@Ralf: Ganz winzig werden die Änderungen (denn eine einzige würde wohl nicht ausreichen, es sei denn so etwas wie "Die Nazis bekommen die Atombombe schneller als die USA", und das halte ich für ausgeschlossen) nicht, aber mit der Zeit werden sie schon größer. Ich mag die Chaostheorie und den
Schmetterlingseffekt, und will ihn in dem Buch anwenden. Das bedeutet konkret: "die einzigen Menschen, die dieselben sind wie in unserer Welt, [sind] diejenigen, die vor dem Zeitpunkt der Abweichung gezeugt und geboren wurden. Das heißt: ungefähr in den frühen 1940er Jahren. Wenn ich mich entscheide, Menschen aus unserer Geschichte erscheinen zu lassen, die nach diesem Datum geboren sind, werden sie in Wirklichkeit eher wie Geschwister von denselben Eltern sein (immerhin möglich, insbesondere wenn diese Eltern bereits vor dem ZdA verheiratet/verlobt/in einer Beziehung waren), mit demselben Geschlecht (die Wahrscheinlichkeit liegt bei etwa 50%), demselben Vornamen (möglich, Familien verwenden gerne Namen wieder, insbesondere traditionelle, und der Geschmack der Menschen bleibt ähnlich) und ungefähr dasselbe Geburtsdatum.
Außerdem gibt es noch die Möglichkeit „morphischer Zwillinge“, wie Terry Pratchett gesagt hätte: Unterschiedliche Menschen, die die gleiche Funktion haben wie gewisse Menschen aus unserer Geschichte. Wenn es keinen Steve Jobs gibt, erfindet wahrscheinlich jemand anderes den PC."
Wenn ich darüber nachdenke, ist es schon ein wenig unheimlich. All die Leute aus unserer Geschichte, die nach 1940 geboren wurden, wird es nie geben. Und die, die damals schon lebten, werden mit der Zeit langsam wegsterben. In der Gegenwart von 2022 wären dann nur noch über 80-jährige übrig (auch wenn darunter so einige prominente Figuren sind.) So dass uns diese Welt nicht nur wegen den Nazis mit der Zeit immer fremder werden würde. Bloß dass das kein Mensch in dieser Welt wissen würde. (Es sei denn, jemand aus unserem Universum würde dort hinüber wechseln, aber sowas habe ich auch nicht geplant.)
Um mal über die Geek-Kultur zu reden: Walt Disney gäbe es weiterhin, und seine Firma würde weiterhin Filme in seinem Stil produzieren. Womöglich sogar mit denselben Titeln. Aber vielleicht in anderer Reihenfolge, und mit völlig anderen Handlungen. Warum sollte Disney den "Froschkönig" nicht in den 1950ern produzieren?
Bekannte Autoren wie Tolkien, Asimov, und Heinlein lebten damals schon - aber würden wohl auch völlig andere Werke schreiben. Womöglich von realen Ereignissen inspiriert.
Gene Roddenberry lebte auch schon, aber vielleicht gibt es dann kein "Star Trek". Stattdessen vielleicht eine Space-Western-Serie? Auf einem Wüstenplaneten ähnlich Arrakis/Tattooine?
Und Steven Spielberg und George Lucas würden nie geboren werden, damit fällt z.B. "Star Wars" ganz weg. Dass die einzelnen Elemente in Buchstücken über die Populärkultur verteilt sind, könnte ich mir durchaus vorstellen, vieles war ja von realen Abenteuerserien aus den 1950ern usw. inspiriert, ich hab mir schon Gedanken dazu gemacht:
- Eine Filmserie über einen coolen Dieb in Nazi-Deutschland (so wie es sich die Amis vorstellen), der wie Robin Hood den Armen und Verfolgten hilft. Mit dem Namen Hans Solo.
- SF-Charaktere mit Namen wie Skywalker und Starkiller.
- Lichtschwerter.
- Ein gebirgiger Planet, auf dem Kristalle geschürft werden, die für Laserwaffen benötigt werden, an die daher jeder ran will.
- Ein Androide, der aussieht wie die böse Maria aus "Metropolis".
- Verfolgungsjagden durch Asteroidengürtel.
- Indofuturismus, mit Gurus, die ein wenig an die Jedi-Meister erinnern.
- "Space cowboys". Bei uns ein Clint-Eastwood-Film, dort könnte es ein Name für eine alternative Roddenberry-Serie werden.
- "May the force be with you!" in völlig anderen Zusammenhang benutzt. Als der Gruß von Rittern (nicht metaphorisch wie die Jedi - richtig mit Pferden und Rüstungen) im Weltall.
- R2D2 als der Name von... einer brandneuen Technologie, die die Welt retten könnte. (Kann auch ein reiner McGuffin sein.)
Wer weiß - vielleicht denken sich die Geeks dieser Welt dann "ist ja alles ganz schön, aber irgendwie fehlt noch was... nur was bloß?"
lapismont hat geschrieben: ↑17. Juni 2022 06:43
Die eigentliche Konsequenz eines Fortbestehen Nazi-Deutschlands ist eine komplette Ausrottung der Bevölkerung besetzter Gebiete, das fehlt in der Liste.
Die Nazis hätte komplette Kulturen ausgelöscht, Kunstschätze vernichtet und durch ihr Gedöns ersetzt. Zwanzig Jahre Nazieuropa mag ich mir gar nicht vorstellen.
Bezweifle ich gar nicht, und das soll auch in dem Buch vorkommen. Das war in "Vaterland" ja auch so. 20 Millionen Siedler im Osten - auch wenn es heißt, dass sie am liebsten wieder zurückwollen. Nur "beschränkt" sich Robert Harris auf den Völkermord an den Juden, und von Zigeunern und Slawen ist kaum die Rede. Das sollte auch anders sein.
Im übrigen denke ich, dass die Ostsiedlung gewaltig unerwünschte Folgen haben könnte, selbst wenn sie gelingt und die Leute bleiben wollen. Ist schwer zu erklären.
Was ich in so einer Serie gerne ansprechen würde: Was passiert mit den Figuren aus unserer Geschichte, die im Krieg noch kleine Soldaten, Mitglieder der HJ, oder Babys waren?
Meine Theorie ist, dass sich folgende Leute am ehesten auf das Regime einlassen würden:
- Leute, die auch in unserer Geschichte zu weit rechts waren (z.B. Brigitte Bardot. Ich kann mir gut vorstellen, dass sie einen von diesen schneidigen Waffen-SS-Offizieren heiratet, leicht an einen "Arier"nachweis kommt, mit ihm im Osten siedelt und dort Schäferhunde züchtet).
- Leute, die unbedingt Macht haben wollen. Was würden Politiker wie Franz Josef Strauß, Helmut Schmidt, und Helmut Kohl tun? (Und ich halte Strauß nicht einmal für einen Nazi. Während dem Krieg ist er mal von der Gestapo vernommen worden, weil er gesagt hatte, dass der "Führer" Deutschland in die Katastrophe führen wird.) Oder die zumindest Geld wollen, wie ein gewisser Franz Strohsack.
- Leute, die schlicht und einfach dumm sind. (Hier hatte ich an France "Ich bin eine Wachspuppe" Gall gedacht. Die ist allerdings nach 1940 geboren, fällt also weg.)
- Leute, die (wie z.B. Wernherr von Braun) so sehr auf ihr Ding konzentriert sind, dass sie auch bereit wären, dafür mit dem Nazi-Regime zusammenzuarbeiten. Nun, Fachidiotie ist auch eine Idiotie.
Sorgen machen mir die vielen Menschen, die jetzt unter diesem Regime (über)leben müssen, wenn sie nicht fliehen können. Was passiert mit Leuten wie Michael Ende, Niklas Luhmann, Helmut Dietl, Alfred Biolek, oder dem großen Benoit Mandelbrot? Wenn ich für jeden beschreiben sollte, wie sie vom Regime... das wäre ein Alptraum.