Ich fürchte, ich gehöre zu der Minderheit, die Magazine bevorzugen, die ihren Schwerpunkt auf Kurzgeschichten legen. Natürlich kann man alles übertreiben (im amerikanische Magazin
Crank! gab es praktisch mit Ausnahme des Inhaltsverzeichnisses nur Prosa), aber einen Anteil von 80% dürfen die Kurzgeschichten ruhig ausmachen.
Ich sehe allerdings auch, dass es bei so einer Ausrichtung ein erhebliches Qualitätsproblem in Deutschland gibt, darum würde ich mir wünschen, dass erstens die Auswahl der Geschichten sehr gewissenhaft erfolgt und zweitens (und hier wird es besonders problematisch) die Autoren bezahlt werden.
Was die Bezahlung angeht, so würde ich mir ungefähr das Wort/$-Verhältnis von amerikanischen semi-professionellen Magazinen wünschen - das wären mindestens 0.01 Euro pro Wort. Das ist zwar nicht viel, gibt den Autoren aber eine gewisse Anerkennung.
Zur Auswahl: ich stelle mir fünf oder sechs Kurzgeschichten pro Ausgabe vor. Ich würde zunächst einmal versuchen, die Qualität der frühen Ausgaben mit dem Abdruck von zwei bis drei Übersetzungen aus dem Englischen zu gewährleisten. Der vermeintlich große Name des Autors ist weniger wichtig. Wenn man sich im Dschungel der englischsprachigen Magazine und Anthologien einigermassen auskennt, wird es nicht allzu schwierig sein, interessante Autoren zu finden, die mit einer Semi-Pro-Bezahlung zufrieden wären. Wichtig hier ist Qualität.
Zusätzlich wäre es nicht schlecht, einen der großen deutschen Namen pro Ausgabe zu gewinnen (Hammerschmitt, Marrak, Eschbach, Cakan etc.). Ich schätze, solchen Autoren wäre es besonders wichtig, in welchem Umfeld (also in welcher Gesellschaft) sie veröffentlicht werden.
Die restlichen zwei bis drei Geschichten müssten dann tatsächlich aus dem "slush pile" gefischt werden. Perfekt wäre es, durch die Qualität der anderen Beiträge das Beste aus den Nachwuchsautoren herauszukitzeln. Überhaupt sollte das Magazin nicht nur Lust aufs Lesen, sondern auch aufs Schreiben machen, und es somit ermöglichen, interessante Autoren heranzuzüchten, die dann regelmäßig abgedruckt werden. So unmöglich erscheint mir das alles nicht: im englischen Magazin
Interzone, dem es momentan leider weniger gut geht, haben über die Jahre immer wieder Autoren regelmäßig gute Stories abgeliefert, die nur Interzone veröffentlicht haben und häufig genauso plötzlich mit dem Schreiben aufgehört haben, wie sie damit angefangen haben (ich denke da z.B. an Ian Lee, Susan Beetlestone, Molly Brown oder Sylvia M. Siddall - Autoren, die kein Mensch kennt, die aber gerne gelesen wurden).
Der Vollständigkeit halber noch zur "Non-Fiction":
- Editorial: zumindest anfangs nicht schlecht, um dem Magazin eine gewisse Richtung mitzugeben. Sollte aber nicht zum Selbstzweck werden wie die Beiträge des "guten Doktors" in Asimov's SF Magazin oder Stanley Schmidt's "Wort zum Sonntag" in Analog
- Leserbriefe: wenn es etwas interessantes abzudrucken gibt, gerne, sonst sein lassen!
- Reprints aus dem Internet: wie z.B. John Clutes "Excessive Candour" in Alien Contact, aber auch in Interzone, sind wegen der Verfügbarkeit des Originals problematisch. Interzone ging sogar noch weiter und druckte Stories aus dem On-Line-Magazin SciFiction ab... Wenn wir damit anfangen, das Internet auszudrucken, sieht es hier bald öde aus
- Interview: kann nicht schaden.
- Buchkritiken: in Maßen gerne
- Kino-Kritiken: wenn's sein muß.
- TV-Kritiken: bitte nicht.
- Computerspiel-Kritiken: nur über meine Leiche...
Tut mir leid, dass es so lang geworden ist. Vielleicht sucht ja noch jemand einen "Assisting Editor" oder hat zu viel Geld übrig...
Mark