[Artikel] Die digitale Revolution frisst das Filmerbe

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breitsameter
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Re: [Artikel] Die digitale Revolution frisst das Filmerbe

Ungelesener Beitrag von breitsameter »

Pogopuschel hat geschrieben:Da kann man sich mal ein Bild davon machen, wie viele Jobs als Filmvorführer da weggefallen sind.
Wobei dies keine gut bezahlten Jobs waren. Und keiner von denen mehr einen 100 Jahre alten Film korrekt hätte abspielen können.
Echte Vampire schillern nicht im Sonnenlicht, sie explodieren. Echte Helden küssen keinen Vampir, sie töten ihn.
simifilm
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Re: [Artikel] Die digitale Revolution frisst das Filmerbe

Ungelesener Beitrag von simifilm »

Pogopuschel hat geschrieben:Hat alles seine Vor- und Nachteile (was den technologischen Wandel im aktuellen Kinogeschäft angeht). Beim Fantasy Filmfest bestanden die Filme bis vor wenigen Jahren noch aus Filmrollen. Da das Festival meist in zwei Städten gleichzeitig stattfindet und es nur eine Kopie pro Film gab, mussten die Filme unter großem Stress - wie vom kleinen Salvatore in Cinema Paradiso - durchs Land kutschiert werden. Und es gibt keinen Ärger mehr mit fehlerhaftem oder schlechtem Filmmaterial. Dieser Aufwand und Stress entfällt inzwischen, da sämtliche Filme Digital gezeigt werden.

Das Problem: Jeder Film hat einen eigenen sehr komplizierten Schlüssel, um freigeschaltet zu werden. Ist wohl bei jeder Vorstellung des Films, in jeder Festivalstadt eine anderer. Und es kam schon mehr als einmal vor, dass der Schlüssel nicht funktioniert hat und die Vorstellung ausfallen musste. Da hat sich der Stress durch die modernere und vermeintlich komfortablere Technik nicht verändert, sonder nur verlagert.
Yep, die Verschlüsselung der DCP ist in der Tat ein Problem. Für Festivals, aber auch für die Archivierung. Was bringt es mir, dass ich den Film auf Festplatte habe, der Schlüssel dafür aber irgendwo in Hollywood sitzt?

Um das noch einmal klar zu machen: Ich bin überhaupt nicht gegen die Digitalisierung. Das wäre auch sinnlos, denn der Schritt ist gemacht. Und ich plädiere ganz klar für eine umfassende Digitalisierung der anlogen Bestände.

ABER: Wer meint, mit der Digitalisierung seien nun alle Probleme gelöst, irrt sich. Gerade die Langzeitarchivierung ist nicht gelöst. Klar gibt es Wege, wie ich Daten über einen längeren Zeitraum frisch halten kann. Die Chancen, dass ich heute einen 100 Jahre alten analogen Film noch abspielen kann, scheint mir aber grösser als der gleiche Zeitraum bei einem digitalen Film.
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Re: [Artikel] Die digitale Revolution frisst das Filmerbe

Ungelesener Beitrag von simifilm »

breitsameter hat geschrieben:
Pogopuschel hat geschrieben:Da kann man sich mal ein Bild davon machen, wie viele Jobs als Filmvorführer da weggefallen sind.
Wobei dies keine gut bezahlten Jobs waren. Und keiner von denen mehr einen 100 Jahre alten Film korrekt hätte abspielen können.
Also ich kenne durchaus Vorführer, die das können.

Das Wegrationalisieren der Vorführer kann zu lustigen Szenen führen; kürzlich hatte ich bei einem Film eine längere Zeit kein Bild. Da der Vorführer nicht wie früher in der Kabine stand – er arbeitet in mehreren Häusern gleichzeitig, wirft das Ding also nur an und geht wieder raus –, hat das niemand gemerkt (in manchen Kinos wird bereits alles ferngsteuert). Es musste jemand über die Strasse in das Kino nebenan gehen, wo der Vorführer war, damit dieser das wieder korrigieren konnte.
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breitsameter
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Re: [Artikel] Die digitale Revolution frisst das Filmerbe

Ungelesener Beitrag von breitsameter »

simifilm hat geschrieben:ABER: Wer meint, mit der Digitalisierung seien nun alle Probleme gelöst, irrt sich. Gerade die Langzeitarchivierung ist nicht gelöst. Klar gibt es Wege, wie ich Daten über einen längeren Zeitraum frisch halten kann. Die Chancen, dass ich heute einen 100 Jahre alten analogen Film noch abspielen kann, scheint mir aber grösser als der gleiche Zeitraum bei einem digitalen Film.
Nein, die Probleme sind nicht automatisch gelöst. Das ist aber bei allen Digitalisierungsmaßnahmen (Bild, Ton, Film) so. Aber wiederum alle sind sich einig, dass zum Schutz des Originalmaterials praktisch kein Weg daran vorbeiführt.
Ich bin selbst in entsprechende Projekte eingebunden (ich arbeite in einem Museum) und kenne die Problematik - auch die Problematik, dass es in machen Punkten schlicht keine dauerhaften Empfehlungen für eine Langzeitarchivierung gibt. Man tastet sich voran und muss sich klar sein, dass der Erhalts des Inhalts hier dauerhaft vom Erhalt des Mediums zu trennen ist.

Aber die alten Filmrollen (bzw. andere Datenträger) abzunudeln, bis diese kaputt sind, ist keine Lösung.
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Re: [Artikel] Die digitale Revolution frisst das Filmerbe

Ungelesener Beitrag von simifilm »

breitsameter hat geschrieben:Aber die alten Filmrollen (bzw. andere Datenträger) abzunudeln, bis diese kaputt sind, ist keine Lösung.
Ist ja nicht so, dass sich analoger Film nicht vervielfältigen liesse. Ein gut gelagertes Negativ – was freilich oft nicht vorhanden ist –, schlägt die meisten anderen Langzeitspeichervarianten.
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Re: [Artikel] Die digitale Revolution frisst das Filmerbe

Ungelesener Beitrag von Khaanara »

Ich denke einmal, hier gibt es noch zur Not in den nächsten Jahren analoge Filmprojektoren und deren Bediener: http://deutsches-filminstitut.de/filmmuseum/

Programm Februar
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Re: [Artikel] Die digitale Revolution frisst das Filmerbe

Ungelesener Beitrag von simifilm »

simifilm hat geschrieben:
Khaanara hat geschrieben:Wobei schon vieles Totgeglaubte nach dem Wechsel auf das digitale Medium auch wieder zurück kam, so werden zum Wie im Artikel geschrieben sehe ich eine Gefahr im Verlust des Know-hows. In den letzten Jahren wurden reihenweise Leute entlassen, die in der "analogen Industrie" beschäftigt waren und Nachwuchs wird nicht ausgebildet. Und wie bei jedem Handwerk geht es hier nicht nur um ein paar Maschinen, sondern um Wissen, das sich über Jahrzehnte hinweg angesammelt hat.
Eine sehr späte Ergänzung hierzu: Quentin Tarantino hat sich bei seinem letzten Film The Hateful Eight nicht nur einen Sport daraus gemacht, den Film auf 70mm zu drehen, er liess ihn, wo möglich, auch so zeigen. Nach allem, was man lesen und hören konnte, wurde diese Aktion aber zu einem rechten Flop, denn selbst bei Kinos, die noch 70mm-Projektoren besassen (viele sind das ja nicht), gab es viele Probleme. Der Grund: Mangelnde Erfahrung. Vielerorts waren die entsprechenden Geräte seit Jahren nicht mehr im Einsatz, die Vorführer, welche sich damit auskannten, oft nicht mehr vor Ort etc.

Dass nur zur Illustration, was geschehen kann, wenn Geräte nicht gewartet und Know-how nicht aktiv gepflegt wird. Und das betrifft nur das eher exotische Feld 70mm. Mittlerweile ist es aber so, dass es kaum noch Labors gibt, die 35mm-Film entwickeln. Wenn aber niemand mehr mit dem Material umgehen kann, scheitert die Digitalisierung schon zwei Stufen vorher.
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Re: [Artikel] Die digitale Revolution frisst das Filmerbe

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Und eine noch spätere Ergänzung: Ich habe mittlerweile eine Art Sequel/Update zum ursprünglichen Artikel veröffentlich. Der neue Artikel ist ziemlich schweiz-zentriert, die grundlegenden Probleme sind aber überall die gleichen.
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Re: [Artikel] Die digitale Revolution frisst das Filmerbe

Ungelesener Beitrag von Badabumm »

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass einige vom Filmmaterial überspielte Digitalversionen auf DVD außerdem grottenschlecht sind. Dazu gehört z.B. "Wenn der Wind weht" oder "Die unendliche Geschichte". Nicht nur das digitale Abtasten will gelernt sein, sondern auch das Fehlerausmerzen und das Optimieren, das Mastern. Was uns manchmal auf DVD als "digitalisierte, neu gemasterte" Version verkauft wird, ist oft schlechter als das Original...

Hat man also später nur noch die Digitalversion zur Verfügung, entgehen uns jede Menge Nuancen und Feinheiten des Originals. Zudem werden viele niedrig aufgelöste DVD-Versionen für Bluray bloß aufgebläht. Ich habe Vergleiche gesehen, in denen der verwendete Codec maßgeblich für die Detailtreue war, besonders bei schnellen Szenen.

Und das wichtigste Argument gegen Digitalarchive: wer kann die in 50 Jahren noch lesen..? Von Verschlüsselung ganz zu schweigen...
„Wenn Außerirdische so sind wie wir, möchte ich nicht von uns entdeckt werden.“

Harald Lesch
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