Heute morgen beendet:
Michael G. Coney - "Sklaven der Zukunft"
(Originaltitel: "The jaws that bite, the claws that catch" - sehr viel passender als der oberflächliche deutsche Titel.
)
Sprachlich einfach gehaltener Roman, der sich um moralische Fragen der Organspende / Organzwangsspende von Strafgefangenen dreht. Gesetzt wird ein Zukunftsszenario, in dem die Entnahme von Organen und Körperteilen zwecks Weiterverwendung bei einem anderen Menschen mehr oder wenig beliebig funktioniert (medizinische Probleme werden ignoriert). Die Organspender /Organzwangsspender sind diesem Fall Strafgefangene aus staatlichen Gefängnissen. Das System dahinter ist morbide. Die Bereitschaft, Organe zu spenden, reduziert die Haftdauer, z. B. um ein Drittel. Das "Organ" kann eine Niere sein, aber auch ein Bein oder beide Hände oder usw. Ein zweiter Aspekt für die Strafgefangenen ist die Möglichkeit sich als Leibeigene [sic!] bei einem sog. freien Bürger zu verdingen. Dann wird ebenfalls die Gefängnisstrafe erheblich reduziert, außerdem muss der gefangene Leibeigene keine Organe spenden - außer für seinen freien Bürger, der ihn quasi "besitzt". In diesem Fall kann die Organspende allerdings auch den Tod bedeuten, etwa wenn sein Besitzer infolge eines Unfalls sehr viele Organe benötigt. Die Gefangenen haben prinzipiell freie Wahl, wobei dann auch Machtmissbrauch, Korruption, Organhandel usw. im Gefängnis eine Rolle zu spielen beginnen. Stirbt der Besitzer, ist der Leibeigene übrigens frei (und wird zm "freien Bürger", der selbst Leibeigene besitzen kann).
Anhand dieser Gemengelage baut der Verfasser eine Reihe von klaren Dilemmasituationen und moralischen Fragestellungen auf, die man z. T. auch heute so stellen könnte.
Einen bizarren Zug bekommt das Geschehen dadurch, dass infolge biologischer Fortschritte jetzt Meeresbewohner als Haustiere an Land gehalten werden können (!). So hält eine der Hauptpersonen einen Hai wie einen Hund. Der Hai ist - wie manche Hunde - verhaltensgestört und bissig und unberechenbar. Diese und weitere ähnliche Haustiere sind neben den Risikosportarten vieler freier Bürger für viele Unfälle mit nachfolgendem Organbedarf verantwortlich. Man sieht, der Verfasser schafft hier ein ziemlich morbides Szenario und pflegt diesbezüglich einen ausgeprägten Zynismus.
Ein Zitat (Szene im Gefängnis, Handelnde: Mr. Sagar und Dave):
"Der Mann auf den Dave zeigte, lag nackt da; ... Er hatte keine Arme, keine Beine und sein Rumpf schien nur aus Narben zu bestehen. Ein Auge schielte mich bösartig an, und ich dachte: Dieser Mann wird bald die Grenze seiner Brauchbarkeit erreicht haben. Würgend rannte ich hinaus.
Dave folgte mir in seine Kammer. ... 'Herrgott, das hat die Menschheit diesem armen Wrack angetan.'
...
'Aber sehen Sie,' er zog eine Karteikarte heraus. 'Das ist die Akte des Mannes. Das hat er der Menschheit angetan. John Umpleby. ... acht Morde hat er begangen.Die Opfer waren alle Kinder, Jungen und Mädchen unter zehn Jahre alt, und alle waren vor ihrem Tod von ihm sexuell missbraucht worden.'
...
'Ich sage ihnen, dass Sie hier Ihre Zeit verschwenden, Mr. Sagar, [sagte Dave], wenn Sie den Unterschied zwischen Recht und Unrecht suchen. Hier ist alles Unrecht.'"
Nun ja ...
Die Schwierigkeiten bei diesem Roman liegen eher im Aufbau der Handlung und den Personen. Letztere sind überwiegend eher schlicht gehalten und verhalten sich manchmal doch recht willkürlich. Insbesondere der Gesinnungswandel einer der Hauptpersonen (Carioca Jones) im Laufe des Romans wirkt wenig überzeugend. Insgesamt wechselt die Handlung zwischen durchaus gelungenen Szenen und B-Movie-Flair hin und her. Hier merkt man dem Roman deutlich sein Alter an: er ist bereits von 1975. Am Rande angemerkt: Der Roman eignet sich übrigens durchaus als Vorlage für einen Kinofilm.
Mit den letztgenannten Einschränkungen ein lesenwerter Roman, dessen Verlauf übrigens wenig vorsehbar ist und ein paar ziemlich hintergründige Wendungen enthält.
7 von 10 verhaltenstherapeutisch behandelte Haushaie
Es grüßt
Lensman