Seite 1 von 8

Manche Kritiker... *seufz*

Verfasst: 23. August 2005 22:06
von L.N. Muhr
Die Süddeutsche Zeitung zitiert eine französische Rezension des neuen Houellebeq-Romans wie folgt (siehe Hervorhebung) :

Zitat und Link wegen LSR gelöscht

*seufz*

Verfasst: 24. August 2005 00:00
von Bungle
Da wird unsereiner ja richtig aufmerksam. :D

Houllebeqs "Elementarteilchen" soll der Autor selbst auch schon als SF beschrieben haben, weil die Fragesteller in einem Interview keine Ahnung davon hatten, was SF ist.

Ansonsten
SF ist schlecht
schallt ihr Gekläff
Und Ist es gut
dann ist es nicht SF

aus dem Gedächtnis zitiert, Gedicht aber mindestens schon 30 oder noch mehr Jahre alt. Einige von euch wissen sicher den Urheber
:)

MB

Verfasst: 24. August 2005 02:32
von L.N. Muhr
aldiss nennt afair leguin als quelle. kann mich aber auch täuschen.




SF als zeichen des scheiterns? neee, ich raffs nicht...

Verfasst: 24. August 2005 07:28
von Christian
L.N. Muhr hat geschrieben: SF als zeichen des scheiterns? neee, ich raffs nicht...
Ja ... doch ... diese Aussage hat etwas.

Sie zeugt davon, dass der Kritiker ein amitionierter SF-Leser ist.
Vor allem Star Trek kennt er. Hat er alle im Fernsehen gesehen.

Und naja, dass er dann nichts mit der Vorstellung moderner Zukunftsvisionen, alternativer Parallelwelten und dergleichen anfangen kann, das ist doch verständlich.

Und dass jeder, der sowas (igitt - ich will dieses Wort S. F. gar nicht in den Mund nehmen!) schreibt, eigentlich überhaupt nicht schreiben kann und sich nur in den - Kritikerlieblingswort - Eskapismus flüchtet, das ist eine gerechtfertigte, fundierte Meinung voller Sachverstand, Tolleranz und fachspezifischem Wissen.

Ich liebe Literaturkritiker :lol:

Heute morgen erst wieder gescheitert,
Christian

Verfasst: 24. August 2005 10:09
von Doop
Ach ja, die "Unsterblichen" von der Académie française...

Großartige Realsatire....

Wie kann es sich das neue Genie der französischen Literatur auch trauen, einfach so mir nichts dir nichts einen SF-Roman zu schreiben (bei de "Elementarteilchen" blieb das den seriösen Kritikern verborgen, was n nicht verwundert, denn wie soll ich einordnen, wenn mir das Hintergrundwissen fehlt.

Aber seien wir ehrlich, wollen wir literarische Großkritiker, die SF-Romane bejubeln, die China Mieville besprechen, oder den neuen Simmons?

Wir leben doch ganz gut damit zu wissen, dass es großartige Literartur jenseits des Nouvelle Roman gibt.

Mich erinnert das an Margaret Atwood, die seinerzeit vehement bestritt, dass der "Report der Magd" SF ist. In Kreisen der Hochkultur ist ein SF-Autor halt so etwas ähnliches wie ein Drogenkurier oder ein Zuhälter, nur dass diese "Berufe" wenigstens noch als Figuren eines Romans der Hochliteratur herhalten... :lol:

Verfasst: 24. August 2005 10:58
von Frank Böhmert
Bungle hat geschrieben: SF ist schlecht
schallt ihr Gekläff
Und Ist es gut
dann ist es nicht SF

aus dem Gedächtnis zitiert, Gedicht aber mindestens schon 30 oder noch mehr Jahre alt. Einige von euch wissen sicher den Urheber
:)
Kingsley Amis.

Korrekte deutsche Fassung aus dem Ohr-Gedächtnis:

"SF ist schlecht, tönt ständig ihr Gekläff.
Dies hier scheint gut. -- Dann ist es nicht SF!"

Wer die Übersetzung angefertigt hat, weiß ich leider nicht.

Ich erinnere mich an ein Radiofeature zur SF, in dem dieser Aphorismus zitiert wurde -- von Wolfgang Jeschke, glaube ich. Das war vor bestimmt zwanzig Jahren.

Frank, sich über den Rauschebart streichend

Re: Manche Kritiker... *seufz*

Verfasst: 24. August 2005 11:04
von Frank Böhmert
L.N. Muhr hat geschrieben:"Der Rückgriff auf Science-Fiction ist bei einem Romancier bereits ein Zeichen des Scheiterns."
Wetten, dass dieselbe Zunft den neuen Roman von Philip Roth trotzdem ganz ganz groß finden wird?

Weil dort garantiert keiner merkt, dass Roth einen waschechten SF-Roman geschrieben hat!*

Frank :biggrin:

*) Alternative Geschichte: Charles Lindbergh wird 1940 Präsident, und bald geht es dort mächtig zur Sache mit der Judenverfolgung.

Re: Manche Kritiker... *seufz*

Verfasst: 24. August 2005 11:33
von Frank Böhmert
Fiel mir noch nachträglich auf:
Der zitierende L.N. Muhr hat geschrieben:"Etwas Armseligeres, Ärmlicheres und zugleich Unverständlicheres kann man sich kaum denken."
(Hervorhebung von mir.)

Hübsches Eigentor!

Auf Ich-Aussage umformuliert: Ich verstehe es zwar nicht, aber ich spüre doch deutlich, dass es armselig und ärmlich ist.

:lol:

Verfasst: 24. August 2005 11:47
von L.N. Muhr
Doop hat geschrieben: Aber seien wir ehrlich, wollen wir literarische Großkritiker, die SF-Romane bejubeln, die China Mieville besprechen, oder den neuen Simmons?
ja, wollen wir.

was nützt es, SF im getto zu bewahren?

eine ehrliche sachverständige literaturkritik bringt sicher mehr als tausend fan-artikelchen.

ich sehe doch im comicbereich zu genau, wie viele halbgebildete, nur auf ein thema festgefahrene rezensenten sich da tummeln und wie wenig wirkung deren texte haben, weder nach innen noch ausserhalb der szene.

Re: Manche Kritiker... *seufz*

Verfasst: 24. August 2005 11:49
von L.N. Muhr
Frank Böhmert hat geschrieben:Fiel mir noch nachträglich auf:
Der zitierende L.N. Muhr hat geschrieben:"Etwas Armseligeres, Ärmlicheres und zugleich Unverständlicheres kann man sich kaum denken."
(Hervorhebung von mir.)
das zitat eines zitats eines zitats! whoa! heute abend party auf der metaebene? wer kommt? :D

Re: Manche Kritiker... *seufz*

Verfasst: 24. August 2005 12:09
von Frank Böhmert
L.N. Muhr hat geschrieben:heute abend party auf der metaebene? wer kommt? :D
Leo Lukas will kommen, hab ich gehört. 8)

Ansonsten: Laut Spiegel warn die Literaturfrisöre sauer, dass sie nicht zum erlauchten Kreis der Vorabexemplarleser gehören durften ... Dafür gabs dann was auf die Nuss.

Ja ja ja, voll zeriöse Ltraturkrtick.

Frank

Verfasst: 24. August 2005 12:22
von Stefan
L.N. Muhr hat geschrieben:
was nützt es, SF im getto zu bewahren?
Zumal das Ghetto bedenklich am schrumpfen ist. Jedoch: Tatsächlich häuft sich die SF von außerhalb des Ghettos so langsam und dies meistens, indem sie eben nicht mehr als SF rezipiert wird. Genau darin besteht die Auflösung dieses Ghettos doch. Eine kleine, abgezirkelte Nische innerhalb der gesamten Literatur einerseits auflösen und andererseits bewahren - wie soll das gehen? Freilich waren die Grenzen noch nie wirklich dicht, die Durchlässigkeit war immer gegeben. Vielleicht sollten wir eher auf diese letztere Option setzen? Vonnegut oder gar Wells - die sind beide schon etwas älter...

Verfasst: 24. August 2005 12:29
von L.N. Muhr
ironischerweise werden aber alle anderen genres als genres rezipiert, ohne dass die entsprechenden werke allein für ihr sein als genre-werk verrissen werden.

ein genre stellt also kein getto per se dar.

Verfasst: 24. August 2005 12:49
von Frank Böhmert
L.N. Muhr hat geschrieben:ironischerweise werden aber alle anderen genres als genres rezipiert, ohne dass die entsprechenden werke allein für ihr sein als genre-werk verrissen werden.

ein genre stellt also kein getto per se dar.
Gegenrede: "fast schon ein Kriminalroman" "macht Anleihen beim Kriminalroman" usw., da gäbe es Dutzende Beispiele, wie Kritiker sich winden, wenn sie einem geehrten Belletristen keine Krimi-Einstufung unterschieben wollen.

Außerdem ist der Figaro nicht "die Literaturkritik".

Ich erinnere mich noch gut z. B. an Sigrid Löfflers Fanartikel zu Tolkien, he he.

Verfasst: 24. August 2005 12:51
von Stefan
Ja? Ist das so, dass keine Liebesschnulze jemals von irgendjemandem verrissen worden wäre, weil sie eine solche ist? Kein Western? Kein Krimi? Kein Fantasy-Roman?
Ich glaube eher daran, dass es immer die einen Kritiker gibt und die anderen.

Edit: Hm, da ging was überkreuz.