Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

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yukonkid
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Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von yukonkid »

Allgemein:
Vorab: Das ist KEINE generelle Leseunempfehlung (wie auch?) aber ich habe mit gegenwärtigen SF Romanen (so ab den 90ern) meine Schwierigkeiten. (Ich versuche mich zZ an einer Positivliste des 21. Jhdts, welche dann doch zu empfehlen sind.)

Also zurück zum Thema: Möglicherweise liegt es daran das ich ab Mitte der 80er als Teenager durch SF angefixt wurde und damals die Romane der 60er/70er/80er noch im Print bzw. leichter zu erhalten waren, da die deutsche Übersetzung oft hinterherhinkte (klar waren auch die im nächsten Abschnitt genannten "Altmeister" der Jahre davor dabei, aber die waren schnell blass geworden nach dem ersten PKD Roman). Diese drei Jahrzehnte entsprachen ziemlich der turbulentesten Entwicklungspahse der SF: in den 60ern die New wave (inner space der Psyche), in deren Übergang zum Realismus der 70er und seinen politisch-ökologischen Themen, zum Zeitgeist des "No future" and Cyberpunk der 80er.

Was die Romane dieser Jahrzehnte auszeichnete war der Anspruch etwas Neues (ein NOVUM) ,einen konzeptionellen Durchbruch zu präsentieren, einen Paradigmenwechsel zu der bis dahin dominanten technikgläubigen SF der 30er/40er (Campbell-Ära), des Golden Age der 50er ("Altmeister" wie van Vogt, Asimoc, Clarke, Heinlein etc.) einzuleiten - dabei zeigten Ausnahmen wie Alfred Bester schon das Kommende. Plakativ attackiert wurden ibd. deren Space Operas (zb. Asimovs Foundation , Heinlein's Future History), die witzigerweise in den 80ern / 90ern wiederentdeckt wurden (an erster Stelle Ian M. Banks Culture-Universum) und damit nichts neues sondern eher eine rückwärts gerichtete Entwicklung darstellen.

Dieses NOVUM konnte am Anfang, mittendrin , auf der letzten Seite oder sogar im letzten Satz des Romans auftauchnen - um konventionelle Erwartungen auf den Kopf zu stellen: Die NOVELLE (!) umfasste typischerweise einen (1) Roman und nebenbei lag die Regelseitenzahl deutlich unter den heutigen Seitenzahlen (mit Ausnahmen wie Brunner's "Morgenwelt") , was die Story fokussierte und den beabsichtigten literarischen Punch erzeugte - und gut wars. Diese moderne Sicht der SF entsprach generell eine rasende Entwicklung des künstlerischern Ausdrucks und gesellschaftlichen Aufbruchs dieser Zeit. Viele experimentelle Erzähltechniken wurden dabei aus der sogenannten Mainstream Literatur übernommen.
Diese Entwicklung hat sich in den 90ern verlangsamt - bis zum gefühlten Stillstand heute: Wir leben so ab jenem Jahrzehnt in der POSTMODERNEN Ära.

Heute gibt es unbestritten GUTE Handwerksarbeit aber WENIG künstlerischen Anspruch - auch wenn man erstmal guter Handwerker sein muss um Künstler zu werden.

Die Kritik an heutiger SF Hinsicht umfasst drei Punkte - und geht an Verlage wie Leser gleichermassen:
1. findet man heute kaum noch etwas unter einer Trilogie. Verlage pressen Autor*innen in die Form einer Serie. Die Gefahr: Diese "verbrennt" Autor*in eines ggf sehr guten Erstlingswerk wenn der 2. Band verkaufsmässig nicht zündet und der 3. dann gar nicht mehr in Print kommt. Experimente sind so schwierig bis unmöglich.

2. Das Budget von Verlagen geht heute grösstenteils in Fantasy-Massenware , die in unzählige Subgenres unterteilt „Neues“ simuliert (in ähnlicherweise passiert das in der SF, aber auf kleinerem Marktanteil). Für junge , innovative SF Autor*innen bleibt so weniger vom Budgetkuchen übrig und das Genre belegt im Vergleich zur ausgedehnten magischen Abteilung in den Buchläden oft nur ein Regal. Interessant ist die heutige Möglichkeit des Selbstverlags: allerdings ist deren Marketingbudget begrenzt / nicht existent -hat man keinen etablierten Namen als Autor*in.

3. erwartet Leser*in heutzutage "Mehr vom Gleichen": So wird eine gute Idee eben über eine Serie gestreckt die aber die gesamte Storyline nicht halten kann und vor allem die GEDULD strapaziert wenn man über Jahre dranbleiben muss. Naja, der Grund ist offensichtlich aus Sicht des verkaufenden Verlags.

Fazit:
Man fragt sich wirklich wann man in den letzten Jahren einen SF Roman mit wirklichem Wow! Effekt gelesen hat. Mir fällt da erstmal Adam Roberts mit „The thing itself“ , Greg Egan ("Diaspora" , dt. "Diaspora") oder Ted Chiang's Kurzgeschichten ("Stories of Your Life and Others", dt. "Die Hölle ist die Abwesenheit Gottes" ,"Das wahre Wesen der Dinge" ), Neal Stephenson ("Anathema"), Kim Stanley Robinson ("The years of rice and salt") ein. Deshalb lese ich wieder manche Autoren VOR den 90ern , die mit Konventionen brachen und eine neue Sicht aufzeigten: U.a. Philip K. Dick, Robert Silverberg, J.G. Ballard, John Brunner, Michael Moorcock, Roger Zelazny, Bob Shaw, William Gibson.

Auf eine nächste Revolution in der SF wartet man aber immer noch.
Zuletzt geändert von yukonkid am 1. Dezember 2023 15:47, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Zu Romanen kann ich wenig sagen, aber ich habe dieses Jahr viele Best-of-Anthologien der letzten Jahre gelesen, die mich teils wirklich umgehauen haben. Ich glaube aber, dass die Kurzgeschichte in der Tat das Rückzugsgebiet für wahre Revolutionäre ist, für Stoff, den sie andernorts nicht unterbringen können. Bloß: war sie das nicht shcon immer?

Auch die Revolutionen von damals (tm) waren letztlich vor allem Short-Story-Revolutionen, bei erfolg zu Romanen aus- und umgebaut.
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von Naut »

Philip K. Dick, Robert Silverberg, J.G. Ballard, John Brunner, Michael Moorcock, Roger Zelazny, Bob Shaw, William Gibson.
Hmm, alles weiße Männer. Da fehlen ja mindestens Ursula LeGuin und Margaret Atwood.
Ich meine, klar: Ich mag die auch alle. Aber in der heutigen Phantastik gibt es eine Menge mehr an Perlen zwischen all den - zugegeben zahlreichen - Kieseln zu entdecken.
Tamsyn Muir, Nnedi Okarafor, Becky Chambers, Maja Lunde, auch Aiki Mira ... das ist schon eine andere Art von SF als es sie früher gab. Insofern entwickelt sich das Genre trotz allem Stillstandes und Rückwärtigkeit doch noch weiter.

Ab und zu einen Dick oder Brunner, oder gar einen Clarke oder Wells nachzuholen, dagegen ist aber absolut nichts einzuwenden.
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von Shock Wave Rider »

Das Schwierige an diesen "Früher-war-alles-besser"-Tiraden besteht für mich darin, dass man die ausgewählten Klassiker mehrerer Jahrzehnte vergleicht mit dem Gesamtoutput der letzten zwei oder drei Jahre, wenn es hoch kommt. Dann müssen die modernen Ergüsse schon aus statistischen Gründen schlechter ausfallen.

Man vergisst so gern, wie viel Mist es auch früher gab. Weil: den kann man echt vergessen!

Gruß
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PS@Naut: Die Atwood fehlt mir da überhaupt nicht. :wink:
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von Uschi Zietsch »

Und vieles ist auch schlecht gealtert und kann man nicht mehr lesen. Auch bei den Klassikern. Sorry.
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von Ender »

Ich finde eigentlich, dass sich gerade in den letzten Jahren in der SF mit frischen Themen und neuen Perspektiven eine Menge Spannendes entwickelt hat.
Hier im deutschsprachigen Raum kommt das nur leider etwas verzögert an, weil vieles einfach nicht übersetzt wird - und speziell Kurzgeschichten ja praktisch gar nicht mehr. Und vieles hat es zudem offenbar (noch?) schwer, weil sich der Erfolg nicht sofort eingestellt hat (z.B. Tamsyn Muir oder N.K. Jemisin).
Aber grundsätzlich stelle ich fest, dass ich persönlich mittlerweile aktuelle SF bevorzuge.
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von Knochenmann »

Ich gehe einen Schritt weiter: nur aktuelle SF ist gute SF. SF ist ein Kind ihrer Zeit, mann muss aktuelle SF lesen, und immer wenn ich höhre: Fondation, Dune, Hyperion, Neuromancer, das sind die SF Bücher die man lesen muss... da kann ich nur den Kopf schütteln. Die Autoren die heute schreiben, die haben alle die alten Bücher gelesen, aufgenommen, inhaliert, verwertet, und jetzt schreiben sie mit dem Wissen bessere Bücher. Warum auch nicht? Fortschritt gibt es überall, heute werden besse Autos gebaut, bessere Häuser, bessere Handys, besseres alles. Warum sollten die Bücher von heute nicht auch besser sein?

Und, kann ja sein das das was die Verleger verlegen Massenware ist... was solls! Ist vielleicht sogar besser so. Ich kann noch nichtneimal die Bücher lesen die ich lesen will, das letzte was ich brauche ist ein Qualitätsoffensiver der Verlage die jede Woche ein Must-Read auf den Makt werfen.
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von Uschi Zietsch »

Knochenmann hat geschrieben: 2. Dezember 2023 11:22 Ich gehe einen Schritt weiter: nur aktuelle SF ist gute SF. SF ist ein Kind ihrer Zeit, mann muss aktuelle SF lesen, und immer wenn ich höhre: Fondation, Dune, Hyperion, Neuromancer, das sind die SF Bücher die man lesen muss... da kann ich nur den Kopf schütteln. Die Autoren die heute schreiben, die haben alle die alten Bücher gelesen, aufgenommen, inhaliert, verwertet, und jetzt schreiben sie mit dem Wissen bessere Bücher. Warum auch nicht? Fortschritt gibt es überall, heute werden besse Autos gebaut, bessere Häuser, bessere Handys, besseres alles. Warum sollten die Bücher von heute nicht auch besser sein?
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von Valerie J. Long »

yukonkid hat geschrieben: 1. Dezember 2023 15:28 Die Kritik an heutiger SF Hinsicht umfasst drei Punkte - und geht an Verlage wie Leser gleichermassen:
1. findet man heute kaum noch etwas unter einer Trilogie. Verlage pressen Autor*innen in die Form einer Serie. Die Gefahr: Diese "verbrennt" Autor*in eines ggf sehr guten Erstlingswerk wenn der 2. Band verkaufsmässig nicht zündet und der 3. dann gar nicht mehr in Print kommt. Experimente sind so schwierig bis unmöglich.

2. Das Budget von Verlagen geht heute grösstenteils in Fantasy-Massenware , die in unzählige Subgenres unterteilt „Neues“ simuliert (in ähnlicherweise passiert das in der SF, aber auf kleinerem Marktanteil). Für junge , innovative SF Autor*innen bleibt so weniger vom Budgetkuchen übrig und das Genre belegt im Vergleich zur ausgedehnten magischen Abteilung in den Buchläden oft nur ein Regal. Interessant ist die heutige Möglichkeit des Selbstverlags: allerdings ist deren Marketingbudget begrenzt / nicht existent -hat man keinen etablierten Namen als Autor*in.

3. erwartet Leser*in heutzutage "Mehr vom Gleichen": So wird eine gute Idee eben über eine Serie gestreckt die aber die gesamte Storyline nicht halten kann und vor allem die GEDULD strapaziert wenn man über Jahre dranbleiben muss. Naja, der Grund ist offensichtlich aus Sicht des verkaufenden Verlags.
Zu 1: Das kann ich aus meiner Erfahrung nicht bestätigen. Mein Verlag wollte erstmal eine Kurzgeschichte, damit die Leser mich kennenlernen können. Zu einer Serie hat mich der Verlag nie gezwungen - dass ich Serien schreibe, ergibt sich immer aus dem vielen Stoff, den ich im Kopf habe, und der sich schlecht in nur ein Buch pressen lässt. So komme ich schon mal mit einer fertigen Quadrilogie durch die Tür.

Zu 2: Oh ja, das sehe ich vor allem auf den Büchertischen, wo gefühlt zwei von drei Titelbildern Kapuzenumhänge zeigen... (und das ist nur leicht übertrieben :wink: ) Die Alternative sind - gerade jenseits des Teichs - e-Books.
Nach allem, was ich so erlebe, ist das "Marketingbudget" nicht nur im Selbstverlag, sondern generell so gut wie nichtexistent. Da müssen die Autor*innen selbst ran - aber das ist eine andere Geschichte.

Zu 3: Das kann sein - wenn mich eine Story "gepackt" hat, möchte ich auch in dieser "Welt" bleiben. Das ist nicht dem Verlag geschuldet, sondern der guten Geschichte. Da habe ich dann nicht nur ein Geduldsproblem - wenn der Zeitraum zu groß wird, vergesse ich schlicht, den nächsten Band zu kaufen. Negativbeispiele kenne ich allerdings auch, wo ich deutlich merke, dass die Idee nicht "trägt" und auf absurde Weise gestreckt wird.

M.E. adressieren die drei Punkte nicht die Frage aus dem Fadentitel. Wenn man innovative Inhalte statt Mainstream lesen möchte, muss man nach innovativen Verlagen abseits des Mainstream suchen. Ich habe eine gut erzählte Geschichte einer lokalen Autorin in einem kleinen Buchladen in Petersburg, Alaska gefunden - so was liegt hier in Hamburg oder Wiesbaden natürlich nicht aus.
Oder man bekommt einen Tipp in einem gut sortierten SF-Forum...
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von Montag »

Ich bin da eher bei Shock Wave Rider. Ich lese eher nicht mit breitem Überblick. Weder habe ich alle "Alt-Meister" gelesen, noch kenne ich den ganzen 80er Kram. Auch in den letzten Jahren war ich kaum bei der Sache. Ich lese die Bücher also eher einzeln ohne den Kontext. Ob der existiert oder nur eine Zuschreibung von dir ist, ist wahrscheinlich eine philosophische Diskussion.
Kurzum: ich fühle mich nicht berufen, epochenhaft Qualitätsbewertungen abzugeben. So habe ich letztens zum ersten Mal Neuromancer angefangen und fühlte mich nicht besonders gut angesprochen. Jetzt weiß ich woher Richard Morgan seine hard boiled- Nummer mit den entsprechenden Sexszenen herhat. Von daher kann ich nicht sagen, ob es in den 80ern so viel besser war.

Mein Vater hat mal vor ein paar Jahren behauptet, dass es zur Zeit gar keine großen zeitgenössischen Romane mehr gebe. Er meinte wahrscheinlich so eine gefühlte Spanne von Heinrich Böll, Walser, Grass oder noch älter Thomas Mann etc. Zur Pandemie habe ich dann einen Lesekreis mit meinen besten Freunden gegründet. Wir haben dann aktuelle Romane v.a. von Frauen (so viel zum Thema alte weiße Männer) gelesen und uns dann auf Zoom getroffen und darüber geredet. Das haben wir dann ungefähr ein Jahr lang gemacht. Sicherlich gibt es zurzeit auch viel Mist. Wir hatten aber das Glück, auf richtig viel gutes Zeug zu stoßen.

Von daher stellt sich mir bei solchen früher-war-alles-besser-Thesen immer die Frage nach der Größe der individuell erstellten Stichprobe.
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von lapismont »

Was mal Klassiker werden, bestimmt eh erst die Nachwelt. Bin sehr skeptisch, ob es etwa Böll schafft, diesen Status zu behalten. Walser sehe ich da gar nicht. Sibylle Berg ist für mich derzeit die einzige, die das Potential hat.

In der SF werden es wohl Dietmar Dath und wie es ausschaut Aiki Mira.
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von Fjunch-Klick »

Naut hat geschrieben: 1. Dezember 2023 22:50
Philip K. Dick, Robert Silverberg, J.G. Ballard, John Brunner, Michael Moorcock, Roger Zelazny, Bob Shaw, William Gibson.
Hmm, alles weiße Männer. Da fehlen ja mindestens Ursula LeGuin und Margaret Atwood.
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Ab und zu einen Dick oder Brunner, oder gar einen Clarke oder Wells nachzuholen, dagegen ist aber absolut nichts einzuwenden.
So ist es und die Liste ist lange nicht vollständig. Ich bin auch kein Literaturwissenschaftler, sondern vorwiegend Leser, und aus dieser Warte sehe ich auch nur, dass jährlich mehr für mich interessante Bücher erscheinen, als ich lesen kann. Und dabei wird noch immer viel weniger übersetzt, als mich interessieren würde.
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von Fjunch-Klick »

lapismont hat geschrieben: 2. Dezember 2023 15:32 In der SF werden es wohl Dietmar Dath und wie es ausschaut Aiki Mira.
Keine Ahnung wie du auf Dath kommst, da hatte ich bisher nur unlesbares erwischt, so dass ich inzwischen nicht mehr zugreife.
Mira kenne ich noch nicht, aber wenn du sie in einem Satz mit Dath nennst, mache ich vielleicht lieber einen Bogen ;)
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Fjunch-Klick hat geschrieben: 2. Dezember 2023 16:06 Keine Ahnung wie du auf Dath kommst, da hatte ich bisher nur unlesbares erwischt,
Geschmack. ;)

Möglicherweise ist der Ansatz shclicht der, dass nicht die SF stehengeblieben ist, sondern du. ;)
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Re: Sollte man das Lesen gegenwärtiger SF einstellen?

Ungelesener Beitrag von Uschi Zietsch »

Geschmack hat nichts damit zu tun, ob man "stehengeblieben" ist. Fair bleiben, nicht persönlich werden, okay? Smiley hin oder her. Hier muss sich niemand dafür rechtfertigen, was er mag oder nicht, wir respektieren das.
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