Der "Liest zur Zeit" Thread

Science Fiction in Buchform
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Teddy
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Teddy »

Wrong hat geschrieben: 16. August 2017 12:12 Habe mich durch den zähen Larry Niven: Ringwelt durchgebissen. War so naja, für mich kein richtiger Klassiker, eher ein Kind seiner Zeit.
Endlich sagts mal einer. Ich habe nie verstanden, was alle Welt von diesem Roman eines allenfalls durchschnittlich begabten Autors hält.
Wrong hat geschrieben: 16. August 2017 12:12 Danach kam Cormac McCarthy mit dem letzten Band der Boarder-Trilogie "Land der Freien". Figuren und Landschaftsbeschreibungen sind wieder richtig top. Bin ja literarisch eher der Naturalist statt Urbanist. Gibt`s das? Lese McCarthy chronologisch. Bald ist die Morgenröte dran.
Geht es bei den Folgebänden der Boarder-Trilogie eigentlich mit den selben Figuren weiter oder ist das nur eine lose zusammenhängende Trilogie, die ähnliche Themen verbindet?
Wrong hat geschrieben: 16. August 2017 12:12 Nach dem Licht kam wieder Schatten, da ich ja so auf New York-Romane abfahre, habe ich mir die kostspieleige HC-Ausgabe von Hanya Ynagiharas "Ein wnig Leben" zugelegt. Der Anfang ging noch. Aber dann wurde es mir zu kitschig. Zu viel Vergebung, zu viel Nächstenliebe, usw. Wieder `mal ein Abbruch, diesmal auf sogar Seite 547.
Schade. Den Roman habe ich auch auf die Liste gesetzt und nur deshalb nicht gekauft, weil er so schrecklich dick ist.
Wrong hat geschrieben: 16. August 2017 12:12 2. Hao Jingfang: "Peking falten" - Zufällig am Flughafen in die Finger gekriegt. Super Erzählung, manche Romane sind so endlos lang und dann diese geniale Idee auf so wenig Seiten. Beste Sci-Fi. Behalte die Autorin im Auge.
Wie interessant! Ich hatte gar nicht mitbekommen, dass die Novelle übersetz wurde. (Wobei das Büchlein recht teuer geraten ist.)
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lapismont
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von lapismont »

Teddy hat geschrieben: 16. August 2017 18:40
Ender hat geschrieben: 16. August 2017 09:49
Teddy hat geschrieben: 16. August 2017 00:40Charles Dickens - Oliver Twist
Einer der vielen Klassiker, die ich auch immer mal lesen wollte ...
Im Nachhinein würde ich lieber "Große Erwartungen" oder "David Copperfield" von Dickens lesen. Die scheinen auch das größere Renommee zu haben. Bei "Oliver Twist" haben, wie gesagt, die Figuren nicht völlig überzeugt.
Mag sein. Dickens ist ja nicht nur Figurenbeschreibung. Aber in der Tat ist eine Figur wie Uriah Heep aus David Copperfield schon eine ganz besondere Sache.
Ich fand auch Klein Dorrit sehr einnehmend.
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von lapismont »

Teddy hat geschrieben: 16. August 2017 18:58
Wrong hat geschrieben: 16. August 2017 12:12 Habe mich durch den zähen Larry Niven: Ringwelt durchgebissen. War so naja, für mich kein richtiger Klassiker, eher ein Kind seiner Zeit.
Endlich sagts mal einer. Ich habe nie verstanden, was alle Welt von diesem Roman eines allenfalls durchschnittlich begabten Autors hält.
Man sollte schon die Zeit betrachten, aus der der Roman stammte. Der Roman ist eines seiner ersten Werke und enthält schon etliche coole Ideen.
Aber ganz besonders in Hinsicht auf seine Zusammenarbeit mit Pournelle und dem Splitter im Auge Gottes sollte man Niven nicht leichtfertig abtun.
:beanie:
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Lensman »

Kleiner Überblick über die vergangenen Wochen, die ansonsten eher von Fachliteratur geprägt waren:


SF leider nur wenig:

China Mieville: "Dieser Volkszähler"
Hat mich insgesamt nicht überzeugt und wäre als etwas längere Kurzgeschichte vielleicht noch akzeptabel; so erscheint es mir mehr als eine auf Romanlänge ausgedeeeeehnte Fingerübung des Verfassers. Kann man lesen, muss man aber nicht.

Ben Aaronovitch: "Der Galgen von Tyburn"
Das ist der sechste Band um den Londoner Zauberpolizistenlehrling. Wie bei vielen solchen Serien schleißen sich die Pointen doch erkennbar ab. Am meisten nervt mich hierbei, dass der Bösewicht am Ende auf mysteriöse Weise doch entkommt. Einmal, als Cliffhänger, lasse ich das durchgehen, aber hier jetzt zum dritten oder vierten Mal ... sorry, aber das ist einfallslos.
Als Strandlektüre ok, aber die beiden ersten Bände der Reihe waren definitiv besser.


Sonstige Belletristik:

Roger Willemsen: "Wer wir waren"
Essayistische Rede, die Roger Willemsen bei einem seiner letzten öffentlichen Auftritte gehalten hat. Diente wohl der Vorbereitung zu einem neuen Buch. Zu Beginn etwas dröge und erkennbar nicht als Leseschrift verfasst. In der zweiten Hälfte sehr interessant und denkanregend. Würde im Forum gut in den Thread über die fehlenden positiven Zukunftsentwürfe passen.
Für Leute, die sich für Utopien/Dystopien interessieren, eine Empfehlung.

David Foster Wallace: "Der bleiche König"
Letzter unvollendeter Roman des Verfassers. Als Fragment veröffentlicht. In Teilen sehr lesenswert, in anderen Teilen schwach oder eben erkennbar unvollendet. Wem "Unendlicher Spass" gefallen hat, wird auch mit "Der bleiche König" klarkommen, aber es erreicht nicht gleiche Qualität. Der Blick von D. F. Wallace auf die amerikanische Gesellschaft bleibt trotzdem außerordentlich lesenswert.
Empfehlenswert vor allem für erfahrene D. F. Wallace Leser.

Björn Ingvaldsen: "Tote Finnen essen keinen Fisch"
Hat mich stark an "Der 100jährige, der aus dem Fenster stieg .." erinnert, erreicht aber nicht dessen (auch nur mittelmäßige) Qualität. Habe ich nach rund einem Drittel wegen Einfallslosigkeit und mir unerträglichem Slapstick-Humor abgebrochen.

John Niven: "Straight white male"
Bislang die unterhaltsamste Lektüre des Sommers. Voller anzüglich-schmutzigem aber durchaus hintergründigem Humor und präzisem Wortwitz. Dazu gut und spannend erzählt. Ich habe an verschiedenen Stellen laut gelacht und das Buch an einem Tag unter Vernachlässigung anderer Pflichten komplett gelesen. Das schaffen nur gute Bücher, daher eine klare Empfehlung.


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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Teddy »

lapismont hat geschrieben: 16. August 2017 19:31
Teddy hat geschrieben: 16. August 2017 18:58
Wrong hat geschrieben: 16. August 2017 12:12 Habe mich durch den zähen Larry Niven: Ringwelt durchgebissen. War so naja, für mich kein richtiger Klassiker, eher ein Kind seiner Zeit.
Endlich sagts mal einer. Ich habe nie verstanden, was alle Welt von diesem Roman eines allenfalls durchschnittlich begabten Autors hält.
Man sollte schon die Zeit betrachten, aus der der Roman stammte. Der Roman ist eines seiner ersten Werke und enthält schon etliche coole Ideen.
Aber ganz besonders in Hinsicht auf seine Zusammenarbeit mit Pournelle und dem Splitter im Auge Gottes sollte man Niven nicht leichtfertig abtun.
:beanie:
Tja, so ganz abgeschrieben habe ich den "Splitter" und auch Nivens Kooperation mit David Gerold "Die fliegenden Zauberer" noch nicht. Aber es gibt so viele interessante Bücher. Da hat es ein Autor, der schon einmal enttäuscht hat, recht schwer, eine zweite Chance zu bekommen. (Und bei der Ringwelt sing Figuren und Plot echt mau. Das kann dann auch die tolle Kulisse nicht herausreißen.)
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Lensman »

An einem schauerlichen Samstagnachmittag im August gelesen:


Mal Peet - "Die Murdstone Trilogie"

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Ein leidlich erfolgreicher Schriftsteller von Kinderbüchern/Büchern über Kinder hat eine Schreibblockade. Seine Agentin fordert ihn auf, u. a. aus kommerziellen Gründen, einen Ausflug ins Fantasy-Genre zu machen, das ihm völlig fremd und zuwider ist. In mit Alkohol getränkter Verzweifelung spaziert er durch's nahegelegene Moor und hat dort eine alkoholumnebelte Begegnung mit einem Grem - eine Art Troll. In visionärem Wahn gelingt dem Schriftsteller dann ein Roman - quasi geistig diktiert von dem Grem - der "Herr der Ringe"-Qualitäten hat, ein Weltbestseller wird ... und nach einer Fortsetzung verlangt. Gute Fantasy-Epen sind eben immer Trilogien ... so nimmt das Übel seinen Lauf.

Das so ungefähr ist die Exposition der Geschichte. Leider wird dann ziemlich wenig daraus. Abgesehen von einigen schönen Lachern aufgrund gelungenen Wortwitzes bleibt die Geschichte nur leidlich spannend mit einigen Längern. Alle Personen jenseits des Protagonisten bleiben schablonenhaft und gegen Ende wird die Handlung eher konfus, eine Vermischung von Realität und Fantasy-Epos. Der Schluss des Buches ist imho unbefriedigend.

Auch wenn der Verfasser erkennbar versucht hat, dem Fantasy-Genre hier mit einiger Ironie zu begegnen, finde ich das nur mäßig gelungen (v. a. am Schluss). Das Buch ist eben noch unterhaltsam, bekommt aber kein Prädikat "wertvoll". Ab auf den "Verkaufen"-Stapel!

5 von 10 im Klo auftauchenden Trollen

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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Jorge »

Lensman hat geschrieben: 20. August 2017 09:44 Mal Peet - "Die Murdstone Trilogie"
:wink: http://forum.sf-fan.de/viewtopic.php?f=25&t=9370
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Lensman »

@jorge

Ich vermute, dass der Grund, warum das Buch auf meine Leseliste gekommen ist, ebenfalls die Empfehlung von josefson aus dem "Standard" gewesen ist. Knochenmanns Beurteilung ist irgendwie an mir vorbeigegangen. :oops: Ich würde ihm aber zustimmen.
Insgesamt finde ich josefsons "SF-Rundschau" gut, teile aber seine Urteile nur bedingt.

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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von heino »

Fertig mit "Der Berg" von Dan Simmons. Was zunächst nach einer Variante von "Terror" im Himalaya aussah, entpuppt sich im letzten Drittel als Spionage-Drama vor dem Hintergrund des aufziehenden 2. Weltkrieges, bei dem Simmons das Zeitkolorit insgesamt gut einfängt, wenn auch die Deutschen ziemlich platt dämonisiert werden. Das Buch ist aus der Sicht von Jake Perry, dem einzigen Amerikaner der Expedition, geschildert und soll die von Simmons in Romanform gebrachte Schilderung von Perrys Tagebüchern darstellen (laut Vorwort hat Simmons Perry kurz vor dessen Tod getroffen und die Tagebücher 20 Jahre später erhalten). Ich halte das für eine mehr oder weniger geschickt gestrickte Legende, da der Kernpunkt des Romans als historisches Geheimnis mit enormen Einfluss auf den Kriegsverlauf geschildert wird, das aber mit Sicherheit in den letzten 70 Jahren aufgedeckt worden wäre. Das tut aber dem Lesevergnügen keinen Abbruch, das Buch macht trotz fast 800 Seiten sehr viel Spaß.
Lese zur Zeit:

Kim Stanley Robinson - Das Ministerium für die Zukunft
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Nina »

Ich bin noch bei "Giants at the End of the World". Das gab es in der Contüte vom Worldcon. Eine Anthologie finnischer Autoren auf Englisch. Ich wurde ja schon vorgewarnt, mit so typischer SF hat man in dem Land ja weniger, mehr mit weird fiction.

Insgesamt finde ich es eher leichten Grusel, gut geschrieben, aber nicht allzu leichte Kost, die man in einem Rutsch liest.

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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von heino »

Ich habe jetzt im zweiten Anlauf die "Phantastischen Erzählungen" von Stanislaw Lem endgültig ad acta gelegt. Wie bei J.G. Ballard liebe ich seine Romane, aber mit der Short Fiction von ihm kann ich einfach nichts anfangen. Das liegt zum Teil am Schreibstil, der schon mächtig veraltet daher kommt, aber meist daran, dass ich den Eindruck habe, dass er eigentlich lieber philosophische Schriften als Unterhaltungsliteratur verfasst hätte und daher sehr Oberlehrerhaft daher kommt. Das ist einfach nicht mein Ding.
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Lensman »

Mit Interesse gelesen:

Lauren Beukes - "Moxyland"

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Die Handlung spielt in der näheren Zukunft in Südafrika. Die Welt wird überwiegend von kommerziellen Konzerninteressen beherrscht; staatliche Institutionen sind da eher nützliche Helfer. Vor diesem Hintergrund werden die Mikrodramen des Lebens von vier Personen geschildert und deren Kontaktpunkte im Geschehen des Romans. Da sind die (Kunst-)Fotografin Kendra, die sich einem solchen Konzern verkauft und eine Nanobots-Behandlung erhält, welche sie sowohl zur laufenden Werbefläche als auch gesünder und widerstandsfähiger macht. Der Podcaster/Youtuber Moby, der in erster Linie genußvoll seinen Vorteil aus allem ziehen will, aber eigentlich an der finanziellen Nabelschnur seiner reichen Mutter hängt. Der Sozialarbeiter und Möchtegernrevolutionär Tendeka, der sich um recht- und mittellose Straßenkinder kümmert und die Sabotage einer multimedialen Werbetafel bereits als Akt der Rebellion versteht. Zuletzt Lerato, eine hochbegabte Programmiererin, die gelegentlich - mehr aus Abenteuerlust und Nervenkitzel denn aus politischem Interesse - ihre Befähigung und ihre Möglichkeiten als Angestellte eines mittelgroßen Konzerns nutzt, um etwa Moby oder Tendeka zu helfen.
Alle diesem Menschen versuchen in einer Welt zu bestehen, die so irgendwo zwischen "Blade Runner", "Snow crash" und Doctorows "Little Brother" angesiedelt ist. Das Szenario ist also dystopisch und in diesem Kontext ziemlich gut dargestellt. Überhaupt ist die Stimmungsdichte etwas, das den Roman gelungen macht. Dazu hat Beukes, deren Roman im Original schon 2008 erschien, einige technische Entwicklungen, etwa die Bedeutung von Smartphones, ziemlich gut antizipiert. Die schlimmste Strafe, die einen Bewohner in der geschilderten Welt treffen kann, ist "entschärft" zu werden, was vor allem ein Abschalten bzw. Zerstören seines Handys bedeutet. So "entschärft" kann man nichts mehr bezahlen, viele Türen öffnen sich nicht mehr, man kann keine Verkehrsmittel mehr benutzen, nicht mehr kommunizieren usw ... (Nicht so weit weg von unserer näheren Zukunft, befürchte ich).

Achtung: Im Spoiler wird der Romanschluss verraten.
Alle Personen scheitern in diesem Roman ihrer Facon gemäß. Kendra wird von ihrem Konzern, als sie deren Hilfe benötigt, ähnlich wie die nanobot-veränderten Hunde einfach nur eingeschläfert. Mobys Ende bleibt etwas offen; es wird nur angedeutet, dass er aus den Ereignissen seinen Vorteil zu ziehen gedenkt. Tendeka stirbt brutal infolge einer staatlichen Infektion mit einem laborkodierten Marburg-Virus, das zur Aufstandsbekämpfung eingesetzt wird. Lerato wird bei ihren illegalen/geschäftsschädigenden Aktivitäten beobachtet und dafür ... ... ... befördert - unter der Bedingung, sich zukünftig FÜR den Konzern mit ihren Fähigkeiten einzusetzen, quasi als undercover agent provocateur. Was soll sie also tun, wenn die Alternative "Entschärfung", Gefängnis, völlige Armut bedeutet? Das Ende des Roman enthält offene Stellen (aber es gibt imho keine Fortsetzung).
Lauren Beukes Mikrokosmos ist erkennbar eine Folie für die große Welt da draußen.

Mich hat erst im Nachhinein beeindruckt, wie gut man alle die Ereignisse im Roman verstehen und (wieder-)erkennen kann, wenn man Bezüge zu unserer Gegenwart herstellt. Personenzeichnung und Spannung sind nur gehoben durchschnittlich. Ambiente und Durchdringung des Stoffes sind hingegen sehr gelungen. Ich empfehle den Roman.

8 von 10 Türkenzucker-Joints

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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Wrong »

Hallo Teddy, entschuldige die späte Antwort.
Geht es bei den Folgebänden der Boarder-Trilogie eigentlich mit den selben Figuren weiter oder ist das nur eine lose zusammenhängende Trilogie, die ähnliche Themen verbindet?
Die gehören schon irgendwie zusammen. Die Hauptfiguren aus dem ersten (John) und zweiten (Billy) trefen im letzten Band aufeinander. Gut gemacht, finde ich.
(Und bei der Ringwelt sing Figuren und Plot echt mau. Das kann dann auch die tolle Kulisse nicht herausreißen.)
Das habe ich auch so gesehen. Die Kulisse ist schon einmalig, aber die Figuren waren mir etwas zu infantil. Aber Niven und Brin kriegen bei mir sicher auch noch eine zweite Chance.

Wenn ich den letzten Band von Southern-Reach beendet haben werde, muss ich mich wohl zwischen "Enigma" von Reynolds (@ Tanner: Wie weit bist du eigentlich mit der Trilogie, habe gesehen, dass du viel im Fantasy-Bereich wilderst? Na na na! :wink: ) oder dem Lesezirkelroman bei den Nachbarn entscheiden. "Dunkler Orbit" von Al Robertson hört sich verdammt interessant an.
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Teddy »

Wrong hat geschrieben: 27. August 2017 12:34
Geht es bei den Folgebänden der Boarder-Trilogie eigentlich mit den selben Figuren weiter oder ist das nur eine lose zusammenhängende Trilogie, die ähnliche Themen verbindet?
Die gehören schon irgendwie zusammen. Die Hauptfiguren aus dem ersten (John) und zweiten (Billy) trefen im letzten Band aufeinander. Gut gemacht, finde ich.
Dann werde ich die Folgebände mal im Auge behalten. Erstmal werde ich mit "Kein Land für alte Männer" weitermachen.
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Teddy »

Ann Leckie - Die Maschinen

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Und noch einen Hugo-Gewinner der letzten Jahre nachgeholt. Das Sternenreich der Radchaai ist auf Expansion ausgelegt. Mit ihren mächtigen Raumschiffen machen sie kurzen Prozess mit jedwedem Widerstand und gliedern alle eroberten Welten gleich ins Reich ein, was durchaus auch positive Folgen haben kann. (Was haben die Radchaai je für uns getan?) Die Schiffe haben ein Bewusstsein, das auf die zentrale KI und diverse (teilweise sehr viele ) Hilfseinheiten verteilt ist. Die Hilfseinheiten sind menschliche Körper, die das Bewusstsein des Schiffs übergestülpt bekommen. Hauptfigur des Roman ist solch eine Hilfseinheit. Ihre Geschichte wird in zwei Strängen erzählt, einmal noch im Verbund mit dem Schiff und einmal, zeitlich später, als das Schiff zerstört ist und nur die Hilfseinheit auf sich allein gestellt ist. Die Beschreibung des parallelen Bewusstseins (das an anderer Stelle im Roman ein wesentlicher Teil des Plot werden wird) ist überaus gelungen beschrieben. Der Plot selbst, eine Geschichte um Rache und zwei sehr unterschiedliche Hauptfiguren, die erst zusammenfinden müssen, ist o.k., wenn auch nichts Neues. Zwei Dinge fand ich dagegen weniger gelungen: Ann Leckie schreibt sehr trocken. Ein wenig mehr Ausschmückung in den Details von Figuren und der Welt würden dem Roman nicht schaden. Und warum muss es mal wieder eine feudale Weltordnung geben? Find ich zum einen langweilig und passt auch nur bedingt zum Weltenentwurf. Noch ein Wort zum generischen Femininum: Die Radchaai können nicht zwischen Geschlechtern unterscheiden und bezeichnen alle Nicht-Radchaai als weiblich. Das ist zwar am Anfang verwirrend, da man sich eine Ärztin zuerst immer als Frau vorstellt (wahrscheinlich wie man sich einen Arzt erstmal als Mann vorstellt), aber genau das soll ja vor Augen geführt werden.
Insgesamt ein guter Roman, aber ob ich die Trilogie weiterlese, weiß ich noch nicht.
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