Schreiben Nicht-SF-Autoren die besseren SF-Bücher?

Science Fiction in Buchform
heino
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Schreiben Nicht-SF-Autoren die besseren SF-Bücher?

Ungelesener Beitrag von heino »

Durch mit "Die Frau des Zeitreisenden" und ziemlich begeistert. Wie kommt es eigentlich, dass die besten SF-Bücher von Autoren geschrieben werden, die sonst absolut nichts mit dem Genre zu tun haben (s.a. The Road)?
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Marc

Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Marc »

heino hat geschrieben:Durch mit "Die Frau des Zeitreisenden" und ziemlich begeistert. Wie kommt es eigentlich, dass die besten SF-Bücher von Autoren geschrieben werden, die sonst absolut nichts mit dem Genre zu tun haben (s.a. The Road)?
Vielleicht weil diese Autoren im Gegensatz zu vielen "reinen" SF-Autoren wirklich schreiben können. Eine bloße Idee reicht für einen "richtig guten" Roman eben nicht, auch nicht für einen Roman aus dem Bereich der SF als der sogenannten "Ideenliteratur". Ich denke/hoffe, dass das Aufweichen der Genregrenzen dazu führen wird, dass sich Autoren mit etwas anspruchsvollerer Sprache und Stil vermehrt Ideen oder Elemente aus der SF bedienen werden. Das könnte dann wirklich große SF-Literatur hervorbringen, auch wenn diese dann - wie im Fall von Niffenegger oder McCarthy - nicht mehr unter dem Label "SF" firmieren wird.
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breitsameter
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Re: Schreiben Nicht-SF-Autoren die besseren SF-Bücher?

Ungelesener Beitrag von breitsameter »

heino hat geschrieben:Durch mit "Die Frau des Zeitreisenden" und ziemlich begeistert. Wie kommt es eigentlich, dass die besten SF-Bücher von Autoren geschrieben werden, die sonst absolut nichts mit dem Genre zu tun haben (s.a. The Road)?
Ich habe mal aus dieser Frage einen eigenen Thread gemacht, denn dieses Thema hat zwei Seiten.
Exerzieren wir das am Beispiel »Die Frau des Zeitreisenden« von Audrey Niffenegger durch, so kamen dazu sehr begeisterte Anmerkungen hier im Forum (ich zitiere ein paar Beispiele):
»Am Besten hat mir in diesem Jahr das Buch von Audrey Niffenegger Die Frau des Zeitreisenden gefallen. Es hatte zwar seine Längen, aber das Ende hat mich geradezu emotional aufgewühlt. Über das Buch habe ich noch sehr lange nachgedacht.« von Deval
http://forum.sf-fan.de/viewtopic.php?f= ... ger#p64457
»Hab "Die Frau des Zeitreisenden" zwar nicht gelesen aber meine Frau hat ihn verschlungen und allen ihren Bekannten ausgeliehen (Die wiederum begeistert waren). Allerdings meint sie, das Buch wäre mehr was für Frauen.« von Scotty
http://forum.sf-fan.de/viewtopic.php?f= ... ger#p47948

Aber es kamen auch folgende Anmerkungen:
»Und empfehlenswert ist auch Audrey Niffenegger: Die Frau des Zeitreisenden (auch wenn die keine richtige SF ist).« von Rusch
http://forum.sf-fan.de/viewtopic.php?f= ... ger#p47948
Und Erik Simon, wenn ich mich recht erinnere, hat dem Buch in einem Heyne SF-Jahr sogar einmal den Status als "Science Fiction" abgesprochen.

Wie man sieht: Die Wahrnehmung eines Romans als Science Fiction ist selbst unter langjährigen SF-Lesern schwierig.

Meine Meinung dazu: das Instrumentarium, die Kulisse und die Prinzipien der Science Fiction haben längst auch außerhalb der engen "Genre-Grenzen" Einzug gehalten. Nicht-SF-Autoren - ein komischer Begriff, den ich hier für die Überschrift geschaffen habe, weil sonst der Platz nicht ausgereicht hätte - legen in manchen Fällen mehr Wert auf die Kunst des Erzählens, als auf die Brillanz der Idee, die sie als Grundlage für ihr Erzählen verwenden. Wenn ein Stephen Baxter mal eben halbe Galaxien wegsprengt und dergleichen, dann ist das großes Popcorn-Kino - wenn Audrey Niffenegger das Thema Zeitreise so beleuchtet, dass weniger das Prinzip, als die ganz persönlichen Dramen des Zeitreisenden im Mittelpunkt stehen, dann ist das manchem SF-Leser schon nicht mehr "SF-ig", sprich "Science" genug. Ähnlich ist die Lage bei Simone de Beauvoirs Roman »Alle Menschen sind sterblich« (http://www.sf-fan.de/rezensionen/simone ... blich.html) - es geht um Unsterblichkeit, aber aus einer völlig anderen Sicht, als wir sie aus vielen SF-Romanen kennen (wobei Robert Silverberg mit seinem »Book of Skulls« auch neue Wege beschritt): der Mensch, der unsterblich ist, steht im Mittelpunkt.
Echte Vampire schillern nicht im Sonnenlicht, sie explodieren. Echte Helden küssen keinen Vampir, sie töten ihn.
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Kringel
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Re: Schreiben Nicht-SF-Autoren die besseren SF-Bücher?

Ungelesener Beitrag von Kringel »

Die besten Geschichten handeln IMO sowieso von Menschen und nicht von Raumschlachten, pfiffiger Technik oder dergleichen. Vielleicht haben die nicht-SF-Autoren ja einfach so etwas wie einen frischen, unverbrauchten Blick und einen ganz anderen Zugang zum Genre als jemand, der "echte" SF schreiben will.
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muellermanfred
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Re: Schreiben Nicht-SF-Autoren die besseren SF-Bücher?

Ungelesener Beitrag von muellermanfred »

Niffenegger hat mit ”Time Traveller's Wife" meiner Meinung nach sogar richtige Hard SF abgeliefert. Begründung: Die ganze Handlung dreht sich um die Idee des Gendefektes, der Zeitsprünge verursacht, die Behandlung ist potentiell ebenfalls SF, weil über Biotechnologie nachgedacht wird, die noch nicht verfügbar ist. Und natürlich erleben wir zahlreiche Situationen mit, die sich mit den kausalen Auswirkungen der Zeitreisen beschäftigen. Harter, logiklastiger Stoff eben.

Daß dieses Setting dazu eine wirklich ergreifende Geschichte abwirft, ist wunderbar. Ich liebe dieses Buch!

Frank Schätzing z.B. würde ich als Nicht-SF-Autoren einordnen. Und, nein, ich finde nicht, daß er es besser gemacht hat als deutschsprachige SF-Autoren, die wir kennen. Absolut nicht. Er hat für "Der Schwarm" und "Limit" aus einer wirtschaftlich äußerst komfortablen Situation heraus ein paar LKW-Ladungen Fakten recherchiert und dann mit sehr groben Stichen verknüpft. Manche Einfälle sind schön präsentiert (wobei ich nicht einordnen kann, wieviele Ideen wirklich von ihm sind und was er letztlich aus einschlägigen Medien hat), es gibt spannende Passagen, aber auch viele unglaubwürdige Charaktere, hanebüchene Handlungssprünge, Längen und Hänger, daß es einem die Tränen in die Augen treibt.

Überschätzt, überschätzt, überschätzt. Der Teufel scheißt eben auf den größten Haufen.

Zwei Beispiele, eines ein Beleg für die These, eines dagegen. Und nun?
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Re: Schreiben Nicht-SF-Autoren die besseren SF-Bücher?

Ungelesener Beitrag von jodi »

naja, ich denke nicht, dass Heino gesagt hat, alle SF-Autoren seien schlechter als alle nicht-SF-Autoren, die SF schreiben, oder? aber ich stimme mark hier zu. Wenn man gut schreiben kann, kann man eigentlcih jede gute Idee aufs Papier bringen... und dazu kommt, dass auch jeder einen Eigenen Geschmack hat. der eine Liebt den autoren, der andere hasst ihn. Das ist mit Filmen wie mit Büchern das Gleiche. und nur, weil jetzt ein Beispiele die These über den Haufen wirft heißt das nicht, dass sie ungültig ist. Thesen brauchen viel forschung drumherum. Aber ich denke einfach, man kann es nicht verallgemeinisieren (falls dieses Wort existiert). Es gibt auch sehr viele nicht-SF-Autoren, die sehr viel Mist schreiben.... :laser:
Zuletzt geändert von jodi am 14. April 2011 11:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Schreiben Nicht-SF-Autoren die besseren SF-Bücher?

Ungelesener Beitrag von Thomas Wawerka »

Die Frage stellt sich für mich anders: Könnte ein SF-Autor einen Roman, der nicht genug nach SF aussieht oder von den gängigen SF-Schemata oder Mustern abweicht, als SF-Roman veröffentlichen? (Oder könnte ein Verlag das tun?) Warum nicht? Na weil dann erwartungsgemäß ein Schrei durch die Szene geht und dem guten Mann bzw. der guten Frau vorwirft, dass er/sie sich nicht an die Regeln hält! Dass er/sie GAR KEINE RICHTIGE SF schreibt! Ich glaub, ich hab hier irgendwo genau diesen Vorwurf an Andreas Eschbach gelesen ...
Deswegen hab ich auch im Klassiker-Thread die Frage gestellt, was ihr Fans als SF anseht bzw. erwartet oder versteht: Erzählungen, die so sind, wie sie irgendwie immer schon waren (natürlich mit überraschenden, aber dennoch nicht unbedingt signifikanten Abweichungen vom Muster), d.h. die sich an die Genreregeln halten; oder Erzählungen, die neue Horizonte erschließen und evtl. auch gänzlich ohne die typischen SF-Attribute auskommen. Der von mir heiß geliebte Roman "Gedankenhaie" ist ein Beispiel für die zweite Art, aber innerhalb der Szene wurde er kaum wahrgenommen. New Wave ist auch sowas und ja ebenfalls nicht unbedingt beliebt bei den Fans.
Leider wurde die Frage abgeschmettert, ich glaub von Kringel. Für mich als Autor wäre es dennoch wichtig, eure Einschätzungen zu dieser Frage zu erfahren.
Als Leser bin ich der Meinung, dass die von Breitsameter angesprochene "Aufweichung" der Genregrenzen zu einer Verengung der Themen und des Stils innerhalb dieser Grenzen geführt hat (oder andersrum, ich weiß nicht, was hier Ursache und Wirkung ist oder ob beide Phänomene Hand in Hand gehen, sozus. zwei Seiten derselben Medaille sind ... ist auch wurscht). Wenn ich ins Hugendubel-Regal schaue, gibts da die allfälligen Serien wie "Warhammer" usw., und was es an SF sonst noch gibt, sind Klassiker (die Heyne-Reihe, die Strugatzkis, die Dick-Reihe, immer wieder mal Gibson), Space-Opera, Komödien, Cyberpunk und Military. Darüber hinaus kommt eigentlich selten was Neues rein.
Mit Space Opera, Komödien und Cyberpunk konnte ich noch nie viel anfangen, mit Military gar nichts. Ich hab auch null Böcke, sowas zu schreiben. Und wenn ich mit meinen Sachen nicht mehr ins Genre passe, dann will ich auch kein SF-Autor mehr sein.
Für mich ist SF Ideenliteratur, Literatur, die Horizonte jenseits unserer gesellschaftlich sanktionierten Perspektive öffnet und Wahrnehmungsbrüche erzeugt. Vom größten Teil dessen, was als SF verkauft wird, kann ich das leider nicht sagen.
Ist nur meine bescheidene, persönliche Meinung. Mich würde brennend interessieren, wie ihr das seht.
"Hilfreich wäre es, wenn wir die, die sich dem Leistungsdruck widersetzen, bewundern, anstatt sie als Loser anzusehen." -
Svenja Flaßpöhler
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Re: Schreiben Nicht-SF-Autoren die besseren SF-Bücher?

Ungelesener Beitrag von muellermanfred »

Etiketten.

Was ist mit Geschichten?

So eine Diskussion hat es verdient, daß man erstmal die Prioritäten ordnet:
1. Figuren
2. Story
3. sense of wonder (Kann man oder nicht. :-))) )

Was ist SF wert, wenn die Deko schön ist, aber die Geschichte nichts taugt? Ist die Deko nötig, wenn die Geschichte für sich stehen kann? Wieviel SF ist Blenderei, wieviel davon hat einen originären Stellenwert? Das sind Fragen, die mir dabei in den Sinn kommen.

Welchen Werdegang ein Autor genommen hat, ist doch zweitrangig. Vielleicht trifft man die gelernten "Geschmacksmuster" der Leser besser, wenn man dem Genre schon lange treu ist, das ist es aber auch schon. Der Rest ist Können oder nicht.
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Re: Schreiben Nicht-SF-Autoren die besseren SF-Bücher?

Ungelesener Beitrag von molosovsky »

Bei der Frage, ob Nicht-SF-Autoren tatsächlich die besseren (SF-)Bücher schreiben, kann man schnell vor lauter Pauschalisierung übers Ziel hinausschießen.

Was ich mich sagen traue, ist, dass Autoren (und Autorinnen, gelle), die eigentlich ein anderes Literaturfeld als die SF ihr Zuhause nennen, es immer wieder schaffen uns zu überraschen, wie sie (als Aussenseiter sozusagen) mit dem, was wir SF-Genre zu nennen pflegen umgehen, was sie aus ihm herauskitzeln.

Grüße
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Re: Schreiben Nicht-SF-Autoren die besseren SF-Bücher?

Ungelesener Beitrag von Rusch »

Boh, die "Frau des Zeitreisenden" als Hard SF zu bezeichnen ist eine wilde These. Aber wie immer kann man als SF Fan sogar über Buchstaben streiten und über Thesen sowieso. ;)

Meine Erfahrung ist, dass nicht SF Autoren oft glauben eine verrückte Idee gehabt zu haben, aber aus Mangels besseren Wissens nicht wissen, dass diese Idee schon bis zum äußersten ausgereizt wurde. Und dann sind solche Romane ganz schwer für den Genrekenner zu lesen. Freilich heißt das nicht, dass dies dann trotzdem Bestseller werden können, wie z. B. Limit oder Collector.

Es gibt Ausnahmen, aber grundsätzlich bin ich bei SF Büchern von genrefremden Autoren eher skeptisch.
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Re: Schreiben Nicht-SF-Autoren die besseren SF-Bücher?

Ungelesener Beitrag von bukaman »

Vielleicht schreiben Nicht-SF-Autoren gelegentlich einen besseren SF-Roman, eben weil sie sich nicht an irgendwelche Regeln halten? Die können sich dann möglicherweise "freier" entfalten, wer weiß.
jodi hat geschrieben:verallgemeinisieren (falls dieses Wort existiert)
verallgemeinern :lehrer:
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StevesBaby

Re: Schreiben Nicht-SF-Autoren die besseren SF-Bücher?

Ungelesener Beitrag von StevesBaby »

Rusch hat geschrieben:Boh, die "Frau des Zeitreisenden" als Hard SF zu bezeichnen ist eine wilde These. Aber wie immer kann man als SF Fan sogar über Buchstaben streiten und über Thesen sowieso. ;)

Meine Erfahrung ist, dass nicht SF Autoren oft glauben eine verrückte Idee gehabt zu haben, aber aus Mangels besseren Wissens nicht wissen, dass diese Idee schon bis zum äußersten ausgereizt wurde. Und dann sind solche Romane ganz schwer für den Genrekenner zu lesen. Freilich heißt das nicht, dass dies dann trotzdem Bestseller werden können, wie z. B. Limit oder Collector.

Es gibt Ausnahmen, aber grundsätzlich bin ich bei SF Büchern von genrefremden Autoren eher skeptisch.
"...........

Das ist mir beim Schätzung extrem aufgefallen. Seine Romane wurden bis zum kotzen rausgestellt, nur weil komplett hirnverbrannte Typen seine Ideen so toll fanden, wo ich mir immer dabei denke, das ist doch alles uralt. :xmas:
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Marc

Re: Schreiben Nicht-SF-Autoren die besseren SF-Bücher?

Ungelesener Beitrag von Marc »

Thomas Wawerka hat geschrieben:Als Leser bin ich der Meinung, dass die von Breitsameter angesprochene "Aufweichung" der Genregrenzen zu einer Verengung der Themen und des Stils innerhalb dieser Grenzen geführt hat (oder andersrum, ich weiß nicht, was hier Ursache und Wirkung ist oder ob beide Phänomene Hand in Hand gehen, sozus. zwei Seiten derselben Medaille sind ... ist auch wurscht). Wenn ich ins Hugendubel-Regal schaue, gibts da die allfälligen Serien wie "Warhammer" usw., und was es an SF sonst noch gibt, sind Klassiker (die Heyne-Reihe, die Strugatzkis, die Dick-Reihe, immer wieder mal Gibson), Space-Opera, Komödien, Cyberpunk und Military. Darüber hinaus kommt eigentlich selten was Neues rein.
Da sprichst du etwas sehr interessantes an. Vielleicht ist der Effekt des Aufweichens der Genregrenzen und die von dir angesprochene Themen/Stil-Verengung innerhalb dieser Genregrenzen eine Art Reduktion oder "Herausdestillieren" dessen, was das SF-Genre wirklich ausmacht. Angesichts dessen was sich heutzutage überwiegend in den SF-Regalen findet, bleibt leider nur ernüchternd festzustellen, dass sich dieses Destillat durch nicht sehr viel Substanz auszeichnet, wenn man von Klassikern (Dick, Strugatzkis) absieht, die vor der Genreaufweichung veröffentlicht wurden. Als SF-Leser schon irgendwie demütigend! :-?
Thomas Wawerka hat geschrieben:Deswegen hab ich auch im Klassiker-Thread die Frage gestellt, was ihr Fans als SF anseht bzw. erwartet oder versteht: Erzählungen, die so sind, wie sie irgendwie immer schon waren (natürlich mit überraschenden, aber dennoch nicht unbedingt signifikanten Abweichungen vom Muster), d.h. die sich an die Genreregeln halten; oder Erzählungen, die neue Horizonte erschließen und evtl. auch gänzlich ohne die typischen SF-Attribute auskommen. Der von mir heiß geliebte Roman "Gedankenhaie" ist ein Beispiel für die zweite Art, aber innerhalb der Szene wurde er kaum wahrgenommen. New Wave ist auch sowas und ja ebenfalls nicht unbedingt beliebt bei den Fans.
Ob die New Wave nicht beliebt ist/war weiss ich nicht. Allerdings bin ich mir ziemlich sicher, dass die Romane eines J.G.Ballard heute mit Sicherheit nicht mehr unter dem Label "SF" verkauft werden würden. Aber du hast schon recht. Die alte Frage nach der Definition und den grundlegenden Eigenschaften der SF ist natürlich entscheidend zur Klärung der Frage, inwiefern sich SF-Autoren von Nicht-SF-Autoren unterscheiden und wie Letztere die SF als Genre in Zukunft beeinflussen werden. Wie gesagt, ich hoffe sehr, dass die Synthese von Erzählkunst und SF-Ideen (oder SF-verwandten Ideen) neue Impulse in der SF bzw. in der Literatur allgemein hervorbringen kann.
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Re: Schreiben Nicht-SF-Autoren die besseren SF-Bücher?

Ungelesener Beitrag von heino »

jodi hat geschrieben:naja, ich denke nicht, dass Heino gesagt hat, alle SF-Autoren seien schlechter als alle nicht-SF-Autoren, die SF schreiben, oder?
Ups, da habe ich mit der spontanen Äusserung eines groben Gedankens mal wieder eine Diskussion ungewollt losgetreten. Aber wenn es denn so ist, will ich das auch mal erläutern:

Natürlich denke ich nicht, dass alle SF-Autoren den Nicht-SF-Autoren generell unterlegen sind. Ich mag z.B. Stephen Baxter sehr gerne und dass ich ein Fan von Dick, Scheckley und z.T. auch Silverberg bin, ist nun alles andere als ein Geheimnis. Allerdings bin ich in den letzten Jahren immer mehr von der SF abgekommen, weil mich die meisten Autoren und ihre Themen einfach nicht mehr reizen. Und wenn ich dann versuche, ihnen eine Chance zu geben, werd eich regelmässig enttäuscht (wie zuletzt bei Vinge oder Bordage). Häufig liegt das einfach daran, dass sie fast alle nur noch öde Space Operas schreiben, oft (wie bei den oben genannten) sind es gravierende Mängel in den Mitteln, mit denen sie erzählen. Das Buch von Bordage war z.B. so schlecht erzählt, dass ich es schon nach 30 Seiten weglegte.

Dagegen haben mich die Bücher von McCarthy, Niffenegger und auch von Houllebeque wirklich beeindruckt, weil sie sowohl gute Charaktere wie auch eine schlüssige Handlung aufweisen und dabei auch im Sprachgebrauch beinah allen mir bekannten modernen SF-Autoren überlegen sind (vielleicht mit Ausnahme von China Mieville, aber der ist eigentlich kein "echter" SF-Autor). Und ja, das ist natürlich grob verallgemeinert und 3 Autoren sind eine wirklich mickrige Minderheit, aber es hat gereicht, um bei mir einen solchen Eindruck zu erwecken.

@Rush:ich bin geneigt, muellermanfred zuzustimmen, denn "Die Frau des Zeitreisenden" weist alles auf, was echte Hard-SF ausmacht. Eine Handlung, die auf einem wissenschaftlichen Rätsel basiert, und die Suche nach einer wissenschaftlichen Lösung. Im Gegensatz zu z.B. "Rendezvous mit Rama" spielt sich das Drama aber nicht im kosmischen Maßstab, sondern im zwischenmenschlichen Bereich ab und genau das macht es für mich so gut. Die Figuren sind nicht wie bei Clarke oder Heinlein reine Schablonen, sondern so realistisch, dass es schon fast wehtut.
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Re: Schreiben Nicht-SF-Autoren die besseren SF-Bücher?

Ungelesener Beitrag von molosovsky »

Ich bleibe bei meiner Ansicht, dass es sich nicht simpel verallgemeinern lässt, Nicht-SF-Autoren schrüben die bessere SF.

Die Gegenprobe, das gegenteilige Argumentation ginge doch so:
SF-Autoren können keine gute Nicht-SF-Literatur schreiben, oder?
Die Beantwortung überlassen ich dem, was jedem von Euch vielleicht als Beispiel einfällt, inwiefern SF-Autoren durchaus gute Nicht-SF-Literatur vorgelegt haben.

Man erlaube mir folgende Sortierung.
Es gibt SF-Autoren, die sich selbst als solche bezeichnen, oder die es zulassen, dass sie als solche von ihrem Agenten oder ihrem Verlag vermarktet werden.
Es gibt Autoren, die (wenn man sich ihre Texte ansieht und daraufhin prüft, wie ›SF-ig‹ sie sind) sich durchaus als SF-Autoren bezeichnen lassen, auch wenn sie weder von ihrem Verlag, noch von sich selbst offen als solche aufgestellt werden (womöglich, weil ihnen derartiges Schubladendenken einfach Wurscht oder sogar abhold ist?!).

Leser, die hauptsächlich Genre-Stoffe lesen, für die es also (komischerweise möchte ich meinen) erstaunlich wichtig ist, dass eine gewisse Zweibuchstaben-Abkürzung im Verlagsprospekt oder auf dem Buchumschlag zu finden ist, haben einen entsprechend engen Blick auf das, was an sich so erscheint. Stossen diese Genre-lastigen Leser dann auf einen Roman, von einem Autoren, der nicht klar und deutlich als SF-Autor markiert ist, und auf dessen Büchern nicht ausdrücklich ›SF‹ draufsteht, von dem aber gesagt wird, er enthalte SF-ige Sachen … tja, dann kann (muss aber nicht) die Überraschung (und Freude) groß sein.

Warum? Weil Autoren, die sich fest einem Genre, z.B. der SF, ›verschrieben‹ haben (no pun intendet), entsprechend von den sich ebenfalls diesem Genre widmenden Kräften des Marktes (Kulturindustrie, der fabulierenden Konkurrenz verschiedener Medien, Kritikern, Lesern, Fandom) vor allem in Bezug auf die (von wem auch immer als solche) allgemein postulierten ›Tugenden‹ dieses Genres hin beäugt werden:
Werden SF-Leser das mögen?
Erfüllt das die Erwartungen der SF-Leser (vor allem der Leser, die das größte kauffreudige Publikumssegment bilden)?
Ist dieser Roman geeignet, eine populäre Mode- / Hypewelle mitzureiten, gar ein eigenes kleines SF-Franchise zu starten (und mit Glück von Hollywoods Gnaden vielleicht sogar ein großes?).
Ist dieser Autor geeignet, als SF-Autor zu einer eignen Marke zu werden?

Einige haben es hier schon angedeutet: Die Reihe der ›Tugenden‹, also der klarer, mit weniger Debatten auszumachenden Eigenschaften, die einen SF-Stoff eben so ›SF-ig‹ (und eben nur SF-ig) machen, ist kleiner (zumindest aber speziefischer), als die ›Tugenden‹, die prinzipiell gute Romane auszeichnet. — Der Umkehrschluss lautet: die (mehr statt minder) anerkannt großen Werke der SF zeichnen sich immer auch durch Eigenschaften aus, die als Eigenschaften guter Literatur gelten.

Nun kommt es eben (gottseidank) immer wieder vor, dass Autoren, die danach streben diesen allgemeinen Eigenschaften guter Literatur gerecht zu werden, sich einer SF-igen Idee widmen. Und nicht selten kommt dabei dann SF heraus, die irgendwie besser, sich zumindest aber irgendwie anders anfühlt, als SF, die von Veteranen den Genre-Feldes gemacht wird.

Grüße
Alex / molo
Zuletzt geändert von molosovsky am 8. April 2011 20:33, insgesamt 1-mal geändert.
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