Wie es der Zufall will, habe ich die betreffenden Romane gelesen. Hier sind meine ganz persönlichen Eindrücke:
Bijan Moini - Der Würfel
Deutschland wird (wie viele andere Länder auch) von einer Art KI regiert, von einem Algorithmus, der die Bedürfnisse der Menschen anhand der gesammelten und analysierten Daten errechnet.
Plausible und glaubwürdige Darstellung der Auswirkungen einer solchen totalen Datenabhängigkeit, sowie auch der Probleme der Verweigerer. Es ist zwar nicht vorgeschrieben, sich dem "Würfel" zu unterwerfen, aber die Rechte der sog. Offliner werden immer weiter beschnitten, der gesellschaftliche Druck wird immer größer (Ausgrenzung, Mobbing). Am stärksten ist der Roman immer dann, wenn Diskussionen über das Für und Wider des Systems geführt werden, denn dabei kommen alle Seiten mit ihren Argumenten zu Wort.
Ich persönlich fand
und
nicht richtig überzeugend. Trotzdem ein absolut lesenswerter Roman.
Andreas Brandhorst - Das Netz der Sterne
Eine typische Brandhorst-Space-Opera mit einem gigantischen Universum, Aliens, Raumschiffen, einer durchdachten Geschichte, Spannung, Action, Abenteuer, Exotik und einem leichten Touch Fantasy.
Wer solche Werke des Autors mag (so wie ich zum Beispiel) wird auch hier wieder bestens bedient. Und ich habe sogar von Leuten gehört, die sonst keine Fans seiner Space Operas sind, aber diesen Roman trotzdem mochten.
Dirk van den Boom - Metropole 7 (Der letzte Admiral 1)
Wieder einmal wurde die Welt von einer überlegenen Alienrasse überrannt ... hier handelt es sich allerdings - und das ist das Originelle daran - nicht um eine bösartige, grausame, kriegerische Besatzungsmacht, sondern offenbar eher um eine Art pflanzenähnlichen Organismus, der sich einfach im Universum ausbreitet, seine "Saat" verteilt und seiner Umgebung so lange die Nährstoffe nimmt, bis keine mehr vorhanden sind. Und dann weiterzieht. Blöd halt, wenn es sich bei dieser Umgebung um die Erde handelt.
Schöne Prämisse, eine bunt zusammengewürfelte Protagonistengruppe, die sich auf das große Abenteuer begibt, und auch einige ruhige Momente und interessante Gedanken (z.B. zum Thema Vorurteile).
Gestört haben mich einige "Deus ex machina" - Momente, in denen für das jeweilige Problem plötzlich eine Lösung aus dem Hut gezaubert wurde, die man als Leser dann einfach so hinnehmen muss. Aber insgesamt fühlte ich mich bestens unterhalten. Und so richtig losgehen wird es wohl erst im zweiten Teil, das lässt zumindest das Ende vermuten.
Aber wer Dirks Trilogien kennt, ahnt: vielleicht geht doch alles noch in eine völlig andere Richtung. Wer weiß? (Er selbst vermutlich auch noch nicht)
Melanie Vogltanz - Shape Me
Ein Roman, der auf ganz vielen Ebenen funktioniert: Er behandelt aktuelle Themen (Überwachung, Schönheitswahn), er denkt bestimmte Entwicklungen weiter (Kalorienkonto, Gesundheitsdiktatur, implantierte Chips), er präsentiert spektakuläre Zukunftstechnologien (Körpertausch), er stellt relevante Fragen (Moral, Äußerlichkeiten, "Der Mensch hinter der Fassade"), er unterhält mit spannender Handlung und überraschenden Wendungen (Kriminalfall), er ist sprachlich sehr gekonnt und souverän geschrieben und er ist von außergewöhnlich realistischen Figuren bevölkert; von Figuren, die ganz einfach dermaßen ECHT sind, wie man es nur in wenigen Büchern findet.
Mein persönlicher Favorit aus dieser Liste. Mit Abstand.
Christian J. Meier - K.I.-Wer das Schicksal programmiert
Eine weitere "KI lenkt und manipuliert die Welt"-Geschichte mit großen Ähnlichkeiten zu "Der Würfel". Im Gegensatz dazu bleibt der Weltenbau hier aber wesentlich oberflächlicher und das ganze Szenario damit weniger eindringlich, weniger bedrückend und damit letztlich auch weniger glaubwürdig. Auch die Figuren bleiben ziemlich blass. Stattdessen wird wesentlich mehr Wert auf eine spannende Story mit viel Tempo und auch Action gelegt.
Der Roman liest sich dadurch recht flott und unterhaltsam, allerdings ohne dass nach dem Zuklappen des Buchs bei mir noch irgendetwas hängengeblieben wäre.
Dirk van den Boom - Resonanz (Die Reise der Scythe 3)
Vorab: Man muss die ersten beiden Teile gelesen haben, sonst versteht man hier nicht viel.
Während in Band 1 der Trilogie eine interessante Welt vorgestellt und in Band 2 das Leben innerhalb des geschlossenen Systems der "Sphäre" beschrieben wurde, geht es im letzten Teil wesentlich weniger handfest und konkret zu. Paralleluniversen, Illusionen, verschiedene Dimensionen, wechselnde Realitätsebenen ... mir war das alles einfach zu abstrakt, als dass ich da wirklich mitfiebern könnte oder großen Spaß daran hätte.
Durch die vielen Ebenen wirkte die ganze Handlung letztlich irgendwie willkürlich.
Zweifellos ordentlich und fantasievoll geschrieben, aber für mich persönlich deutlich uninteressanter als die ersten beiden Teile der Trilogie.
Sibylle Berg - GRM.Brainfuck
Großbritannien in der nahen Zukunft: Arm gegen Reich, Oben gegen Unten, Gut gegen B... äh, nein: Böse gegen Noch Böser. Aktuelle Entwicklungen in Gesellschaft, Politik und (z.T.) Technik werden analysiert und weitergedacht. Dabei kommt es zu vielen klugen Gedanken und Beobachtungen und zu Schlussfolgerungen, denen man - je nachdem - in weiten Teilen folgen und zustimmen kann (oder auch nicht). Vorgetragen in authentischer, direkter, schonungsloser Sprache.
Meine Probleme damit: Erstens ist es mehr Essay als Roman. Es gibt kaum Handlung, stattdessen permanente Betrachtungen, Beschreibungen und Analysen. Zweitens stumpft man beim Lesen ab. Was am Anfang noch krass und heftig (aber durchaus gelungen) erscheint, nervt irgendwann nur noch. Wirklich ALLE Menschen in diesem Buch sind kaputt, asozial, primitiv, pervers. Dadurch ist das alles sehr eindimensional, und irgendwann wird es einfach ermüdend, immer neue Beispiele von zerstörten Leben, heruntergekommenen Typen, brutalen Sadisten und degenerierten Idioten aufgetischt zu bekommen. Die teilweise wirklich interessanten Gedanken und gelungenen Analysen gehen in diesem Jauchebad zunehmend unter.
Für 200 Seiten hätte ich mir das gefallen lassen, für über 600 trägt es mMn nicht.
Richard Schwartz - Die Starfarer-Verschwörung (Die Sax-Chroniken 1)
Bunte Abenteuergeschichte auf einem fernen Planeten (wobei es nicht um Aliens geht) in einer Zukunft, in der die Menschheit sich ausgebreitet und weiterentwickelt, aber in weiten Teilen auch wieder
zurückentwickelt hat.
Mir persönlich war das zu seicht, ohne große Höhepunkte, mit zu vielen Zufällen und nicht sonderlich interessanten Figuren. Das war mein zweiter Roman dieses Autors, und wieder hatte ich den Eindruck, dass Schwartz Probleme damit hat, einen durchgängigen Spannungsbogen aufzubauen. Stattdessen ist der Ablauf stets: a) ein Problem tritt auf, b) mit Hilfe der genialen KI oder wahlweise eines übermächtigen, alleskönnenden Verbündeten kann es ruckzuck gelöst werden, c) weiter geht's bis zum nächsten Problem, und dann: siehe a). Da ist kein echter roter Faden zu erkennen, alles plätschert einfach so dahin. Man kann es lesen, es tut nicht wirklich weh, aber ich persönlich fand es ziemlich langweilig.