Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

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Badabumm
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von Badabumm »

In dem Filmbeitrag wurde angemerkt, dass Menschen nur bis zum nächsten Winter planen. Und an die Probleme der Kinder und Kindeskinder wird nicht gedacht, weil das früher niemals nötig gewesen ist. Leider empfinde ich diese Aussage als wahr. Was inzwischen an handwerklichem Pfusch und Fehlplanung vorkommt, ist eigentlich nur noch eine Lachnummer. Was philosophisch so eingängig ist: an das HEUTE denken, an den Moment, HEUTE leben und nicht im MORGEN ist ziemlich katastrophal. Der kurzzeitige Erfolg steht im Widerspruch zu langfristiger Planung. "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern?" war zwar schon immer verbreitet gewesen, aber heute wird es zu einer erstrebenswerten Lebensform aufgebaut.
Das führt z.B. dazu, dass eine Straße dreimal in einem Jahr aufgerissen wird, weil zuerst die Abwasserfirma, dann die Gasfirma und zum Schluss die Telekom dort Rohre verlegen möchte. Am Ende ist die Asphaltierung von Stümpern gemacht worden, so dass nächstes Jahr die Straße ganz sicher neu aufgerissen und planiert werden muss... Jeder denkt nur an SEINEN Auftrag, und mehr fällt nicht in seine Verantwortung, denn das kostet ja Geld!!! Niemals mehr geben als man muss... Es hat ein bisschen was vom Kadavergehorsam zum Gott des Marktes. Niemand merkt, dass drei Baustellen dreimal so teuer sind. weil im jeweiligen Auftrag solche Kosten natürlich nicht vermerkt sind. Bezahlen tun immer die anderen...

Nebenbei habe ich festgestellt, dass Fachwissen verpönt ist und belächelt wird. In TV-Shows wird regelmäßig das Unwissen als "normal" anerkannt. Natürlich kann jemand nicht alles wissen. Aber stolz darauf zu sein, vieles nicht zu wissen, ist eine Gangart, die sich in den letzten Jahrzehnten eingebürgert hat, gefördert duch Medien und Politik. Es besteht nicht mehr der Drang zu "mehr" Wissen, sondern es wird großtönend postuliert "ich weiß es nicht und das wird auch so bleiben, weil ich gerne doof bin, denn das wird akzeptiert, also lerne ich auch nichts dazu", anstatt zu sagen: "ja, ich schaue morgen mal in Wikipedia nach, was ich nicht weiß, danke für die Anregung". Diese Abgrenzung erinnert mich an Zünfte aus dem Mittelalter, die Wissen auch nicht an Außenstehende weitergaben. Damals ergab das noch Sinn, aber im Zeitalter des Wissensüberschusses darf man ruhig über seinen Tellerrand blicken. Aber augenscheinlich tut das den meisten weh, also lassen sie es...
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Harald Lesch
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Andreas Eschbach
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von Andreas Eschbach »

Badabumm hat geschrieben: 3. März 2019 19:49 Mein Vorschlag wäre, dass Geld ein Verfallsdatum hätte. Wer sagt denn, dass derjenige potentiell immer mehr Geld bekommen muss, der schon viel hat? Brot, Obst und Heringe haben auch ein Verfallsdatum, sogar Menschen. Warum nicht auch Geld?
Das ist die Schwundgeld-Idee von Silvio Gesell. Geld mit Verfallsdatum würde das Bezahlen schwierig machen, denn jeder würde im Tausch lieber Geld mit möglichst langer Haltbarkeit haben wollen, sodass sich so ähnlich wie an der Börse beim Handel mit Optionen ein Sekundärwert für die Währung entwickeln würde. Unproblematischer wäre ein prozentualer Schwund – 100 € heute wären nach einer gewissen Zeit nur noch 90€ wert, dann 81€ usw. – bzw. man hat das schon einmal so probiert, dass man Marken kaufen und auf den Geldschein kleben musste, um seinen Wert zu erhalten. In den heutigen überwiegend bargeldlosen Zeiten würde man das mit Negativzinsen auf dem Bankkonto machen … oh, halt! Womöglich läuft dieses Experiment gerade?
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von Uschi Zietsch »

Meint ihr jetzt mit Verfallsdatum nur die Geldscheine oder Geld insgesamt?

Geldscheine Verfallsdatum braucht keiner, da bargeldlose Zahlung.

Wenn das Geld insgesamt ein Verfallsdatum hätte, würde niemand mehr in irgendwas investieren, auf die hohe Kante legen oder für das Alter vorsorgen. Wozu sollte das gut sein?
Und der Wert des Geldes orientiert sich bereits an der Börse und an der Inflation, den Zinsen etc. Und, wie du sagst, Andreas, an den Negativzinsen.
Wenn, dann müsste das Geld als allgemein gleiches Handelswährung komplett abgeschafft werden und wir sind wieder im guten alten Tauschhandel. Bei ... wie viele Milliarden sind wir jetzt, und wie viele davon leben in Städten und gehen unproduktiver Arbeit (Dienstleistung) nach?

Wozu sollte das gut sein und wie wollte es funktionieren?

Ein Vorschlag wäre: Grundsicherung für alle, Obdach, Kleidung und Nahrung für alle, gesteuert von der hier vieldiskutierten KI. Also wie bei Perry. Was darüber hinausgeht, muss man sich verdienen durch Arbeitseinheiten. So, wie ich es auf dem Mars beschrieben habe.
Nur, das funktioniert weder bei der heutigen Milliardenmasse an Menschen noch bei der Politik. Es sei denn, mit einer Weltdiktatur. Na, Glückauf dem Diktator, der hat ein Stückchen Arbeit vor sich. Wird er das tun? Nein. Er will ja mehr als die anderen und wozu sollte er für die anderen da sein.

Bleibt also alles wie es ist und der Kapitalismus wird stärker denn je regieren und für mehr Ungerechtigkeit denn je sorgen. ;-)
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Gesell, das nur am Rande, hat dieses geld erfunden, weil er was gegen Juden und Zinsen hatte, was für Antisemiten wie ihn das gleiche war.
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Andreas Eschbach
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von Andreas Eschbach »

L.N. Muhr hat geschrieben: 4. März 2019 13:21 Gesell, das nur am Rande, hat dieses geld erfunden, weil er was gegen Juden und Zinsen hatte, was für Antisemiten wie ihn das gleiche war.
Was kein Gegenargument wäre, wenn es denn funktionieren würde.
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von George Nelson »

Andreas Eschbach hat geschrieben: 4. März 2019 11:24 In den heutigen überwiegend bargeldlosen Zeiten würde man das mit Negativzinsen auf dem Bankkonto machen … oh, halt! Womöglich läuft dieses Experiment gerade?
:o
Das gilt aber nur für die kleinen Leute mit einem Sparkonto. Mit großem Kapital gibt es etliche Möglichkeiten Geld zu machen.

Es gibt z.B. Unternehmen, die Geld schürfen, indem sie Geld hin und her schieben. Wenn man das automatisiert (KI), dann kann man auch bei kleinen Transaktionsgewinnen und großen Geldsummen stattliche Gewinne einfahren.

Dabei wird kaum Wert für die Gesellschaft erzeugt. Die Beteiligten nutzen aber reichlich Waren und Dienstleistungen mit dem geschürften Geld. Das ist offensichtlich Diebstahl. Was macht der Staat dagegen? Es war mal eine Transaktionssteuer im Gespräch. Das wurde aber abgelehnt. Es könnte den Kapitalmarkt vergraulen. So sausen also die Billionen durch die Computer, und die Infrastruktur der Länder verfällt.

Es gibt da ein schönes physikalisches Experiment. Zwei unterschiedlich aufgeblasene Ballons werden miteinander verbunden. Die Anhänger des freien Marktes glauben offenbar, dass die Luftmengen sich ausgleichen bis Gleichheit besteht. Stattdessen strömt die Luft vom kleineren Ballon zum größeren.

Wie wäre es, wenn der Staat das Bankgeschäft übernimmt? Kredite könnten sehr günstig vergeben werden, da der Staat gewinnt, wenn Firmen gegründet, gebaut, produziert und modernisiert wird.

Es heißt, China hätte einen sog. Staatskapitalismus. Dort wird in atemberaubenden Tempo mal eben eine ganze Industriebranche aus dem Boden gestampft. Dagegen sehen unsere Unternehmen ziemlich schwach aus.
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von Badabumm »

"Kaum Wert für die Gesellschaft" ist stark untertrieben. Solche Verschiebegeschäfte sind der Tod für die Gesellschaft. Es gilt immer noch, dass imaginäre Werte in reale Werte umgesetzt werden müssen. Aber das ist schon seit Ewigkeiten utopisch. Ein Umtauschwert in Gold ist schon lange nicht mehr vorhanden. Außerdem ist Gold nur eine Vereinbarung, es ist grundsätzlich genauso wertlos wie Papier. Es werden aber gigantische Werte erzeugt, die nicht existieren. Und die Profis tauschen aus diesem Nichts reale Werte um, z.B. Yachten und Bankhäuser. Kein System kann jedoch auf Pump aufgebaut werden, aber das ist gerade das Standbein des Kapitalismus. Deshalb ist er auf Dauer nie stabil; was kurzfristig sinnvoll und nötig ist, zerstört auf lange Sicht die Vertrauensbasis und die Handlungsfähigkeit. Das System hat den Wurm der Zerstörung immer bereits in sich.
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von Uschi Zietsch »

George Nelson hat geschrieben: 5. März 2019 08:35 Es heißt, China hätte einen sog. Staatskapitalismus. Dort wird in atemberaubenden Tempo mal eben eine ganze Industriebranche aus dem Boden gestampft. Dagegen sehen unsere Unternehmen ziemlich schwach aus.
Tja, aber genau diese Form geht gerade den Bach runter: https://www.sueddeutsche.de/politik/chi ... -1.4353883
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Andreas Eschbach
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von Andreas Eschbach »

Uschi Zietsch hat geschrieben: 5. März 2019 15:51
George Nelson hat geschrieben: 5. März 2019 08:35 Es heißt, China hätte einen sog. Staatskapitalismus. Dort wird in atemberaubenden Tempo mal eben eine ganze Industriebranche aus dem Boden gestampft. Dagegen sehen unsere Unternehmen ziemlich schwach aus.
Tja, aber genau diese Form geht gerade den Bach runter: https://www.sueddeutsche.de/politik/chi ... -1.4353883
Abwarten. Totgesagte leben länger.
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Marktwirtschaft, Kommunismus, Kapitalismus

Ungelesener Beitrag von manu2107 »

Andreas Eschbach hat geschrieben: 2. März 2019 12:30
manu2107 hat geschrieben: 1. März 2019 21:31 Für welche schönere Puppe würden die Menschen die heutige Marktwirtschaft weglegen?
Die heutige Marktwirtschaft ist trotz all ihrer Fehler das bislang am besten (oder am wenigstens schlecht) funktionierende Wirtschaftssystem. Deswegen wollen sie alle, sogar die, die sie nominell nicht wollen. (...) Weil die Marktwirtschaft die Dinge hervorbringt, die die Menschen wollen. (blaue Hervorhebung von manu2107
Genau darum dreht es sich: "Weil die Marktwirtschaft die Dinge hervorbringt, die die Menschen wollen."

Handel zu betreiben ist eine ureigene Errungenschaft der menschlichen Zivilisation. Und daran ist nichts Schlechtes. Auch 'Geld' ist kein Grundübel an sich. Einerseits erleichtert es den Handel ernorm, denn wenn ich 2 Fische habe und ich Brot will, dann muss ich jemand finden, der Brot hat und Fische will. Andererseits ist es 'haltbare Energie', d.h. es befriedigt den Wunsch nach Versorgungssicherheit, falls Krankheit, Missernten, Kriege, Naturkatastrophen das Überleben erschweren (Nahrungsversorgung, Beförderung, Kleidung etc.)

Aus meiner Sicht waren und sind die meisten Ansätze des Kommunismus sehr dumm, weil er die Psychologie des Menschen überhaupt nicht berücksichtigt bzw. verstanden hat. Dass ein Bauarbeiter genausoviel verdienen soll wie ein Arzt widerspricht dem Gerechtigkeitsempfinden: Wer mehr gelernt hat und daher mehr kann, mehr Verantwortung übernimmt, auch mehr Fähigkeiten hat und diese einsetzt, der soll auch mehr verdienen, und die Möglichkeit haben, sich mehr zu leisten wie eben eine ungelernte Kraft. Wobei der Ungelernte trotzdem fair bezahlt werden sollte. Dieses zwanghafte 'Alle sollen gleich sein', keine Klassen mehr, das war Populismus den armen Bauern und Arbeitern gegenüber, deswegen konnte sich der Kommunismus eine Zeitlang halten.

Den Begriff 'Marktwirtschaft' wird oft mit 'Kapitalismus' gleichgesetzt, was nicht nur ich für begrifflich falsch halte: Wo auf einem Markt ge- und verkauft wird, wird Marktwirtschaft betrieben. 'Kapitalismus' deutet schon an, wo das Problem liegt: es ist ein -ismus, selten ein gutes Zeichen. Kapitalismus ist aus den Fugen geratene Marktwirtschaft. Und auch eine 'soziale' Marktwirtschaft ist zu gefräßig für unsere Umwelt. Man spricht viel von 'nachhaltigem' Wirtschaften. Würden wir wirklich 'nachhaltig' leben, würde unsere Wirtschaft zusammenbrechen. So einfach funktioniert es also nicht. Und, haltet euch fest: Mit dem Einsatz von humanoiden Robotern, welche den Alltag erleichtern, Streit schlichten, objektive Urteile fällen, den Menschen immer wieder an das erinnern, was vernünftig ist und was eher nicht, könnte es klappen, denke ich. Ich kann mich irren, und wahrscheinlich irre ich mich auch. Um das herauszufinden brauche ich konkrete Fragen, wie denn dieses und jenes funktionieren soll. Nicht pauschal 'Blödsinn' sagen. Und ich werde die Prinzipien dahinter darstellen, warum das funktionieren müsste.

'Kapitalismus' und 'Kommunismus' sind aus meiner Sicht zwei Extreme, und aus Erfahrungen weiß ich, dass man am gesündesten und angenehmsten fährt, wenn man auf Dauer keine Extreme auslebt. Das klingt langweilig, und ist es vielleicht auch, man könnte es auch 'überraschungsarm' nennen. Und in der Wirklichkeit möchte jeder Mensch unangenehme oder böse Überraschungen vermeiden.

Jetzt ist natürlich die Frage, ob man die Mitte zwischen Kapitalismus und Kommunismus anstreben sollte, und dann automatisch ein gutes, ausgeglichenes System erhält. Was die Kommunisten praktiziert haben, bürokratisch und unflexibel, war einfach nur dämlich. Es gibt Prinzipien, die ähnlich auch im Kommunismus formuliert wurden, und wenn man darüber spricht, hört man: 'Das hat im Kommunismus auch nicht funktioniert', oder 'Was willst du denn mit diesem kommunistischen Schwachsinn?'. Daher ist es oft sehr schwer, über solche Ansätze zu sprechen, ohne gleich in eine ideologische Ecke gestellt zu werden. Drum nochmal: Ich halte gar nichts von kommunistischen Ideen.

Herstellen, was gebraucht wird, und soviel, wie gebraucht wird
Das sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Warum sollte man Dinge produzieren, die keiner braucht? Es wird allerdings getan, gerade bei uns die letzten 50 Jahre in immer stärkeren Maße. Warum funktioniert das? Wegen der menschlichen Psyche: Neugier, Langeweile treibt Leute dazu, Dinge zu kaufen die interessant erscheinen, und die man haben 'muss', im Sinne des englischen 'Must-Have', 'das hat man heutzutage als ...'. Es werden Bedürfnisse erschaffen, um Geld zu verdienen. Wenn das nicht den Berg des Zivilisationsmüll exponentiell anwachsen ließe, dann wäre es ja noch akzeptabel. Nur: wir vergeuden Ressourcen, wir zerstören Lebensraum.

'Und wer bestimmt, was gebraucht wird?' Gute Frage. Es gibt sicher heutzutage flexible und moderne Methoden, das zu steuern, ohne Innovation abzuwürgen. Die Werbeindustrie jedoch sollte aufs nötigste geschrumpft werden (nichts gegen Werbeleute, sorry)
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von Badabumm »

Roboter helfen keineswegs, das Dilemma zu lösen. Um zu entscheiden, was "wertvoll" ist, wird ein imaginäres Wertesystem vorausgesetzt. Auf einem Markt werden eben konkrete wie auch imaginäre Dinge gehandelt. Diesem geistigen System folgen die Menschen, und diesem System müsste auch ein Roboter folgen, um Entscheidungen für Menschen fällen zu können. Verfolgte er ein anderes System, gehorchte also anderen Regeln, läuft die Sache sofort aus dem Ruder. Da die menschlichen Gedankengerüste aber nunmal dehnbare Definitionssache sind, kann eine nichtmenschliches KI nicht nachvollziehen, was gerade verlangt wird.

Dass wir Lebensraum zerstören, liegt daran, dass wir nicht verinnerlichen können, dass das, was wir als winzige Einzelwesen tun, Einfluss auf die Welt haben könnte. Die Hopi-Indianer warfen ihren Müll, Tonscherben und Essensreste, einfach den Felsen runter. Der Abfall verschwand, denn er war biologisch abbaubar. Nun gibt es einen riesigen Plastikberg, der nicht verschwindet. Die Menschen müssen also lernen, gegen ihre evolutionäre Natur anzugehen. Alle Lebewesen werfen ihren Müll in die Landschaft, seit vier Jahrmilliarden. Das lässt sich nicht in 50 Jahren beseitigen. Das klappt nur unter riesigem Aufwand, und das Verhalten rutscht sofort in alte Gleise, wenn nicht Druck ausgeübt wird. Und das ist der springende Punkt: alle Zivilisationen erzeugen irgendeine Art von Dauerdruck, um zu bestehen. Lässt dieser Druck nur einen Moment nach, bricht alles zusammen. Jede Kultur ist Dauerstress gegen die Natur. Das Problem ist außerdem, dass die genetische Selektion sich keinen Deut darum schert, wie schlimm der Müll ist. Es werden einfach die Gene gefördert, die überleben.
Die einzige nachhaltige Lösung ist, alle menschlichen Schwächen Teil des Systems werden zu lassen. Nicht sie zu bekämpfen: das klappt nicht.
Zuletzt geändert von Badabumm am 6. März 2019 17:19, insgesamt 2-mal geändert.
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Wie gut das klappt, merkt man an den Ämtern, die bestimmen, ob das Kind von H4-Empfängern neue Kleidung braucht.

Dieses "nur das, was man braucht" funktioniert immer genau so lange, bis einem selbst etwas weggenommen wird, auf das ich nicht verzichten will. Insbesondere ideelle Werte leiden wegen Unmessbarkeit darunter: Braucht mein Kind einen Teddy? Brauche ich Bücher? Brauche ich aber exakt dieses eine Buch?

Da geht es nicht um die Psychologie des Menschen, da geht es um den ideellen Wert des Menschen über seinen Status als Verbraucher hinaus: was ich will, meinetwegen auch mein Hedonismus (Brauche ich dieses Band-T-Shirt und die Musik dieser Band?), definiert, was ich über das Tier hinaus bin. Dinge, die man nicht braucht, sind darum nicht automatisch unbrauchbar. Der Unterschied zwischen müssen (atmen, fressen, schlafen) und wollen (gut atmen, gut essen, gut schlafen) ist essentiell, und wer den durch eine zentralistisch gesteuerte Idee des Brauchens negieren will, der hat nicht das Wesen des Menschen nicht verstanden, sondern der begreift nicht, was der Mensch eigentlich ist.
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Um mal Emma Goldmann zu zitieren:

"I did not believe that a Cause which stood for a beautiful ideal, for anarchism, for release and freedom from conventions and prejudice, should demand the denial of life and joy. I insisted that our Cause could not expect me to become a nun and that the movement should not be turned into a cloister. If it meant that, I did not want it. "I want freedom, the right to self-expression, everyboy's right to beautiful, radiant things."

Ich finde das wichtig. Und ich schreibe das als jemand, der ganz bewußt die Hälfte seines Lebens im Verzicht lebt: kein Auto, kein Fleisch, kein nicht für die Arbeit nötiger Technikschrott etc.. Verzicht muss als Erkenntnis von innen kommen, nicht als Druck von außen, sonst kannst'es vergessen. Planwirtschaft - und nichts anderes schlägst du im Grunde vor, nur mit schnelleren Reaktionszeiten - ist eben neben vielem auch eine verdammt freudlose Angelegenheit, weil sie dem Akteur die Spontanität raubt und die Möglichkeit, sich eben auch am Sinnlosen zu erfreuen.

Btw., isst du Fleisch? Obwohl du es nicht brauchst?
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von Badabumm »

Was die Dame sagt, habe ich zwar nicht ganz verstanden, aber darauf zu warten, dass Einsicht von innen kommt, kann lange dauern.

Habe gerade meine Digitalkamera verloren. Ärgerliche 300 Euro sind weg. Und Privatbilder, die niemanden was angehen. Ich kann darauf hoffen, dass jemand sie im Fundbüro abgibt. Aber wieviele würden das tun? Und nicht doch lieber sagen: oh, fein, eine Kamera umsonst!? Und sich die Hände reiben. Wär ja noch zu verstehen, aber wahrscheinlich wird das Fundstück für Drogen verkloppt. Welche Einsicht von Gerechtigkeit und Moral darf man erwarten? Ohne Druck geht gar nichts. Denn die Evolution hat diejenigen gefördert, die das Maximale aus den Ressourcen rausholen. Nicht diejenigen, die sich fair verhalten, das ist eine Minderheit.
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Re: Idee für ein real mögliches Zukunftsszenario: Ähnliches?

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Dann wäre eine Diktatur optimal.

Richtig: Selbsteinsicht ist der längere Weg. Nur dummerweise auch der einzige, der uns Mensch bleiben lässt.
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