"Der letzte Kolonist" von Sebastian Schäfer

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AlvarBorgan
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"Der letzte Kolonist" von Sebastian Schäfer

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Mit „Der letzte Kolonist“ hat Sebastian Schäfer ein großes Space-Opera-Epos auf nur gut 400 Seiten geschaffen. Der Roman glänzt mit farbenprächtig ausgemalten Welten und erstaunlichen Wesen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten. Nicht weniger als sieben parallele Handlungsstränge umkreisen einander und verknüpfen sich nach und nach zu einem fein gewebten Gesamtkonstrukt.

Es geht ums große Ganze: Eine Düsternis breitet sich aus, gegen die selbst gottähnliche Wesen machtlos sind. Dann gibt es noch die geheimnisvollen Pforten, deren Bedeutung (fast) niemand kennt und uralte, übermächtige Weltenschiffe auf ihrem endlosen Weg durchs Universum.

Und das sind nur die großen, das Universum umspannenden Konflikte. Ihnen gegenüber stehen faszinierende Charaktere und Spezies. Manche sind nach mythischen Wesen benannt, wie Unicorner und Harpyten, wodurch man sich leichter ein Bild von ihnen machen kann. Dann wieder treten sehr mächtige Einzelwesen mit teils gottähnlichem Charakter auf, wie die Wju, die Ein-Stimme oder Großmeister Techler. Selbst nicht intelligente Tiere spielen eine zentrale Rolle, etwa das faustgroße Gepp, dass die Zeit beeinflussen kann. Am uninteressantesten scheint anfangs der namensgebende Kolonist zu sein – bei keinem Charakter tappt man so lange im Dunkeln, wie er mit den übrigen zusammenhängt.

Der Fantasiereichtum hat mich begeistert, nicht nur bei den Spezies, auch bei der detaillierten Schilderung der Welten und der unterschiedlichen Atmosphäre der Handlungsstränge. Da gibt es die fast märchenhafte Geschichte der Wju, den lakonisch-sarkastischen Humor des Großmeisters, die heroische Liebesgeschichte der Händlerin, und die orwellsche Welt des Kolonisten.

Und, und, und … ich könnte noch zig tolle Elemente aufzählen und hätte immer noch nicht das Gefühl zu spoilern, weil es noch so viel mehr zu entdecken gibt.

Manchen Lesern wird es des Guten zu viel sein. Zu viele Adjektive und zu ausführliche Beschreibungen, durch die das Buch auch etwas behäbig daherkommt. Zudem neigt der Autor zu langen und manchmal auch unnötig komplizierten Sätzen. Wäre es ein Vortrag, würde ich sagen: „Er hört sich gerne selber reden.“ Wer mit der Weitschweifigkeit zurechtkommt, wird mit einem Füllhorn voller Wunder belohnt, im Kleinen wie im Großen. Von der poetisch geschilderten Geburt einer Göttin aus der Frucht eines Riesenbaumes bis zum Test eines experimentellen Überlicht-Antriebs, bei dem leider ein größerer Teil des Raum-Zeit-Gefüges verschluckt wird – womit auch 14 Welten, einschließlich der Heimatwelt der Antriebs-Erfinder, plötzlich und unterwartet untergehen.

Ich habe Buch und Autor eher zufällig bei einer Lesung auf der Leipziger Buchmesse kennengelernt – und mir das Buch sofort zugelegt. Eine sehr gute Entscheidung, muss ich sagen! Mir hat das Lesen großen Spaß gemacht, trotz des öfter mal anstrengenden Satzbaus. Ich wünsche diesem originellen Werk aus dem Eridanus-Verlag eine große Leserschaft. Vielleicht trägt die Nominierung zum Deutschen Science-Fiction Preis (DSFP) 2019 dazu bei, dem Buch die Aufmerksamkeit zu verschaffen, die es verdient hat.