»Der Platz an der Sonne« von Christian Torkler

Science Fiction in Buchform
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Mammut
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»Der Platz an der Sonne« von Christian Torkler

Ungelesener Beitrag von Mammut »

Ernst-Eberhard hat geschrieben: 2. Juni 2019 20:29 "Der Platz an der Sonne" habe ich ebenso wie Kleins "Miakro" nicht durchgehalten.
Zwei kontroverse Meinungen. Ender war ja begeistert. Könnt ihr bitte vielleicht kurz erläutern, warum euch das Buch gefallen hat bzw. abgebrochen habt?
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Ernst-Eberhard
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Re: »Der Platz an der Sonne« von Christian Torkler

Ungelesener Beitrag von Ernst-Eberhard »

Mammut hat geschrieben: 3. Juni 2019 09:54
Ernst-Eberhard hat geschrieben: 2. Juni 2019 20:29 "Der Platz an der Sonne" habe ich ebenso wie Kleins "Miakro" nicht durchgehalten.
Zwei kontroverse Meinungen. Ender war ja begeistert. Könnt ihr bitte vielleicht kurz erläutern, warum euch das Buch gefallen hat bzw. abgebrochen habt?
Das Setting dieses Alternativweltromans ist eigentlich interessant. Die Handlung spielt im Jahr 1978 im zerbombten Berlin, der Hauptstadt der Neuen Preußischen Republik. Dass ich allmählich das Interesse verlor, lag hauptsächlich an zwei Gründen. Einerseits am Stil, der auf den Ich-Protagonisten abgestimmt ist und eher einen Jargon der 1950er Jahre wiedergibt, allerdings ohne dass die Rahmenbedingungen golden glänzen. Was anfangs amüsant wirkte, begann mich allmählich zu ermüden. Erschwerend kommt dazu, das die wörtliche Rede nicht in Anführungszeichen gesetzt wurde, sondern lediglich durch einen Gedankenstrich eingeleitet wird. Der zweite Grund ist die strikt chronologische Erzählung der Familiengeschichte des Protagonisten. Konsequenterweise erfährt der Leser dadurch von den politischen Ereignissen nur dasjenige, das der Mann auf der Straße mitbekommt, was an sich nicht schlecht ist, zumal sich dadurch eine realistische Perspektive und eine Gelegenheit zum kritischen Umgang mit dem Regime bietet. Leider schreitet die Handlung so gemächlich voran, dass ich auf Seite 150 (von insgesamt 590 Seiten) immer noch das Gefühl hatte, mich in einer Art Einleitung oder Vorgeschichte zu befinden. Da der Protagonist zu diesem Zeitpunkt wieder einmal im Begriff war, eine neue berufliche Tätigkeit in Angriff zu nehmen, ist mir irgendwie der Geduldsfaden gerissen und ich habe das Buch zur Seite gelegt.
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Ender
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Re: »Der Platz an der Sonne« von Christian Torkler

Ungelesener Beitrag von Ender »

Okay, dann ergänze ich mal mit meinem Leseeindruck. Nach dem CONTRA kommt hier also gewissermaßen nun das PRO :)


Eine Alternativweltgeschichte, in der das heutige Deutschland so nicht existiert, sondern aufgrund von einigen etwas anders verlaufenen Ereignissen nach dem zweiten Weltkrieg in 6 Einzelstaaten zerfallen ist.
Erzählt wird die Lebensgeschichte eines Bewohners der "Neuen Preußischen Republik", der sich in deren Hauptstadt Berlin durchzuschlagen versucht. Dabei hat er in diesem äußerst rückständigen Land mit Armut, (wechselnden) autoritären Regimen, Korruption, Gewalt, Bürokratie und organisiertem Verbrechen zu kämpfen. Trotz etlicher Rückschläge gibt er seinen Traum von einem besseren Leben nicht auf und versucht nach jeder Niederlage, tapfer wieder aufzustehen. Doch irgendwann hat auch er die Schnauze voll und versucht sein Glück auf andere Weise zu finden.

Was man vielleicht vorab erwähnen sollte, ist die Tatsache, dass die Entstehung der hier beschriebenen Welt in diesem Roman absolut zweitrangig ist - sprich: es wird auf gerade mal 2 bis 3 Seiten nebenbei erwähnt, wie es so ungefähr dazu gekommen ist. Die meisten Fragen, wieso und wie Deutschland und der Rest der Welt hier so wurden wie sie sind, werden überhaupt nicht näher erläutert.

Viele Leser - vor allem eben SF-Fans - dürften genau das ziemlich enttäuschend finden. Ich nicht. Denn wenn auf diese Hintergründe detailliert eingegangen worden wäre, dann wäre es ein völlig anderer (zweifellos ebenfalls sehr interessanter) Roman geworden. Aber hier soll es eben um etwas ganz anderes gehen - und wer damit ein Problem hat, wird das Buch nicht mögen.

Ich hingegen mochte es sehr, denn es gibt die darin behandelten Verhältnisse sowie die einzelnen Handlungsfäden äußerst glaubwürdig wieder (auch wenn gegen Ende vielleicht 2-3 Haken zu viel geschlagen werden), und zwar in einer sehr authentischen Sprache und aus Sicht eines Protagonisten, dessen Denk- und Handlungsweise man absolut nachvollziehen kann (auch wenn er hier und da manchmal etwas naiv rüberkommt).

Ich würde sogar sagen: Dieser Roman demonstriert eindrucksvoll, was gute SF leisten kann. Nämlich uns anhand einer Welt, die es so nicht gibt, unsere reale Welt vor Augen zu führen!
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Ender
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Re: »Der Platz an der Sonne« von Christian Torkler

Ungelesener Beitrag von Ender »

Ernst-Eberhard hat geschrieben: 4. Juni 2019 13:45 Erschwerend kommt dazu, das die wörtliche Rede nicht in Anführungszeichen gesetzt wurde, sondern lediglich durch einen Gedankenstrich eingeleitet wird.
Ja, sowas finde ich auch immer nervig. Ich habe manchmal den Eindruck, damit soll dem Feuilleton "Achtung! Anspruchsvoller Roman!" signalisiert werden ...
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lapismont
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Re: »Der Platz an der Sonne« von Christian Torkler

Ungelesener Beitrag von lapismont »

Ender hat geschrieben: 4. Juni 2019 14:37
Ernst-Eberhard hat geschrieben: 4. Juni 2019 13:45 Erschwerend kommt dazu, das die wörtliche Rede nicht in Anführungszeichen gesetzt wurde, sondern lediglich durch einen Gedankenstrich eingeleitet wird.
Ja, sowas finde ich auch immer nervig. Ich habe manchmal den Eindruck, damit soll dem Feuilleton "Achtung! Anspruchsvoller Roman!" signalisiert werden ...
oder man mach auf alt. In England war das dazumal (18., 19. Jhdt.) öfters anzutreffen wie auch in Deutschland.
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