Lucy Kissick – Plutoshine (2022) / dt. Projekt Plutoshine (2023)

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head_in_the_clouds
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Lucy Kissick – Plutoshine (2022) / dt. Projekt Plutoshine (2023)

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SPOILERARM

Hard SF Erstlingswerk, das 2022 Finalist für den Arthur C. Clarke Award war. Es nimmt sich der entferntesten Welt im Sonnensystem an und verwendet die von der Sonde New Horizons explorierten Daten als Grundlage für einen spannenden Roman über Terraforming und dessen Auswirkungen.

Inhalt

Die Menschheit hat sich über Jahrhunderte nach unserer Zeit ins gesamte Sonnensystem ausgebreitet. Terraforming – die Veränderung ganzer Planeten, um sie erdähnlicher zu machen – wird von allen Kolonien betrieben. Die Technologie ist dennoch risikoreich, da sowohl Erfolge (Merkur, Titan) als auch Rückschläge zu verzeichnen sind (technisches Versagen des Sonnenspiegels auf dem Mars mit vielen Todesopfern oder stoppen der Projekte auf dem Jupitermond Europa oder dem Saturnmond Enceladus da dort natives mikrobielles Leben gefunden wurde).

Projekt Plutoshine ist das bisher ambitionierteste Terraforming-Vorhaben: sechs Milliarden Kilometer von der Sonne entfernt (was 40 mal der Entfernung Erde-Sonne entspricht) , mit einer durchschnittlichen Oberflächentemperatur von -240° C, braucht Pluto vor allem Licht und Wärme. Ein eintreffendes Expertenteam („Sonnenbringer“ genannt) um den Ingenieur Lucian soll beides durch einen gewaltigen Spiegel im Orbit auf die Oberfläche bringen. Dazu werden auch geeignete Asteroiden mit sehr hohem Wassereisanteil in der Nähe verwendet (hier greift Kissick auf reale Objekten aus dem Kuipergürtel zurück). Die durch den kontrollierten Absturz entstehenden Eiskristalle sollen dabei eine atmosphärische Verdichtung erzeugen, um so die durch den Spiegel erzeugte Wärme über einen Treibhauseffekt zu erhalten. Auf lange Sicht soll so der den Gesteinskern umgebende Wassereismantel zu einem Ozean als effektive Wärmesenke geschmolzen werden. Das geschieht in zwei Etappen: Zuerst soll das atmosphärisch ausgefrorene Oberflächeneis aus N / CH4 / CO entweichen, dann die Meeresbildung durch den darunterliegenden Eismantel aus Wasser starten.

Pluto selber wurde etwa zwanzig Jahre zuvor von einer Gruppe Siedler kolonisiert ,deren Basis („Stern“ genannt) am nördlichen Rand des „Heart“ liegt - der markantesten geologischen Oberflächenformation auf der Südhalbkugel. Ihr Anführer Clavius Harbour hat Legendenstatus im Solarsystem für diese ambitionierte Tat und nutzt seinen Einfluss auf die Akzeptanz des Projekts. Das von den Siedlern sehnlichst erwartete Projekt Plutoshine sollen diese auf der Oberfläche unterstützen während sich das Team um den Spiegel und die Asteroiden kümmert.

Aber es existiert ein dunkles Geheimnis welches Clavius, seinen zwanzigjährigen Sohn Edmund und seine jüngere Tochter , die neunjährige Nou verbindet. Wir begegnen ihnen ganz zu Anfang bei einem folgenschweren, nicht näher geschilderten Ereignis bei dem Clavius schwer verletzt in ein Koma gefallen ist. Nou hat dort ein Trauma davongetragen und das Sprechen eingestellt , ihr Bruder ist seitdem abweisend zu ihr.

So lernt sie einige Monate später der eintreffende Ingenieur Lucian kennen , der sie in empathischer Weise durch Taubstummen-Zeichensprache langsam wieder zum kommunizieren bringt - und damit mehr über die mysteriösen Ereignisse erfährt -aber auch eine Art „Vaterersatz“ wird.

Doch jemand sabotiert das Terraforming-Projekt. Lucian will herausfinden, wer hinter den Anschlägen steckt. Und Nou scheint der Schlüssel zu den sich entfaltenden Ereignissen zu sein...

Kritik

Lucy Kissick legt mit ihrem Debüt einen Hard SF Roman vor, der die neuen, detaillierten Erkenntnisse über Pluto durch die 2015/2016 vorbeifliegende Sonde New Horizons verwendet um ein Terraforming Szenario für den Planeten zu schildern (die vom Hubble Teleskop seit 1994 zur Verfügung stehenden Aufnahmen hatten eine nur sehr grobe Oberflächenauflösung und so kann Kissick auf gute Kenntnisse über die Oberflächenformationen als auch der atmosphärischen Zusammensetzung zurückgreifen). Dies ist Hard SF aber durch den Erzählbogen um die Harbour Familie mit der Hauptperson Nou schafft sie einen glaubhaften Charakter , der sich sowohl in den Rückblenden (die Kissick über den ganzen Roman in Einschüben erzählt und so das Geheimnis um die Harbour-Familie Schritt für Schritt aufdeckt) als auch in der etwa dreijährigen Zeitspanne der aktuellen Ereignisse zunehmend entwickelt, und so nebenbei eine kleine Coming-of-age Geschichte innerhalb der Erzählung schafft.

Die erste Romanhälfte schreitet so eher gemächlich dahin und nimmt erst in der zweiten Hälfte mit Sabotageversuchen des Projekts Fahrt auf. Immer mehr unterlegt Kissick dabei die Geschichte mit einem Sense-of- wonder , dessen zentrales Element das Projekt in seinem Kern berühren wird.

Die etwa 400 Seiten lange Erzählung funktioniert für einen Young Adult Read und kann deshalb auch für diese Leserschaft empfohlen werden, da Kissick die technischen Aspekte mit einfachen Worten erklärt und den Handlungszeitraum mit drei Jahren überschaubar hält. Einen Terraforming-Fortgeschrittenenkurs wie Kim Stanley Robinson’s „Mars“ Trilogie darf man deshalb nicht erwarten.

Die Erzählung stellt aber die ethische Frage , inwieweit eine Erweiterung des menschlichen Lebensraums auf Kosten der Zerstörung ausserirdischen (indigenen) Lebens vorgenommen werden darf – und verweist somit auch auf erdgebundene Konflikte unserer Zeit.

Bewertung 7/10 (ISFDB Skala)


Gelesen wurde das Original: Plutoshine (2022) : https://www.isfdb.org/cgi-bin/title.cgi?2989757

Deutsche Übersetzung: Projekt Pluto (2023)

Lucy Kissick in der ISFDB: https://www.isfdb.org/cgi-bin/ea.cgi?340542

weiterführender Link:
New Horizons und Exploration des Pluto: https://de.wikipedia.org/wiki/New_Horizons