Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Science Fiction in Buchform
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L.N. Muhr
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

******************, ****************** und **************.

Nicht verboten wurden dagegen wirklich schlimme Worte wie "zeitnah", "Markenbranding" und "Rosenkohl". Weder in gegenderter noch in ungegenderte Fassung. Wo sind die Verbotsparteien, wenn man sie mal braucht?

Ansonsten: was ich an jüngeren SF-Stories dieses jahr gelesen habe, war manchmal deprimierend und manchmal nicht, gelegentlich verblüffend prophetisch, oft stilistisch und strukturell großartig, und ich habe eigentlich keine Worte vermisst, obwohl manche vermutlich nicht vorkamen. Gut, das waren alles Best-of-Kollektionen, also Sammlungen von der Spitze, nicht aus der breiten Masse. Dennoch bleibe ich bei meiner Aussage von eingangs, dass ich keine Ermüdung des Genres feststelle.
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Pogopuschel
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von Pogopuschel »

Ich habe kürzlich einen Blogbeitrag verfasst mit dem Titel: "Gegenrede: Fantasy ist phantasievoller und vielseitiger denn je"
https://translateordie.wordpress.com/20 ... r-denn-je/

Und ich würde das auch so 1:1 für die Science Fiction übernehmen. Es gibt inzwischen so viele Autor*innen mit so unterschiedlichen und vielfältigen kulturellen und sozialen Hintergründen, die auf einem so hohen Niveau schreiben und veröffentlicht werden wie nie zuvor. Und das ist eine echte Bereicherung der SF.

Schaut euch mal das Video von Thomas Wagner mit der Anticipated Science Fiction 2024 an: https://www.youtube.com/watch?v=48T9skCb5aQ

Da sind so viele spannende Sachen dabei. Auf den deutschsprachigen Markt wird es allerdings wieder nur ein Bruchteil davon schaffen.
Meine Internetseite (mit Buchbesprechungen): http://lesenswelt.de/
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L.N. Muhr
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Apropos verbotene Worte: weiss einer, wie lange es gedauert hat, bis in der SF mal four-letter-words vorkamen? Hat Heinlein je "f*****" geschrieben, wo er doch so viel darüber schrieb? Kommen in Asimovs Geschichte vom Abflussrohr eines Raumschiffs die Worte für menschliche Ausscheidungen vor?

Und macht das diese Texte weniger zu Klassikern?

Früher durfte man N***** sagen, aber nicht f*****. Heute ist es umgekehrt. Die Leute, die jetzt über Sprachverbote schimpfen - sind das vielleicht die, die nur bestimmte Sprachverbote nicht okay finden, andere schon? (Wegen Gewohnheit oder so.)

Wir erinnern uns an den Aufschrei im deutschen Boulevard, als ein gewisser deutscher Kommissar mal herzhaft "Scheisse" fluchte. Das war Ende der Siebziger oder so. Ist demnach alles, was im deutschen TV davor kam, wegen Sprachverbieterei unguckbar? (Zumal, ganz ehrlich, nur wenige Menschen so schön "Scheisse" sagen können oder konnten wie Götz George.)
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Naut
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von Naut »

L.N. Muhr hat geschrieben: 7. Dezember 2023 13:23 Wir erinnern uns an den Aufschrei im deutschen Boulevard, als ein gewisser deutscher Kommissar mal herzhaft "Scheisse" fluchte. Das war Ende der Siebziger oder so. Ist demnach alles, was im deutschen TV davor kam, wegen Sprachverbieterei unguckbar? (Zumal, ganz ehrlich, nur wenige Menschen so schön "Scheisse" sagen können oder konnten wie Götz George.)
Mein Großvater hat deshalb sofort aufgehört, den Tatort zu schauen - Cancel-Culture schon Ende der 70er! :kopfkratz: :lol:
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L.N. Muhr
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Kanzelkultur war, wenn der Pfarrer gegen was wetterte.
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Naut
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von Naut »

L.N. Muhr hat geschrieben: 7. Dezember 2023 14:11 Kanzelkultur war, wenn der Pfarrer gegen was wetterte.
Mit dem hatte es mein Großvater nicht so, aber Kanzeln zum Predigen gab/gibt es ja noch mehr.
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von yukonkid »

L.N. Muhr hat geschrieben: 1. Dezember 2023 15:45 Zu Romanen kann ich wenig sagen, aber ich habe dieses Jahr viele Best-of-Anthologien der letzten Jahre gelesen, die mich teils wirklich umgehauen haben. Ich glaube aber, dass die Kurzgeschichte in der Tat das Rückzugsgebiet für wahre Revolutionäre ist, für Stoff, den sie andernorts nicht unterbringen können. Bloß: war sie das nicht shcon immer?

Auch die Revolutionen von damals (tm) waren letztlich vor allem Short-Story-Revolutionen, bei erfolg zu Romanen aus- und umgebaut.
Ja. Die short story ist immer noch mit so manchem Punch. Und die haben oft Kommendes vorweggenommen ("Chrom brennt" von Gibson zb beim Cyberpunk).
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von yukonkid »

Naut hat geschrieben: 1. Dezember 2023 22:50
Philip K. Dick, Robert Silverberg, J.G. Ballard, John Brunner, Michael Moorcock, Roger Zelazny, Bob Shaw, William Gibson.
Hmm, alles weiße Männer. Da fehlen ja mindestens Ursula LeGuin und Margaret Atwood.
Ich meine, klar: Ich mag die auch alle. Aber in der heutigen Phantastik gibt es eine Menge mehr an Perlen zwischen all den - zugegeben zahlreichen - Kieseln zu entdecken.
Tamsyn Muir, Nnedi Okarafor, Becky Chambers, Maja Lunde, auch Aiki Mira ... das ist schon eine andere Art von SF als es sie früher gab. Insofern entwickelt sich das Genre trotz allem Stillstandes und Rückwärtigkeit doch noch weiter.

Ab und zu einen Dick oder Brunner, oder gar einen Clarke oder Wells nachzuholen, dagegen ist aber absolut nichts einzuwenden.
danke für diesen Input. Aber zumindest gabs mit James(!) Tiptreer Jr. eine frühe anerkannte weibliche Autorin - Alice Sheldon benutzte wohl nicht grundlos männlichen Vornamen als Pseudonym. C.L. Moore sogar in den 30ern/40ern (Shambleau, Jirel of Joriy ) verfasste sie Klassiker der SF.
Ursula K. Leguin war bedeutsam für die 60er/70er Jahre ibd für lgbtq Community - Die linke Hand der Dunkelheit sozusagen Pflichtlektüre . Atwood ist auch so ein Erweclkungserlebniss bei Nicht SF Leser*innen wenn man die fragt ob sie den Report der Magd kennen.
C. J. Cherryh in den 80ern / 90ern (glaub bis in die 2000er) mit ihrer Alliance/Union Serie hier ibd. Pell's Stern oder "Cyteen" würde ich auch als Klassiker nennen.

Aktuell: Check auch mal Emma Newman (Planetfall Serie) oder Nancy Allan.
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von yukonkid »

Ich sehe die Krise seit den 90ern. Früher war nicht alles besser (was ich nicht gbehaptet habe) , eher: Das Gute ist in nder Massenware schwierig zu finden.
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von yukonkid »

Shock Wave Rider hat geschrieben: 2. Dezember 2023 08:17 Das Schwierige an diesen "Früher-war-alles-besser"-Tiraden besteht für mich darin, dass man die ausgewählten Klassiker mehrerer Jahrzehnte vergleicht mit dem Gesamtoutput der letzten zwei oder drei Jahre, wenn es hoch kommt. Dann müssen die modernen Ergüsse schon aus statistischen Gründen schlechter ausfallen.

Man vergisst so gern, wie viel Mist es auch früher gab. Weil: den kann man echt vergessen!

Gruß
Ralf

PS@Naut: Die Atwood fehlt mir da überhaupt nicht. :wink:
Ich sehe die Krise seit den 90ern. Früher war nicht alles besser (was ich nicht gbehaptet habe, provoziert hab ich ja zugegeben) , eher: Das Gute ist in nder Massenware schwierig zu finden.
Zuletzt geändert von yukonkid am 7. Dezember 2023 17:14, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von yukonkid »

Hatte ja angekündigt, das ich mal aktuelle Titel a8s letzten 10 Jahren oder so nenne mit dem ein oder anderen konzeptionellen Durchbruch . aktuell oft anglesächsisch da (noch ) nicht übersetzt oder eben für deutsche Verlage (noch) nicht rentabel

The Thing itself (Adam Roberts) - hier wird "Das Ding" von John Carpenter mit Kant und seiner Metaphysik gemischt
Airside (Christopher Priest)
Planetfall , After Atlas (Emma Newman ) , eine Reihe , aber die Titel können in beliebiger Folge gelesen werden. diese beiden ersten sind zu empfehlen
Die Anomalie (Hervé Le Tellier)
Blindflug (Peter Watts ) - Wie wäre eine Begegnung mit einem Alien- Bewusstsein ohne Self awareness?
Europe in autumn 1-3 (Dave Hutchinson)
Die Stadt und die Stadt (China Mieville)
The years of rice and salt (Kim Stanley Robinson ) , Alternate History
The Corporation wars (Ken MacLeod) , yup ein schottischer Sozialist der SF schreibt
Accelerando (Charles Stross) post- cyberpunk
The rift (Nina Allan)
altered carbon (Richard Morgan ) 1. Buch der Reihe
Market forces (Richard Morgan )
Im Krieg (Adrian Tchaikovsky)

Abschliessend möchte ich klarstellen das natürlich nicht immer eine komplette neue Idee abgehandelt werden kann (Ein Klassiker ist "Der steile Horizont" von Christoph Priest , auch schon in den 70ern).

Es ist mehr wie im Tennis wo Autor*in einen "neuen Ball" schlägt eine andere Autor'in den Return aber mit einem neuen Effet setzt. Oft Geistloses hin und herspielen hat in Wimbeldon noch keinen interessiert.

Wichtig ist halt das man nicht nur Eskapismus sucht (ist aber auch nicht ganz unwichtig), sondern SF sollte eigentlich mehr sein. Probleme haben wir ja genug und diese aufnehmen und mögliche Entwicklung aufzuzeigen und in neuen Kontext stellen muss der Anspruch sein.

Erwartungen an SF bei Nicht-SF Lesern sind oft von Sehgewohnheiten in entsprechenden Serien geprägt. Das schadet mM eher als es nützt. Es geht eben nicht immer um Galaxisweite Konflikte mit viel Technozauber.
Erweckungserlebnisse wie meine Nachfragen : Kennst du 1984 oder Schöne neue Welt? "Ja. DAS ist SF??" inklusive
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von Badabumm »

Das Wort „Neger“ ist nicht verboten, oder? Oder ist es doch? Verbote müssen nicht in Gesetzesform gegossen sein.
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von Knochenmann »

Badabumm hat geschrieben: 7. Dezember 2023 18:02 Das Wort „Neger“ ist nicht verboten, oder? Oder ist es doch? Verbote müssen nicht in Gesetzesform gegossen sein.
das vokakuar das ich dafü habe ist:"mushi"
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von Uschi Zietsch »

Knochenmann hat geschrieben: 7. Dezember 2023 18:14 das vokakuar das ich dafü habe ist:"mushi"
Mach ich bereits und das ist gut so.
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von Doop »

Badabumm hat geschrieben: 7. Dezember 2023 18:02 Das Wort „Neger“ ist nicht verboten, oder? Oder ist es doch? Verbote müssen nicht in Gesetzesform gegossen sein.
Ich bin 53 Jahre alt und auch in meiner Jugendzeit wusste ich bereits, dass es ein Gebot der Höflichkeit und der Bildung ist, von Schwarzen oder damals (in Ostdeutschland) auch von Farbigen zu sprechen. Kinderstube und Höflichkeit und so.

Man hockt sich auch nicht zum Kacken an einen Straßenbaum in der Innenstadt (durchaus schon beobachtet). Egal, ob es verboten ist oder nicht.

Nochmals: Kinderstube und so.
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