Mit Interesse gelesen:
Lauren Beukes - "Moxyland"
Die Handlung spielt in der näheren Zukunft in Südafrika. Die Welt wird überwiegend von kommerziellen Konzerninteressen beherrscht; staatliche Institutionen sind da eher nützliche Helfer. Vor diesem Hintergrund werden die Mikrodramen des Lebens von vier Personen geschildert und deren Kontaktpunkte im Geschehen des Romans. Da sind die (Kunst-)Fotografin Kendra, die sich einem solchen Konzern verkauft und eine Nanobots-Behandlung erhält, welche sie sowohl zur laufenden Werbefläche als auch gesünder und widerstandsfähiger macht. Der Podcaster/Youtuber Moby, der in erster Linie genußvoll seinen Vorteil aus allem ziehen will, aber eigentlich an der finanziellen Nabelschnur seiner reichen Mutter hängt. Der Sozialarbeiter und Möchtegernrevolutionär Tendeka, der sich um recht- und mittellose Straßenkinder kümmert und die Sabotage einer multimedialen Werbetafel bereits als Akt der Rebellion versteht. Zuletzt Lerato, eine hochbegabte Programmiererin, die gelegentlich - mehr aus Abenteuerlust und Nervenkitzel denn aus politischem Interesse - ihre Befähigung und ihre Möglichkeiten als Angestellte eines mittelgroßen Konzerns nutzt, um etwa Moby oder Tendeka zu helfen.
Alle diesem Menschen versuchen in einer Welt zu bestehen, die so irgendwo zwischen "Blade Runner", "Snow crash" und Doctorows "Little Brother" angesiedelt ist. Das Szenario ist also dystopisch und in diesem Kontext ziemlich gut dargestellt. Überhaupt ist die Stimmungsdichte etwas, das den Roman gelungen macht. Dazu hat Beukes, deren Roman im Original schon 2008 erschien, einige technische Entwicklungen, etwa die Bedeutung von Smartphones, ziemlich gut antizipiert. Die schlimmste Strafe, die einen Bewohner in der geschilderten Welt treffen kann, ist "entschärft" zu werden, was vor allem ein Abschalten bzw. Zerstören seines Handys bedeutet. So "entschärft" kann man nichts mehr bezahlen, viele Türen öffnen sich nicht mehr, man kann keine Verkehrsmittel mehr benutzen, nicht mehr kommunizieren usw ... (Nicht so weit weg von unserer näheren Zukunft, befürchte ich).
Achtung: Im Spoiler wird der Romanschluss verraten.
Mich hat erst im Nachhinein beeindruckt, wie gut man alle die Ereignisse im Roman verstehen und (wieder-)erkennen kann, wenn man Bezüge zu unserer Gegenwart herstellt. Personenzeichnung und Spannung sind nur gehoben durchschnittlich. Ambiente und Durchdringung des Stoffes sind hingegen sehr gelungen. Ich empfehle den Roman.
8 von 10 Türkenzucker-Joints
Es grüßt
Lensman