Kategorie 7: Ein Buch, das im Original nicht auf deutsch oder englisch veröffentlicht wurde.
"
Anomalie" (Hervé Le Tellier)
(Original: L’anomalie, erschienen 2020 in Frankreich)
Im März 2021 gerät ein Linienflug von Paris nach New York in ein schweres Unwetter. Das Flugzeug wird beschädigt, doch die Insassen kommen mit dem Schrecken davon und landen sicher in New York. Einige Monate später landet dasselbe Flugzeug noch einmal – mit denselben Passagieren, denselben Crewmitgliedern und allem Drum und Dran. Die beiden Maschinen unterscheiden sich in nichts – weder in ihrer Seriennummer noch in den Beschädigungen am Flugzeug oder den Erinnerungen der Menschen an Bord.
Das ist die Prämisse von Hervé Le Telliers Roman "Anomalie". Einem Werk, das sich formal und inhaltlich zwischen Literatur, Philosophie und Science-Fiction bewegt. Der Roman beschäftigt sich mit einem Phänomen, das scheinbar außerhalb aller bekannten physikalischen und logischen Gesetze steht, und entfaltet daraus eine Erzählung, die zugleich gesellschaftlich, psychologisch und existenziell ist.
Das zweite Flugzeug wird schließlich vom US-Militär auf einen Luftwaffenstützpunkt nahe New York geleitet und unter strenge Quarantäne gestellt. Die Passagiere, die nichtsahnend sind, dass sie zuvor bereits schon einmal gelandet sind, finden sich plötzlich in einem Ausnahmezustand wieder. Es folgen Verhöre, Untersuchungen und medizinische Tests. Bald ist klar: Diese Menschen sind perfekte Doppelgänger. Nur die anderen leben bereits weiter – außerhalb, mit denselben Erinnerungen und Erfahrungen - bis zu jenem Flug. Mit zunehmender Komplexität der Situation rücken auch andere Perspektiven ins Zentrum: Psychologen, Mathematiker, Theologen und Militärs sind bemüht, das Phänomen einzuordnen. Politiker und Behörden sind ratlos, bemühen sich aber, die Kontrolle zu bewahren, und bereiten sich auf das Unvermeidliche vor. Die Gegenüberstellung der jeweiligen Doppelgänger.
Le Tellier schildert dieses Ereignis nicht als Thriller oder Katastrophenroman, sondern als vielschichtiges menschliches Drama. Im Zentrum stehen Einzelschicksale: ein Linienpilot, der seinem eigenen Tod gegenübersteht. Ein depressiver Schriftsteller, der ein mysteriöses Buch schreibt. Ein Kind, das plötzlich zwei Mütter hat. Ein Auftragsmörder, der sich selbst begegnet. Ein Architekt, der seiner Beziehung hinterhertrauert. Und andere mehr. Die Figuren reagieren so unterschiedlich wie Menschen eben sind: mit Ablehnung, Verwirrung, Angst, Trotz oder stillem Staunen. Ihre Geschichten sind durchzogen von Verlust, Erinnerung, Wut und Sehnsucht, jedoch nie überzeichnet. Vieles geschieht leise und unaufgeregt mit einem präzisen Blick für das Allzumenschliche im Angesicht des Unfassbaren.
Besonders spannend ist, wie das Buch mit Erwartungen spielt. Es beginnt mit einem gesellschaftlichen Spiegel, entwickelt sich rasch zu einem Mysterium und schließlich zu einer Frage, die über das Erklärbare hinausgeht. Als Leser fragte ich mich oft, wie Le Tellier diese Geschichte je zu einem sinnvollen Ende bringen könnte. Ich habe viele Hypothesen aufgestellt: über Simulationen, über Realitätsebenen, über Konstruktionen, über quantenphysikalische Phänomene. Und doch hat mich das Ende überrascht. Nicht durch eine große Wendung, sondern durch seine Konsequenz: ruhig, dramatisch und wirkungsvoll.
Tipp: Unbedingt lesen!

Ein im Original deutschsprachiges Buch, das im Jahr 2024 erschienen ist. (Die Spähre; Tom van Allen)

Ein Roman, dessen Erstveröffentlichung vor dem eigenen Geburtsjahr lag. (Die Sirenen des Titan; Kurt Vonnegut)

Ein Buch, das den Nebula Award gewonnen hat. (2312; Kim Stanley Robinson)

Ein Buch eines Autors/einer Autorin, in dessen/deren Nachname ein "L" vorkommt. (Gateway; Frederik Pohl)

Ein Roman, dessen Handlung (zumindest teilweise) auf einem Raumschiff spielt. (Blindflug; Peter Watts)

Ein Buch, in dessen Titel entweder das Wort "und" oder das Wort "oder" vorkommt. (Oder beide)

Ein Buch, das im Original nicht auf deutsch oder englisch veröffentlicht wurde. (Anomalie; Hervé Le Tellier)
