Homosexuelle Hauptfiguren in der SF

Science Fiction in Buchform
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Christian Hermann
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Homosexuelle Hauptfiguren in der SF

Ungelesener Beitrag von Christian Hermann »

Ich führe derzeit mit meinem künftigen Verleger eine Diskussion, inwieweit sich eine homosexuelle Hauptfigur in einer SF-Serie positiv oder negativ auf die Anerkennung und Etablierung dieser Serie auswirken würde bzw. könnte.

Daher würde ich gern weitere Meinungen einholen - als schwuler Autor sitze ich vielleicht im Elfenbeinturm und verkenne die Realität ein wenig. Meine Fragen, die ich einfach mal so in den Raum stellen möchte:

- Wie steht Ihr zu homosexuellen Hauptfiguren in der SF (Romane, Roman-Serien, TV-Serien, Kinofilme, usw.)?

- Würdet Ihr SF wegen einer homosexuellen Hauptfigur nicht / auf jeden Fall / eventuell kaufen? Warum?

- Bereichern homosexuelle Hauptfiguren die SF oder reagieren Leser eher befremdlich / ablehnend / unsicher usw.?

- Was würdet Ihr Autoren und Redakteuren raten, wie sie mit diesem Thema umgehen soll?

In der Hoffnung auf ganz viele Reaktionen

Christian Hermann

P.S.: Hintergrund ist, dass in der Überlegung ist, bei »Die Zeitgänger« eventuell einen schwulen Mann als Hauptfigur einzuführen.
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Stefan Hoffmann
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Ungelesener Beitrag von Stefan Hoffmann »

Naja, ich glaube, das kommt schon sehr darauf an, was Du daraus machst...

Wenn die Handlung das Schwulsein des Protagonisten nicht großartig zur Geltung bringt, ist es vermutlich völlig wurscht - was vermutlich auch schon wieder unbefriedigend ist.

Wenn's aber für die Handlung eine Rolle spielt, dann landet man m.E. schnell auf dem schmalen Brett "Wann macht die Schilderung von Sexualität in der SF wirklich Sinn und wann ist sie einfach nur aufgesetzt?". Das läßt sich vermutlich nicht immer so kongenial umsetzen wie z.B. in "The Left Hand of Darkness".

Ansonsten finde ich die kommerziellen Überlegungen Deines künftigen Verlegers auch nicht gerade besonders tiefschürfend. Ein schwuler Held schreckt vermutlich genügend Leute ab, andererseits ist es auch ein guter Aufhänger für die Serie, um ein wenig Aufmerksamkeit zu generieren. Wobei heutzutage eh in jeder zweiten Manga-Serie die Helden schwul sind, allein mit der sexuellen Ausrichtung ist also kein Blumenpott mehr zu gewinnen, find ich. :roll:


Stefan
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Frank Böhmert

Hau rein, Keule - wie Berliner Arbeiterkinder sagen.

Ungelesener Beitrag von Frank Böhmert »

Hi Christian!

Also unter Genre-Gesichtspunkten glaube ich: Wer überhaupt bereit ist, Sexualität innerhalb eines SF-Romans zu goutieren, der wird sich auch an schwulen Hauptfiguren nicht stören. Siehe Delany-Rezeption.

Meine Überzeugung als Autor: wir schreibe am besten über das, was wir kennen. Je mehr wir da ausblenden müssen, desto schlechter werden wir auch auf der handwerklichen Ebene.

Und als Leser sieht es für mich, der ich kaum Serien lese, so aus, dass die Existenz einer schwulen Figur schon dazu führen würde, mal in so eine Nummer reinzukucken ...

Ansonsten bin ich überzeugt, dass die Vorwürfe gegen Sex in der SF weniger von einem Problem mit der Sexualität, als vielmehr mit der Intimität herrühren, mit Gefühlsausdrücken allgemein.

Herzlichen Gruß in die Runde,
Frank Böhmert,
der Derbe im Universum,
jetzt auch unter http://www.frankboehmert.de
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Stefan Hoffmann
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Ungelesener Beitrag von Stefan Hoffmann »

Ansonsten bin ich überzeugt, dass die Vorwürfe gegen Sex in der SF weniger von einem Problem mit der Sexualität, als vielmehr mit der Intimität herrühren, mit Gefühlsausdrücken allgemein.
Öhm, wie war das im Mittelteil? :roll:


Stefan, durchaus neugierig darauf, wie obiges zu verstehen sei
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Gast

Re: Hau rein, Keule - wie Berliner Arbeiterkinder sagen.

Ungelesener Beitrag von Gast »

Frank Böhmert hat geschrieben:Hi Christian!

Also unter Genre-Gesichtspunkten glaube ich: Wer überhaupt bereit ist, Sexualität innerhalb eines SF-Romans zu goutieren, der wird sich auch an schwulen Hauptfiguren nicht stören. Siehe Delany-Rezeption.

Meine Überzeugung als Autor: wir schreibe am besten über das, was wir kennen. Je mehr wir da ausblenden müssen, desto schlechter werden wir auch auf der handwerklichen Ebene.
Hey, geb ich Dir vollkommen Recht, ja. Bedeutet das jetzt, dass ich als schwuler Autor praktisch irgendwann zu DEM Autor homosexueller Romane in der deutschen SF werde? *grins*
Frank Böhmert hat geschrieben: Und als Leser sieht es für mich, der ich kaum Serien lese, so aus, dass die Existenz einer schwulen Figur schon dazu führen würde, mal in so eine Nummer reinzukucken ...
Grins - dann hab ich mit Dir ja wenigstens EINEN Leser ;-)

Gruß

Christian
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Frank Böhmert

An Stefan - Intimität in der SF

Ungelesener Beitrag von Frank Böhmert »

Hey, durchaus neugieriger Stefan!

Deine Frage bezieht sich auf meinen Spruch von wegen "Probleme weniger mit der Sexualität, als viel mehr mit der Intimität", oder?

Was ich damit (reichlich unbeholfen, weil fremdwörtlerisch) ausdrücken wollte, ist folgende Beobachtung: Dass in der SF-Szene allgemein sehr schnell Dinge kritisiert werden, die mit NÄHE zu tun haben.

Wie viele SF-Serien kennst Du, in der Geburtsszenen vorkommen? In der sich Helden einmal heulend im Arm liegen? In der Paare morgens zusammen aufwachen oder zusammen unter die Dusche gehen? In der Angehörige um jemand Gestorbenes trauern - miteinander wohlgemerkt?

Alles Zeug, dass Du schon in Kinderbüchern lesen kannst, jawohl: sogar Geburtsszenen, einfach als atmosphärisches oder auch eine Figur charakterisierendes Einsprengsel, das aber in SF-Romanen nach Maßgabe etlicher Leser prinzipiell nicht vorzukommen hat.

Verstehste?

F.
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Christian Hermann
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Nähe in der SF

Ungelesener Beitrag von Christian Hermann »

Was Frank schreibt stimmt: im Gegensatz zum Medium TV und/oder Kino (in denen massiv auf emotionalen Handlungsaufbau gesetzt wird) sind "nahe" Themen in der SF nicht oft zu finden. Schon der Abschiedskuss eines Helden, bevor er in den Einsatz geht, findet nicht statt - von leisen Zwischentönen ganz zu schweigen.

Umso mehr ist es für mich als Autor Aufgabe und Herausforderung, eben dieses aufzubrechen. Genau solch nahen Themen zu behandeln und darzustellen. Und ich bin davon überzeugt, dass die Leser dankbar sind/wären.

Lieben Gruß

Christian
Juergen Heinzerling
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Nu ja

Ungelesener Beitrag von Juergen Heinzerling »

:D

Hi Leute

es ist immer eine Frage dessen, wie man Homosexualität - oder auch Sex allgemein - in einen Roman einbringt. Da nunmal soundsoviel Prozent der Bevölkerung dem eigenen Geschlecht zugeneigt sind, ist das eigentlich okay und legitim. In meinen Romanen tauchen auch "solche" Figuren auf, manchmal als Helden, manchmal als Schurken, manchmal als Nebenfiguren, auch mal als Comic Relief. Nix besonderes also.

Mit der ganzen Homo-Kultur konnte ich allerdings noch nie etwas anfangen und glaube kaum, daß ich Interesse an einem Roman entwickeln könnte, der in diesem Umfeld spielt - was im positiven wie im negativen gilt, da ich auch Homo-Klamotten wie "Ein Käfig voller Narren" stinklangweilig finde.

Ciao
Juergen
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Stefan Hoffmann
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Ungelesener Beitrag von Stefan Hoffmann »

Frank Böhmert hat geschrieben:Hey, durchaus neugieriger Stefan!

Deine Frage bezieht sich auf meinen Spruch von wegen "Probleme weniger mit der Sexualität, als viel mehr mit der Intimität", oder?
Ja, in der Tat.
Frank Böhmert hat geschrieben:Alles Zeug, dass Du schon in Kinderbüchern lesen kannst, jawohl: sogar Geburtsszenen, einfach als atmosphärisches oder auch eine Figur charakterisierendes Einsprengsel, das aber in SF-Romanen nach Maßgabe etlicher Leser prinzipiell nicht vorzukommen hat.

Verstehste?
Ja, so grob versteh ich das. Das ist schon richtig, diese Fraktion gibts halt, und wenn ich SF-Autor wäre (was ich nicht bin), dann würde es mir schon mächtig gegen den Strich gehen, auf diese Klientel Rücksicht zu nehmen.

Das ist ja schon bei unserem Erben des Universums so, kaum ist mal irgendwo was eher zwischenmenschliches zu lesen, das mehr als 3 Zeilen in Anspruch nimmt, steigen auch schon die ersten Altleser aus ihrer Gruft und beweinen den Niedergang der Serie. Auch einstmals bei Star Trek DS9 gab's ja viel Gejammer, weil da auch das Privatleben der Hauptfiguren Eingang gefunden hat. Typisch, typisch, dabei war's m.E. die bisher einzig erträgliche Star Trek Serie.

Es ist sicher absolut richtig, dagegen "anzuschreiben". Wobei sich Christian da wohl aber keine Illusionen machen braucht, daß er "solche" Leser für seine Werke gewinnen wird. Indes, ein aufgeschlosseneres Publikum sollte ja wohl zu finden sein, wenn die sonstigen Qualitäten des Dargebotenen dafür sprechen! Oder bin ich da zu optimistisch?


Stefan
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Christian Hermann
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Re: Nu ja

Ungelesener Beitrag von Christian Hermann »

Juergen Heinzerling hat geschrieben: Mit der ganzen Homo-Kultur konnte ich allerdings noch nie etwas anfangen und glaube kaum, daß ich Interesse an einem Roman entwickeln könnte, der in diesem Umfeld spielt - was im positiven wie im negativen gilt, da ich auch Homo-Klamotten wie "Ein Käfig voller Narren" stinklangweilig finde.
Hallo Jürgen,

glaub mir - ich könnte niemals über ein knallpink gestrichenes Raumschiff voller Tunten schreiben (es sei denn, ich würden das Buch zum Film "Unser Traumschiff" schreiben *grins*) !

Letztlich ist ja nicht die Frage, ob man einen Roman in der schwullesbischen Subkultur ansiedelt (was im Krimi-Genre übrigens sehr beliebt und absatzstark ist!), sondern ob und wie man homosexuelle HAUPTFIGUREN auftauchen lässt. Und warum das so selten ist.

Ich glaube auch nicht, dass eine polarisierende Darstellung homosexueller Figuren sinnvoll wäre - das würde der Integration Homosexueller in der Gesellschaft eher schaden und zeugt doch auch eher von schwachem Stil (weil der Autor sich auf Klischees zurückzieht).

Wenn »Die Zeitgänger« eine schwule Hauptfiguren haben werden/sollen, muss das ja nicht heissen, dass die ganze Handlung im »Käfig voller Narren«-Look inszeniert sein muß :lol:

Lieben Gruß

Christian Hermann
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Ungelesener Beitrag von Christian Hermann »

Stefan Hoffmann hat geschrieben: Es ist sicher absolut richtig, dagegen "anzuschreiben". Wobei sich Christian da wohl aber keine Illusionen machen braucht, daß er "solche" Leser für seine Werke gewinnen wird. Indes, ein aufgeschlosseneres Publikum sollte ja wohl zu finden sein, wenn die sonstigen Qualitäten des Dargebotenen dafür sprechen! Oder bin ich da zu optimistisch?
Es gibt jede Menge homosexueller SF-Leser. Die Möglichkeit, über die schwulen Buchläden in ganz Deutschland mit einer SF-Serie vertreten zu sein würde für einen Kleinverlag Auflagen-Sicherung bedeuten. Und eine SF-Serie mit schwuler Hauptfigur bekäme zudem jede Menge Publicity (u.a. in der schwullesbischen Fachpresse, die nicht gerade auflagenschwach ist!). Also: mit einer homosexuellen Hauptfigur befriedigt man nicht nur eine bestimmte Klientel, sondern eröffnet neue Möglichkeiten im Absatz.

Und letztlich habe ich ja mit Frank schon wenigstens EINEN Leser :lol:

Gruß

Christian
Juergen Heinzerling
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Re: Nu ja

Ungelesener Beitrag von Juergen Heinzerling »

Christian Hermann hat geschrieben: glaub mir - ich könnte niemals über ein knallpink gestrichenes Raumschiff voller Tunten schreiben (es sei denn, ich würden das Buch zum Film "Unser Traumschiff" schreiben *grins*) !
Ähem ... gibt es bereits! Zu finden in RICK NEBULA - Dem Schronz sein Schrecken ... siehe http://www.rick-nebula.de

Ich sage jetzt besser nicht, wer der Autor ist ... :wink:

Ciao
Juergen
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Marius Zmuda

Ungelesener Beitrag von Marius Zmuda »

In der Tat, herrscht ein Mangel an zwischenmenschlichen Beziehungen oder überhaupt der Darstellung eines facettenreichen Privat- und Alltaglebens in der SF-Literatur. Es wäre schön, wenn es hier mehr Autoren geben würde, die sich diesem Trend entgegenstellen. Bloß dürfen solche Bücer natürlich nicht zu reinen Soap Operas oder Liebenromanen verkommen. Es kommt wohl auf die richtige Mischung zwischen "Action" und "Gefühle" an. Ob der Protagonsit schwul oder hetero ist, dürfte bei einer guten Geschichte und einem vernünftigen Spannungsbogen, kaum negativ auffallen - eher bereichern.

Ich persönlich werde auf jeden Fall Christians Werk verfolgen.

Gruß Marius
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Christian Hermann
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Verfolgung ;-)

Ungelesener Beitrag von Christian Hermann »

Marius Zmuda hat geschrieben:Ich persönlich werde auf jeden Fall Christians Werk verfolgen.
Ui :D

Dann hab ich gute Nachrichten für Dich :

Unter http://www.die-zeitgaenger.de.vu wird voraussichtlich Ende dieser Woche die Homepage zu »Die Zeitgänger« online gehen. Dort findet Ihr immer den aktuellen Stand in der Entwicklung der Serie - und in Kürze auch eine Kurzgeschichte (die soll Euch die Wartezeit bis zum ersten Roman versüssen). Ein Forum ist ebenfalls in Planung.

Über die DZG-Website sollen auch die einzelnen Episoden als pdf-Dateien ins Netz gestellt werden, falls eine gedruckte Publikation nichts wird (was sehr wahrscheinlich ist) - der erste Roman (»Mission 501«) soll noch im ersten Quartal 2003 erscheinen.

Leute, die Interesse haben, an DZG mitzuwirken (Romane, Kurzgeschichten, Risszeichnungen, Zeichnungen, Titelbilder usw.), können mich direkt via E-Mail erreichen.

Bis ganz bald

Christian Hermann
Juergen Heinzerling
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Hm.

Ungelesener Beitrag von Juergen Heinzerling »

Marius Zmuda hat geschrieben:In der Tat, herrscht ein Mangel an zwischenmenschlichen Beziehungen oder überhaupt der Darstellung eines facettenreichen Privat- und Alltaglebens in der SF-Literatur.
Sorry, aber da frage ich mich echt, was du so liest, Marius :-? : Selbst in der modernen Space Opera gibt es dafür genug Beispiele, angefangen bei Perrin/Weiss bis hin zu Greg Bear, dessen Romane durchweg sehr glaubwürdige Charaktere enthalten, die oft genug Normalos mit allen Alltagsproblemen sind.

Ciao,
Juergen
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