Meine zwei Cent:
Kringels Archiv hat geschrieben:"Splice" stellt die alte "Frankenstein"-Thematik in einen modernen Kontext. Schließlich gibt es auch in der Realität bereits die verschiedensten Anwendungen der Gentechnik, und es wird auch schon fleißig mit menschlichem Erbgut experimentiert. Die Technik ist neu, aber die Fragen sind dieselben wie zu Mary Shelleys Zeiten: Soll alles gemacht werden, was machbar ist? Unabhängig von Bedenken gleich welcher Art? Sollten Bedenken überhaupt eine Rolle spielen oder gibt es so etwas wie "reine Wissenschaft", die nur nach Erkenntnis streben und nicht über die Konsequenzen nachdenken soll? Wovon werden Wissenschaftler wirklich angetrieben? Geht es ihnen um Ruhm und Ehre, um den eigenen Ehrgeiz oder um das Allgemeinwohl? Diese Fragen werden von "Splice" nicht alle und nicht abschließend beantwortet. Klar ist: Clive und Elsa wollen sich und der Welt beweisen, was sie vollbringen können. Dass man die Ergebnisse in bare Münze verwandeln kann, ist ein angenehmer Nebeneffekt. Welche Konsequenzen ihr Tun haben kann, ist ihnen egal bzw. es kommt ihnen gar nicht in den Sinn, dass es überhaupt irgendwelche Folgen geben könnte. Dass es welche gibt, begreifen sie erst dann, als ihnen die Folgen in Gestalt von Dren buchstäblich ins Gesicht springen. Als ihnen klar wird, dass sie Dren nicht behandeln können wie irgendeinen Bestandteil einer Versuchsanordnung, ist es bereits zu spät. Auch Barlow und Chorot verschwenden keine Zeit mit moralischen Bedenken. Sie haben nur Angst vor schlechter Presse. Elsa stellt einen Sonderfall dar: Anscheinend haben ihre Kindheitsprobleme, die allerdings nur kurz angedeutet werden (mehr ist aber auch nicht nötig), eine wichtige Rolle bei Drens Erschaffung gespielt...
Da keiner von ihnen als wirklich negative Figur dargestellt wird, muss sich der Zuschauer seine eigenen Gedanken machen. Das gilt auch für Dren. Man kann sie nicht als "böse" oder als "Monster" bezeichnen, denn sie hat herzlich wenig Zeit, um ihren Charakter zu entwickeln. Sie weiß nicht, wie sie mit sich und der Welt umgehen soll. Sie richtet zwar einigen Schaden an, benimmt sich dabei aber zunächst im Grunde nicht anders als ein "normaler" pubertierender Jugendlicher (Aufbegehren gegen elterliche Autorität usw.) - das Problem sind ihre großen Körperkräfte. Aber es ist auch klar, dass sie trotz aller Menschenähnlichkeit eben kein Mensch ist. Da sie nicht spricht, kann man nie wissen, wieviel sie wirklich versteht und was in ihr vorgeht. Jedenfalls ist Dren nicht das klassische Ungeheuer eines Monsterfilms, sondern einfach ein fremdartiges Geschöpf, das man nie ganz begreifen kann und das man nicht vermenschlichen sollte. Erst beim Showdown verwandelt sich Dren wirklich in ein Monster, auch wenn man annehmen kann, dass sie (bzw. er) sich nur selbst schützen will. Möglicherweise tötet Dren Clive nur (zuvor hat er ihn verschont), weil er von Elsa erschlagen werden will. "Splice" ist meiner Meinung nach kein klassischer Monsterfilm, wenn der Regisseur auch geschickt mit diesem Genre und den Erwartungen des Publikums spielt. Man könnte sagen: Der Horror entsteht in "Splice" nicht durch die Taten einer bösartigen Kreatur. Der wahre Horror ist die Vorstellung, was eine entfesselte Wissenschaft und falscher Ehrgeiz anrichten können.
So kopflastig, wie das alles vielleicht klingt, ist der Film nicht. Vincenzo Natali hat um die Thematik und um die vordergründige "Monstergeschichte" herum ein spannendes und wegen der erstklassigen Schauspieler auch anrührendes, komplexes Beziehungsdrama gestrickt. Dass der Film so gut funktioniert, ist neben den hervorragenden Spezialeffekten vor allem Delphine Chaneac zu verdanken. Sie spielt trotz ihres per CGI verfremdeten Gesichts alle an die Wand und schafft es, den Zuschauer für sich zu vereinnahmen. Sie macht Dren einerseits zu einer sehr fremdartigen, manchmal bedrohlichen Kreatur und andererseits zu einem meist sympathischen und trotz der Fremdartigkeit verführerischen Wesen, das man nicht verurteilen, sondern nur bedauern kann. Die Effekte sind wie gesagt wirklich klasse. Computergenerierte Kreaturen und Verfremdungen, Masken, Puppen usw. sind meist geradezu perfekt; man vergisst völlig, dass man es mit Spezialeffekten zu tun hat. Ebenfalls sehr gut gelungen: Der Gegensatz zwischen der klinisch-kalten Atmosphäre im Labor und der heruntergekommenen Farm. Ein toller Film, den man so schnell nicht vergisst und der viel Stoff zum Nachdenken bietet.