[Lesezirkel] Fernes Licht - Kurzgeschichten

[Naut]

Ich weiß nicht. Was sind Verbrennungswagen? Wagen mit Verbrennungsmotor? Wagen die Dinge verbrennen?

Schwierig.

Das ist gar nicht schwierig. Es wird auch von den nur noch wenigen Pferden gesprochen, es geht also eindeutig um Wagen mit Verbrennungsmotor. Was sollte es sonst sein? Das Wort ist natürlich etwas ungewöhnlich. Aber heute spricht in der Industrie auch seltener jemand von Benziner oder Diesel, meist wird Verbrenner verwendet in Abgrenzung zur elektrischen Variante. Und das Wort Verbrenner hat vor fünf oder zehn Jahren auch kaum einer verwendet.

Das ist tatsächlich eindeutig. Im Original heißt es:

"Combustion carriages roared and fumed in the street, terrifying the few remaining horses."
https://www.marclaidlaw.com/online-fict ... os-shadow/

Es sind also "Verbrennerkutschen", die röhren und dampfen und die wenigen noch verbliebenen Pferde erschrecken, also Autos mit irgendeinem auf Verbrennung basierendem Motor.

[Knochenmann]

Naja, schon, aber spielt die Stroy jetzt im gefühlten Jahr 1988, um 1900 oder noch früher?

[Mammut]

Naja, schon, aber spielt die Stroy jetzt im gefühlten Jahr 1988, um 1900 oder noch früher?

Die Automobilproduktion erreichte weltweit 1915 die Millionenmarke. 1919 waren es 2, 1923 4 und 1929 6. Wann die Pferde genau wie oben beschrieben eine Randerscheinung waren? Ich denke am ehesten nach dem 1. Weltkrieg.
Die Kamera des Erzählers erscheint mir dagegen modern, eher aus der Zeit der Entstehung der Geschichte als 70 Jahre vorher.
In der Parallelwelt sind die Entwicklungen halt unterschiedlich verlaufen, daher kann die Gegenwart dort ebenso 1929 wie 1977 sein. Da die Kamera Technik aber durch Bruno unserer Zeit voraus war, würde ich die Goldenen Zwanziger annehmen

[L.N. Muhr]

Meine Wette geht auf "um 1800".

200 Jahre wurde Brunos Zelle nicht genutzt, der Erzähler erinnert sich zudem, wie er vor 200 Jahren für sein Tun eingesperrt worden wäre. Es gibt eine mögliche Lesart, dass die beiden Zahlen sich addieren, der Text ist da uneindeutig. Aber mehrmals wird ein Geschichtsverlauf angedeutet, der sich relativ zu unserem radikal beschleunigt hat: Luthers Universität, Davincis Patente, Brunos 100 Bilder (!) an die Türen des Vatikan genagelt. Im Kern geht es darum, wie der Vatikan durch das Vorgehen der Reformer gezwungen wurde, schneller zu handeln, also als Gegenthese zu unserer Gegenwart, in der der Vatikan Fortschritt eher hemmte.

[Mammut]

Meine Wette geht auf "um 1800".

200 Jahre wurde Brunos Zelle nicht genutzt, der Erzähler erinnert sich zudem, wie er vor 200 Jahren für sein Tun eingesperrt worden wäre. Es gibt eine mögliche Lesart, dass die beiden Zahlen sich addieren, der Text ist da uneindeutig. Aber mehrmals wird ein Geschichtsverlauf angedeutet, der sich relativ zu unserem radikal beschleunigt hat: Luthers Universität, Davincis Patente, Brunos 100 Bilder (!) an die Türen des Vatikan genagelt. Im Kern geht es darum, wie der Vatikan durch das Vorgehen der Reformer gezwungen wurde, schneller zu handeln, also als Gegenthese zu unserer Gegenwart, in der der Vatikan Fortschritt eher hemmte.

Klingt nachvollziehbar.

[Knochenmann]

Ich finde nicht das die Geschichte den zeitlichen Rahmen besonders gut erzäht.

Gut ist wie das Foto gemacht wird und: das die ganze Geschichte so herausgerissen ist aus dem üblichen "Was wäre wenn" Gedöns. Herrlch entrückt und dabei doch erstklassige _Science_ Fiction.

[Flossensauger]

Ja, halt keine Raketen und Tentakelausserirdische. Tolle Story. Habe ich damals beim first read wohl gar nicht begriffen, worum's eigentlich geht.

[Ralf Wambach]

Nach "Schwarzschild-Radius" noch eine Geschichte, in der aus dem Leben eines Wissenschaftlers berichtet wird. Diesmal hat sie mir aber sehr gut gefallen, weil sie so klar geschrieben ist. Und sie lädt wieder ein, zu überprüfen, was denn Fiktion und was die Tatsachen sind.

[Flossensauger]

Und sie lädt wieder ein, zu überprüfen, was denn Fiktion und was die Tatsachen sind.

Was, für mich neben dem "WoW!" (früher "Sense of Wonder"), der Überraschung beim lesen, dem Drang weiterzulesen meine Faszination für Science-Fiction ausmacht. Für gelegentliche Raumschlachten wird man ja von Klaus N. Frick rechtzeitig informiert und kann sich diese zurücklegen lassen.

[Ralf Wambach]

"Für gelegentliche Raumschlachten wird man ja von Klaus N. Frick rechtzeitig informiert und kann sich diese zurücklegen lassen."

Den Satz verstehe ich nicht. Ist das etwas für Insider?

[Flossensauger]

"Für gelegentliche Raumschlachten wird man ja von Klaus N. Frick rechtzeitig informiert und kann sich diese zurücklegen lassen."

Den Satz verstehe ich nicht. Ist das etwas für Insider?

Der Chefredakteur der Perry Rhodan Serie, Peter Punk, schreibt immer kurz vor Erscheinen des aktuellen Romans einen kurzen Appetithappen. Wenn man ihn und PR-Serie lang genug kennt, weiss man darob, ob sich der eventuelle Kauf lohnt. (Ich kaufe so alle 10-20 Wochen mal einen Roman, von dem ich mir besonders viel verspreche oder der die aktuelle Handlung schön zusammenfasst. Das tue ich nicht wahllos, sondern anhand dieser Appetithappen.)

So verständlich, worauf ich hinaus wollte? Raumschlachten oder andere Aktion sind halt auch ein Aspekt meiner Science Fiction Lektüre. Ein kleiner.

Der viel zu jung verstorbene Rainer Castor war der letzte Autor, bei dem ich mich auf eine Raumschlacht freute, weil er augenscheinlich nicht Horatio Hornblower in den Weltraum verlegen wollte, wie fast alle anderen PR-Autoren vor ihm. Ian M. Banks wollte das auch nicht, aber er schrieb ja nun nicht für PR.

[Ralf Wambach]

Du liebe Zeit, hier kann ich offensichtlich noch eine Menge lernen, so tief stecke ich in der SF-Literatur dann doch nicht drin. Danke für die Hinweise!!

[Ender]

"Brunos Schatten" von Marc Laidlaw (1988)

Eine schöne Geschichte, in der trotz ihrer Kürze eine Menge drinsteckt und die vieles nur andeutet und entsprechenden Interpretationsspielraum lässt. Ellen hat es gut zusammengefasst.

Der Autor ist mir ansonsten nie (bewusst) begegnet. Seine Romane scheinen wohl auch nicht übersetzt worden zu sein. Vielleicht noch die eine oder andere Kurzgeschichte?

[Teddy]

Der Autor ist mir ansonsten nie (bewusst) begegnet. Seine Romane scheinen wohl auch nicht übersetzt worden zu sein. Vielleicht noch die eine oder andere Kurzgeschichte?

Das geht mir genauso. Von ihm wurden ein Roman und 10 Erzählungen ins Deutsche übersetzt. Davon habe ich 6 in verschiedenen Anthologien, aber keine gelesen.
Laidlaw hat auch recht oft mit anderen Autoren zusammengearbeitet, z.B. mit Rudy Rucker, Gregory Benford oder John Shirley.

http://www.isfdb.org/cgi-bin/ea.cgi?188

[Naut]

"Brunos Schatten" von Marc Laidlaw (1988)

Eine schöne Geschichte, in der trotz ihrer Kürze eine Menge drinsteckt und die vieles nur andeutet und entsprechenden Interpretationsspielraum lässt. Ellen hat es gut zusammengefasst.

Der Autor ist mir ansonsten nie (bewusst) begegnet. Seine Romane scheinen wohl auch nicht übersetzt worden zu sein. Vielleicht noch die eine oder andere Kurzgeschichte?

Es sind einige Kurzgeschichten übersetzt worden, hauptsächlich im Zusammenhang mit Gibsons damaliger "Cyberpunk"-Clique, und ein Roman, nämlich "Kalifornia", den ich vor ca. 20 Jahren zuletzt gelesen habe. Es geht um ein Baby, das schon im Mutterleib an das weltweite Mediennetz angeschlossen wird, und daraufhin nicht nur ein Reality-TV-Star wird, sondern auch vorzeitig Bewusstsein und Persönlichkeit entwickelt, und zwar die der Hindu-Gottheit Kali. Im Hintergrund steht eine USA, in der es eine Sklavenkaste von Tier-Mensch-Hybriden gibt, sehr ähnlich wie bei Cordwainer Smith oder aktuell in "Sweettooth".

Und fast vergessen: Eine meiner Lieblingskurzgeschichten, nämlich "Probability Pipelines" (Pipeline in den Surfspace) ist von ihm, zusammen mit Rudy Rucker. Für mich ist die Story eine optimale Sythese der LA-Surf- und Skate-Szene, wie man sie etwa im Film "Dogtown Boys" sieht, mit den Ideen der Cyberpunks und mit ... der Theorie N-dimensionaler Differentialgleichungssysteme und des Calculating Space. Also eine Geschichte wie geschaffen für mich.