Deutsche Science Fiction ist flüssiger als flüssig

Science Fiction in Buchform
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Bully
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Re: Deutsche Science Fiction ist flüssiger als flüssig

Ungelesener Beitrag von Bully »

breitsameter hat geschrieben:
Bully hat geschrieben:Ich habe seine HP so verstanden, dass gezeigt werden soll, dt. SF sei nicht per se Schund.
Ich denke, in diesem Punkt sind wir uns auch alle einig. Nur bei der Ausgestaltung fängt die Diskussion an. :beanie:
Äh, mit Verlaub, aber dann sollte man auf Formulierungen wie "Flüssiger als flüssig" einfach bloß grundsätzlich, prinzpiell und überhaupt verzichten.
Da sind die Assoziationen nämlich "Überflüssig" und "Dünnpfiff".
Meine ganz persönliche Sicht: Ich präsentiere bei SF-Fan.de bewußt seit vielen Jahren deutsche Science-Fiction-Autoren, von denen ich als Leser überzeugt bin. ...
Willst Du damit zeigen, amerikanische Autoren schrieben Schund?
Wenn nicht, sollte man anderen Leuten, die prinzipiell dasselbe machen wie Du, vllt. auch nicht unterstellen, dass sie Amerikaner bashen.
Auch der Deutsche Science Fiction Preis hat z.B. das klare Ziel, hervorragende deutschsprachige SF auszuzeichnen und damit bekannter zu machen - auch bei den Verlagen, die zumindest früher regelmässig entsprechende Informationen dazu auch geschickt bekamen.
Wenn dt. SF so sinnlos wäre, wäre das doch für die Katz.

Von einem Konzept, das anscheinend vor allem auf einer reinen Auflistung, bzw. kommentarlosen Nennung deutschsprachiger SF-Neuerscheinungen beruht (und das momentan auch noch nur sehr lückenhaft erfüllt), bin ich nicht überzeugt.
Okeeee. Die Stellen, wo hier im Wesentlichen die Umsetzung der Sache anstatt der Sache selbst kritisiert werden, muss man mit der Lupe suchen.
Die Kritik beruht mehr aus folgenden Punkten:
- dt. SF sei halt schlechter, also sind alle Versuche, jemanden (inkl. den entsprechenden Kritiker) vom Gegenteil zu unterscheiden, überflüssig,
- es müsse "deutschsprachig" statt "deutsch" heißen, weil letzteres den Fokus auf die Nationalität statt auf die Sprache richtet (prinzipiell wäre der Einwand ok, aber da man Literatur bekanntermaßen aus Sprache macht, käme mir "deutschsprachig" unnötig redundant und überflüssig vor, um nicht zu sagen, doppelt gemoppelt...)
- es gäbe keine spezifisch deutsche Stile, Themen, Erzählweisen oder sonstige Alleinstellungsmerkmale gegenüber SF in anderen Sprachen bzw.
- die Ablehnung "amerikanischer" SF schränke die Vielfalt und den Ideenreichtum ein.
=> die beiden letzteren Argumente passen nicht zusammen - wenn SF aus anderssprachigen Ländern "genauso" ist wie dt., schränkt deren Ablehnung (die so auch nicht gefördert wird) nicht den Ideenreichtum ein, wenn doch, dann ist dt. SF DOCH irgendwie anders.
- dt. SF-Autoren seien irgendwie beleidigt, weil dt. Leser lieber anglischsprachige SF lesen.
Nun, wenn das auf einige oder alle dt. Autoren zuträfe, hieße das noch lange nicht, dass das auch unberechtigt sei.
Ob die Lösung darin zu suchen ist, mehr "massenkompatibel" zu schreiben oder mehr an sich zu arbeiten (falls das ein Widerspruch ist), weiß ich auch nicht, aber mehr Werbung für die "heimische Industrie" kann einfach nicht schaden.
(Bzw., wenn man Werbung für falsch hält, dann sollte man auch jede Werbung ablehnen.)

Und "Kauft das Buch, es ist auf deutsch!" ist jetzt kein schlechteres Argument als: "Kauft das Buch, das ist von Frank Herberts Sohn seinem Kumpel!".
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Stormking
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Re: Deutsche Science Fiction ist flüssiger als flüssig

Ungelesener Beitrag von Stormking »

Jakob hat geschrieben:wobei es mich auch wundert, dass dessen Stärke die Sprache sein soll. Was mich bei jedem Versuch, Eschbach zu lesen, bislang ausgebremst hat, ist sprachlich Gleichförmigkeit und Oberflächlichkeit
Das hat mich auch gewundert. Andreas Eschbach hat immer tolle Ideen, auch das Erzählen beherrscht er unbestritten, aber die Sprache an sich ist nichts besonderes. Wenn ich da an Iain M. Banks denke oder an Neal Stephenson, bei denen jeder Satz schon für sich ein Genuß ist ...
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Stormking
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Re: Deutsche Science Fiction ist flüssiger als flüssig

Ungelesener Beitrag von Stormking »

Bully hat geschrieben: Und "Kauft das Buch, es ist auf deutsch!" ist jetzt kein schlechteres Argument als: "Kauft das Buch, das ist von Frank Herberts Sohn seinem Kumpel!".
Es sind beides sch*ß Argumente. Welches da nun weniger sch*ße ist, ist mir relativ wurscht.
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Re: Deutsche Science Fiction ist flüssiger als flüssig

Ungelesener Beitrag von Jakob »

Bungle hat geschrieben:Ich habe Jakobs Blogeintrag noch einmal gelesen.

Pauschalisierung sind nicht hilfreich, und Jakob hat sich selbst als Autor und Shayol-Kollektivist keinen Dienst erwiesen, da er ja kein Außenstehender ist, sondern zur Szene gehört.
Das ist genau die Szenementalität, die mich nervt. Sich lieber nicht bei den Kollegen unbeliebt machen, denn die Szene ist klein und all das fällt auf einen selbst und die eigenen Projekte zurück.
Stattdessen könnte man auch eine vernünftige Streitkultur pflegen und es aushalten, dass die Szene eben das ganze Spektrum politischer Meinungen umfasst, die auch artikuliert werden dürfen und sollen. Ich bin ein Fan des Septime-Verlags, obwohl ich mir mit dem Verlagsinhaber die übelsten Forenstreits geliefert habe, weil da einfach tolle Bücher erscheinen. Ich lese die Nova, egal was ich von Ronald Hahns Diskussions(nicht-)verhalten halte, weil sie nach wie vor neben den Wurdack-Anthos die beste Plattform für deutschsprachige SF-Kurzgeschichten ist.
Die Szene sollte gefälligst in der Lage sein, zwischen der Arbeit, die Leute im Bereich der SF leisten, und ihren Ansichten und ihrem Diskussionsstil zu trennen. Wenn vor jeder Aussage schon die Schere im Kopf steht, der Gedanke: "mache ich mich damit vielleicht in der Szene unbeliebt? Was heißt das für meine Projekte?", dann werden die Diskussionen verlogen.
Zuletzt geändert von Jakob am 9. Mai 2011 18:24, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Deutsche Science Fiction ist flüssiger als flüssig

Ungelesener Beitrag von Jakob »

Bully hat geschrieben:Und "Kauft das Buch, es ist auf deutsch!" ist jetzt kein schlechteres Argument als: "Kauft das Buch, das ist von Frank Herberts Sohn seinem Kumpel!".
Und wer sagt hier Letzteres?

Was mit der überflüssigen deutschen SF gemeint ist, habe ich bereits erläutert: Meiner Meinung nach muss deutschsprachige SF nicht "Deutsch" in dem Sinne sein, dass sie als deutsch identifizierbare inhaltliche Merkmale enthält. Darf gerne, muss aber nicht. Was in meinen Augen überflüssig ist, ist das "Projekt Deutsche SF".
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Re: Deutsche Science Fiction ist flüssiger als flüssig

Ungelesener Beitrag von Dirk »

Hi Jakob.
Jakob hat geschrieben:Wie kommt es jetzt plötzlich, dass ausgerechnet Anderson/Herbert für die US-SF stehen und sich dann noch an einem der wenigen soliden deutschen Autoren wie Eschbach messen müssen ...
Lese bitte alles, was ich geschrieben habe.
Ich sagte, dass dies kurze und sehr geschmackseingefärbte Beispiele sind.
Nicht das Maß aller Dinge, aber das Maß, nachdem ich mein Geld ausgebe :wink:
Asche auf mein Haupt:
Ich hatte, und habe, keine Lust, hier meine Einkaufsliste / Lesevorlieben blank zu ziehen.
Jakob hat geschrieben: ... wobei es mich auch wundert, dass dessen Stärke die Sprache sein soll. Was mich bei jedem Versuch, Eschbach zu lesen, bislang ausgebremst hat, ist sprachlich Gleichförmigkeit und Oberflächlichkeit)?
Okay, hier ist die Grenze zwischen indivduellem Geschmack und allgemein anerkannter Qualität ziemlich fließend.
Da könnten wir uns bis zum jüngsten Gericht drüber unterhalten, und doch keinen Konsens finden :wink:
Aber trotz deiner Meinung über Andreas´ Erzählkunst, nennst du ihn einen soliden Autoren?
Warum?
Weil er viel veröffentlicht?
Weil er in großen Verlagen veröffentlicht?
Sorry, hier stehe ich auf dem Schlauch :kopfkratz:
Jakob hat geschrieben:Ami = Fetter + Krachbumm ist doch nun wirklich reines Vorurteil. Wo ist denn das oberflächliche Krachbumm bei Peter Watts, Paolo Bacigalupi, Robert Charles Wilson, Michael Chabon, Geoff Ryman, Kim Stanley Robinson, David Marusek, Ted Chiang - das sind alles nicht gerade Autoren, die sich einbilden, sie könnten mit Raumschlachten und Überhelden mangelnde Qualität wettmachen.
Ich habe nicht behauptet alles zu kennen, was zu uns rüberschwappt. (Und Hand auf´s Herz ... Ich kenne keinen einzigen, der von dir genannten :oops: Finde ich die im Phantastik-Regal bei Thalia? :wink: ) Ebenso gestehe ich, ein ganz lausiges Englisch zu sprechen / zu lesen, weshalb ich (wie so ziemlich viele der schweigenden Leser) auf Übersetzungen angewiesen bin.
Jakob, ich weiß nicht, wo du deine Bücher kaufst.
Aber geh mal in einen stinknormalen Bücherladen, und schau dir die Regale an.
Du wirst erschüttert sein, wenn du siehst was dort steht.
Dort beherrscht nun einmal das "Krach-Bumm-Bääääng" in all seinen Formen die wenigen Regalmeter, sofern die nicht von Vampirschmonzetten belagert werden.
Star Wars, Star Trek, Battletech, Warhammer 40k ... (und ja, auch die Dune-Prequels) alles Bücher, die der unwissende (weil nicht in der Szene aktive) Leser als Sci-Fi bezeichnet :wink:
Und ich bin der Meinung, dass ein deutschsprachiger Autor das genausogut, und vielleicht sogar besser kann.
Alleine die Übersetzungen der Warhammer 40k Bücher sind teilweise ... befremdlich?

Und von dieser (Frosch?)Perspektive aus gesehen, fernab von der kuscheligen Szene, stellt sich die Sci-Fi nämlich so dar.

"Ich suche den neuen Eschbach. Titel: "Alien-Roboter zerstören Köln"
"Eschbach? Da hinten. Belletristik / Thriller."
"Und der neue Warhammer 40k? Dämonen der Flatulenz?"
"Da drüben. Fantastik, Sainz Fiktsch´n und Horror."
"Ah, super. Eine Frage noch: Ich suche auch den neuen Chiang."
"Hä? Ach so! Das China Restaurant macht erst um neun wieder auf. Erste Etage, an den Toiletten links, und dann immer der Nase nach."
:o

Vielleicht wird diese ganze Diskussion, auch im Netzwerk nebenan, von einer vollkommen falschen Perspektive aus gesehen?
Vielleicht ist die neue Plattform doch ein gutes Ding, weil sie (wenn höchstwahrscheinlich auch nur marginal, und eher szeneintern), über Neuigkeiten, rein aus deutschsprachigen Landen berichtet? Lassen wir doch die Leser / Besucher der Seite entscheiden, ob dieses Projekt von Erfolg gekrönt ist, ob sie deutschsprachige Autoren mögen, die Sains Fiktschn schreiben, oder ob sie lieber im alten Einheitsbrei schwimmen.
Wo keine Werbung, da keine Nachfrage, und somit ein verkümmertes Angebot von minderer Qualität.

LG

Dirk (der sich jetzt darum bemüht, den ohnehin zweifelhaften literarischen Nährwert seiner Ergüsse mittels Überarbeitung aufzupeppen :wink: )
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Pogopuschel
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Re: Deutsche Science Fiction ist flüssiger als flüssig

Ungelesener Beitrag von Pogopuschel »

Dirk hat geschrieben: Jakob, ich weiß nicht, wo du deine Bücher kaufst.
Aber geh mal in einen stinknormalen Bücherladen, und schau dir die Regale an.
Du wirst erschüttert sein, wenn du siehst was dort steht.
Jakob arbeitet einem Buchladen :D . Und zwar der beste der Welt (für Phantastikfreunde): http://www.otherland-berlin.de/
Peter Watts, Paolo Bacigalupi und Robert Charles Wilson findest du sicher auch bei Thalia, da sie bei Heyne SF erschienen sind.
Zuletzt geändert von Pogopuschel am 9. Mai 2011 18:36, insgesamt 1-mal geändert.
Meine Internetseite (mit Buchbesprechungen): http://lesenswelt.de/
Jakob
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Re: Deutsche Science Fiction ist flüssiger als flüssig

Ungelesener Beitrag von Jakob »

@Dirk:
Die meisten der genannten Autoren gibt es sogar auf Deutsch, fast alle bei Heyne (die nach wie vor so einiges gutes machen) - Watts, Wilson, Bacigalupi ... wenn man Eschbach mag, liegt man mit Robert Charles Wilson wahrscheinlich nicht falsch, insbesondere mit "Spin".

Eschbach nenne ich solide, weil ich nach dem wenigen, was ich gelesen habe, den Eindruck habe, dass er Figuren entwickeln und eine Handlung strukturieren kann. Nur sprachlich finde ich ihn eben sehr mau. Aber das macht ihn ja nicht schlecht, er vernachlässigt nur eben einen Aspekt des Schreibens, auf den ich großen Wert lege.

Und um das anknüpfend an deine guten Wünsche für deutsch-science-fiction.de noch mal klarzustellen: ich habe im Prinzip nichts gegen das Projekt. Ich habe etwas gegen den Dünkel, der m.E. im Eröffnungs-Streitgespräch zum Ausdruck kommt. Ansonsten wünsche ich den beteiligten Autoren als Autoren (wie auch schon erwähnt) durchaus Erfolg. Mir geht das Gehabe auf die Nerven, nicht der Umstand, dass deutsche Autoren ihre jeweils individuell eigene Art von SF schreiben, die von mir aus gerne ganz anders ein darf als die von britischen oder amerikanischen Autoren. Ebenso, wie sie ganz anders sein darf als die von Dirk van der Boom, Uwe Post, Andreas Eschbach, Heidrun Jähnchen, Andreas Brandhorst, Wolfgang Jeschke und jedem anderen guten oder schlechten deutschsprachigen SF-Autor.
Dirk
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Re: Deutsche Science Fiction ist flüssiger als flüssig

Ungelesener Beitrag von Dirk »

Hi Jakob.

Das war auch nicht sooo ernst gemeint :wink:

Ich bin bisher nur nicht dazu gekommen, mich näher mit den Werken dieser Autoren zu beschäftigen / mich über sie zu informieren.
Mit ein Grund, warum ich hier bin.
Infos zu Büchern, die mich reizen könnten.
Asutausch über Bücher.
Lernen, was den Lesern gefällt.
Es ging mir in erster Linie auch um den Bogen, zum "szeneinaktiven" Leser, der nur das sieht, was er im Buchladen in der jeweiligen Sparte vorfindet.

Der Dünkel ... hach Gott *abwink*
Lasst den Pöbel pöbeln und den Dünkel dünkeln :wink:

Die Idee ist gut, die Ausführung hapert noch, aber das Projekt hat ja auch gerade erst begonnen.
Sobald die ersten Daten- /Landesschützer bei Uwe und Sven auftauchen, um braunes Gedankengut auf deren Rechnern zu suchen, wird sich da bestimmt was ändern :lol:
(Hinweis: Ich sehe da nix braunes. Das war jetzt wirklich ironisch und witzig gemeint. Also bitte keine Tüte Kieselsteine und keine Bärte aus Ziegenwolle kaufen. Ich bins doch nur! Euer Prian :D )

Leider wohne ich in Köln.
Aber wenn es mich mal nach Berlin verschlägt ... du und ich ... :bier:
Das würde bestimmt ein interessanter Tag / Abend werden :prima:
Oki?

LG

Dirk :D
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frankh
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Re: Deutsche Science Fiction ist flüssiger als flüssig

Ungelesener Beitrag von frankh »

Jakob hat geschrieben: Das ist genau die Szenementalität, die mich nervt. Sich lieber nicht bei den Kollegen unbeliebt machen, denn die Szene ist klein und all das fällt auf einen selbst und die eigenen Projekte zurück.
Stattdessen könnte man auch eine vernünftige Streitkultur pflegen und es aushalten, dass die Szene eben das ganze Spektrum politischer Meinungen umfasst, die auch artikuliert werden dürfen und sollen. Ich bin ein Fan des Septime-Verlags, obwohl ich mir mit dem Verlagsinhaber die übelsten Forenstreits geliefert habe, weil da einfach tolle Bücher erscheinen. Ich lese die Nova, egal was ich von Ronald Hahns Diskussions(nicht-)verhalten halte, weil sie nach wie vor neben den Wurdack-Anthos die beste Plattform für deutschsprachige SF-Kurzgeschichten ist.
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Wer hätte gedacht, daß ich Dir einmal vollumfänglich recht geben würde? ;)

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Andreas Eschbach
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Re: Deutsche Science Fiction ist flüssiger als flüssig

Ungelesener Beitrag von Andreas Eschbach »

In diesen Zusammenhang passt eventuell eine Beobachtung, die sich mir bei diversen Wanderungen durchs Internet aufgedrängt hat und für die ich keine wirklich befriedigende Erklärung weiß: Es gibt zahllose Forenthreads, in denen irgendjemand die Frage stellt, "Was sind eure 10/20/5/42 Lieblingsromane der Science-Fiction?"
So eine Frage bleibt selten unbeantwortet: Ruck-zuckl trudeln die Listen der persönlichen All-time-Favoriten ein.

Doch auf diesen Listen finden sich so gut wie nie Titel deutschsprachiger Autoren.

Viele amerikanische und englische Romane, klar. Oft ein Lem oder ein Strugatzki. Selten ein Verne.
Aber so gut wie nie ein Jeschke, Hammerschmitt, Marrak, Lasswitz (um mich mal auf Nichtteilnehmer dieser Diskussion hier zu beschränken :wink: ).

An diesem Phänomen ändern auch Fragevarianten wie "Romane der letzten 20/10/5 Jahre" nichts.
Auch die Frage nach "Lieblingsautoren" ergibt in der Mehrzahl Listen, die Stanislaw Lem + diverse Engländer + diverse Amerikaner aufführen.

Da kann man jetzt nicht mit Absatzzahlen und Werbeaufwand argumentieren, denn Lieblingsbücher sind ja auch mal Bücher, die man zufällig aus dem Antiquariat geklaubt hat: Ich würde schon davon ausgehen, dass die Leute da ihre echten Lieblinge auflisten und sich echt Gedanken machen, was ihnen gefällt.

Und in der Kategorie "gefällt/hinterlässt bleibenden Eindruck" scheinen deutschsprachige SF-Autoren irgendwie nicht so richtig gut abzuschneiden.
Frage an die Runde: Was denkt ihr, warum das so ist?
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Re: Deutsche Science Fiction ist flüssiger als flüssig

Ungelesener Beitrag von a3kHH »

muellermanfred hat geschrieben:Ich habe nicht allzuviele SF-Titel gelesen in meinem Leben, 800-900 vielleicht, darunter vielleicht 50-60 deutsche Titel, vor allem aus den 80ern (Brandhorst, Franke, Hahn, Jeschke, Pukallus, Ziegler). Brandhorsts manchmal überbordende Szenerien bleiben einem in Erinnerung und natürlich Zieglers Kurzprosa, aber dann kommt lange nichts. Der angloamerikanische Stoff verdrängt die einheimische SF schon durch seine Fülle.

Was nützt es denn, mit dem Fuß aufzustampfen und zu sagen "Deutsche SF ist top!", wenn es nicht stimmt?
Vollkommen richtig, die deutsche SF der 80er ist ... suboptimal. Um so überraschter war ich vor ein paar Jahren, als ich "Visionen 4" las und nur wirklich gute Geschichten fand. Ebenso Brandhorst mit seinen Graken. Das ist schon ziemlich gut. Und es ging nicht wesentlich schlechter weiter - weil auch die Hauptherausgeber, die ich lese (nämlich Latz und Wurdack) sehr viel Wert auf das inhaltliche Lektorat lesen. In der Zwischenzeit habe ich (leider) auch wieder 80er-Analoga lesen müssen, aber in den letzten paar Jahren war die deutsche SF in meinen Augen deutlich innovativer als die angloamerikanische.
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Pogopuschel
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Re: Deutsche Science Fiction ist flüssiger als flüssig

Ungelesener Beitrag von Pogopuschel »

Andreas Eschbach hat geschrieben: Frage an die Runde: Was denkt ihr, warum das so ist?
Gute Frage. Bis auf »Lord Gamma« würden bei mir auch nur englischsprachige Autoren und »Picknick am Wegesrand« auftauchen. Thomas Thiemeyer und Andreas Eschbach würde ich auch zu meinen Lieblingsautoren zählen (immerhin lese ich jede Neuerscheinung von ihnen) aber es ist kein einzelnes Werk dabei, das ich als Lieblingsbuch bezeichnen würde. Bei mir hängt es vermutlich doch mit der Omnipräsenz amerikanischer und englischer Medien in meiner Kindheit zusammen. Ich habe mich schon immer zu England und Amerika hingezogen gefühlt.
In meiner Lieblingsliste aller Bücher (nicht nur SF) würde aber auch nicht so viel SF erscheinen (höchsten »Blumen für Algernorn«, »Dune«, »Die gelöschte Welt«, »Spin« und »Bedenke Phlebas). Die Chancen nicht-englischsprachiger (auch Deutscher) Autoren außerhalb der SF sind bei mir sehr viel höher. Da habe ich einige Lieblingsbücher.

Ich (Jahrgang 79) kenne mich nicht so gut mit den deutschen SF-Autoren aus, die vor den 90er Jahren erschienen sind. Aber für mich erschienen Bücher von deutschen Autoren immer ein wenig zu leblos, nicht emotional genug (bzw. nicht so, dass ich eine emotionale Bindung zu ihnen aufgebaut habe). Ja, sie erschienen mit tatsächlich ein wenig zu »deutsch«. Das hört sich blöd an, ist aber über viele Jahre meine Wahrnehmung gewesen, vor allem in den (prägenden) Jahren, in denen ich viele meiner jetzigen Lieblingsbücher gelesen habe. Deutsche Autoren waren einfach uncool (bis auf Nietzsche.
Meine (im Nachhinein natürlich unsinnigen) Vorurteile* gegen deutsche Autoren haben Leute wie Sven Regener, Walter Moers, Michael Marak, Tobias Meißner und Andreas Eschbach abgebaut.




*Vielleicht hat da auch der Deutschunterricht seinen Beitrag geleistet. Deutsche Autoren waren immer tierisch öde, und dann haben wir so was spannendes wie »Herr der Fliegen« gelesen. So etwas prägt.
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Re: Deutsche Science Fiction ist flüssiger als flüssig

Ungelesener Beitrag von a3kHH »

Andreas Eschbach hat geschrieben:Und in der Kategorie "gefällt/hinterlässt bleibenden Eindruck" scheinen deutschsprachige SF-Autoren irgendwie nicht so richtig gut abzuschneiden.
Frage an die Runde: Was denkt ihr, warum das so ist?
Vielleicht weil die deutsche Phantastik erst seit relativ kurzer Zeit wieder wirklich gut ist und erst den verbrannten Boden der vergangenen Jahrzehnte gutmachen muß ?
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Re: Deutsche Science Fiction ist flüssiger als flüssig

Ungelesener Beitrag von Pogopuschel »

a3kHH hat geschrieben:
Andreas Eschbach hat geschrieben:Und in der Kategorie "gefällt/hinterlässt bleibenden Eindruck" scheinen deutschsprachige SF-Autoren irgendwie nicht so richtig gut abzuschneiden.
Frage an die Runde: Was denkt ihr, warum das so ist?
Vielleicht weil die deutsche Phantastik erst seit relativ kurzer Zeit wieder wirklich gut ist und erst den verbrannten Boden der vergangenen Jahrzehnte gutmachen muß ?
Da würde ich Alfred zustimmen. In der Zeit in der ich aufwuchs und erste Erfahrungen mit der Phantastik machte, gab es kaum deutsche Autoren in den Science Fiction und Fantasyregalen.
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