Gene-Wolfe-Lesezirkel Teil 2: Die Klaue des Schlichters

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Lichtspruch-an-TRAV
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Ungelesener Beitrag von Lichtspruch-an-TRAV »

Hallo Leute!
Nachdem hier alle schon über Zeitnot geklagt haben, will auch ich sagen, dass ich am 1. 9. meine Selbständigkeit für ein Jahr für eine "Hintersassentätigkeit" aufgegeben habe. "Natürlich" habe ich dadurch mehr Zeit zum lesen, aber da ich in der Woche zweimal durchs halbe Bundesgebiet kreuze, komme ich in Zukunft wohl erst immer am Samstag abend oder Sonntag zum Posten.
Kein Problem Ness' - warum solltest Du "pünktlicher" als der Rest sein? :D

II 16: Jonas/Jonas
Ein stilles, ereignisarmes Kapitel – aber in einem Gefängnis geht es ja still und ereignisarm zu, oder?
Na ja, eigentlich war schon einiges los! Und es wird noch spannender...

Kurzer Rapport:

- Nach dem Feuerüberfall greift Severian nach der Klaue. Die Schmerzen verschwinden. Er geht zu Jonas, der im Delirium - offensichtlich - noch einmal seine Schiffshavarie durchlebt.

- Die Klaue versagt bei Jonas zunächst ihren Dienst. Dagegen scheint sie bei seinen organischen Teilen zu funktionieren. Severian entdeckt, dass sein Freund zu einem großen Teil aus Metall besteht...

- Beim Umhergehen findet er einen kostbaren Damenschal. Ein kleines Mächen macht ihn darauf aufmerksam, dass er den "Peitschen" gehört. Severian holen spontan Theklas Erinnerungen ein: auch sie hat sich an den "Vergnügungen" des Hofadels beteiligt.

- Jonas teilt Severian mit, was dieser - dank Thekla - schon weiß: das Verlies wird "Vorzimmer" genannt.

- Er erzählt von seinen historischen Studien auf dem Schiff. Offensichtlich erinnert ihn die Umgebung, in der er sich befindet an ein "finsteres" Mittelalter...

- Das Essen wird ausgeteilt. Augenscheinlich einer alten Tradition folgend, in der das "Vorzimmer" noch seiner ursprünglichen Bestimmung diente (also noch kein "Generationen - Gefängnis" war) werden Kaffee und Kuchen (!) gereicht.

Was will uns G.W. hier wohl sagen? Möglicherweise, dass alte Rituale manchmal die absurdesten Wurzeln haben...

- Ein neuer Gefangener wird hineingeworfen. Es ist Hethor.

- Jonas erklärt, dass seine Ersatzteile biologischer (!) und nicht mechanischer Natur sind.

- Severian liest Jonas aus dem "braunen Buch" vor.

Grüße,

Gerd
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g. b. corner
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Ungelesener Beitrag von g. b. corner »

hallo kollegen!

kapitel 16, Jonas:
“it seemed I had no control of the hand”: die Claw als heimlicher Herr von Severian? Ich glaube, da legt GW nur eine falsche Fährte.
erinnert wieder einmal an Frodo und den ring, das ist sicher absicht.
Einziges Problem: Jonas' Schiff scheint abgestürzt zu sein. Oder war es nur ein Beiboot?
davon gehe ich fix aus. für sonnensegler gibt es keinen grund, abzustürzen, weil sie rein technisch gar nicht in die nähe von planeten kommen sollten, und wenn, dann würde wohl niemand den absturz überleben (vorher verglühen sie).

- Severian schreibt nichts darüber, wie ihn die entdeckung, dass Jonas ziemlich metallsich ist, betrifft; er schildert eigentlich nur den vorgang der entdeckung an sich. hat er es schon vermutet? seine heilungskräfte scheinen jedenfalls hier zu versagen bzw. wirken nur auf Jonas "lebendigen" teil, die organischen komponenten. wenn wir es bei diesen heilungen und erweckungen mit einem religiösen (im unterschied zum medizinischen) wunder zu tun haben, was soll uns das sagen? Jonas' ausdrucksweise, sein aufflackerndes gedächtnis, seine gefühle und emotionen lassen ihn jedenfalls als sehr menschlich erscheinen; keine spur von maschinenverstand hier.
„navigator“: von Jonas´/Hethors Schiff?
das mädchen scheint nicht besonders alt zu sein; sie ist hier geboren und kann das erwähnte begräbnis also nur aus geschichten kennen. Borski vermutet hinter dem "navigator" ja J.F.Kennedy, der zur zeit der veröffentlichung noch eine ikone in den staaten war - insofern könnte es wirklich sein, dass sich seine figur "verselbständigt" hat und in geschichten die jahrmillionen (?) überdauert. vielleicht wird Lady Di auch einmal zur figur von geschichten?
„drop ceiling“: your turn, Georg.
ist schlicht eine abgehängte decke, wie man sie in den meisten modernen öffentlichen gebäuden findet. auch die konstruktion (metallgestänge mit rechteckigen, eingehängten paneels) ist die selbe wie heute; neugierige gemüter haben keine probleme, einen blick hinter die fassade zu werfen ;-) - die bemalte decke darunter dürfte wohl auf ein ehemaliges kinderzimmer hindeuten?

- “So many chiliads have elapsed here” sagt (meiner meinung nach) wenig darüber, wie viel zeit wirklich vergangen ist, außer dass es "sehr viel" ist ...

- Carroll-zitate weiß ich jetzt nicht; beim spiegelbauenden, kleine-mädchen-liebenden Father Inire haben wir aber vergessen anzumerken, dass da wohl eine karikatur Carrolls mitschwingt.
“an attendant in a miter of starched white gauze”: Kennen wir ihn? Odilo?
gute vermutung, obwohl man annehmen würde, dass sich um die "gefangenen" eher untergeordnetes personal bemüht.

- wie die gefangenen mit leckereien, kaffee und zuckerbäckerei "verwöhnt" werden, ist eine schön groteske szene und bitter satirisch zugleich (könnte so auch in den "sterntagebüchern" stehen). Jonas bemerkungen von davor ("hereditary rulers", "ingrained" ...) deuten darauf hin, dass er die lage erkannt hat, und dienen wohl auch dazu, die ganze szene ein bisschen als fabel oder allegorie einzurahmen. (wenn wir, wie Gerd, fragen wollen, was Wolfe uns hier sagen will und seine katholischen neigungen bedenken, könnte man das Antechamber ja als bild für das fegefeuer auffassen - als gleichnis für die zivilisation taugt's auf jeden fall)
“but as she spoke she jerked her head toward the soldiers”: Was soll das? Steht Nicarete in Bund mit den Soldaten?
ich würde meinen, ihre rolle als "freiwillige" gibt ihr ein paar privilegien bzw. bevorzugte behandlung? oder zumindest hat ihr wort mehr gewicht bei den wächtern.

- auch unter stress lässt Hethor nicht vom stabreim: "dust-choked and doubly deserted ..."
“like one of the Chatelaine Lelia's hairless rats, rats that ran in circles and bit their own tails when one clapped one's hands”: interessante Variante zur Skinner box. Übrigens auch ein weiterer Hinweis darauf, dass Ratten und Mäuse vielleicht intelligenter sind als ihre Vettern zu unserer Zeit. Vgl. schon I 3 und I 6.
auch ein hübscher hinweis an den leser, dass von jetzt ab nicht mehr immer explizit angeschrieben wird, ob es sich um Severians oder Theclas erinnerungen handelt.

- "You're patched with metal," I said. "Not just your hand. I've known that for some time, friend monster Jonas."
seit einer halben stunde oder doch schon länger ??? jedebfalls erklärt Jonas, wie es zum "absturz" kam (eher eine notlandung, ohne landebahn), und dass er eigentlich aus metall ist und die biologischen teile nur "angeflickt". (wieder einmal eine der umdrehungen von standard-sujets der phantastik, die sich in dem buch finden)

Jonas erinnert sich an Jolenta und sagt:
"I have never loved before, never in all the time since our crew scattered."
heißt das, dass er erst seither (also seit seiner ausstattung mit biologischen teilen) überhaupt fähig ist, liebe zu empfinden? ich verstehe den satz zumindest so.

grüsse,
georg
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Hmpf
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Ungelesener Beitrag von Hmpf »

Darf ich hier mal kurz topicfremd (halbwegs) reinposten? Sorry... Ich würde gerne mitmachen, hab aber im Moment nicht die Zeit. Immerhin hat meine Frage aber mit dem BotNS zu tun:

Ich meine mich zu erinnern, daß hier irgendwann (ich gucke gelegentlich mal rein) von einer möglichen Neuauflage geredet wurde, u.U. in Verbindung mit einer - m.E. sehr nötigen - Neuübersetzung. Gibt's da irgendwelche Neuigkeiten? Und falls nicht, meint Ihr, es wäre eine gute Idee, mal den Verlag, der da im Gespräch war (Piper?) anzuschreiben und sein Interesse auszudrücken? Ich habe bereits vor zwei Jahren mal die alte Übersetzung antiquarisch erstanden und zu Weihnachten verschenkt und leider erst hinterher gemerkt, daß diese doch an vielen Stellen den Text grob verfälscht. Würde daher gerne nochmal eine neue Version verschenken.
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g. b. corner
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Ungelesener Beitrag von g. b. corner »

hi, hmpf! zu einer neuübersetzung weiß ich nix, wollte dir nur sagen, dass du mit dieser peinlichkait nicht allein bist ... hab's auch antiquarisch zwecks verschenken erstanden und erst seither gemerkt, was das für schrott ist :cry:

georg
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Nessuno
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Ungelesener Beitrag von Nessuno »

Ahoj, Kameraden!

II 17: The Tale of the Student and His Son / Die Geschichte vom Studenten und seinem Sohn

Neben dem Thecla-Kapitel der bisherige Höhepunkt des 2. Buches. Der fünfteilige Aufbau erinnert natürlich nicht zufällig an eine fünfaktige klassische Tragödie.

“a city of pale towers”: wie Jonas im nächsten Kapitel verrät, ist hier das antike Athen gemeint. Zum großen Teil steht hinter der Geschichte natürlich der Mythos um den athenischen Nationalheros Theseus, um Minos, Minotaurus, Ariadne, Phaidra usw.

„the wise“: Schutzherrin Athens ist Athena, die Göttin der Weisheit. In GWs Soldier-Saga nennt Latro die Stadt „Thought“.

„hood of myriad colours“: erinnert mich an Eulenspiegels Narrenkappe.

„even I who know nothing“: wohl nicht zufällig wird hier das Motto des athenischen Philosophen Sokrates zitiert.

“leaves like the gold manufactured by their owners”: Gibt es abgesehen von dem joke mit Blattgold hier noch eine Anspielung? Eigentlich waren die Athener eher für ihre Silberproduktion bekannt. Da es zweimal vorkommt, scheint GW etwas rüberbringen zu wollen.

ossifrage: „the „bone breaker” bird of prey .. either the Lammergeyer or Geir Eagle or the Osprey or fish-hawk” (LU). Knochenbrecher deswegen, weil er seine Beute aus großer Höhe fallen lässt.

lammergeir: “also known as the bearded vulture, it is the largest European bird of prey, and inhabits lofty mountains in South Europa, Asia, and Nord Africa” (LU). Interessanterweise wie der ossifrage also nicht in Südamerika beheimatet. Die Geschichte spielt ja auch in Griechenland, nicht wahr?`Nach Nachprüfen der meisten Belege für Tiere bin ich mir nun ziemlich sicher, dass GW bewusst die von ihm erwähnten Tiere nach ihrem Herkunftsort ausgewählt hat, die Tiere des Commonwealth also ursprünglich in Südamerika beheimat waren. Vgl. unsere Diskussion oben zu II 9.

„flesh for yourself a creation of dream“: Steht das in irgendeiner Beziehung zu den aquastors?

„where the sun rolls along the edges of the world like a trumpery gilded ball“: Es gibt eine Kurzgeschichte aus dem TBotNS-Zyklus mit dem Titel: “The Old Woman Whose Rolling Pin is the Sun”. Außerdem vielleicht Anspielung auf das altgriechische Scheibenmodell der Erde.

„and the fires that flow between the stars and Urth kindle the sky“: Was ist damit gemeint? Das Licht?

“hatred … fell on the magicians / the curse ruled the spring”: doch wohl (auch), weil der student nicht das einzige Gesetz der Stadt einhielt. Im griechischen Mythos mussten die militärisch unterlegenen Athener dem kretischen König Minos sieben Mädchen und Jünglinge opfern, die an dem Minotaurus verfüttert wurden.

Corn maidens: hübsches Wortspiel. Jungfrau heißt im Griechischen Kore, was wiederum ein anderer Name für Persephone ist, die entweder selbst Fruchtbarkeitsgöttin (und Todesgöttin) ist bzw. als Tochter der Korngöttin Demeter gilt.

moth: die Motte und der Schmetterling gelten als Symbol für Unbeständigkeit und Tod. Zusammen mit „undaunted candle flame“ ist das natürlich auch ziemlich ironisch.

alfange: „the Spanish form of the Persian word khanjar, a knife or dagger“ (LU bzw. Stone, Glossary). Wird im selben Kapitel nochmals erwähnt.

trompe l´oeil: a technique of depicting objects so realistacally that the viewer is tricked into believing that they really exist in three dimensions, or a trick painting in this style …” (LU).

“His name no man knows”: Bei dem Ungeheuer haben wir es ziemlich sicher mit einem megatherian zu tun (ich bin besessen von ihnen, ich weiß). Einem bereits bekannten? Das LU scheint an Erebus zu denken, doch ist dieser nach Wolfe sowohl der Gatte der Nacht als auch „Stiefvater“ der Noctua, was die Identität von Erebus und Naviscaput ausschließt. Ob er zum Schluss tatsächlich vernichtet wird, ist fraglich. Wenn ich mich nicht irre, taucht er in Citadel wieder auf. Da der Name des Ungeheuers anscheinend nicht naviscaput („Schiffs-Kopf“) ist, lautete er vielleicht wie des kretischen Königs im Mythos „Minos“ (dieser hatte übrigens eine Beziehung zu einer Scylla – der Name eines anderen megatherion!).

„Land of Virgins”: Virginia. Ein solches dampfgetriebenes Boot spielte im amerikanischen Bürgerkrieg eine wichtige Rolle. Vgl. LU.

calotte: „a skullcap .. or a caplike architectural construction, especially the interior of a small cupola or a cupshaped vault” (LU).

“Noctua, the daughter of the Night”: Nach Otter ist Erebus “the stepfather, if you like, of our Princess Noctua”. Das Wort ist lateinisch und bedeutet Nachteule, Käuzchen, ein Vogel, der Athene heilig ist. Da sie ihrem Feind hilft, entspricht sie Ariadne, der Tochter des Minos und der Pasiphae, im Mythos.

Night: Nach I 2 steht eine Statue am Ufer des Nessus gegenüber der Zitadelle. Nyx, die griechische Göttin der Nacht, ist bei Hesiod Tochter des Chaos. Sie zeugt mit Erebus Aither und Hemera (Tag). Zum Teil in Parthogenese gebiert sie außerdem Hypnos (Schlaf), Oneiroi (Träume), Thanatos (Tod), Philotes (Liebe), außerdem Übel wie Moros (Verhängnis), Ker (Verderben), Momos (Schande), Oizys (Jammer), Moirai, Keres, Erinyen, Nemesis, Apate (Trug), Geras (Alter) und Eris (Streit). In der Orphik erzeugt Phanes aus sich die Nacht und zeugt mit ihr Uranos und Gaia. Einen mythologischen Zusammenhang mit Noctua kenne ich nicht. Besteht ein Zusammenhang mit den Notulen?

„that the waterways of this isle turn and turn again, in such a way that they can never be charted”: Anscheinend ist das kretische Labyrinth aufs Wasser übertragen.

„white specter“: Dampf, offensichtlich.

“that she passed not before Hesperus or even Sirius; but they before her”: Hesperus ist der Abendstern, Sirius, der Hundsstern, ist der hellste Stern des (nördlichen) Sternhimmels, der entweder am Morgen oder am Abend aufgeht.

“women stem-grown like flowers overhung the ship, and in kissing them sought to smear their faces with the powder from their cheeks”: Vorschläge?

“men to whom wine had brought death long before lay by springs of wine and drank still, too stupefied to know their lives were past”: In V 46 zitiert Severian nochmals diese Passage gegenüber Eata, als dieser von Maxellindis´ Onkel erzählt.

“beasts that would be omens to future times, with twisted limbs and fur of colors never seen, waited the nearer approach of battles, earthquakes, and the murders of kings”: Shakespeare?

“the three sisters favor the bold”: eine Wolfesche Variante zu “den Tapferen hilft das Glück/Fortuna audaces iuvat?”, eventuell mit den Shakespeareschen Hexen?

Es ist schwierig zu sagen, was den Jüngling nach dem Kampf dazu veranlasst, drei Tage in seiner Kabine zu verbringen. Vielleicht weil er befürchtet, dass sein Feind entkommen ist?

gramary: Okkultes Wissen. Anscheinend etymologisch mit grammar verwandt, hübsch.

“And when he beheld their dark sails”: Theseus hatte mit seinem Vater Aigeus vereinbart, bei erfolgreicher Rückkehr weiße Segel zu setzen, was Theseus vergaß.

“For no man lives long when his dreams are dead.” Tja, zu dieser Erklärung zitierte ich mal Severian selbst aus II 9: “I´ve noticed that all the explanations in that book are simple, and seemingly childish”. Die entscheidende Frage ist natürlich: Hat diese Einzelgeschichte eine Funktion im Gesamtwerk? Wie bei „Eschatologie und Genesis“ glaube ich das durchaus. Wie dort spiegelt sich in gewisser Weise die gesamte Handlung (oder jedenfalls zentrale Aspekte) von The Book of the New Sun in der Geschichte. Der strahlende Jüngling ist Severian, von einer höheren Instanz geschaffen, um gegen den übermächtigen Feind des Landes zu kämpfen.

Nessuno
Zuletzt geändert von Nessuno am 25. September 2006 21:26, insgesamt 1-mal geändert.
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Ungelesener Beitrag von deval »

Ein ganz klein bischen OFF TOPIC, aber da hier ein paar Gene Wolfe Liebhaber sind stelle ich meine Frage hier.

Kennt jemand das Buch -Soldat des Nebels-? Ist es lesenswert, oder so lala?
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Ungelesener Beitrag von Nessuno »

vallenton hat geschrieben:Ein ganz klein bischen OFF TOPIC, aber da hier ein paar Gene Wolfe Liebhaber sind stelle ich meine Frage hier.

Kennt jemand das Buch -Soldat des Nebels-? Ist es lesenswert, oder so lala?
Ich persönlich halte "Soldat des Nebels" neben "Der fünfte Kopf des Zerberus" und "Das Buch der Neuen Sonne" für Wolfes bestes Werk. Wie er - zwanzig Jahre vor "Memento" - einen kompletten Roman aus der Perspektive eines Mannes, der sein Langzeitgedächtnis verloren hat schildert, ist schlichtweg genial. Allerdings ist es für Leute, die keine Vorkenntnisse zur griechischen Geschichte haben, nicht unproblematisch. Zudem ist es keine Science Fiction, sondern Phantastik. Und zuletzt sind erst zwei Bände (von wahrscheinlich vier; der dritte erscheint im nächsten Monat, der vierte - angeblich - im nächsten Jahr) erschienen. So wie ich dich einschätze, wärst du mit "Der fünfte Kopf des Zerberus", "Das Buch der Neuen Sonne" oder jetzt mit "Der Ritter"/"Der Zauberer" besser dran, Vallenton. Wohlgemerkt: ich bin ein großer Gene-Wolfe-Fan und an der Verbreitung seines Werkes sehr interessiert. Aber "Soldier of the Mist" wäre trotz der literarischen Klasse für einen "Gene-Wolfe-Neo" nicht meine erste Empfehlung.

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Ungelesener Beitrag von deval »

Danke Nessuno.

Ich wußte nicht das es sich bei dem Buch um einen Mehrteiler handelt. Ich hatte nur die Inhaltsbeschreibung gelesen und fand sie sehr interessant. Mein erster Gedanke war auch "ist das die Vorlage zu Memento?"

Da ich momentan noch einige Zyklen im Regal stehen habe und man nie weiß ob auch alle Bücher einer Reihe übersetzt werden, lasse ich vorerst mal die Finger davon. Vielleicht komme ich noch einmal auf die Reihe zurück wenn alle Bücher auf Deutsch erschienen sind.
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Ungelesener Beitrag von g. b. corner »

hallohallo und guten morgen!

kapitel 17
("kapitel" ist für diese eingeschobenen erzählungen eigentlich eine fehlbezeichnung, oder?)

TEIL 1:

- "Once, upon the margin of the unpastured sea, there stood a city of pale towers."
was ist "unpastured"? irgendeine bedeutung im griechischen oder verbindung zur Ägäis? Nessuno? nachgoogeln über den ausdruck hat mich zu Shelley's "Prometheus Unbound" geführt, wo es mir im sinne von "ungezähmt" verwendet scheint; der ausdruck dürfte früher öfter verwendet worden sein. dass die stadt Athen sein soll, ergibt sich natürlich aus der Theseus-sage; dass aber die "pale towers" deshalb aus Athen stammen müssen, sehe ich nicht so - diese geschichten sind ja ein richtiges kuddelmuddel von versatzstücken aus verschiedensten sagen, literarischen stoffen und geschichtlichen informationen. meiner erinnerung nach war Athen nicht für seine türme bekannt; die magiertürme erinnern mich eher an Conan den Cimmerier.

- dreimal kommt die aufforderung an den studenten; ein märchenmotiv. richtig Nessunos verweis dazu in bezug auf "curse ruled the spring".

- danke an Nessuno für den hinweis "Corn" - "kore"

- eingedenk der tatsache, dass diese stadt von weisen und (vermutlich) mächtigen zauberern bewohnt wird, stellt sich die frage, warum so barbarische bräuche zugelassen werden. sind die einwohner vielleicht gar nicht so stark und weise und mächtig? (siehe auch der seltsame titel von teil 1: "the redoubt of the magicians" - redoubt (zuflucht) ??? ideen, irgendwer?

TEIL 2:

- die schöpfung eines "traum-sohns" leitet sich evtl. aus Borges' "kreisrunden ruinen" her, oder kennt wer das motiv von woanders?

TEIL 3:

- "the flags of the city of the magicians, that are all of yellow and black"
kennt das wer?

- ich bin nicht ganz überzeugt bezüglich "Minos" - Erebus als vater würde schon sinn machen, aber die bezeichnung "stiefvater" macht natürlich stutzig, da hast du recht (wo steht das, muss ich nachschauen). und der umstand der einäugigkeit ließe auch an z.b. Polyphem denken; dazu passt auch die "insel im westen" (im gegensatz zu, beispielsweise, kreta). Oneiros als Erebus' sprössling macht in diesem zusammenhang ebenfalls sinn (die anziehunhskraft zwischen Noctua und dem traumburschen)

- die anlage des wasserlabyrinths in einer größe, dass man sich mit dem boot darin verirren kann, lässt eher an ein flussdelta denken, oder? aber es ist natürlich nur eine geschichte ...

- dass wir es mit einem sowohl-segelschiff-als-auch-raddampfer zu tun haben ist originell.

TEIL 4:
“the three sisters favor the bold”: eine Wolfesche Variante zu “den Tapferen hilft das Glück/Fortuna audaces iuvat?”, eventuell mit den Shakespeareschen Hexen?
ich denke, gemeinsam mit Shakespeare bezieht er sich einfach auf das schicksal.
Es ist schwierig zu sagen, was den Jüngling nach dem Kampf dazu veranlasst, drei Tage in seiner Kabine zu verbringen.
kann es sein "verwandtschaftliches" verhältnis zu Erebus sein? (als sohn der träume?)


TEIL 5:

- die szene mit dem leichnam (?!) des riesen erinnert stark an Ballard's "The Drowned Giant" (1964), das sich wiederum auf Swift bezieht. eine ähnliche szene erleben wir übrigens in "Towing Jehovah" von James Morrow (1994).
... spiegelt sich in gewisser Weise die gesamte Handlung (oder jedenfalls zentrale Aspekte) von The Book of the New Sun in der Geschichte. Der strahlende Jüngling ist Severian, von einer höheren Instanz geschaffen, um gegen den übermächtigen Feind des Landes zu kämpfen.
ja, sehr wahrscheinlich.

grüsse,
georg
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Nessuno
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Ungelesener Beitrag von Nessuno »

Ahoj, Kameraden!

Ich habe gerade eine halbe Stunde Zeit und nutze die Gelegenheit zu einigen unsachdienlichen Hinweisen.
g. b. corner hat geschrieben:was ist "unpastured"? irgendeine bedeutung im griechischen oder verbindung zur Ägäis? Nessuno? nachgoogeln über den ausdruck hat mich zu Shelley's "Prometheus Unbound" geführt, wo es mir im sinne von "ungezähmt" verwendet scheint; der ausdruck dürfte früher öfter verwendet worden sein.
Meine OED hat auch die Shelley-Passage ausgespuckt: "It is the unpastured sea hungering for calm." Sie scheint mir auch das Vorbild von GW zu sein. Unpastured hängt mit etymologisch mit lateinisch impastus zusammen und wird in der Dichtung (Vergil, Lukrez) im Sinne von "hungrig", "ungefüttert" verwendet, allerdings in der Regel mit Bezug auf Tiere und nicht auf das Meer.
g. b. corner hat geschrieben: der ausdruck dürfte früher öfter verwendet worden sein. dass die stadt Athen sein soll, ergibt sich natürlich aus der Theseus-sage; dass aber die "pale towers" deshalb aus Athen stammen müssen, sehe ich nicht so - diese geschichten sind ja ein richtiges kuddelmuddel von versatzstücken aus verschiedensten sagen, literarischen stoffen und geschichtlichen informationen. meiner erinnerung nach war Athen nicht für seine türme bekannt; die magiertürme erinnern mich eher an Conan den Cimmerier.
Oder vielleicht wieder LotR-Anspielung? Auf Minas Tirith, the city of white towers?
g. b. corner hat geschrieben: - eingedenk der tatsache, dass diese stadt von weisen und (vermutlich) mächtigen zauberern bewohnt wird, stellt sich die frage, warum so barbarische bräuche zugelassen werden. sind die einwohner vielleicht gar nicht so stark und weise und mächtig? (siehe auch der seltsame titel von teil 1: "the redoubt of the magicians" - redoubt (zuflucht) ??? ideen, irgendwer?
Ich habe meine Bücher jetzt nicht hier, aber kommt es nicht auch in den Latro-Bänden vor, dass der skythische Zauberstamm von seinen Nachbarn vertrieben worden ist? Ich muss mal gucken, ob bei Herodot oder einer sonstigen Quelle eine antike Vorlage vorhanden ist.
g. b. corner hat geschrieben:- "the flags of the city of the magicians, that are all of yellow and black" kennt das wer?
Spontan fühle ich mich an die "Radioaktiv"-Warnzeichen erinnert. Die sind doch in der ganzen Welt gelb und schwarz, oder?
g. b. corner hat geschrieben:
Nessuno hat geschrieben:Es ist schwierig zu sagen, was den Jüngling nach dem Kampf dazu veranlasst, drei Tage in seiner Kabine zu verbringen.
kann es sein "verwandtschaftliches" verhältnis zu Erebus sein? (als sohn der träume?)
Sehr gut, Georg! (Warum ist das mir nicht eingefallen :evil: )
g. b. corner hat geschrieben:
... spiegelt sich in gewisser Weise die gesamte Handlung (oder jedenfalls zentrale Aspekte) von The Book of the New Sun in der Geschichte. Der strahlende Jüngling ist Severian, von einer höheren Instanz geschaffen, um gegen den übermächtigen Feind des Landes zu kämpfen.
ja, sehr wahrscheinlich.
Wie, keine Gegenrede? :o Diese Übereinstimmungen zwischen uns in letzter Zeit finde ich fast schon beängstigend. Oder sind mir dem alten Fuchs doch auf die Spur gekommen?

Nessuno
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Ungelesener Beitrag von Mervin Pumpkinhead »

Nach längerer zeit kann ich mich jetzt auch mal zu Wort melden, der Faktor Zeit spielt auch in meinem Leben eine große Rolle. Und der Tag hat ja nur 24 Stunden.
Ich bin leider kein Experte für griechische mythologie, doch der Bezug zu der Geschichte mit Minotaurus und dem Vater, der sich ins Meer stürzt (wie heisst es doch gleich heute) war auch mir bekannt.
Oder vielleicht wieder LotR-Anspielung? Auf Minas Tirith, the city of white towers?
Genau das war auch mein Eindruck. Ansonsten fällt mir schlagartig eine ganze Hundertschaft Fantasygeschichten mit Türmen ein, aber die zwei Türme aus dem HdR sind wohl die bekanntesten.
g. b. corner hat geschrieben:- "the flags of the city of the magicians, that are all of yellow and black" kennt das wer?
Spontan fühle ich mich an die "Radioaktiv"-Warnzeichen erinnert. Die sind doch in der ganzen Welt gelb und schwarz, oder?
Das würde ja dann auch zu den Magiern passen. Strom aus Atom würden weniger entwickelte Kulturen ganz sicher als Magie bezeichnen. Und wenn ich ehrlich bin, unheimlich ist es immer noch, denn sehen tun wir davon ja nix, aber es treibt trotzdem alle möglichen Gerätschaften an. Guter Hinweis mit dem Radioaktiv-Zeichen. Ich hab eher an Fussball gedacht :lol:
... spiegelt sich in gewisser Weise die gesamte Handlung (oder jedenfalls zentrale Aspekte) von The Book of the New Sun in der Geschichte. Der strahlende Jüngling ist Severian, von einer höheren Instanz geschaffen, um gegen den übermächtigen Feind des Landes zu kämpfen.
ja, sehr wahrscheinlich.
Hab ich auch so gesehen, weil einen Bezug zur Geschichte wird es ja schon haben.
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Ungelesener Beitrag von Hmpf »

Mervin Pumpkinhead hat geschrieben:
Oder vielleicht wieder LotR-Anspielung? Auf Minas Tirith, the city of white towers?
Genau das war auch mein Eindruck. Ansonsten fällt mir schlagartig eine ganze Hundertschaft Fantasygeschichten mit Türmen ein, aber die zwei Türme aus dem HdR sind wohl die bekanntesten.
Die stehen allerdings nicht beide in Minas Tirith. Minas Tirith beherbergt lediglich einen davon. Insofern sehe ich hier eigentlich keine Tolkien-Anspielung.

BTW - mag niemand meine Frage zu Neuveröffentlichung/Verlag anschreiben beantworten? :(
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Ungelesener Beitrag von Mervin Pumpkinhead »

Hmpf hat geschrieben:
Mervin Pumpkinhead hat geschrieben:
Oder vielleicht wieder LotR-Anspielung? Auf Minas Tirith, the city of white towers?
Genau das war auch mein Eindruck. Ansonsten fällt mir schlagartig eine ganze Hundertschaft Fantasygeschichten mit Türmen ein, aber die zwei Türme aus dem HdR sind wohl die bekanntesten.
Die stehen allerdings nicht beide in Minas Tirith. Minas Tirith beherbergt lediglich einen davon. Insofern sehe ich hier eigentlich keine Tolkien-Anspielung.

(
Ja, das ist richtig, aber das Buch heißt "Die 2 Türme". Das ist der Tolkien-Bezug für mich.
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Along that transnocturnal tide--
Too doomed to fear, lost to all need,
These voyagers blackward fast recede
Where darkness shines like dazzling light
Throughout the Twelve Hours of the Night."
"The Twelve Hours of the Night"
Lichtspruch-an-TRAV
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Ungelesener Beitrag von Lichtspruch-an-TRAV »

Hallo Leute!

XVII: "The Tale of the Student and His Son"

Ich muss gestehen, dass mich diese Geschichte - schon beim erstmaligen Lesen vor ca. 16 Jahren - nie sonderlich begeistern konnte. So sehr ich "das braune Buch" sonst schätze, muss ich doch sagen, dass der Funken an dieser Stelle nie so richtig übergesprungen ist...
diese geschichten sind ja ein richtiges kuddelmuddel von versatzstücken aus verschiedensten sagen, literarischen stoffen und geschichtlichen informationen
.

wahrscheinlich ist es das, was mir hier ein bisschen fehlt: G.W. hätte sich getrost auf seine eigene Originalität verlassen können. Dieser ganze mythologische Mischmasch ("Theseus", "Zauberflöte" und "Abenteuer auf dem Mississippi") wirkt auf mich ein wenig uninspiriert. Aber vielleicht gefällt's mir ja beim nächsten Lesen schon besser :D

Was die Vorbilder - insbesondere aus der griechischen Sage - angeht, habt ihr ja bemerkenswerte Vorarbeit geleistet. Sicherlich stimmt auch die Parallele im Hinblick auf Erebus - Minos (oder ist es doch eher Minetauros?) und das kretische Labyrinth.

Davon unabhängig ist mir noch folgendes durch den Kopf gegangen: es ist interessant, dass Severian (?) - metaphorisch - als "fleischgewordener Sohn" eines Studenten porträtiert wird. Der einzige "Student", der mir auf Anhieb einfällt ist der Riese Baldanders - Severians Gegenspieler, aber auch sein "Alter Ego". Auf jeden Fall ist Baldanders ein Mensch, der sich permanent weiterbildet und dem es - auf fragwürdige Weise - gelungen ist mit Dr. Talos so etwas wie "seinen Sohn" zu erschaffen. Den Faden könnte man nun weiterspinnen... :p
die szene mit dem leichnam (?!) des riesen erinnert stark an Ballard's "The Drowned Giant" (1964), das sich wiederum auf Swift bezieht.


Daran musste ich auch denken! Eine tolle Geschichte - wie praktisch alles von Ballard!

Grüße,

Gerd
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Nessuno
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Ungelesener Beitrag von Nessuno »

Ahoj, Kameraden!

II 18: Mirrors / Spiegel

“whose small store of wit - as I supposed - had soon been exhausted by the prisoners”: Hübsch die Paranthese …

Severians Überlegungne zum Schlaf sind – wieder einmal – “eigenwillig”. Immerhin wird aus dem „my sleep was so different from its natural state“, dass klar wird, dass sich etwas besonderes ereignet hat. Nur was? Aus dem “spasm, the instinctive stiffening of a victim cast from a high window, wrenched all my limbs” würde ich herauslesen, dass Severian erneut einen Tod erlitten hat. Interessant auch hier, dass Severians Schlaf/Traum wieder wie bisher immer unterbrochen wird.

„innyard“ / “bells of the campanile”: Vgl. II 1 (Saltus).

“flash of green fire”: vgl. das Ende von II 15, wo es zweimal erwähnt wird. Georg hat an eine technische Spielerei, vielleicht ein Hologramm erinnert. Aber jetzt foltern die exultants die Gefangenen ja nicht, so dass mich diese Erklärung nicht überzeugt. Hethors „pet“ ist es ja wohl auch nicht, weil Hethor erst später ins Gefängnis kommt. Mir scheint ein Zusammenhang mit dem kleinen Mädchen zu bestehen, das – wie wir jetzt erfahren – während der Folterung gelacht hat und auch diesmal in der Nähe ist.

innkeeper: vgl. II 1.

137 Soldaten: Auf Verdacht habe ich mal gegooglet und gefunden, dass eine Eliteeinheit („Tiger Force“) 1967 Kriegsverbrechen in Vietnam begangen hat und 137 Personen in diesem Zusammenhang vernommen worden sind. Zufall?

Aybert: Wegen der vielen Beziehungen zwischen diesem und dem ersten Kapitel ist er wohl identisch mit dem Brother Cook.

“One, two, three, four, five, six, seven, eight wings on each level”. Da in meiner Taschenbuchausgabe der Satz doppelt war (außer einem Komma nach five), habe ich mal die Erstausgabe (Timescape 1981) hervorgekramt. Dort ist der Satz ebenfalls doppelt (aber mit Komma). Anscheinend hat Severian Schwierigkeiten mit dem Zählen ...

Wenn ich richtig multipliziert habe, sind 408 Zellen im Matachin Tower in Gebrauch.

„my cell´s door“: Spitze, wie GW den Übergang der Persönlichkeit von Severian zu Thecla und zum nächsten „Thecla-Abschnitt“ vorbereitet. Überhaupt ist das Kapitel literarisch sehr ausgefeilt. Man beachte z. B. das verschiedenliche Zählen (one, two ...) Severians im Halbschlaf.

“Each time he returned to me, he carried a speck of freedom glowing on that face”: Wie ist das gemeint? Dass Thecla Hoffnung hat, dass Severian ihr zur Flucht verhilft?

“through metal and earth”: die Oubliette im eingegrabenen Raumschiff liegt ja “unterirdisch”.

„because she was darker than the shadows”: anscheinend trägt Severian noch seinen Fuligin-Mantel.

“for I have glimpsed her twice since I returned here to the House Absolute, where no doubt she exists on stolen food”: Severian hat sie zweimal erspäht, seitdem er Autarch geworden ist. Schon interessant, nicht? Meine derzeitige Vermutung zum Mädchen: eine von Father Inires Mädchen, die sich in den unterirdischen Gängen verirrt hat, vielleicht eine Spiegeldublette zu Domnina. Jedenfalls scheint sie doch von größerer Bedeutung zu sein, wie es Severian (vielleicht erst im Nachhinein) dämmert. Oder warum sonst hat der Autarch Nicarete zu sich bestellt?

„the sender of the notules“: erstaunlich, wie schnell Severian hier kapiert, dass es nur ihm an den Kragen gehen soll.

„had come and gone while I spoke with her“: ich glaube, dass Severian hier irrt. Er war nur sieben Schritte von Jonas entfernt und hat das nicht gemerkt? Ich vermute eher, dass Hethors Mordversuch („teilweise“ erfolgreich) schon passiert ist.

„beyond the stair I could remember nothing“. Nach dem fuligin hier auch „mein“ running gag (ich werde noch reich ...).

„crimson teratoid sign”: teratoid heißt ja “monsterartig” und erinnert an daher an die megatherians, auch wenn es mir schwerfällt, mir hier deren Anwesenheit auszumalen. Vielleicht dann doch eher auf den Cacogen Inire bezogen?

„I heard a tread“: das Mädchen oder Hethor (oder beide?).

“and tears had left moist furrows down his cheeks”: Schon ein merkwürdiger Roboter/Cyborg, dieser augenoperierte Jonas. Oder sind des die Reste des Schleims?

„I know where we are“: anscheinend war Jonas schon einmal hier. Wenn die Spekulation Hethor = Kim Lee Soong stimmt, war er vielleicht wie dieser einer der ersten Gefangenen der Antechamber.

„We killed him“: wir haben bisher noch nicht darüber diskutiert, wie viele wohl in dem gecrashten Schiff waren. Außer Jonas (und Hethor) sicherlich noch mindestens eine Person (we, crew, shipmates u.a.), vielleicht sogar noch mehr. Irgendwelche Vermutungen? Beuzec?

„tinkering with clumsy mechanism“: Irgendwelche Überreste?

“I will come back for her when I have been repaired. When I am sane and whole.” Severian wird im 4. Buch glauben, das Miles Jonas redivivus ist.

“They reflect reality, the metaphysical substance that underlies the material world”: Hübscher Satz (mit einigem Witz).

Nessuno
Zuletzt geändert von Nessuno am 21. Juni 2009 08:06, insgesamt 1-mal geändert.
Omnis clocha clochabilis, in clocherio clochando, clochans clochativo clochare facit clochabiliter clochantes. Parisius habet clochas. Ergo gluc (Rabelais).
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