Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Science Fiction in Buchform
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L.N. Muhr
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Bully hat geschrieben:
L.N. Muhr hat geschrieben:Änderungen an Texten werden ja nicht vorgenommen, weil man die Texte ändern will. Sondern weil man Notwendigkeiten zur Änderungen sieht.
...
Na, was für ein Unterschied.
"Ten little Niggers" wurde als Bühnenstück "Ten little Indians", weil man die Notwendigkeit einer Änderung sah. Nicht gerade eine Verbesserung, wenn Du mich fragst.
Um erstmal die Fakten aufzuräumen (man kann nicht auf Hörensagen argumentieren).

"Ten Little Niggers" wurde für die US-Ausgabe, die fast parallel zur britischen erfolgte, umbenannt in "And Then There Were None". Alle Nigger-Referenzen wurden zu Indianer-Referenzen umbenannt. Das war weit vor der Bühnenfassung. Christie hatte keine Probleme damit. Die Volksausgabe trägt heute im Allgemeinen den Titel "And Then There Were None", es gibt allerdings auch Sammlerreprinte mit dem Originaltitel sowie bis in die Achtzigerjahre hinein Editionen als "Ten Little Indians".

Was genau willst du damit belegen? Der Begriff des Nigger hatte und hat in den USA eine deutlich verletzendere Konnotation als in Großbritanien.
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L.N. Muhr
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Pogopuschel hat geschrieben:
Valerie J. Long hat geschrieben:
Pogopuschel hat geschrieben:Ich fände es auf jeden Fall toll, wenn die Verlage solche Veränderungen in den Büchern auch erwähnen und erklären würden.
So wie die endlosen Erläuterungen zu Platos "Staat"?

Heutzutage könnte man so was als E-Buch-Anhang rausbringen. Das wäre noch verdaulich.
Nein, jetzt nicht alles im Detail. Einfach nur, dass sie es geändert haben und warum. Damit man als Leser weiß, dass man das Buch nicht in der Fassung liest, in der es der Autor zu Papier gebracht hat.
Keine - KEINE - Übersetzung ist die "Fassung, in der der Autor es zu Papier" gebracht hat.

Vom oben bereits erwähnten Lektorat ganz zu schweigen. Das weisst du als Übersetzer ja auch. Das, was letztlich im Druck erscheint, ist in den meisten Fällen eine Kompromißlösung mehrere Beteiligter, erst zwischen Autor und Lektor (und Verlag), dann zwischen Übersetzer und Lektor (und Verlag). Und dagegen ist gar nichts einzuwenden, Autoren und Übersetzer brauchen Lektoren.

Das grundlegende Argument von der Autorenfassung ist einfach obsolet, von daher taugt es auch nicht als Argument gegen Textänderungen.
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Bully
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Bully »

L.N. Muhr hat geschrieben: ..."Ten Little Niggers" wurde für die US-Ausgabe, die fast parallel zur britischen erfolgte, umbenannt in "And Then There Were None". Alle Nigger-Referenzen wurden zu Indianer-Referenzen umbenannt. Das war weit vor der Bühnenfassung. Christie hatte keine Probleme damit. Die Volksausgabe trägt heute im Allgemeinen den Titel "And Then There Were None", es gibt allerdings auch Sammlerreprinte mit dem Originaltitel sowie bis in die Achtzigerjahre hinein Editionen als "Ten Little Indians".

Was genau willst du damit belegen? Der Begriff des Nigger hatte und hat in den USA eine deutlich verletzendere Konnotation als in Großbritanien.
Dass Christie damit Probleme gehabt hätte, habe ich nie behauptet, der Titel und das Thema das Buches beziehen sich aber auf ein mehr als nur latent rassistisches Gedicht. Angehörige einer bestimmten Gruppe kommen auf eher dämliche Weisen nach und nach ums Leben, was offenbar die Botschaft vermitteln soll, sie seien halt zu lebensuntüchtig und/oder hätten es nicht besser verdient; jetzt ist "Indianer" für amerikanische Ureinwohner vllt. nicht so beleidigend wie "Nigger" für Leute afrikanischer Abstammung, aber rassistisch ist das Gedicht so oder so, da darin "nur ein toter xy ist ein guter xy"-(Lieblingsfeindbild bitte einsetzen) gefeiert wird.
Die erste Variante des Gedichtes bezieht sich wohl wirklich auf "Indianer", was die Änderung rein literarisch schon irgendwie legitimiert, notabene, aber feinfühliger Umgang mit rassistischen Vorurteilen war das trotzdem nicht gerade.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Ich verstehe noch nicht, worauf du hinauswillst. Du widersprichst meiner Aussage "Änderungen an Texten werden ja nicht vorgenommen, weil man die Texte ändern will. Sondern weil man Notwendigkeiten zur Änderungen sieht", gibst ihr aber scheinbar doch recht? Oder ist dein Beispiel schlecht gewählt, so dass deine Aussage verschwimmt?

Es ist natürlich ein Unterschied, ob man grundlos oder aus gutem Grund in einen Text eingreift. Gute Gründe erkennt man am Argument, und über das Argument kann man streiten. Über grundlose Dinge kann man nicht streiten.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Pogopuschel »

L.N. Muhr hat geschrieben: Keine - KEINE - Übersetzung ist die "Fassung, in der der Autor es zu Papier" gebracht hat.

Vom oben bereits erwähnten Lektorat ganz zu schweigen. Das weisst du als Übersetzer ja auch. Das, was letztlich im Druck erscheint, ist in den meisten Fällen eine Kompromißlösung mehrere Beteiligter, erst zwischen Autor und Lektor (und Verlag), dann zwischen Übersetzer und Lektor (und Verlag). Und dagegen ist gar nichts einzuwenden, Autoren und Übersetzer brauchen Lektoren.

Das grundlegende Argument von der Autorenfassung ist einfach obsolet, von daher taugt es auch nicht als Argument gegen Textänderungen.
Das meinte ich auch wirklich nur in Bezug auf die nachträglichen Änderungen (nicht Neu-Übersetzungen) an Klassikern wie "Pipi Langstrumpf" und "Die kleine Hexe", von denen über Jahrzehnte andere Fassungen im Umlauf waren. Einfach ein kleiner Vermerk im Impressum oder Nachwort, warum man z. B. das Wort "N****" in der neuen Ausgabe ersetzt hat oder warum man die Sprache modernisiert hat.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Bully »

L.N. Muhr hat geschrieben:Ich verstehe noch nicht, worauf du hinauswillst. Du widersprichst meiner Aussage "Änderungen an Texten werden ja nicht vorgenommen, weil man die Texte ändern will. Sondern weil man Notwendigkeiten zur Änderungen sieht", gibst ihr aber scheinbar doch recht? Oder ist dein Beispiel schlecht gewählt, so dass deine Aussage verschwimmt?

Es ist natürlich ein Unterschied, ob man grundlos oder aus gutem Grund in einen Text eingreift. Gute Gründe erkennt man am Argument, und über das Argument kann man streiten. Über grundlose Dinge kann man nicht streiten.
(OffT: Letzteres halte ich generell für ein Gerücht, aber ok...)
Na, sagen wir, nicht jede Änderung ist wirklich eine Verbesserung.
Dass jemand das N-Wort für nicht so glücklich hält, insbesondere für ein Buch, das auch in Ami-Land bzw. schwarze Leser finden soll, sehe ich ja ein.
Jetzt ist das Gedicht aber nicht nur wegen des Pejorativs für "Schwarzer" rassistisch, sondern auch wegen der Art und Weise, wie da Leute einer bestimmten Abstammung dargestellt werden. Ist so der Unterschied, ob man Vietnamesen "Fidschis" nennt, oder ob man Witze über Vietnamesen, die sterben, macht.
Im Buch wird das Thema des Gedichtes auch nicht gerade positiv umgedeutet.
In der "Indianer"-Version wurde halt das Rassismus-Opfer ausgetauscht, was den unschönen Eindruck erweckt, dass manche Rassismusopfer gleicher sind als andere.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Bully hat geschrieben:
L.N. Muhr hat geschrieben:Ich verstehe noch nicht, worauf du hinauswillst. Du widersprichst meiner Aussage "Änderungen an Texten werden ja nicht vorgenommen, weil man die Texte ändern will. Sondern weil man Notwendigkeiten zur Änderungen sieht", gibst ihr aber scheinbar doch recht? Oder ist dein Beispiel schlecht gewählt, so dass deine Aussage verschwimmt?

Es ist natürlich ein Unterschied, ob man grundlos oder aus gutem Grund in einen Text eingreift. Gute Gründe erkennt man am Argument, und über das Argument kann man streiten. Über grundlose Dinge kann man nicht streiten.
(OffT: Letzteres halte ich generell für ein Gerücht, aber ok...)
Naja, man kann sich Meinungen dazu an den Kopf werfen, aber ein Argumenteaustausch sieht anders aus.
In der "Indianer"-Version wurde halt das Rassismus-Opfer ausgetauscht, was den unschönen Eindruck erweckt, dass manche Rassismusopfer gleicher sind als andere.
Gemeint waren wohl eher Inder. Übrigens ist "Ten Little Niggers" eine angepasste spätere Fassung des originalen "Ten Little Indians".

Das hier ist mehr oder weniger Christies-Fassung:
Ten little Indian boys went out to dine;
One choked his little self and then there were nine.

Nine little Indian boys sat up very late;
One overslept himself and then there were eight.

Eight little Indian boys travelling in Devon;
One said he'd stay there and then there were seven.

Seven little Indian boys chopping up sticks;
One chopped himself in half and then there were six.

Six little Indian boys playing with a hive;
A bumblebee stung one and then there were five.

Five little Indian boys going in for law;
One got in Chancery and then there were four.

Four little Indian boys going out to sea;
A red herring swallowed one and then there were three.

Three little Indian boys walking in the zoo;
A big bear hugged one and then there were two.

Two Little Indian boys playing in the sun;
One got all frizzled up and then there was one.

One little Indian boy left all alone;
He went out and hanged himself and then there were none.
Werden hier nun Inder oder Indianer an sich diskriminiert? Hm... ich denke, es geht hauptsächlich um das N-Wort, nicht so sehr um den Inhalt des sarkastischen, aber IMHO kaum diskriminierenden Gedichts.

Der Text basiert ja auf dem "Stranger ina strange land"-Prinzip: eine exotische Gruppierung aus zehn "kleinen" (i.e. unerfahrenen) Fremden scheitert mehr oder weniger peinlich in/ an der Zivilisation. Schwarze waren aber zum gegebenen Zeitpunkt in den USA zumindest insoweit Bürger, dass sie schon lange zum Alltag dazugehörten. Für Inder galt das nicht, Indien war weit weg und Inder in den USA damals sicher eine Seltenheit. (Der Text ist insgesamt weniger rassistisch, als eher kolonialistisch, was natürlich keinen Deut besser ist.)
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Bully »

Dass es beim Christie-Roman nur um das N-Wort ging, will ich nicht bestreiten, aber ich bin halt der Ansicht, dass das damals zu kurz gedacht war.
Wenn ein Gedicht dazu dient, eine bestimmte, meinetwegen ausländische Gruppierung als lebensuntüchtig darzustellen, dann ist es diskriminierend. Dass die Gruppierung davon vllt. nicht viel mitkriegt, ist kaum ein Trost.
Ob es rassistisch, kolonialistisch oder ganz einfach ausländerfeindlich diskriminierend ist, ist in der Tat egal.

Es kommt mir fast so vor, als habe man einfach das Diskriminierungsopfer ausgesucht, was am wenigsten Einfluss auf den Buchverkauf hatte.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Bully hat geschrieben:Dass es beim Christie-Roman nur um das N-Wort ging, will ich nicht bestreiten, aber ich bin halt der Ansicht, dass das damals zu kurz gedacht war.
Wenn ein Gedicht dazu dient, eine bestimmte, meinetwegen ausländische Gruppierung als lebensuntüchtig darzustellen,
Da ist ja schon das nächste Mißverständnis. Im Text geht es nicht um "lebensuntüchtigkeit". Er entspricht eher dem "der Bauer kommt in die Stadt, und wundert sich, was er gesehen hat"-Prinzip. In dem Fall umgemünzt auf einen Zusammenprall Zivilisation vs. (vorgeblich) Nichtzivilisation.

Und den US-Markt stellte das tatsächlich vor ein Problem: man konnte nicht einem gewaltigen Teil der Zielgruppe erklären, dass sie dumme unzivilisierte Wilde seien. Es hätten sich auch viele weiße Leser gewundert: "Die N**** sind nicht wie wir, aber so blöd sind sie dann doch nicht." Nicht zufällig wurde bei der Anpassung des Gedichts an den britischen Markt eine exotische Diskrepanz konstruiert: für den Nordamerikaner waren die Inder weit weg, der Brite dachte bei Negern dagegen wohl eher an afrikanische Schwarze als an solche aus Louisianna, Boston und New York. (Und natürlich war Indien zu der Zeit zivilisiert, die Briten hatten den Indern ja die Zivilisation gebracht, das war "the white man's burden".)

Es ist ganz merkwürdig, aber: im Spiegel der Zeit gesehen ergeben die Textanpassungen sogar Sinn. Heute mögen sie uns veraltet erscheinen und im heutigen Kontext sind sie sinnlos - allerdings ist im heutigen Kontext der gesamte Verstext von "Zehn kleine NaNaNa" sinnlos.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Bully »

Naja, dass Inder oder Schwarze oder sonstige Nicht-Weiße Probleme mit zu viel Sonne haben, wie in Strofe Neun, ist sicher eine valide naturwissenschaftliche Beobachtung. Nur Weiße mit ihrer überlegenen lichtreflektierenden Albedo und Zivilisation sind bekanntlich in der Lage, der harten Sonnenstrahlung im gnadenlosen englischen Sommer zu trotzen.
Hat nichts mit Diskriminierung zu tun, ist klar.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Das war nicht der Punkt.

Hey, ICH bin der, der immer widerspricht. Warum übernimmst heute du meine Rolle?

Egal. Ausgangspunkt war doch, dass du die "Ten Little" als Beispiel herangeführt hast, obwohl grade dieser Kindervers ein gutes Beispiel für Textänderungen ist, die im Rahmen des jeweiligen kulturellen Selbstverständnisses recht logisch sind. Aus heutiger Sicht sieht das anders aus, aber hinterher ist man immer schlauer. Aus heutiger Sicht wäre der Urtext gar nicht erst geschrieben worden. Ein schönes Beispiel dafür, wie sehr sich Kulturen ändern können.

Und ein schönes Beispiel, dass Texte (für Kinder) schon immer geändert wurde, auch vor 150 Jahren schon. Oder immer noch?

Wo ich's grade lese: Klemperer über giftige Elemente in der Sprache (am Beispiel der Sprache des Dritten Reichs, natürlich).

Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“ (Klemperer, V.: LTI Notizbuch eines Philologen, S.27)

(Der ganze Absatz ist noch viel schöner, aber da war ich zu faul zum Abtippen.)
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Bully »

L.N. Muhr hat geschrieben:Das war nicht der Punkt.

Hey, ICH bin der, der immer widerspricht. Warum übernimmst heute du meine Rolle?

Egal. Ausgangspunkt war doch, dass du die "Ten Little" als Beispiel herangeführt hast, obwohl grade dieser Kindervers ein gutes Beispiel für Textänderungen ist, die im Rahmen des jeweiligen kulturellen Selbstverständnisses recht logisch sind. Aus heutiger Sicht sieht das anders aus, aber hinterher ist man immer schlauer. Aus heutiger Sicht wäre der Urtext gar nicht erst geschrieben worden. Ein schönes Beispiel dafür, wie sehr sich Kulturen ändern können.

Und ein schönes Beispiel, dass Texte (für Kinder) schon immer geändert wurde, auch vor 150 Jahren schon. Oder immer noch?

Wo ich's grade lese: Klemperer über giftige Elemente in der Sprache (am Beispiel der Sprache des Dritten Reichs, natürlich).

Worte können sein wie winzige Arsendosen: sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“ (Klemperer, V.: LTI Notizbuch eines Philologen, S.27)

(Der ganze Absatz ist noch viel schöner, aber da war ich zu faul zum Abtippen.)
1. Mein Punkt war schon, dass "10 kleine Irgendwas" diskriminierend ist, nicht nur wegen eines einzigen Wortes, sondern wegen des kompletten Inhaltes.
2. Du könntest mir auch einfach zustimmen, Dann bekämest Du keinen Widerspruch von mir. *g
3. Es ging mir nicht um die Varianten von "10 kleine N-Wörter", sondern darum, dass man den danach benannten _Kriminalroman_ umbenannt hatte, indem man die eine Diskriminierung einfach durch eine andere Diskriminierung ersetzte. Was mir irgendwie nicht so vorkommt, als hätte man da groß drüber nachgedacht, bzw., falls doch, war der Kampf gegen Diskriminierung und Vorurteile wohl nicht das Motiv.
4. Wo kam nochmal der Mörder vor, der sich ein Jahr lang mit Arseneinnahmen gegen selbiges immunisierte, um sich nicht verdächtig zu machen? :kopfkratz:
5. Wenn Du damit sagen willst, dass man die eigenen Vorurteile nicht erkennt, will ich Dir nicht widersprechen.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Auch bei der Umbenennung von Christies Buch dürfte eine Rolle gespielt haben, was ich weiter oben schrieb.

Ich bin ja verblüfft, dass du mich in die Rolle desjenigen schiebst, der sich pro-Diskriminierung ausspricht. Ich denke, du hast meine Postings gelesen.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Bully »

Habe ich. Deshalb wunderte ich mich, warum Du "Zehn kleine Minderheiten" verteidigtest.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Ich setze die Entscheidung in den Kontext und stelle vor allem die Fakten klar, die du eher verzerrt wiedergegeben hast. Fakt schlägt Meinung, immer.

Man könnte auch argumentieren: bei der US-Edition hat "Zehn kleine Mings" seinen Originaltitel wiederbekommen, immerhin ist die britische Fassung des Verses eine Version der originalen us-amerikanischen Fassung des Verses. Vor allem aber argumentiere ich damit, dass besagte Änderung im Kontext ihrer Zeit zu verstehen ist, so wie Twain im Kontext seiner Zeit zu verstehen ist.

Bei Publikationen für Erwachsenen, die das mehrheitlich nachvollziehen können, finde ich das völlig okay.

Grade die Loney-Tunes-Platinum-Collection Vol. 2* in den Player geschoben. Folgender Disclaimer:
The cartoons you are about to see are products of their time. They may depict some of the ethnic and racial prejudices that were commonplace in the U.S society. These depictions were wrong then and they are wrong today. While the following does not represent the Warner Bros. view of today's society, these cartoons are being presented as they were originally created, because to do otherwise would be the same as claiming that these prejudices never existed.

*3 BluRay, 50 Cartoons, voll restauriert + 4h Dokumentationen über Schlesinger, Chuck Jones etc. + 30 weitere Cartoons, u.a. frühe Merry Melodies, Armed-Forces- und Anti-Hitler-Cartoons, für 7,95 bei der bösen Tante A.
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