c't-Story: Marionettentheater 26/07-01/08; 12 Seiten

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Frank
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c't-Story: Marionettentheater 26/07-01/08; 12 Seiten

Ungelesener Beitrag von Frank »

Ab heute ist meine Novelle "Marionettentheater" am Kiosk eures Vertrauens erhältlich; also: Kauft euch eine Tüte Gummibärchen und die c't als Schmuddelheftchen-Ersatz-Placebo ... :smokin: :lol: Kostprobe gefällig:
18:49

Na los! Zerstöre ihn! Mit einer Stahlfaust schlage ich Pinocchio den Taser aus der Hand, bevor ich mich auf ihn stürze, einfach blind drauflos prügle wie bei einem antiken Computerprügelspiel: Fausthieb, Handkante und noch ein Fausthieb, der den Kopf der Drohne gegen die Fahrertür knallen lässt. Ich spüre gar nichts, keinen Schmerz, obwohl Geppetto zwei, drei Gegentreffer einstecken muss, die ihm Schulter und Oberarm verbeulen.

Der Kampf wird heftiger. Durch das Schutzgitter kann ich beobachten, wie ich die Schläge austeile**... bin jetzt wieder mittendrin, dresche auf die Stahlfresse ein -- Augen, Nase, Kinn; mein ganzes Gewicht drückt sich auf seinen Brustkorb, nagelt ihn zwischen Sitz und Lenkrad fest, während ich ihn bearbeitete, Schlag für Schlag für Schlag.

Ich steigere mich rein, bin wie in Trance, Adrenalin, Puls -- Blut rauscht in meinen Ohren, bis die Metallverkleidung wegplatzt: bunte Drähte, die ich rausreiße wie Fleisch oder Sehnen, dann weiter auf ihn einprügle. Blaue Funken. Strom. Ich schlage zu. Härter. Der Körper der Drohne verbiegt sich, erschlafft. Rot. Rot. Nicht ohnmächtig werden! Konzentrier dich; mach die Tür auf!

Ich bringe Geppetto dazu, über Pinocchio hinwegzuklettern, die Wagentür zu öffnen und auszusteigen, um die zerstörte Drohne mit den Füßen voraus auf den nassen Asphalt zu zerren. Im Fond hören wir nur den dumpfen Aufprall, danach ein Knirschen, als ich die defekte Maschine quer über die Straße zu einem Haufen Pappkartons zerre und zudecke.

Wieder im Auto, drücke ich den Zündknopf, drehe am Lenkrad, gebe Vollgas -- gelbe Ampel, rote Ampel; ich kümmere mich nicht darum; schaue nicht nach links, nicht nach rechts -- immer stur geradeaus, durch die dunkle Stadt, den kalten Regen. Schweiß auf der Stirn, Tunnelblick.


18:53

Ich friere. Bin immer noch wie betäubt. Was ist da gerade passiert? Mechanisch schalte ich zwei Gänge runter und orientiere mich an Verkehrsmonitoren, die beidseitig der Straße flimmern: Oberbilk, Sicherheitszone Blau.

"Wir müssen schleunigst die Karre loswerden**... Wie weit ist es denn noch?" Meine Worte dringen aus Geppettos Lautsprecher, ich selbst kriege die Zähne nicht mehr auf; bin zu schwach, zu müde -- will nach Hause und schlafen, mich endlich ausruhen.

Thieme überlegt. "Erst Richtung Universität, dann rechts ab. Dort müsste es irgendwo sein."

Stumm fahre ich weiter. Hinter den Ruinen der Universität kann ich die neu erbaute Fleher Brücke ausmachen, die den Rhein zum größten Elendsviertel in NRW überspannt; früher war das Autobahn, jetzt eine abgeriegelte Sperrzone mit Stacheldraht und Grenzkontrolle, die man sogar von unten, auf Höhe der Pfeiler, sehen kann: Schutzwachen in blauen Overalls, mit Helmen, Gewehren -- Sicherheitszone Rot; Neuss ist ein gefährliches Pflaster, dort herrscht blühende Anarchie.

"Nicht der allerbeste Stadtteil, hier gibt's ständig Straßenschlachten", schärfe ich Thieme ein, während ich das Tempo erhöhe, die Fahrspur wechsle. Halte Abstand zu dem Fahrzeug vor mir: einer dieser Laster von Dirtbusters, dessen Lackschäden perfekt zu dieser Gegend passen. Unser Wagen wird nicht weiter auffallen; ohnehin schaut keiner hoch, die wenigen Leute am Straßenrand halten ihre Köpfe gesenkt, niedergedrückt von Armut und Krankheit und dem schwarzen Nieselregen -- Gesindel, das in billigen Schaumstoffhütten lebt, Punker, Asoziale, die Synthbier oder irgendeinen Alkoholverschnitt in sich reinbechern; allesamt polygam wie mir scheint, wie diese Hippiekommunen aus dem letzten Jahrhundert: freie Drogen, freie, schmutzige Liebe in verwanzten, feuchten Betten. Mir dreht sich der Magen um.

Mit ihrer schlabbrigen Tarnkluft und den kahlrasierten Schädeln sehen sie aus wie Strafgefangene, denen man Kartoffelsäcke übergestülpt hat. Mir fällt auf, dass es keine Halbstarken sind, sondern Männer und Frauen um die Vierzig -- verlebte Gesichter voller Falten; Doppelkinn und dünne, geäderte Haut; ihre billigen Implantate haben sich am Hals tief eingegraben.

Seitlich gleiten Strommasten, dann bleiche Bäume vorbei, zwischen denen ich Parkplätze entdecke; ich lasse Geppetto auf die Bremse steigen -- er schlägt das Lenkrad voll ein, und der Wagen klettert die Rampen hoch, schliddert über nasses Laub zu einer Parkbucht, auf der ich den Motor abstelle. Sirenen, in der Entfernung. Kurze Atempause. Es ist dunkel geworden.
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breitsameter
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Re: c't-Story: Marionettentheater 26/07-01/08; 12 Seiten

Ungelesener Beitrag von breitsameter »

Hat jemand den zweiten Teil der Geschichte greifbar, scanbar kopierbar vorliegen? Teil 1 habe ich hier noch.
Ich hab beim Umzug leider einige c't-Ausgaben verloren, denn normalerweise halte ich einen Jahrgang immer noch auf Lager...
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Re: c't-Story: Marionettentheater 26/07-01/08; 12 Seiten

Ungelesener Beitrag von kah299792 »

Ich habe die Ausgabe da.

Ich habe Dir gerade eine PN mit meiner emailadresse gesendet.


Gruß
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Frank
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Re: c't-Story: Marionettentheater 26/07-01/08; 12 Seiten

Ungelesener Beitrag von Frank »

Wie jetzt? Noch nicht meine "Prothesengötter" gekauft? :D ;) Da isse drin ... :)
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breitsameter
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Re: c't-Story: Marionettentheater 26/07-01/08; 12 Seiten

Ungelesener Beitrag von breitsameter »

Frank hat geschrieben:Wie jetzt? Noch nicht meine "Prothesengötter" gekauft? :D ;) Da isse drin ... :)
Okay, okay, ich hab die »Prothesengötter« soeben bestellt. Dann mehr zu dem »Marionettentheater«, wenn das Buch da ist...

kah299792, trotzdem Danke für das Angebot!
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