Michael Iwoleit hat geschrieben:Wer sich anmaßt, eine ganze SF-Szene für inexistenz zu erklären, nur
weil sie sich in kleinen Auflagenbereichen abspielt, hat es verdient, angeblafft zu werden.
Das wäre – je nach persönlicher Vorliebe – vielleicht sogar legitim. Ich kann nur die Stelle nicht finden, wo er das behauptet. Im Gegenteil bezieht sich Jakob in seiner Streitschrift mehrfach auf die deutsche SF-Szene, scheint sie also durchaus für existent zu halten.
Das folgende finde ich ziemlich diskussionswürdig und zwar im Sinne von "würdig" (ich zitiere Jakobs Blog):
Die Szene-Mentalität innerhalb der hiesigen SF-Klüngel führt dazu, dass sich kaum ein deutschsprachiger SF-Autor dem Urteil entweder des Marktes oder des Feuilletons stellen muss. Deshalb ist es nur bedingt die Schuld individueller Autoren, dass die deutschsprachige SF handwerklich und kreativ im Vergleich mit der englischsprachigen ziemlich arm aussieht. Es gibt weder einen Druck, an den eigenen schriftstellerischen Fähigkeiten zu arbeiten, um zugleich den eigenen Ansprüchen zu genügen und markttauglich zu sein, noch gibt es die ökonomische Freiheit, auch von Auflagenstärken im unteren Mittelfeld zu leben und sich dabei beruflich der Entfaltung des eigenen Stils zu widmen.
Die Spitze gegen die Szene-Mentalität kann ich gut verstehen (Michael natürlich nicht, weil u.a. er damit gemeint sein könnte).
Die liebevoll gepflegte Arroganz, mit der einige (nicht alle) deutsche SF-Autoren der Kritik begegnen, kann sehr wohl ihren Marktchancen abträglich sein und sei es nur darum, weil man die Hand beißt, die einen füttern möchte. Daß sich dieselben Leute sehr gut mit den Marktgesetzen auskennen, beweist ja schon der Umfang von Jörg Weigands Pseudonym-Lexikon, das es ohne die überlebensnotwendigen Brotjobs nicht gäbe.
Daß das Feuilleton keine Notiz von ihnen nimmt, kann man ihnen erstmal nicht anlasten – lediglich auf lange Sicht, weil ihnen natürlich niemand die Schaffung lesenswerter SF abnehmen kann. Genau darum würde ich seiner weiteren Argumentation in diesem Punkt widersprechen: Warum sollten die deutschen SF-Autoren erst unter Druck guten Stoff abliefern? Man sollte ja wohl meinen, daß jeder von sich aus das Beste gibt.
Die ökonomische Freiheit, von der Jakob spricht, stellt sich als Option natürlich erst dann ein, wenn SF von deutschen Autoren eine feste Größe im Programm der großen Verlage ist. Michael hat ja schon darauf hingewiesen, daß es dafür in den 80er Jahren ein enges Zeitfenster gab, das sich aber schnell wieder geschlossen hat. Daß die Kleinverlage diese Lücke nicht schließen können, scheint logisch (auch wenn ich deren Zahlen nicht kenne - wahrscheinlich sitzen sie alle in ihren privaten Geldspeichern und scheffeln massenhaft Kohle … !
).
Spätestens bei der nächsten Behauptung
muß die Diskussion einsetzen. Jakob sagt:
Dazu muss man aber erst einmal anerkennen, dass es mit der deutschsprachigen SF im Argen liegt, und nicht nur, insofern sie nicht die gebührende Anerkennung erfährt, sondern vor allem, insofern die meisten Werke, die aus der Szene heraus entstehen, bestenfalls passabel sind, sich aber qualitativ nicht mit englischsprachigen Werken messen können.
Ist es nötig, darauf zu reagieren wie ein Hund, dem man auf den Schwanz tritt? Oder kann man sich auch konstruktiv damit auseinandersetzen?
Ich habe nicht allzuviele SF-Titel gelesen in meinem Leben, 800-900 vielleicht, darunter vielleicht 50-60 deutsche Titel, vor allem aus den 80ern (Brandhorst, Franke, Hahn, Jeschke, Pukallus, Ziegler). Brandhorsts manchmal überbordende Szenerien bleiben einem in Erinnerung und natürlich Zieglers Kurzprosa, aber dann kommt lange nichts. Der angloamerikanische Stoff verdrängt die einheimische SF schon durch seine Fülle.
Was nützt es denn, mit dem Fuß aufzustampfen und zu sagen "Deutsche SF ist top!", wenn es nicht stimmt? Und wenn es stimmt: wieso will denn selten ein großes Haus deutsche SF veröffentlichen? Weil der Markt dumm ist und Ware für Dummköpfe braucht? Schön, daß die Welt so einfach ist … Und wieso sollte es denn stimmen? Was macht die bessere SF deutscher Autoren zur besseren SF? Das kann uns ein Fachmann sicher gut verständlich erklären. Ich habe so eine Erklärung noch nicht gesehen. Wo muß ich nachschlagen?
Natürlich spielt der Markt nach seinen eigenen Regeln. Wenn Du einen Top-Titel verlegen willst, mußt Du eben noch ein Paket mediokre Massenware mitnehmen - das ist wie beim Fernsehen und nachts beflimmern sie uns dann eben mit zweit- und drittklassigen Ami-Serien (die relativ betrachtet weniger schlimm sind als deutsche Pendants, was man sicher auch den Drehbuchautoren zu verdanken hat).
Den Kernpunkt seiner Kritik formuliert Jakob eigentlich unmißverständlich:
Wenig hilfreich ist es dagegen, so zu tun, als wäre das Produkt „Deutsche SF“ eine Spitzensache, die man nur etwas besser bewerben und am besten mit einer klaren, griffigen Markenidentität namens „deutsch“ versehen müsse.
Würde es denn funktionieren, täte man es doch? Ich bezweifle das auch. Wie sieht denn das Für und Wider aus?
Das wäre zu diskutieren und nicht Jakobs persönliche Qualitäten.
Ganz und gar nicht hilfreich ist es, wenn man das Anliegen, SF-Autoren, die auf Deutsch schreiben, eine Plattform zu bieten, mit der Frage nach „deutschen Themen“ in der SF, nach „gesundem Nationalismus“ und nach „Unterdrückung durch die US-Kulturindustrie“ vermanscht.
Da möchte ich Jakob uneingeschränkt zustimmen. Bei McEnroe war auch immer der Schläger schuld, wenn er verloren hatte.
Die Rückgewinnung "nationaler identität" aus der Asche verbrannter Begriffe ist ein hoffnungsloses Unterfangen. Warum nicht nach vorne schauen? Und ewig den anderen die Schuld zu geben, ist Gejammer. Soll ich einen deutschen Titel kaufen, nur weil der Autor vorher tüchtig gejammert hat? Geht's noch?
Mal ehrlich: Ein aktiv interessierter Leser läßt ja schon darum die Finger vom neuen Iwoleit, weil er möglicherweise im Internet recherchiert hat, daß der Autor ein unfair attackierender Miesepeter ist. Als Verlagsmensch würde ich sagen: Iwoleit ist eine PR-technische Katastrophe. Wenn er denn wenigstens auf hohem Niveau streiten würde, wäre es ja vertretbar, aber er weicht so oft vom Inhaltlichen ab und verlegt sich auf Persönliches, das man nur sagen kann: verpaßt dem Mann ein Pseudonym und seht zu, daß keiner es rauskriegt!
Wenn es den prototypischen, qualitativ herausragenden und dennoch hilfsbedürftigen deutschen SF-Autoren wirklich gäbe, würde ich ihm raten: hör auf zu jammern, trommel deine Kollegen zusammen, gründet eine Genossenschaft, sucht euch einen tüchtigen Kleinverleger, der sein Handwerk versteht und kümmert euch in Zukunft selbst um eure Vermarktung (ein paar tun's ja schon in Eigenregie)! Wenn ihr denn wirklich so gut seid, habt ihr ja alle Argumente auf eurer Seite, dann gibt es ja kein Qualitätsproblem …
Oder, kurz gesagt: Setzt euch auf eure Hinterbeine und überzeugt
uns! Wir sind die Leser!
Insgesamt liest sich Jakobs Beitrag für mich als Leser zwar streitbar, aber durchaus bedenkenswert. Ich möchte ihm nicht in allen Punkten zustimmen, aber im Großen und Ganzen gibt es genug eigene Nasen zum Dranfassen. Er macht lediglich darauf aufmerksam.
Die Blafferei, Michael, hast Du schon mit Deinem ersten post in diesem thread reingebracht. Du hättest die Möglichkeit gehabt, fair zu bleiben und hast Dich bewußt dagegen entschieden. Ich kann Jakobs Kritik, der Deinen "Debattenstil" autoritär nennt, sehr gut nachvollziehen. Ich glaube nicht, daß Du Dir irgendwas vergibst, wenn Du auf diese Mittel verzichtest. Im Gegenteil.
Michael Iwoleit hat geschrieben:Und daß Du nach Deinen Pöbeleien gegen Ronald M. Hahn von Respekt redest, finde ich besonders amüsant.
Du verwechselst Kritik mit Majestätsbeleidigung. Niemand nimmt Ronald seine Meriten, aber sakrosankt ist er nicht, auch wenn Du Dich vehement dafür einsetzt.
Den unitall-Scheiß hab' ja nicht ich gebaut, gell? Und für seine bornierte Argumentation kann auch niemand außer ihm selber etwas. Diskutieren können wir das gern im FO259-thread. Hier geht's um was anderes.