Metropolis - verschollene Szenen aufgetaucht

Lapje
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Re: Metropolis - verschollene Szenen aufgetaucht

Ungelesener Beitrag von Lapje »

Und eben deswegen stimmt meiner Meinung nach der letzte Satz, weil er eben die "Anordnung" infrage stellt...sofern es um den Satz "Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein" - eben das Herz hat in Metropolis gefehlt. Mag zwar "schmachtend" geschrieben sein, das ändert aber für mich nichts an der Richtigkeit.
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L.N. Muhr
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Re: Metropolis - verschollene Szenen aufgetaucht

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Das tut er nicht. Bzw. das ist definitiv nicht so intendiert. Harbou trat nicht zufällig 1932 in die NSDAP ein. In der Tat gibt der Film keinerlei Anlass, dass irgendwo die bestehende geslelschaftsordnung in Frage gestellt wird, sie wird nur wieder stabilisiert, nachdem der störende, deutlich "jüdisch" gezeichnete Faktor aus dem Weg ist.

Metropolis ist ein visuell beeindruckender Film. Aber Harbou war eine Kitschautorin und Hitler-Verehrerin. Lang und Harbou lebten sich während oder kurz nach den Dreharbeiten auseinander, schon bei "M" gingen sie im Grunde getrennte Wege.
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Re: Metropolis - verschollene Szenen aufgetaucht

Ungelesener Beitrag von Lapje »

Dann sehen wir das eben komplett verschieden. Ich interpretiere die Stelle des Films für mich so, dass es das eine nicht ohne das andere geben kann.
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L.N. Muhr
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Re: Metropolis - verschollene Szenen aufgetaucht

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Ja, das sahen die Nazis auch so. Und über allem steht das Gefühl.

Das Problem ist, dass du nur einen Bruchteil der Aussage nimmst, nicht die gesamte Aussage. So wie in dem Satz "Die Erde ist eine Scheibe" der Teil "Die Erde ist" fraglos wahr ist. ;-)
Lapje
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Re: Metropolis - verschollene Szenen aufgetaucht

Ungelesener Beitrag von Lapje »

Die Nazis haben auch Brot gegessen... ich denke nicht, dass eine Diskussion auf dieser Ebene geführt werden sollte...
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Quantenmechaniker
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Re: Metropolis - verschollene Szenen aufgetaucht

Ungelesener Beitrag von Quantenmechaniker »

Hachherrje, diese Nationalsozialisten. Immer wieder eine Diskussion wert. *schnaaarch*
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Re: Metropolis - verschollene Szenen aufgetaucht

Ungelesener Beitrag von Montag »

Lapje hat geschrieben: 15. Juni 2017 22:14 Und eben deswegen stimmt meiner Meinung nach der letzte Satz, weil er eben die "Anordnung" infrage stellt...sofern es um den Satz "Mittler zwischen Hirn und Händen muss das Herz sein" - eben das Herz hat in Metropolis gefehlt. Mag zwar "schmachtend" geschrieben sein, das ändert aber für mich nichts an der Richtigkeit.
Ich geb zu, ich fand diese take-home-message auch immer ganz gut. Aber wenn man länger darüber nachdenkt...
In vielen Geschichten (Krimis wie zB Tatort) werden am Ende die herrschenden Verhältnisse wieder hergestellt. Das Happy End ist, dass sich zum Glück nichts ändert. Alles bleibt beim Alten, wir müssen uns nicht umgewöhnen.
Metropolis macht das auch. Die Angst vor und die Faszination von der politischen Masse/dem Mob lag wohl damals in der Luft und wird von Metropolis sehr stark thematisiert. Der Mob erhebt sich, aber er ist ungelenkt und verursacht so nur Schaden (der Mob kümmert sich nicht um die eigenen Kinder, nur die Helden des Films retten sie).
Dass der Mob als Arbeiterklasse mit der Metapher der Hände umschrieben wird, mag erstmal naheliegen. Bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass die Arbeiter kein Hirn haben. Deshalb braucht man die Oberklasse.

Man kann das jetzt als Abgesang auf den Klassenkampf und Bürgerkrieg sehen. Und als Plädoyer für friedliche Koexistenz und Toleranz.
Eine klassenlose Gesellschaft strebt Marias Rede auf jeden Fall nicht an.

Und um in der Parallelität von Körper und Gesellschaft zu bleiben:
Wer ist der Mittler in der Gesellschaft?
Etwa die Religion, die Maria in gewisser Weise verkörpert - dieses Opium fürs Volk?
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Re: Metropolis - verschollene Szenen aufgetaucht

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Das Gefühl der Volksgemeinschaft:

https://de.wikipedia.org/wiki/Volksgemeinschaft
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Re: Metropolis - verschollene Szenen aufgetaucht

Ungelesener Beitrag von Lapje »

@Montag

Die Frage wäre die Definition von "Klassengesellschaft". Es wird immer due geben, welche Entscheidungen treffen müssen und die Verantwortung übernehmen. Und es wird immer die geben, welche diese "Anweisungen" umsetzen müssen - und daher zumindest weniger Verantwortung tragen. Damit wird es aber immer "Klassen" geben. Die Frage ist nur, wie real die Abhängigkeit von einander erkantn wird und wie man dann miteinander umgeht - dass kann auf Augenhöhe, aber auch von oben herab sein. Und für mich deutet sich dieser Spruch so, dass die eine Seite von der anderen Seite abhängig ist, keiner also ohne den anderen kann. Und dass es ihnen durch die Instanz "Herz" klar wird. Also einfach einen respektvollen Umgang.
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Re: Metropolis - verschollene Szenen aufgetaucht

Ungelesener Beitrag von Montag »

Das will ich dir auch nicht nehmen. Und als Lebensphilosophie ist das ja auch ein ehrenwerter Grundsatz, nach dem man da lebt. Und wie gesagt, ich auch nicht in Abrede stellen, dass man das aus Marias Rede am Ende mitnehmen kann...

Aber:
Ganz ehrlich, ich denke, es macht wenig Sinn über die Definition von Klasse zu reden. Die moderne Soziologie ist da spätestens seit den 60ern von weggekommen. Aber da das nicht mein Fachgebiet ist, weiß ich auch nicht, ob es was bringt, Metropolis mit aktueller Sozialstruktur-Theorie zu konfrontieren. Und dein Post gibt halt deine Privatansicht dazu wieder.
Mir ging es um den Klassenbegriff im Marx'schen Sinne. Und es ging mir darum aufzuzeigen, warum der Film aus kommunistischer Perspektive vielleicht nicht so der Hit ist.
Ich denke, die Diskussion die Ellen angestossen hat, ist eine um die Einordnung eines Kunstwerks in seine Entstehungszeit. Weimarer Republik, die diversen Unruhen und Aufstände dieser Zeit, die Oktoberrevolution in Russland mit anschließendem Bürgerkrieg, starke nationalistische und kommunistische Bewegungen in Deutschland. Ich denke, dass alles verhandeln Harbou und Lang in Metropolis.
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Re: Metropolis - verschollene Szenen aufgetaucht

Ungelesener Beitrag von Lapje »

Ich denke, dass das Problem auch darin liegt, dass "Klasse" in dem Zusammenhang oft auch negativ behaftet ist. Das war nicht meine Intention. Man kann von mir aus auch Gruppe oder einen anderen Begriff nehmen. Oder eher so: Wenn es Entscheidungsträger gibt, dann muss es auch Arbeiter geben. Aber in meinen Augen ist keiner besser oder schlechter. Beides sind unabdingbare Bereiche und auf einander angewiesen.
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Re: Metropolis - verschollene Szenen aufgetaucht

Ungelesener Beitrag von Montag »

Na gut, dann lösen wir das mal weitestgehend vom historischen Kontext ab. Wenn man jetzt nur von deinem Gruppenmodell ausgeht und Politik zwischen verschiedenen Gruppen gemacht wird... Dann bedeutet, dass das Herz Mittler ist, dass Politik mit Emotionen gemacht wird. Nicht mit Fakten. Das ist dann das was man gerade modemäßig postfaktisches Zeitalter nennt.

Das wäre auch eine Lesart oder ein Problem, das man in Marias Rede sehen könnte.
(Und klar, man möchte auch andrerseits keine seelenlose Bürokratie, die sich nicht um die einzelnen Leute schert.)

Aber wie gesagt, wenn du da was anderes rausnimmst, ist das ja schön. Mir selbst hat das ja beim Filmgucken auch gut gefallen.
Meine Posts wollten jetzt nur beleuchten, warum der Film für die eine ideologische Strömung mehr oder halt weniger interessant gewesen sein könnte.
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Re: Metropolis - verschollene Szenen aufgetaucht

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Lapje hat geschrieben: 17. Juni 2017 17:26 Oder eher so: Wenn es Entscheidungsträger gibt, dann muss es auch Arbeiter geben.
Das wäre nützlich, ja. Ohne wären die Entscheidungsträger etwas aufgeschmissen.

Aber machen wir uns nix vor, bei Metropolis geht es ganz klar um Klassen, aber den marxistischen Klassenwiderspruch der Linken löste er in einer simplen-Herz-Schmerz-Botschaft mit zementierter Klassenarchitekturauf, was im Kontext der Entstehungszeit des Films eine eindeutige politische Stellungnahme zugunsten der extremen Rechten ist.

Das eine mag ja sein, was man aus dem Film mitnimmt (obwohl diese Botschaft immer noch extrem fragwürdig wäre), das andere ist aber, was da reingetan wurde, via Zeitkolorit und eben der Ideologie der Autorin.
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