Scotty hat geschrieben:Das Ende war von Anfang an vorhersehbar. Für mich ist das ein entscheidener Aspekt für die Qualität einer Kurzgeschichte.
Das - so oder in der Art - lese ich hier immer wieder.
Ich glaube, hier besteht Erklärungsbedarf – was an sich schon schlecht ist, denn es zeigt, dass der Autor seine Botschaft nicht rübergebracht hat. Denn es wäre vermessen anzunehmen, dass alle so oberflächlich gelesen haben.
Natürlich ist ziemlich schnell klar, dass die alte Dame ums Eck gebracht werden soll, daraus sollte gar kein Geheimnis gemacht werden. Mit Siebzig in Rente, mit Achtzig ins elektronische Jenseits. – „Wer sich weigert (...) ist für vogelfrei erklärt - mit Abschussprämie.“ Klarer geht´s nicht.
Gesagt getan, fragt der Junge den Älteren: „Was bringt es dir? – Sie lebt sowieso nicht mehr auf unsere Kosten. (...) Machst du’s nur für die Prämie ... oder für deine Biografie?“ – „Aus Genugtuung«, knurrte der Ältere. „Hab lang genug für sie geblecht, das Miststück ist mir immer wieder entwischt.“
Die Pointe (es hätte jedenfalls eine sein sollen, keineswegs vorhersehbar) ist eine ganz andere: Der junge Mann nutzt die günstige Gelegenheit, den Älteren „...war er doch fast Siebzig und stand kurz vor der Pensionierung – und zehn Jahre vor dem eigenen Abmarsch ins Jenseits.“ selbst zu beseitigen. Sein Argument: „Ich habe nicht die geringste Lust, die nächsten zehn Jahre für dich zu blechen. (...) Tut mir leid, ist nichts Persönliches ...“ Das ist Mord. Nur darf er sich nicht erwischen lassen.
So kassiert er statt dessen die Abschussprämie für „Muttchen“ – und ist obendrein ein „hungriges Maul“ los, das er eine Rente lang mitfinanzieren müsste. – Damit habe ich die Sitten der Zeit auf die Spitze getrieben.
War der "Mord" wirklich vorhersehbar? - Oder ging alles plötzlich zu schnell?