das Notebook mitnehmen aber weiß nicht ob ich viel zum posten komme!

Georg
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Re: Gene-Wolfe-Lesezirkel Teil 4: The Citadel of the Autarch

Ungelesener Beitrag von Nessuno »

g. b. corner hat geschrieben:Ich bin die nächsten Wochen in England unterwegs ... werd das Notebook mitnehmen aber weiß nicht ob ich viel zum posten komme!

Georg
Viel Spaß, Georg!

Nessuno
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