Durch mit Michael K. Iwoleit: Der Moloch
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(Der Roman basiert auf der Titelnovelle der von Helmuth W. Mommers herausgegebenen Anthologie "Der Moloch und andere Visionen", dem vierten und leider letzten Band der "Visionen"-Anthologien-Reihe. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, dann löst sich der Roman bezüglich Plot und der Art und Weise, wie das Thema behandelt wird, deutlich von der Keimzelle. Ich hoffe, Ender lässt das als Neuerscheinung gelten.)
Im Jahre 2032 ereignen sich seltsame Dinge in den Rheinuferslums. Der dort gestrandete Bodensatz einer kapitalistischen Gesellschaft findet sich plötzlich zusammen zu äußerst koordinierten und zielgerichteten Kooperationen, deren Ziel dem oberflächlichen Betrachter unklar bleibt. Die Journalistin Sina Anders stößt auf Hinweise, dass in den unterirdischen Katakomben grausame medizinische Experimente an den wie Sklaven gehaltenen Menschen stattfinden sollen. Als sie weiter bohrt, gerät sie in den Strudel einer weitreichenden Verschwörung.
Diese Bilder. Wortstark beschreibt Iwoleit die heruntergekommenen Rheinuferslums, wobei er seine Düsseldorfer Ortskenntnis voll ausspielt. Die NRW-Landeshauptstadt besteht nicht nur aus der Königsallee (in der eine zentrale Szene des Romans spielt), sondern auch aus weniger geleckt-glänzenden Vierteln. Iwoleit lässt interessante Figuren auftreten, die meist irgendein Geheimnis mit sich herumtragen. Auch die Beschreibung von mehr oder weniger funktionierender Elektronik, Netzwerk- und Überwachungstechnik gerät überzeugend und eindrücklich. Den Zustand und das Alter elektronischer Produkte zur Charakterisierung des sozialen Status' der handelnden Personen zu nutzen - das ist mir noch nie so deutlich untergekommen.
Zum großen Showdown kommt es in einem apokalyptischen Wuppertal, das nach einem biotechnischen Unfall nahezu vollständig zerstört ist. Was hat dem Autor seine neue Heimat angetan, dass er sich literarisch derart an ihr rächen musste?
Der Kampf gegen die Verschwörer wird an zwei Fronten geführt - in der Realität und in der Virtualität. Großartig die letzten drei Seiten, als Sina aus dem nanotechnisch infizierten Wahn einer Kollektivexistenz erwacht.
Ich erinnere mich, dass mich die ursprüngliche Novelle damals nur mäßig begeistert hat, vor allem im Vergleich zu Iwoleits Meisterwerken "Wege ins Licht" und "Ich fürchte kein Unglück". Die damals empfundenen Mängel hat er in der Romanfassung, eine deutliche Überarbeitung der Novelle, ausgemerzt.
Klare Leseempfehlung.
Sollte Ender "Der Moloch" als Neuerscheinung anerkennen, habe ich nun 6 von 7 Forderungen der Lesechallenge erfüllt. Der Liu wird im September den Abschluss bilden.
Gruß
Ralf
PS: Was beim Lesen irgendwann störte, waren die beim Drucksatz reingekommenen, teilweise eigenwilligen Worttrennungen wie "Verbrechern-achwuchs", "vers-timmt", "vers-cheuchen"...
( X) Roman-Neuerscheinung aus 2019: Michael K. Iwoleit "Der Moloch"
(X) Kurzgeschichtensammlung: Peggy Weber-Gehrke (Hg.) "Sprung ins Chronozän"
(X) Preisträger von 1987: Jerry Yulsman "Elleander Morning" (Kurd-Laßwitz-Preis für den "Besten internationalen Roman" 1987)
(X) Buch von Arthur C. Clarke "Die letzte Generation" (orig. "Childhood's End")
( ) im Original nicht deutsch- oder englischsprachiges Buch
(X) Buch mit dem Wort "Planet" im Titel: H.G. Ewers "Planet der Veteranen"
(X) Handlung mehr als 1000 Jahre in der Zukunft: C. Redzich "Ein Besuch auf dem Mars im Jahre 3000"