Das Jahr hat bei mir mit weiteren Büchern von und über
F. Dostojewskij begonnen. Sein wohl bekanntester Roman heißt in der deutschen Übersetzung in der Regel „
Schuld und Sühne“, wobei die neueste Übersetzung von Swetlana Gaier „Verbrechen und Strafe“ als Titel wählte, da er wohl dem russischen eher entspräche. Die bereits verstorbene Übersetzerin hat ja gerne die Titel geändert, so auch „Die Dämonen“ in „Böse Geister“. Natürlich wird ein wenig Marktstrategie dahinter stecken, aber ihre Begründungen in diversen Interviews, es gibt sogar eine Film über die bekannte Übersetzerin, klingen dann doch auch plausibel und wohl überlegt. Da meine Ausgabe aber aus den Anfängen der neunziger Jahre stammt, habe ich die Übersetzung von Richard Hoffman aus dem Jahre 1977 gelesen.
Der Roman, der eigentlich ein Kriminalfall ist, erschien als Fortsetzungsroman in der Zeitschrift der russische Bote. Der ehemalige Student Rodion Romanowitsch Raskolnikow der Jurisprudenz begeht einen Mord aus Prinzip, da die Wucherin und Pfandleiherin Alijona Iwanowna für ihn kein Recht auf ein Leben besitzt. Dennoch überschreiten Planung und Durchführung des Mordes die geistigen Kräfte des „Helden“ und er begeht fast besinnungslos Fehler für Fehler. Dennoch gelingt ihm unfreiwillig der perfekte Mord und er könnte sich der Strafe entziehen, entscheidet sich aber nach zehntägigem Martyrium zum Geständnis.
Nebenbei werden aber so viele Dinge mit Nebenhandlungen und mit neuen Figuren vernetzt und wieder fallen gelassen, dass eine Aufzählung mich wirklich überfordern würde. Beispielsweise die entscheidende Frage, in welche Richtung Russland sich Mitte des 19. Jahrhunderts entscheidet. Folgt es dem westlichen kapitalistischen Wirtschaftssystem oder den starren orthodoxen Prinzipien der russischen Kaiserzeit. Die Verelendung des Menschen, der mit der ersten Variante untergeht. Frauen, die als Ware betrachtet werden und ihren Körper als Kapital zum Überleben der Familie hingeben, sind für Dostojewskij der Endpunkt des gesellschaftlichen Verfalls. Ob man mit dem christlichen Gegenmodell des Autors letztendlich als Alternative zufrieden und glücklich ist, muss natürlich jeder auf seine Weise für sich klären. Die ganze Rücksichtslosigkeit und das offene Zeigen von zügelloser Habgier sind so deprimierend und eindrücklich, dass es mir schlichtweg den Atem geraubt hat.
Es sind noch, wie weiter oben erwähnt, andere Punkte, die man aufführen könnte und die mich genauso beeindruckt haben wie die politischen und gesellschaftlichen Abgründe. Beispielsweise die Frage, ob der Täter, der grausam mit dem Beil zuschlägt, für Dostojewskij die Rolle des Helden übernehmen soll oder der Weg der Leugnung der entscheidende Punkt ist.
Mein Fazit ist ganz einfach, ich muss den Roman wiederholt lesen. Es war das erste Mal, dass ich nach Beendigung einer dreiwöchigen Lektüre überlegt habe, ob ich direkt wieder von vorne beginnen soll. Kaum ein Roman hat mich so fasziniert wie „Schuld und Sühne“.
Ich hoffe, ich habe den nichtphantastischen Bereich zu sehr überschritten. Aber ich weiß ja, dass viele von euch Dostojewskij schätzen oder ihn zumindest für diskussionswürdig halten. Natürlich weiß ich auch, dass ich einen alten Hut hervorgeholt habe, den bestimmt einige als Schullektüre durchkauen mussten und schon längst gelesen haben. Aber dennoch war es mir doch ein Bedürfnis, einige Dinge zu erwähnen, die für mich so groß und gut waren, dass sie immer noch nachhallen. Man kann es ja an meiner neuen Signatur erkennen.