Der "Liest zur Zeit" Thread

Science Fiction in Buchform
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Ender
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Ender »

andy hat geschrieben: 30. Januar 2020 15:13Ich hoffe, meine Euphorie hält auch nach dem Lesen des Nachfolgebands "Die Zeuginnen" an. Der kommt jetzt direkt im Anschluss dran.
Da hab ich mich bis jetzt noch nicht rangetraut. "Report der Magd" fand ich auch großartig und nun habe ich etwas Angst, dass mir eine Fortsetzung das ein bisschen vermiesen könnte.
Bin gespannt was du berichten wirst.
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Badabumm
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Badabumm »

James Tiptree: Kurzgeschichten, Band 1 angefangen. Hintereinander sehr anstrengend zu lesen, man sollte Erholungspausen machen. Der Stil schäumt geradezu über vor verrückten Wörtern, das ist wie Moers und Lem zusammen...
„Wenn Außerirdische so sind wie wir, möchte ich nicht von uns entdeckt werden.“

Harald Lesch
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Badabumm
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Badabumm »

Edit: ich würde James Tiptree auch gut unter „SF-Erotik“-Geschichten einordnen. Also, was sie da alles an schrägen Ideen loslässt, ist schon cool...
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von andy »

Ian McDonald: Luna

Der erste Teil von Ian McDonalds Luna-Reihe überzeugte mich so gar nicht. Ich war mir immer wieder kurz davor, aufzuhören. Das Buch spielt - der Titel lässt es vermuten - auf dem Mond. Fünf einflussreiche Familien teilen sich Macht und Einfluss. Das ganze wirkte auf mich wie eine gewalttätige Version von Dallas mit deutlich mehr Sex. Intrigen, Intrigen und Intrigen. Kaum einer der Figuren fand ich interessant und die Handlung hatte etwas von einer Seifenoper.

Der Mond hat ein interessantes Rechtssystem. Und am Ende geht es für eine der Familien so richtig den Bach runter. Das sind die beiden Pluspunkte für mich. Der Rest war für mich ziemlich uninteressant. Die beiden Folgebände strich ich von der Liste der Bücher, die ich noch lesen will.

Nein, meins war es nicht

Any
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Teddy
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Teddy »

Ich finde, das Buch hat vieles, was mir gut gefallen müsste. Tolles Setting, spanende Ausgangslage mit den fünf Familien, die den Mond unter sich aufgeteilt haben. Und als Soap-Opera würde ich das nicht bezeichnen. Und trotzdem ging es mir ähnlich wie dir, ich musste mich da ziemlich durchbeißen. Ich glaube, es liegt an den Figuren, die einem nie richtig ans Herz wachsen oder die man so richtig hasst. Die Reihe wird ja als "Game of Thrones auf dem Mond" beworben, aber die Figuren sind im Vergleich zu GoT schwach.
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Uschi Zietsch
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Uschi Zietsch »

Ich hab jetzt durch: "Die Dynastie der Maschinen" von Daniel H. Wilson.

Daran hab ich seit Ende Dezember geknabbert. Ich hab mir Steampunk erwartet, tatsächlich bekommen hab ich aber Steam Fantasy, die streckenweise arg melodramatisch und frauenromanmäßig war.
Bitte nicht falsch verstehen: ich will hier kein Genre niedermachen. Aber ich mag nun mal keine Frauenherzschmerzromane. Ich liebe Romantik. Aber die gibt es hier ja gar nicht.

Es fängt damit an, dass ich schon wieder einen Ich-Roman im Präsens erwischt habe, und das reicht mir jetzt für die nächsten 100 Jahre. So was muss man können, und zwar richtig gut. (Natürlich kann Haruki Murakami das, und auch er hat teilweise über die Stränge geschlagen.)

Ich tue dies, dann tu ich das, und als nächstes tu ich jenes.
Diese Abfolge ist nicht nur öde, sondern tötet auch jegliche Spannung. Hinzu kommen ausführliche, emphatische Beschreibungen, die kein Ich-Erzähler, und schon gar nicht im Präsens, so von sich geben würde. Das ist auktoriell in der 3. Person.
Sprich: Ich bin gar nicht ich, sondern ich bin der Autor, der das grad erzählt. Und dich doofen Leser lass ich außen vor.
Und das bringt mich dauernd aus dem Lesefluss.

Wer diese Erzählform (wenngleich nicht Präsens, sondern Präteritum) wirklich beherrscht, findet sich in Tom Robbins' "Völker dieser Welt, relaxt!", einem meiner Lieblingsbücher. Also nicht dass man denkt, ich mag die Ich-Form gar nicht. (Nabokov - "Lolita"? Hallo? Der absolute Meister!)

Also ich wollte Steampunk, ich bekam Steamfantasy, und das hat mir streckenweise, vor allem zu Beginn, ganz gut gefallen, trotz der beiden Ich-Erzähler. (Gegenwart = irgendne Frau zu einer mir unbekannten Zeit, zu der ich keinerlei Beziehung herstellen konnte, Vergangenheit = der Superduperwahnsinnstolle Roboter, in den sich der Autor verliebt hat) Aber leider wurde es gegen Ende hin zäh und immer zäher. Und ich glaube, Oliver Plaschka als Übersetzer hatte auch zusehends Probleme mit dem Text, denn die Übersetzung wird immer fehlerhafter und holpriger, bis hin zu Stilblüten.

Tatsächlich sind wir dann mitten im Action-Showdown ... und dann haben wir wieder einen Vergangenheitseinschub, den, ehrlich gesagt, zu dem Zeitpunkt keine alte Socke mehr interessiert. Was soll diese Unterbrechung der spannendsten Stelle? (Um sie nicht zu ausführlich zu beschreiben, natürlich, und ziemlich abzuwürgen.) Wir haben uns vorher längst zusammengereimt, was da erzählt wird, weil es auch schon genug Versatzstücke dazu gab.

Mein drittes Problem sind diese überhöhten "Awtomat". Trotz Leder- und Porzellangesichtern, trotz aus wasweißich bestehenden künstlichen Augen sind sie zu derselben Mimik wie Menschen in der Lage (können sich auch unerkannt unter den Menschen bewegen), ihre Augen drücken jede Menge Emotionen aus. Obwohl sie etwas Besseres als Menschen sein sollen, weil sie sind Roboter mit "Anima", denken, fühlen und handeln sie genauso wie wir Menschen. Es ist keinerlei Unterschied erkennbar. (Sie halten sich übrigens aber für sehr viel besser als Menschen.)
Sie sind aber nicht anders. Sie sind einfach Menschen.

Ich hab mir nicht viel erwartet, nur Unterhaltung ohne Tiefgang, und ich hab mich echt bemüht, das Büchlein (trotz >400 Seiten) zu mögen. Aber ich wurde einfach nicht mitgenommen auf diese Reise. Sämtliche Figuren waren mir völlig schnurz. Zu viel Tell, zu wenig Show.
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Ender »

Uschi Zietsch hat geschrieben: 11. Februar 2020 22:52 Ich hab jetzt durch: "Die Dynastie der Maschinen" von Daniel H. Wilson.
Daran hab ich seit Ende Dezember geknabbert.
Also mir hat das Buch ziemlich gut gefallen. (LINK)
Den Frauenherzschmerz-Anteil hab ich so gar nicht empfunden, auf jeden Fall nicht negativ. Vielleicht bin ich aber auch einfach sensibler als du :lol:

Dass eine Präsens-Ich-Erzählform viele Leute stört, habe ich zuletzt häufiger gehört. Du bist jetzt die erste, die mir den Grund dafür schlüssig erklären konnte. Ja - es stimmt schon: Wenn der allwissende Erzähler durchschimmert, dann passt das manchmal nicht so richtig zusammen.

Uschi Zietsch hat geschrieben: 11. Februar 2020 22:52 Obwohl sie etwas Besseres als Menschen sein sollen, weil sie sind Roboter mit "Anima", denken, fühlen und handeln sie genauso wie wir Menschen. Es ist keinerlei Unterschied erkennbar.
Genau das gleiche Problem habe ich übrigens gerade bei meinem aktuellen Buch "Die Nacht war bleich, die Lichter blinkten". Der Reiz, wenn eine Geschichte aus Sicht eines Roboters/Androiden erzählt wird, liegt ja eigentlich darin, bestimmte menschliche Eigenarten durch solch eine emotionslose Sicht von außen ganz besonders herauszustellen. Wenn die KI dann allerdings exakt genauso denkt und fühlt wie ein Mensch, dann verpufft das leider völlig.

Aber wie gesagt: Als Abenteuergeschichte hat mir "Die Dynastie der Maschinen" im Gegensatz zu dir durchaus Spaß gemacht.
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von heino »

Ich habe jetzt fast die Hälfte von "Eine Tiefe am Himmel" durch und wenn das so weiter geht wie bisher, wird das mein erster Verriss dieses Jahres. Etwas warte ich noch ab, bevor cih ein endgültiges Urteil fälle, aber es zerrt schon ziemlich an meinem Geduldsfaden.
Lese zur Zeit:

Edward Lee - Inferno
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Uschi Zietsch »

@Ender: Mir hat es ja auch gut zwei Drittel Spaß gemacht, aber dann wurde es mir zu viel der Wiederholung mit dem Gezerre um Elena und Peter, ich wollte dann lieber Action. Das Tempo wurde stark gebremst und der Showdown war versemmelt. Schade. Denn der Gag mit dem Kaiser und seiner Tat war echt gut und ein Knalleffekt - nur, dass er irgendwie ... ich weiß nicht ... nicht eindrücklich genug war.
Mich hat diese starke Emotionalität und Menschlichkeit der Roboter gestört, samt der Ausdrucksfähigkeiten, weil sie ja aus Porzellan etc waren. Wie soll das gehen? Auch mit den Augen? Gerade die können nur dann perfekt menschlich sein und Ausdruck haben, wenn sie eben menschliche Augen sind und nichts künstliches.
Ich denke, Gerald wird das Buch Spaß machen, so wie dir. Ich bin halt so ne alte Meckertante. :xmas:
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Badabumm »

Vielleicht gibt es ja eine Art von "Memory-Porzellan", das sich verformt. In SF ist (fast) alles erlaubt - und so unrealistisch fände ich das nicht.
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Ender »

In späteren Jahrhunderten (dem jetzigen zum Beispiel) sind sie auch schon weiterentwickelt und modernisiert. Nicht mehr aus Porzellan, wenn ich mich richtig erinnere.
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Badabumm »

Digital wäre das kein Problem... :) :)

https://www.instagram.com/shudu.gram/

Wobei "Porzellan" hier nicht wirklich zutrifft... ;)
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Uschi Zietsch »

Badabumm hat geschrieben: 12. Februar 2020 14:54 Vielleicht gibt es ja eine Art von "Memory-Porzellan", das sich verformt. In SF ist (fast) alles erlaubt - und so unrealistisch fände ich das nicht.
Das wurde aber eben nicht beschrieben. Es ist nur von schönem Porzellan die Rede, das zudem ziemlich zerbrechlich ist. (Die Awtomat sind ja andauernd kaputt - eine kleine Prügelei, und sie liegen in Einzelteilen rum, das Gesicht zerstört ...)

@Ender: Ja, Peter trägt Leder. Was genau wer wann und wie trägt und wie die Weiterentwicklung ist, habe ich ehrlich gesagt irgendwann nicht mehr kapiert. Das wurde etwas uneinheitlich geschildert, und je weiter der Roman voranschritt, desto menschlicher, vor allem auch in der "Mimik" etc wurden die Awtomat. Am Anfang war das nämlich viel differenzierter (beispielsweise Elena und Peter in Petersburg als "wampir" und nur nachts).
Es wurde aber nirgends beschrieben, wie sie sich weiterentwickelt haben, und wer das gemacht hat. Sein uralter Kumpel Namevergessen jedenfalls nicht, der hat nur wiederverwendet, was schon da war.
Solche Sachen find ich halt sehr interessant und sind für mich das, was so einen Genreroman von den "normalen" unterscheidet. Da hab ich mir einfach mehr erwartet. Auch wenn ich den technischen Kram gar nicht verstehe.
Ach ja, da fällt mir noch was ein. Zwei- oder dreimal wird ausgesagt, dass die Technik der Awtomat aus der Zukunft kommen muss, weil es diese oder jene Materialien zur Zeit ihrer Schöpfung noch gar nicht gegeben haben kann. Darauf wird nie wieder eingegangen. Noch ein Strang, den ich spannend fand und der im Sand der Zeit verlief.
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Nina »

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​Ich bin bei "Thalamus" von Ursula Poznanski. Dabei hat ein Jugendlicher einen Mopedunfall und danach muss er koordinierte Bewegungen und sprechen erst wieder neu lernen. Sein Mitpatient im Zimmer der Reha-Klinik ist noch schlimmer dran, allerdings sieht der Protogonist ihn nachts rumgehen und erhält daraufhin eine Morddrohung. - Es ist ein Jugendbuch, allerdings für Ältere und ich habe gehört, dass noch so ein bisschen phantastischer wird. Mal schauen.
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Re: Der "Liest zur Zeit" Thread

Ungelesener Beitrag von Wrong »

Das Jahr hat bei mir mit weiteren Büchern von und über F. Dostojewskij begonnen. Sein wohl bekanntester Roman heißt in der deutschen Übersetzung in der Regel „Schuld und Sühne“, wobei die neueste Übersetzung von Swetlana Gaier „Verbrechen und Strafe“ als Titel wählte, da er wohl dem russischen eher entspräche. Die bereits verstorbene Übersetzerin hat ja gerne die Titel geändert, so auch „Die Dämonen“ in „Böse Geister“. Natürlich wird ein wenig Marktstrategie dahinter stecken, aber ihre Begründungen in diversen Interviews, es gibt sogar eine Film über die bekannte Übersetzerin, klingen dann doch auch plausibel und wohl überlegt. Da meine Ausgabe aber aus den Anfängen der neunziger Jahre stammt, habe ich die Übersetzung von Richard Hoffman aus dem Jahre 1977 gelesen.

Der Roman, der eigentlich ein Kriminalfall ist, erschien als Fortsetzungsroman in der Zeitschrift der russische Bote. Der ehemalige Student Rodion Romanowitsch Raskolnikow der Jurisprudenz begeht einen Mord aus Prinzip, da die Wucherin und Pfandleiherin Alijona Iwanowna für ihn kein Recht auf ein Leben besitzt. Dennoch überschreiten Planung und Durchführung des Mordes die geistigen Kräfte des „Helden“ und er begeht fast besinnungslos Fehler für Fehler. Dennoch gelingt ihm unfreiwillig der perfekte Mord und er könnte sich der Strafe entziehen, entscheidet sich aber nach zehntägigem Martyrium zum Geständnis.

Nebenbei werden aber so viele Dinge mit Nebenhandlungen und mit neuen Figuren vernetzt und wieder fallen gelassen, dass eine Aufzählung mich wirklich überfordern würde. Beispielsweise die entscheidende Frage, in welche Richtung Russland sich Mitte des 19. Jahrhunderts entscheidet. Folgt es dem westlichen kapitalistischen Wirtschaftssystem oder den starren orthodoxen Prinzipien der russischen Kaiserzeit. Die Verelendung des Menschen, der mit der ersten Variante untergeht. Frauen, die als Ware betrachtet werden und ihren Körper als Kapital zum Überleben der Familie hingeben, sind für Dostojewskij der Endpunkt des gesellschaftlichen Verfalls. Ob man mit dem christlichen Gegenmodell des Autors letztendlich als Alternative zufrieden und glücklich ist, muss natürlich jeder auf seine Weise für sich klären. Die ganze Rücksichtslosigkeit und das offene Zeigen von zügelloser Habgier sind so deprimierend und eindrücklich, dass es mir schlichtweg den Atem geraubt hat.

Es sind noch, wie weiter oben erwähnt, andere Punkte, die man aufführen könnte und die mich genauso beeindruckt haben wie die politischen und gesellschaftlichen Abgründe. Beispielsweise die Frage, ob der Täter, der grausam mit dem Beil zuschlägt, für Dostojewskij die Rolle des Helden übernehmen soll oder der Weg der Leugnung der entscheidende Punkt ist.

Mein Fazit ist ganz einfach, ich muss den Roman wiederholt lesen. Es war das erste Mal, dass ich nach Beendigung einer dreiwöchigen Lektüre überlegt habe, ob ich direkt wieder von vorne beginnen soll. Kaum ein Roman hat mich so fasziniert wie „Schuld und Sühne“.

Ich hoffe, ich habe den nichtphantastischen Bereich zu sehr überschritten. Aber ich weiß ja, dass viele von euch Dostojewskij schätzen oder ihn zumindest für diskussionswürdig halten. Natürlich weiß ich auch, dass ich einen alten Hut hervorgeholt habe, den bestimmt einige als Schullektüre durchkauen mussten und schon längst gelesen haben. Aber dennoch war es mir doch ein Bedürfnis, einige Dinge zu erwähnen, die für mich so groß und gut waren, dass sie immer noch nachhallen. Man kann es ja an meiner neuen Signatur erkennen. :)

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