Was will der (SF-)Leser?
- Thomas Wawerka
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Re: Was will der (SF-)Leser?
Liebe SF-Fans, liebe Kollegen,
bisher haben wir die ganze Angelegenheit hauptsächlich mit Konzentration aufs Geschehen zwischen Autor und Leser diskutiert, sozusagen auf der Ebene des "impliziten Vertrag", wie das James N. Frey nennt (wenn ich mich nicht irre). Es gibt aber noch eine andere Ausschlag gebende Ebene, nämlich die des Marketings und des Vertriebs. Und auf dieser Ebene ist meiner Meinung nach durchaus zu beobachten, dass der Leser "mögen soll, was er bekommt". Wer sich das SF-Regal in der Buchhandlung seines Vertrauens anschaut (falls diese ein SF-Regal hat und falls dort mehr als Star Trek, Star Wars und Warhammer stehen) und das Angebot von heute mit dem Angebot früherer Zeiten vergleicht, beispielsweise der 70er Jahre, wird kaum abstreiten können, dass das Genre eine starke Verengung erfahren hat. Was damals alles unter dem Begriff SF firmierte ... diese Vielfalt und daraus resultierende Vitalität ... das gibt's heute gar nicht mehr. Ballard beispielsweise würde nicht mehr als SF vertrieben werden (na gut, die beiden dicken Heyne-Bände widerlegen meine Ansicht klar - ich meinte eher einen neuen Autor nach Art von Ballard). SF besteht heute hauptsächlich aus den Strängen Space Opera, Action/Military, Cyber- oder irgendein anderer Retro-Punk und diversen humoristischen Varianten.
Soviel ich i.A. überblicken kann, hat das zwei Gründe:
- Erstens decken immer weniger Verlage einen immer größeren Teil des Buchmarkts ab. Heyne gehört zu Randomhouse, und man muss sich bloß mal anschauen, wieviel Randomhouse geschluckt hat. Je größer aber eine Institution ist, desto stärker ist die Neigung zu Monokulturen ausgeprägt. Ich formuliere nur eine Beobachtung, keinen Vorwurf - ist ja durchaus verständlich. Zuverlässiger Absatz sorgt für Stabilität. Aber um den Absatz zuverlässig und in nötiger Höhe zu halten, ist es besser, ein enger begrenztes Profil zu entwickeln (davon, was SF ist bzw. als solche vertrieben wird) und auf Wiederholungseffekte zu setzen. Man definiert oder schafft also einen Markt, damit man ihn mit der nötigen, will heißen gewinnbringenden Auflage, und dauerhaft bestücken kann.
- Zweitens hat die SF im Lauf der Jahre ja langsam, aber beharrlich die Grenzen zum Mainstream transzendiert, ist in den Mainstream eingesickert, eine Art osmotischer Prozess. Je mehr nun der Mainstream SF-Anteile aufnimmt, desto mehr gehen der SF Anteile verloren, die eben nur und eindeutig "SF" sind. Das ist schade für die SF-Szene, da für sie eben nur noch Endlosserien, Space Operas etc. übrig bleiben. Die Szene hat lange daran gearbeitet, aus der Schmuddelcke rauszukommen, mit Erfolg - nur um zunehmend genau wieder dorthin gedrängt zu werden. Ironie der Literaturgeschichte.
bisher haben wir die ganze Angelegenheit hauptsächlich mit Konzentration aufs Geschehen zwischen Autor und Leser diskutiert, sozusagen auf der Ebene des "impliziten Vertrag", wie das James N. Frey nennt (wenn ich mich nicht irre). Es gibt aber noch eine andere Ausschlag gebende Ebene, nämlich die des Marketings und des Vertriebs. Und auf dieser Ebene ist meiner Meinung nach durchaus zu beobachten, dass der Leser "mögen soll, was er bekommt". Wer sich das SF-Regal in der Buchhandlung seines Vertrauens anschaut (falls diese ein SF-Regal hat und falls dort mehr als Star Trek, Star Wars und Warhammer stehen) und das Angebot von heute mit dem Angebot früherer Zeiten vergleicht, beispielsweise der 70er Jahre, wird kaum abstreiten können, dass das Genre eine starke Verengung erfahren hat. Was damals alles unter dem Begriff SF firmierte ... diese Vielfalt und daraus resultierende Vitalität ... das gibt's heute gar nicht mehr. Ballard beispielsweise würde nicht mehr als SF vertrieben werden (na gut, die beiden dicken Heyne-Bände widerlegen meine Ansicht klar - ich meinte eher einen neuen Autor nach Art von Ballard). SF besteht heute hauptsächlich aus den Strängen Space Opera, Action/Military, Cyber- oder irgendein anderer Retro-Punk und diversen humoristischen Varianten.
Soviel ich i.A. überblicken kann, hat das zwei Gründe:
- Erstens decken immer weniger Verlage einen immer größeren Teil des Buchmarkts ab. Heyne gehört zu Randomhouse, und man muss sich bloß mal anschauen, wieviel Randomhouse geschluckt hat. Je größer aber eine Institution ist, desto stärker ist die Neigung zu Monokulturen ausgeprägt. Ich formuliere nur eine Beobachtung, keinen Vorwurf - ist ja durchaus verständlich. Zuverlässiger Absatz sorgt für Stabilität. Aber um den Absatz zuverlässig und in nötiger Höhe zu halten, ist es besser, ein enger begrenztes Profil zu entwickeln (davon, was SF ist bzw. als solche vertrieben wird) und auf Wiederholungseffekte zu setzen. Man definiert oder schafft also einen Markt, damit man ihn mit der nötigen, will heißen gewinnbringenden Auflage, und dauerhaft bestücken kann.
- Zweitens hat die SF im Lauf der Jahre ja langsam, aber beharrlich die Grenzen zum Mainstream transzendiert, ist in den Mainstream eingesickert, eine Art osmotischer Prozess. Je mehr nun der Mainstream SF-Anteile aufnimmt, desto mehr gehen der SF Anteile verloren, die eben nur und eindeutig "SF" sind. Das ist schade für die SF-Szene, da für sie eben nur noch Endlosserien, Space Operas etc. übrig bleiben. Die Szene hat lange daran gearbeitet, aus der Schmuddelcke rauszukommen, mit Erfolg - nur um zunehmend genau wieder dorthin gedrängt zu werden. Ironie der Literaturgeschichte.
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Re: Was will der (SF-)Leser?
Dazu möchte ich zwei Gesichtspunkte beitragen: Auf dem Land aufgewachsen, war meine Enttäuschung über viele Buchhandlungen schon immer groß. Genau die Bücher, die ich suchte, waren dort meist nicht zu finden. Am ehesten fündig wurde ich (gerade in den 1980ern) noch im Münchner Hugendubel, den ich zusammen mit einigen Freunden alle zwei, drei Monate regelrecht stürmte. Da gab es die Ausgaben der SF-Bibliothek (in der nächstgelegenen Kleinstadt nie gesichtet), dort gar es das SF-Programm aller Taschenbuchverlage und das teilweise noch vier, fünf Jahre zurück. In der Buchhandlung, die in der Kleinstadt war, in der ich auch in die Schule ging, war das SF-Regal schon damals im Keller versteckt (damals war mir das nicht klar, aber heute weiß ich, dass es genauso gut versteckt war, wie die ab18-Ware in den Videotheken - und dem Besitzer mindestens genauso peinlich) und schlecht bestückt.Thomas Wawerka hat geschrieben:Es gibt aber noch eine andere Ausschlag gebende Ebene, nämlich die des Marketings und des Vertriebs. Und auf dieser Ebene ist meiner Meinung nach durchaus zu beobachten, dass der Leser "mögen soll, was er bekommt". Wer sich das SF-Regal in der Buchhandlung seines Vertrauens anschaut (falls diese ein SF-Regal hat und falls dort mehr als Star Trek, Star Wars und Warhammer stehen) und das Angebot von heute mit dem Angebot früherer Zeiten vergleicht, beispielsweise der 70er Jahre, wird kaum abstreiten können, dass das Genre eine starke Verengung erfahren hat.
Wenn man heute in kleineren Buchhandlungen ein SF-Regal sieht, das scheinbar lieblos bestückt ist, dann liegt das daran, dass es auch genau so erfolgte: die Bestellsoftware für Buchhändler bietet tatsächlich einen Algorithmus an, bei der der Buchhändler sozusagen eine "gemischtes Repertoire" für Literaturbereiche bestellen kann, von denen er keine Ahnung hat (und meist ist davon die SF betroffen). Bei einem befreundeten Buchhändler habe ich das Ergebnis selbst gesehen: ein wildes Sammelsurium, das tatsächlich auf Zufallstreffer baut. Den tatsächlichen Buchmarkt abbilden, das tut diese Auswahl nicht.
Aber: Heute schreiben wir das Jahr 2011. Der Leser muss nicht mehr auf die Buchhandlung ums Eck vertrauen, sondern kann sich im Internet informieren und auch dort einkaufen. Jedes Buch hat damit die Chance das Nadelöhr traditioneller Buchhandel zu umgehen.
Echte Vampire schillern nicht im Sonnenlicht, sie explodieren. Echte Helden küssen keinen Vampir, sie töten ihn.
Re: Was will der (SF-)Leser?
Okay, zwar will ich nicht nach Feierabend über Arbeit reden, aber Thomas, ich denke, Du siehst da einiges falsch (Interpretatiosnsache natürlich).
1. Der "Phantastischen Literatur" ging es vielleicht noch nie so gut wie zur Zeit. Das gilt auch für die SF. Erst heute habe ich halb "entsetzt" meinen Chef zu mir an den PC gerufen, weil ich ihm erstaunt zeigte, wie gut einige SF-Titel zur Zeit gehen. Zeugs, von dem wir vor 2 oder 3 Jahren vielleicht 3 oder 4 Exemplare verkauft hätten, verkaufen wir heute teilweise mit 15-20 Exemplaren. Wow!
Zudem gibt es heute einige Kleinverlage, die sich auf speziellere Sachen verlegt haben, aber auch Verlage wie Heyne kümmern sich um Autoren, die man aus rein finanzieller Sicht eher als fraglich bezeichnen könnte: Strugatzki-Werkausgabe, PKG, 2 Bände Ballard-KGs ... usw.
Und natürlich ist der "Schrott" (was immer Ansichtssache ist) in der Überzahl - geht auch gar nicht anders.
2. Was soll daran schlecht sein, dass im Mainstream SF stattfindet? Ist doch toll, wenn die Allgemeinheit mit dem Kram was anfangen kann? Wenn das so weiter geht, dann müssen die Verlage nicht mehr Thriller oder Wissenschaftsthriller auf das Cover schreiben, dann geht auch Science Fiction. Und gibt es denn heute Autoren wie Ballard, die keinen Verlag finden?
Andererseits habe ich ohnehin meine Probleme mit Genrebezeichnungen. Ich lese nicht ein Buch, weil es SF ist, sondern weil es mich interessieren könnte.
1. Der "Phantastischen Literatur" ging es vielleicht noch nie so gut wie zur Zeit. Das gilt auch für die SF. Erst heute habe ich halb "entsetzt" meinen Chef zu mir an den PC gerufen, weil ich ihm erstaunt zeigte, wie gut einige SF-Titel zur Zeit gehen. Zeugs, von dem wir vor 2 oder 3 Jahren vielleicht 3 oder 4 Exemplare verkauft hätten, verkaufen wir heute teilweise mit 15-20 Exemplaren. Wow!
Zudem gibt es heute einige Kleinverlage, die sich auf speziellere Sachen verlegt haben, aber auch Verlage wie Heyne kümmern sich um Autoren, die man aus rein finanzieller Sicht eher als fraglich bezeichnen könnte: Strugatzki-Werkausgabe, PKG, 2 Bände Ballard-KGs ... usw.
Und natürlich ist der "Schrott" (was immer Ansichtssache ist) in der Überzahl - geht auch gar nicht anders.
2. Was soll daran schlecht sein, dass im Mainstream SF stattfindet? Ist doch toll, wenn die Allgemeinheit mit dem Kram was anfangen kann? Wenn das so weiter geht, dann müssen die Verlage nicht mehr Thriller oder Wissenschaftsthriller auf das Cover schreiben, dann geht auch Science Fiction. Und gibt es denn heute Autoren wie Ballard, die keinen Verlag finden?
Andererseits habe ich ohnehin meine Probleme mit Genrebezeichnungen. Ich lese nicht ein Buch, weil es SF ist, sondern weil es mich interessieren könnte.
Ralph Doege: Ende der Nacht. Erzählungen http://endedernacht.twoday.net/ / Rezension auf STANDARD.at
"(...) einer der besten Phantastik-Autoren deutscher Sprache." M. S. Sembten
"(...) a truly unique and highly recommended voice in German speculative fiction."LOCUS MAGAZINE
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Re: Was will der (SF-)Leser?
Dass es der SF/Phantastischen Literatur im weiteren Sinne besser geht, mag vllt. nach Umsatzzahlen so sein, aber das war wohl nicht der Punkt.eRDe7 hat geschrieben:...2. Was soll daran schlecht sein, dass im Mainstream SF stattfindet? Ist doch toll, wenn die Allgemeinheit mit dem Kram was anfangen kann? Wenn das so weiter geht, dann müssen die Verlage nicht mehr Thriller oder Wissenschaftsthriller auf das Cover schreiben, dann geht auch Science Fiction. Und gibt es denn heute Autoren wie Ballard, die keinen Verlag finden?
...
Wenn ich jetzt eine besser sortierte Buchhandlung besuche, sieht es sehr "sortiert" aus: Es gibt sehr viele Reihen, mit entsprechend einheitlichen Covern, egal, ob es sich um SF, Fantasy, Horror (naja, jedenfalls kommen Vampire und Werwölfe drin vor) oder irgendwelche Mitteldinger oder Sonderfälle handelt.
Das sieht nicht danach aus, dass man Leser mir irgendwelchen neuen Sachen begeistern will, sondern mehr danach, dass man selbst neues nach bekanntem aussehen lässt, um niemanden abzuschrecken.
Anderswo known as Yart Fulgen
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Re: Was will der (SF-)Leser?
Keine Ahnung. Wenn es so ist, wissen wir es nicht, weil sie ja keinen Verlag gefunden haben ...eRDe7 hat geschrieben:Und gibt es denn heute Autoren wie Ballard, die keinen Verlag finden?

Ich hab auch gar nicht gesagt, dass sie keinen Verlag finden, sondern dass sie nicht mehr als "SF" erscheinen würden. Nicht einmal "Flashback" ist noch als SF erschienen. Das mag im Einzelfall diverse Gründe haben (bei Simmons, weil er viel mehr als SF schreibt und sich als "Simmons"-Roman wahrscheinlich einfach besser verkaufen lässt), aber es zeichnet sich doch eine Tendenz ab: Qualitativ höherwertige Ware wird aus der "Marke SF" herausgelöst, Massenware bleibt drin. Es könnte einem tatsächlich egal sein, wenn es nur darum ginge, Bücher zu kaufen. Aber mir gehts ja auch ein bisschen um die Ehre: Ich würde mich gern mal zur SF bekennen können, ohne dass gleich die Gesichter einschlafen. Und es geht ja weiterhin auch um eine Überlebensfähigkeit des Genres insgesamt, nicht nur der Literatur, sondern des gesamten "Betriebs" (wobei "Überlebensfähigkeit" sicher zu dick aufgetragen ist - Erneuerung? Verjüngung? Fortpflanzung? - wie auch immer!).
Irgendwann bleiben sonst nur noch PR und Warhammer und Military und Space Operas als SF übrig, und ohne jetzt einen Fan solcher Sachen vor den Kopf stoßen zu wollen (und um mal den Herrn Kubicki falsch zu zitieren): "Dann hätte die SF als Marke grundsätzlich verschissen."
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Re: Was will der (SF-)Leser?
Um obige Diskussion wieder zur Frage zurück zu leiten. Was will der (SF)-Leser.
Thomas W. will unter dem "Label" SF (wieder) eine Vielfalt sehen, und zwar für das allgemeine Publikum. Damit es auch diesem vor Augen tritt, was SF alles sein kann. Das will ich als Leser und Freund des Genres auch.
Aber ich lese auch Bücher, die mich interessieren wie eRDe. Ich suche schon lange nicht nur bei der SF- und Fantasy-Abteilung, wenn ich in eine Buchandlung gehe.
Space Operas interessieren mich nur noch peripher und Postapokalypse mit Seuchen und Zombiebefall auch nur bedingt.
Als SF-Leser will ich, dass ein Autor eine Idee auch bis in die Konsequenzen durchdenkt und erzählt, ohne dass dahinter die Figuren und Charaktere zurücktreten. In der Mainstream mit SF-Ideen ist das nicht unbedingt der Fall. "Der Schwarm" hört für mich zum Beispiel zu früh auf. Die ganze Erschütterung der Welt wird nicht gezeigt.
MB
Thomas W. will unter dem "Label" SF (wieder) eine Vielfalt sehen, und zwar für das allgemeine Publikum. Damit es auch diesem vor Augen tritt, was SF alles sein kann. Das will ich als Leser und Freund des Genres auch.
Aber ich lese auch Bücher, die mich interessieren wie eRDe. Ich suche schon lange nicht nur bei der SF- und Fantasy-Abteilung, wenn ich in eine Buchandlung gehe.
Space Operas interessieren mich nur noch peripher und Postapokalypse mit Seuchen und Zombiebefall auch nur bedingt.
Als SF-Leser will ich, dass ein Autor eine Idee auch bis in die Konsequenzen durchdenkt und erzählt, ohne dass dahinter die Figuren und Charaktere zurücktreten. In der Mainstream mit SF-Ideen ist das nicht unbedingt der Fall. "Der Schwarm" hört für mich zum Beispiel zu früh auf. Die ganze Erschütterung der Welt wird nicht gezeigt.
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Re: Was will der (SF-)Leser?
Nö, ich auch nicht.Bungle hat geschrieben:Ich suche schon lange nicht nur bei der SF- und Fantasy-Abteilung, wenn ich in eine Buchandlung gehe.
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Re: Was will der (SF-)Leser?
Innerhalb weniger Jahre nach der Schöpfung des Begriffes „Science Fiction“ war eine Subkultur entstanden, die sich aus Schriftstellern, Zeitschriftenredakteuren (und später Verlagslektoren), Rezensenten und Fans zusammensetzte; Erzählungen und Romane, die in dieser Subkultur verfasst wurden, hatten bestimmte Grundvoraussetzungen gemeinsam – sprachliche und thematische Kodes, die in die immer beliebter werdende Gattung eingebettet waren, und ein Gefühl der Isolation von der äußeren „profanen“ Welt, der diese Codes schleierhaft blieben. Diese ganze lebende Matrix, nicht nur die fiktiven Texte, die diese ursprünglich gezeitigt hatten, wurde schließlich „Science Fiction“ genannt.
http://www.epilog.de/Lexikon/S/Science_Fiction.htm
http://www.epilog.de/Lexikon/S/Science_Fiction.htm
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Re: Was will der (SF-)Leser?
Ich erwarte erst gar nicht, dass die Science-Fiction- und Fantasy-Abteilung der örtlichen Buchhandlungen und davon gibt es in Stuttgart einige, überhaupt irgendwas Brauchbares mir noch anbietet – zumindest bezüglich Neuerscheinungen. Ich gehe längt nur noch aus nostalgischen Gründen dorthin. Wenn sie mir ein noch nicht gekannter Klassiker anbieten, dann bin ich schon zufrieden. Alles andere erledige ich längst online.Thomas Wawerka hat geschrieben:Nö, ich auch nicht.Bungle hat geschrieben:Ich suche schon lange nicht nur bei der SF- und Fantasy-Abteilung, wenn ich in eine Buchandlung gehe.
„Weisen Sie Mittelmäßigkeit wie eine Seuche zurück, verbannen Sie sie aus ihrem Leben.“ – Buck Rogers
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Re: Was will der (SF-)Leser?
Oh, eine SF-Definitions-Diskussion. Yippih.Thomas Wawerka hat geschrieben:Innerhalb weniger Jahre nach der Schöpfung des Begriffes „Science Fiction“ war eine Subkultur entstanden, die sich aus Schriftstellern, Zeitschriftenredakteuren (und später Verlagslektoren), Rezensenten und Fans zusammensetzte; Erzählungen und Romane, die in dieser Subkultur verfasst wurden, hatten bestimmte Grundvoraussetzungen gemeinsam – sprachliche und thematische Kodes, die in die immer beliebter werdende Gattung eingebettet waren, und ein Gefühl der Isolation von der äußeren „profanen“ Welt, der diese Codes schleierhaft blieben. Diese ganze lebende Matrix, nicht nur die fiktiven Texte, die diese ursprünglich gezeitigt hatten, wurde schließlich „Science Fiction“ genannt.
http://www.epilog.de/Lexikon/S/Science_Fiction.htm
Der Umstand, dass "der" (SF)-Leser nicht notwendigerweise ausschließlich SF liest, erledigt in diesem Zusammenhang die Frage, was genau SF ist.
Stefanie Meyer hat "Seelen" als "SF-Roman für Leute, die keine SF mögen" bezeichnet. Also nichts für mich.

Mal abgesehen von der Frage, ob sie damit Recht hat, hat sie offenbar die Verarbeitung des Bodysnatcherthemas geschrieben, die sie selbst interessierte.
Nach marktanalytischen Überlegungen hätte sie das Buch gar nicht schreiben sollen, weil ein SF-Thema die SF-Hasser abschreckt, und ein Romantik-Thema die SF-Liebhaber. Ok, ich reite Vorurteile, aber die Schnittmenge ist, soweit ich das überblicken kann, wirklich nicht so groß, weshalb mir das mehr wie "Ich mache mal etwas neues, mal sehen, wie das ankommt." vorkommt als "Ich gehe auf Nr. Sicher."
Anderswo known as Yart Fulgen
Re: Was will der (SF-)Leser?
Beim Lesen von Rezensionen und Diskussionen über Bücher habe ich festgestellt, dass unabhängig vom Ansehen des Autors und der Bewertung durch mehr oder weniger rennomierte Kritiker so gut wie jedes Buch sowohl begeisterte Leser als auch erbitterte Kritiker hat.
Wie schlecht muss ein Buch sein, damit es auch dann keine Leser findet, wenn es von einem mittleren oder großen Verlag herausgebracht wird?
Wie gut muss ein Buch sein, dass sich niemand findet, der es nicht verreißt oder das Lesen nach einigen Seiten aufgibt?
Daraus ergibt sich für mich, dass es einen einheitlichen Willen der Leser bzw. SF-Leser nicht gibt. Die einen legen auf Dinge Wert, die den anderen nicht so wichtig sind. Wenn man weiß, was man gern liest, können sogar Verrisse einen dazu bringen ein Buch zu kaufen, sofern der Kritiker daran Dinge moniert hat, die einem nicht wichtig sind.
"Der" SF-Leser kann daher nur dieses wollen:
- Vielfalt, damit mit neben vielen uninteressanten Sachen auch Bücher dabei sind, die man gerne liest
- vor dem Lesen zu wissen, um was im Buch zu erwarten ist, egal ob sich das am Autor, bestimmten Figuren, dem Setting oder etwas anderem festmacht
Wie schlecht muss ein Buch sein, damit es auch dann keine Leser findet, wenn es von einem mittleren oder großen Verlag herausgebracht wird?
Wie gut muss ein Buch sein, dass sich niemand findet, der es nicht verreißt oder das Lesen nach einigen Seiten aufgibt?
Daraus ergibt sich für mich, dass es einen einheitlichen Willen der Leser bzw. SF-Leser nicht gibt. Die einen legen auf Dinge Wert, die den anderen nicht so wichtig sind. Wenn man weiß, was man gern liest, können sogar Verrisse einen dazu bringen ein Buch zu kaufen, sofern der Kritiker daran Dinge moniert hat, die einem nicht wichtig sind.
"Der" SF-Leser kann daher nur dieses wollen:
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Re: Was will der (SF-)Leser?
Pfff ... was glaubst du, wie viele gute Bücher sich ungeliebt und unbemerkt in den Regalen stapeln, die von großen Verlagen herausgebracht worden sind?Beverly hat geschrieben:Wie schlecht muss ein Buch sein, damit es auch dann keine Leser findet, wenn es von einem mittleren oder großen Verlag herausgebracht wird?
Was die zweite Frage betrifft, ich glaube, so ein Buch gibt es nicht. Und das ist gut so.

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Re: Was will der (SF-)Leser?
Interessanterweise ist es oft so, dass es eigentlich nur auf die Verpackung ankommt, auf das SF-Sujet. Die Optik, bzw die Bilder, die sich im Kopf beim Lesen abspielen. Wenn ich nur einmal die SF-Filme zurate ziehe (als Vergleich), dann sind SF-Film an den Kinokassen ziemlich erfolgreich. Nehmen wir mal Alien: SF ist nur die Verpackung, denn eigentlich geht es nur um einen übermanngroßen Parasiten. Es hätte genausogut auf einem Ozeanfrachter spielen können, der eine gefährliche Fracht, sagen wir mal Bären oder Tiger transportiert, und die Viecher ausbrechen. Schon haben wir das klassische "10 kleine Jägermeister"-Spielchen. Oder ein Virus bricht aus einem Labor aus. Keine Fiktion, könnte jederzeit geschehen.
Was den Film so sehenswert macht, ist die Optik, die dünstere Stimmung, das Raumschiff.
Ich will Themen in der SF lesen, die für mich irgendwie greifbar sind, indirekte Bezüge auf Historie oder Gegenwart nehmen, indem sie Entwicklungen oder Tendenzen beleuchten und weiterspinnen. Mir geht es oft so, dass, wenn es mir zu spekulativ wird, zuuuu weit in der Zukunft, ich abschalte und das Buch weglege.
Am Liebsten habe ich Erstkontakt-Geschichten. Also Aliens!!! Oder Stories, in denen Artefakte gefunden werden. Das muss nicht am hinterletzten Spiralarm des Andromedanebels sein, sondern gern direkt vor der Haustür, sagen wir auf dem Mars oder Enceladus, oder Titan. Ich mag düstere Stimmungen, die mir das Gefühl geben, klein und unbedeutend im All zu sein. Ich möchte Ehrfurcht vor der Unendlichkeit - und muss nicht in einer Sekunde das halbe Universum durchqueren, als würde ich von der Couch aufs Klo gehen. Ich möchte die Wunder des Alls noch mit staunenden Augen be"lesen", und nicht Aliens haben, die Galaxien umformen. Ich möchte Gesellschaftsentwürfe, Welten mit Methan-Athmosphäre, erhöhter Gravitation, die Wesen sehen, wie sie dort leben. Ich will Gedankenexperimente, Insekten-Staaten, Reptiloide, Kollektiv-Wesen. Vor allem will ich von Menschen lesen, die noch Menschen sind, in die ich mich hineinversetzen kann.
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Was den Film so sehenswert macht, ist die Optik, die dünstere Stimmung, das Raumschiff.
Ich will Themen in der SF lesen, die für mich irgendwie greifbar sind, indirekte Bezüge auf Historie oder Gegenwart nehmen, indem sie Entwicklungen oder Tendenzen beleuchten und weiterspinnen. Mir geht es oft so, dass, wenn es mir zu spekulativ wird, zuuuu weit in der Zukunft, ich abschalte und das Buch weglege.
Am Liebsten habe ich Erstkontakt-Geschichten. Also Aliens!!! Oder Stories, in denen Artefakte gefunden werden. Das muss nicht am hinterletzten Spiralarm des Andromedanebels sein, sondern gern direkt vor der Haustür, sagen wir auf dem Mars oder Enceladus, oder Titan. Ich mag düstere Stimmungen, die mir das Gefühl geben, klein und unbedeutend im All zu sein. Ich möchte Ehrfurcht vor der Unendlichkeit - und muss nicht in einer Sekunde das halbe Universum durchqueren, als würde ich von der Couch aufs Klo gehen. Ich möchte die Wunder des Alls noch mit staunenden Augen be"lesen", und nicht Aliens haben, die Galaxien umformen. Ich möchte Gesellschaftsentwürfe, Welten mit Methan-Athmosphäre, erhöhter Gravitation, die Wesen sehen, wie sie dort leben. Ich will Gedankenexperimente, Insekten-Staaten, Reptiloide, Kollektiv-Wesen. Vor allem will ich von Menschen lesen, die noch Menschen sind, in die ich mich hineinversetzen kann.
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Re: Was will der (SF-)Leser?
kannst du dafür Beispiele nennen?Uschi Zietsch hat geschrieben:... was glaubst du, wie viele gute Bücher sich ungeliebt und unbemerkt in den Regalen stapeln, die von großen Verlagen herausgebracht worden sind?
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Re: Was will der (SF-)Leser?
Einfach in der Buchhandlung stöbern.
Verlage leben von wenigen Bestsellerautoren, und der Rest krebst vor sich hin, weil für die "unteren Chargen" keine Werbung, keine Aktion, nichts unternommen wird. Ein Buch, von dem keiner weiß, und das oft auch Buchhandlungen nicht reinnehmen ("davon hab ich schon genug, den Autor kenn ich nicht"), und wenn doch, irgendwo im Regal unter "A-Z" eingereiht wird, kann nicht gefunden und gekauft werden.
Das bedeutet aber nicht, dass es schlecht ist.
Verlage leben von wenigen Bestsellerautoren, und der Rest krebst vor sich hin, weil für die "unteren Chargen" keine Werbung, keine Aktion, nichts unternommen wird. Ein Buch, von dem keiner weiß, und das oft auch Buchhandlungen nicht reinnehmen ("davon hab ich schon genug, den Autor kenn ich nicht"), und wenn doch, irgendwo im Regal unter "A-Z" eingereiht wird, kann nicht gefunden und gekauft werden.
Das bedeutet aber nicht, dass es schlecht ist.

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