[Lesezirkel] Fernes Licht - Kurzgeschichten

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Flossensauger
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Re: [Lesezirkel] Fernes Licht - Kurzgeschichten

Ungelesener Beitrag von Flossensauger »

L.N. Muhr hat geschrieben: 21. Januar 2021 11:49 Äh, nein, deine Häme ist unangemessen.
OK, Autor der Süddeutschen im Kulturteil. Niemand will dir was böses. Ist doch kein Comic.
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L.N. Muhr
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Re: [Lesezirkel] Fernes Licht - Kurzgeschichten

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Hm, diese Lesart der Chronicles ist naheliegend und spielte schon bei frühesten Rezensionen eine Rolle. Ich finde es eher banalisierend, dem Buch diese Lesart nehmen zu wollen.

Für stumpfen ad hominem ist das kein Anlass.
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Mammut
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Re: [Lesezirkel] Fernes Licht - Kurzgeschichten

Ungelesener Beitrag von Mammut »

Ich habe mal weitergelesen. The Rag Thing von Donald A. Wollheim erschien 1951 im Magazin of Fantasy and Science Fiction:
http://www.isfdb.org/cgi-bin/pl.cgi?61373

1972 gab es eine deutsche Übersetzung:
http://www.isfdb.org/cgi-bin/pl.cgi?692034

Es handelt sich um eine kurze, aber prägnante Geschichte über eine diffuse, außerirdische Lebensform und die Bedingungen unter der sie gedeiht bzw. nicht gedeiht. Hat mir gefallen, ist aber andererseits auch schnell wieder vergessen.
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Knochenmann
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Re: [Lesezirkel] Fernes Licht - Kurzgeschichten

Ungelesener Beitrag von Knochenmann »

Hab ich auch gerade:

"Das Ding" von Donals A. Wollheim (1951)

Wir haben: eine Unterkunft für die Unterschicht. Irgendwo im Raum: ein Stück stoff, das so dreckig ist das sich Leben darin entwickelt- Und weil die Haushälterien Mrs. Larck die Heizung zu früh ausschaltet such sich das Ding Wärmquellen...

Die Story hat mr deutlich besser gefallen als die ersten beiden, aus diversen Gründen: erstmal war sie kurz, dann haben wir da einen schicken Erzählstiel, "Alles wäre nicht passiert wenn..." wobei es unklar ist wer der Erzähler ist und wem er es erzählt, vor allem wenn man das Ende bedenkt. Musste fast ein wenig an Brecht denken.

Dann haben wir her nur genau drei Menschen, und wir haben trozdem ein klares Bild von allem: Haushälterin, schmutzig, stumpf, faul, geizig. Fabriksarbeiter: schuftet, ist arm und allein in der Welt. Und der Nachmieter: junger Mann mit Amibitionen und alzu-optimistischen Weltbild.

Sozialkritik, Milieustudie, Horror, theatralische Inzenierung und das alles auf 6 Steiten - kann man nciht meckern.
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Teddy
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Re: [Lesezirkel] Fernes Licht - Kurzgeschichten

Ungelesener Beitrag von Teddy »

Wollheim nimmt den altes Witz über etwas sehr lange nicht Gereinigtes zu sagen "Das lebt ja schon!" wörtlich und lässt einen dreckigen Lumpen zum Leben erwachen. Dieser lebt offenbar von Wärme und holt sich diese, wo er kann. Sehr kurze Geschichten leben mMn schon von der Pointe und die ist hier doch sehr dünn. Der leicht ironischen allwissenden Erzähler gefällt mir auch, aber insgesamt sehe ich es wie Mammut: Die Geschichte wird mir nicht lang im Gedächtnis bleiben.

Nachtrag: Wieso brennt eigentlich das Haus ab? Wenn der als feucht beschriebene Lumpen sich auf die Zigarette drückt, müsste diese doch erlöschen.
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Ender
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Re: [Lesezirkel] Fernes Licht - Kurzgeschichten

Ungelesener Beitrag von Ender »

Mein Lieblingssatz aus dieser Geschichte:
Mrs. Larch war keine angenehme Erscheinung. Fett, stumpf, ungekämmt, verwitwet und nachlässig ...
Einfach schön, wie "verwitwet" sich nahtlos in die Charakterisierung einer ungepflegt-unsympathischen Person einreiht. Sie ist also nicht nur schmuddelig, sondern auch noch verwitwet! Bäh :lol:

Ansonsten gibt mir die Geschichte nicht viel. Selbst für "ganz nett" ist sie mir zu belanglos.
Ich kann mich auch nicht erinnern, dem Autor sonst nochmal irgendwo begegnet zu sein.
Und schon wieder vergessen.
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Teddy
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Re: [Lesezirkel] Fernes Licht - Kurzgeschichten

Ungelesener Beitrag von Teddy »

Ender hat geschrieben: 26. Januar 2021 13:45 Ich kann mich auch nicht erinnern, dem Autor sonst nochmal irgendwo begegnet zu sein.
Donald A. Wollheim ist auch eher als Herausgeber bekannt. Der SF-Verlag DAW Books wurde von ihm und seiner Frau gegründet. Außerdem hat er über 36 Jahre die Jahresanthologie World's Best SF herausgegeben, die eine für Anthologien recht hohe Auflage hatte.
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Ralf Wambach
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Re: [Lesezirkel] Fernes Licht - Kurzgeschichten

Ungelesener Beitrag von Ralf Wambach »

Hallo allerseits,

ich bin neu hier im Forum und weiß von daher nicht, was alles schon wie ausführlich diskutiert wurde, z. B. die Definition von Science-Fiction.
Ich fand „Das Ding“ spannend und unterhaltsam, aber es ist für mich keine Science-Fiction-Geschichte.
Aus der Geschichte geht auch nicht hervor, dass „das Ding“ außerirdischen Ursprungs ist, sondern eher im Zimmer selbst aus dem Schmutz entstanden ist.
Mich erinnert die Geschichte mehr an die Geschichten von H. P. Lovecraft und diese sind für mich keine Science Fiction.
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Mammut
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Re: [Lesezirkel] Fernes Licht - Kurzgeschichten

Ungelesener Beitrag von Mammut »

Ralf Wambach hat geschrieben: 26. Januar 2021 14:57 Hallo allerseits,

ich bin neu hier im Forum und weiß von daher nicht, was alles schon wie ausführlich diskutiert wurde, z. B. die Definition von Science-Fiction.
Ich fand „Das Ding“ spannend und unterhaltsam, aber es ist für mich keine Science-Fiction-Geschichte.
Aus der Geschichte geht auch nicht hervor, dass „das Ding“ außerirdischen Ursprungs ist, sondern eher im Zimmer selbst aus dem Schmutz entstanden ist.
Mich erinnert die Geschichte mehr an die Geschichten von H. P. Lovecraft und diese sind für mich keine Science Fiction.
Hallo Ralf,

erstmal willkommen im Forum. Genrefragen wurden immer mal wieder diskutiert und werden es auch in Zukunft.
Eine hundertprozentige wasserdichte Definition, was Science Fiction ist und was nicht, die gibt es nicht. Und wenn du Leser und Experten fragst, findest du auch immer wieder unterschiedliche Meinungen zu dem Thema.
Lovecraft wird ja oft als "Weird Fiction" beschrieben, und in dem Fall sind dann viele Geschichten auch SF:
https://en.wikipedia.org/wiki/Weird_fiction

Die "Monster" bei HPL sind außerirdischen Ursprungs und das ist für viele dann ausreichend, um es auch als SF zu interpretieren. Die vorliegende Geschichte Das Ding ist auch so ein Fall. Was ist das Ding, das dort in dem Zimmer schlummert. Ist es außerirdisch?
Man könnte auch behaupten, es ist dann kein Horror wenn es von außerhalb der Erde kommt, da es dann ja kein überirdisches Element enthält.
Du siehst, man kann das aus mehreren Perspektiven betrachten. Ich finde aber auch, es hat eher eine Dimension des Horrorgenres als des SF Genres, ist aber wohl objektiv betrachtet ein Grenzgänger.
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Ender
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Re: [Lesezirkel] Fernes Licht - Kurzgeschichten

Ungelesener Beitrag von Ender »

Auch von mir ein herzliches Willkommen!

Es stimmt schon - dass "Das Ding" außerirdischen Ursprungs ist, hatte ich ebenfalls so nicht verstanden. Es bildet sich aus verschiedenen "Zutaten" und erwacht schließlich infolge von bestimmten chemischen Prozessen zum Leben. Das heißt, es werden Wissenschaften wie Chemie und Biologie zur Erklärung herangezogen (egal wie unrealistisch), also könnte man durchaus von Science Fiction sprechen.

Finde ich aber auch nicht so wichtig. Wir wollen ja hier schließlich keinen SF-Preis vergeben, für den zunächst die exakte Genrezugehörigkeit geklärt werden müsste ...
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Mammut
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Re: [Lesezirkel] Fernes Licht - Kurzgeschichten

Ungelesener Beitrag von Mammut »

Ja, das mit dem Außerirdischen. Da war die Erwartungshaltung von mir wohl schuld. Steht da nicht, das stimmt.
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L.N. Muhr
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Re: [Lesezirkel] Fernes Licht - Kurzgeschichten

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Interessanterweise wurde die Geschichte sowohl in SF- wie Fantasy- und Horror-Anthologien verwertet. Bei Heyne u.a. in "Traumreich der Magie", eine Antho, auf die ich nur durch diese Suche gestoßen bin und die trotz Titel und Cover sehr ansprechend klingt:

http://www.isfdb.org/cgi-bin/pl.cgi?423372

Bei Goldmann hiess die Geschichte "Der lebende Lumpen", was ich eigentlich den schöneren Titel finde. Auch "Der Fetzen" hätte hier besser gepasst. So klingt der Titel nach einem gewissen Film, ihr wisst schon.

Eine hübsche Interpretation habe ich hier gefunden:
In this environment the rag thing becomes pitiable, a semblance of life in a lifeless place.
https://tentoinfinity.com/2013/02/20/th ... -wollheim/
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Knochenmann
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Re: [Lesezirkel] Fernes Licht - Kurzgeschichten

Ungelesener Beitrag von Knochenmann »

Ralf Wambach hat geschrieben: 26. Januar 2021 14:57 Hallo allerseits,

ich bin neu hier im Forum und weiß von daher nicht, was alles schon wie ausführlich diskutiert wurde, z. B. die Definition von Science-Fiction.
Hallo auch, kurz gesagt: wir reden hier über die Kurzgeschichten in "Fernes Licht", der Reihe nach und mit der Geschwindigkeit von ca einer Story pro Woche. Drei haben wir schon, jedlicher Input ist willkommen.

Was jetzt das ding angeht und dessen Ursprung:

Egaler könnte der nicht sein, weil ja der Fetzen am Ende im Feuer verbrennt, und kein Mensch weiß das es den überhaupt gegeben hat. Abgesehen von dem Erzähler natürlich, für den Rest der Welt jedoch sind das einfach nur zwei egale Todesfälle.

Das "Happy End" ist noch seltsam: Haus brennt ab, Versicherung wird bezahlt, alle sind glücklich. Bzw: die Haushälterin.
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Re: [Lesezirkel] Fernes Licht - Kurzgeschichten

Ungelesener Beitrag von Knochenmann »

So,

"Weitersegeln, Weitersegeln!"von Phillip Jose Farmer (1952)

Oh, die hat mir gefallen! Und ich konnte mein bein Lesen wieder daran erinnern.

Worums geht: Die drei Schiffe von Columbus sind auf dem Weg nach Indien, an Bord: ein Möch, ein Baconianser der Funksprüche mit dem Kloster auf Las Palmas austauscht. Hauptteil: der Mönch unterhällt sich mit zwei Offizieren über theologische technologische Entwicklung, über Parralelwelten wo Dinge velleicht anders gelaufen wären, wo die Kirche nicht die Wissenschaft integriert hätte, und wo vielleicht sogar Naturgesetze anders sind, wo vielleicht Dinge gleich schnell zu Boden fallen.

Es gibt dann auch noch einen schönen Twist am Ende.

Die Geschichte ist sehr viel weniger schlecht gealtert als die davor, ich hab hab sogar den einen oder anderen Ted Chiang Vibe verpürt.

Kleines Highligt: der Märtyrer, der verstorben ist weil er ein unisoliertes Kabel angegriffen hat. Musste sponan an meine Lehrzeit denken, wo man für solchen Scheiß 10 mal die fünf Sicherheitsrichtlinien für das arbeiten an elektischen Anlagen aufschreiben musste (naürlich nicht wenn man tot war). Aber wie wohl die Sicherheitsrichtlinien in neuzeitlichen Kirchenlatein geklungen hätten?
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Re: [Lesezirkel] Fernes Licht - Kurzgeschichten

Ungelesener Beitrag von Teddy »

Erstaunlich, ich musste auch an Ted Chiang denken. Allerdings, was hätte das für eine interessante Story werden können, hätte Ted Chiang sie geschrieben. Die Figur des Mönchs hat mir gut gefallen und die Idee einer Parallelwelt, in der die Kirche die Wissenschaft integriert hat ist auch gut. Aber wenn man eine Welt mit anderen Naturgesetzen entwirft, sollten sich diese anderen Naturgesetze auch bemerkbar machen. Stattdessen ist alles wie immer, bis auf die recht dämliche Pointe.
Kann man lesen, hätte man aber auch was viel Besseres draus machen können.
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