So, da ist mein Endspurt und Fazit – ich hoffe auf eine lebhafte Diskussion

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Marcus Hammerschmitt “Harmagedon”
Warum muss der arme Mann ausgerechnet wie der bekannte, jetisuchende Waldschrat aus Tirol heißen? Klar, gibt einen prima Titel für die Geschichte, hmhmhmm ...

Aber der erste Satz der ist SO trotzdem nicht komplett. Egal. Dieses Feuerwerk an skurrilen Ideen hat mir einen Riesenspaß gemacht – ich litt mit dem sympathischen Protagonisten von Beginn an richtig mit, trotz der waldschratigen Gestalt, als die er - durch die Namensgleichheit - vor meinem inneren Auge herumgeisterte. Sein Entsetzen über die am ganzen Körper, inklusive Petermann, Cha-Cha-Cha-tanzenden Tätowierungen konnte ich gut nachempfinden, ebenso die Tränen über diesen erschütternden Befund. Apropos Petermann: Die Szene mit dem Kopulationsversuch des Mastodons hat mich sehr nachdenklich gemacht. Selbst wenn nicht auszuschließen ist, dass es auch unter den Proboscideae Liebhaber ausladender weiblicher Formen gegeben haben mag, zweifele ich doch, dass ein von der Größe her nicht einmal ganz an den indischen Elefanten heranreichender Mastodonbulle einer Dummymastodonfrau von den Ausmaßen eines Panzerwagens schöne Augen gemacht hätte. Aber gut, sie sind ausgestorben, wer weiß schon genau, warum. In diesem Fall hatte ich jedenfalls vollstes Verständnis für Messners in einem Akt der Selbstverteidigung getroffene Entscheidung, die Angelegenheit Messner – Mastodon zu Ungunsten des Mastodons enden zu lassen.
Auf eine harte Probe stellte Messner aber meine Sympathie, als er rambomäßig in den erstarrten See ballert. Gut, er hat sich dann wenigstens entschuldigt und quasi posthum gute Kinderstube bewiesen.
Das sind jedoch nur Kleinigkeiten, die mein Vergnügen an dieser Story kein bisschen eintrübten. Ich wüsste ja zu gern, was aus Kopenhagen geworden ist. Wie wäre es mit einer Fortsetzung in den Visionen 2005?
Mein Fazit zu den Visionen 2004
Es hat Spaß gemacht, das Buch zu lesen. Und es hat Spaß gemacht, ganz besonders genau hinzugucken - ich habe viel gelernt, wenn auch zuweilen auf eine Art, die ich mir SO vorher nicht gedacht hätte. Das für mich erstaunlichste Ergebnis: in jeder Geschichte der Visionen steckt zwar zumindest das Potential für eine wirklich gute Story – aber nicht in jedem Fall wurde es auch wirklich ausgeschöpft. Manche rein handwerkliche Schnitzer – z.B. Logikfehler, rechercheloses Technogebabbel und das Bemühen ausgeleierter Klischees (nicht etwa damit zu spielen und sie dann irgendwann zu brechen ...) hätte ich in dem Buch vorher nicht vermutet.
Es gibt rühmenswerte Ausnahmen, aber für ein Buch, das maßstabsetzend für die deutsche SF-Kurzgeschichtenlandschaft sein soll, _mir_ deutlich zu wenig. Von „Weltklasse“ (gemessen am Standard Lem, Sheckley, Dahl ...) sind die meisten Stories (noch) ziemlich weit entfernt – und wenn ich die Visionen mit ein paar anderen diesjährigen deutschsprachigen Anthologien vergleiche, sind sie so herausragend aus deren Masse nicht. Ein paar ‚Laien’anthologien müssen sich jedenfalls absolut nicht vor den Visionen 2004 verstecken. Auf den vor der Lektüre für das Buch freigeräumten Platz zwischen meine Lems und Sheckleys haben es die Visionen dieses Jahr jedenfalls noch nicht geschafft.

Aber man musste natürlich Raum für Steigerungen lassen (... obwohl der ruhig etwas kleiner hätte ausfallen dürfen.)
Ich bin jedenfalls sehr gespannt auf die Visionen 2005 - und wenn ich hier ankündige, dass ich auch diese SEHR sorgfältig lesen werde, hat das ja vielleicht sogar ein bisschen Wirkung auf die künftige Qualität ...
Achja, mein Siegertreppchen: Nicht als Treppchen zu verstehen, sondern es gibt Preise in zwei Abteilungen – einmal die humoristische, einmal die ernste – also:
‚Das Mundwasser des HERRN in Goldphiole am Bande’

- Den Preis der ernsten Abteilung - teilen sich Ralph Doeges „Alter Ego“ (dessen Schluss ich unterdessen verstanden habe – und wunderbar finde, o subtile Symbolik!;))
und Karl Michael Armers „Die Asche des Paradieses“
Den Preis in der Kategorie ‚Humor mit Hintersinn’ – ‚Zahnbürste, -becher und –seide JEHOVAS mit Eichenlaub’ - teilen sich Marcus Hammerschmitts „Harmagedon“ und Uwe Hermanns „Unwiederlegbare Wahrheit ...“
O, ganz vergessen, es gibt ja noch einen - Den Preis, den niemand haben will, die rote Laterne: ‚Den letzten Röchler Zebaoths in Kunstharz’ verleihe ich Herbert W. Frankes „Nur eine Infektion“ - für einen Recherche-Totalausfall, den ich aus Herbert W. Frankes Feder für niemals möglich gehalten hätte.
LG Susanne
Verschiebe nicht auf morgen, was auch bis übermorgen Zeit hat. (Mark Twain)
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"Man gönnt sich ja sonst nichts ..." jon (Hrsg.) ISBN 3-935982-28-3