Ist der Massengeschmack automatisch schlecht?

Science Fiction in Buchform
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Kringel
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Re: Ist der Massengeschmack automatisch schlecht?

Ungelesener Beitrag von Kringel »

Mich würde mal interessieren, ob Bestseller wegen des Massengeschmacks zu Bestsellern werden - oder wegen guter Werbung? Von wegen: Na, wenn das Ding so gelobt wird, dann lege ich mir doch auch mal ein Zweitbuch zu? Das dann vielleicht gar nicht gelesen wird, sondern im Regal verstaubt? Es soll ja vor einigen Jahrzehnten in Deutschland ein wahnsinnig weit verbreitetes Buch gegeben haben, das nicht annähernd so oft gelesen wie verkauft wurde... OK schlechtes Beispiel. Aber könnte es sein, dass Bücher normalerweise nur ihren normalen Leserkreis finden (also die 0,1% der Bevölkerung, die pro Woche eins kaufen/lesen oder so), manchmal aber aufgrund bestimmter Rahmenbedingungen, die gar nichts mit dem Geschmack zu tun haben müssen, einen viel größeren Käuferkreis erreichen?
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Uschi Zietsch
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Re: Ist der Massengeschmack automatisch schlecht?

Ungelesener Beitrag von Uschi Zietsch »

So genau lässt sich das (zum Glück) eben nicht festmachen. Manchmal ist es eine Rezension im Spiegel, sehr häufig Mundpropaganda, auf einmal brennt dann die Lunte, und es geht ab. Da spielen immer mehrere Faktoren eine Rolle.
Sehr häufig liegen die Bestseller ja erst mal wie Blei in den Regalen, oft jahrelang. Prominentestes Beispiel dürfte "Herr der Ringe" sein.
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Re: Ist der Massengeschmack automatisch schlecht?

Ungelesener Beitrag von Bungle »

Massengeschmack und Bestseller sind nicht unbedingt deckungsgleich. Bestseller sind ein soziales Phänonmen, es sind Bücher über die man spricht, und man kauft und liest Bücher nun mal, auch weil Bekannte und Freunde sie kaufen und lesen - ihr kennt das. Und hier sind es nun sehr viele Leute. Es gibt auch eine ideologische Übereinstimmung, die Ansichten im Buch, direkt oder indirekt geäußert, unterscheiden sich im Bestseller kaum von denen des Lesers. Das ist eine Voraussetzung, die aber vielfältige Facetten hat. Man schaue sich nur die Bestseller "Das Parfüm" oder "Die Frau des Zeitreisenden" an und vergleiche sie mit Bestsellern wie "Vollidiot".

Massengeschmack ist nicht schlecht, stimmt, es gibt viele Werke, die im Stil eher einfach sind, und die deshalb in der Hinsicht keine Barrieren bilden. Stichwort Schwedenkrimis. Ich habe mal einen Wallander-Krimi gelesen, und war erstaunt, wie schlicht der Stil war. Vom einfachen Satzbau bis zum relativ kleinen Wortschatz. Auch der Held ist ein sehr nachvollziehbare Figur, mit dem sich jeder identifizieren kann. Natürlich sind sie auch spannend und genau. Die Masse der Leser liest um unterhalten zu werden, bei der erzählenden Literatur, und auch um emotional bewegt zu werden, nicht um gesitig angeregt zu werden oder um sich geistig anzustrengen. Was nicht heißt, dass das nicht auch passieren kann.
Es gibt Bücher, die sind sehr unterhaltend, manchmal zu unterhaltend, dass viele Leser den "Gehalt" gar nicht so wahrnehmen. :)

MB, der das leichte Gefühl des Deja Lu hat.
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Re: Ist der Massengeschmack automatisch schlecht?

Ungelesener Beitrag von molosovsky »

Wegen "Herr der Ringe".
Da kann man die Unterscheidung zwischen Bestseller und Longseller anbringen.
Bestseller bezeichnet vor allem Bücher, die sich in einem bestimmten Zeitraum sehr gut verkaufen.
Longseller sind Bücher, die sich über lange Zeit stetig verkaufen. Da gibts eine Schnittmenge mit *Klassikern*.

Grüße
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Re: Ist der Massengeschmack automatisch schlecht?

Ungelesener Beitrag von breitsameter »

molosovsky hat geschrieben:Wegen "Herr der Ringe".
Da kann man die Unterscheidung zwischen Bestseller und Longseller anbringen.
Bestseller bezeichnet vor allem Bücher, die sich in einem bestimmten Zeitraum sehr gut verkaufen.
Longseller sind Bücher, die sich über lange Zeit stetig verkaufen. Da gibts eine Schnittmenge mit *Klassikern*.
Wobei auch Bestseller zu Klassikern werden können. Longseller sind einfach Bücher, die auf der Zeitachse betrachtet Bestseller sind. Sie müssen auch einen breiten Geschmack treffen, sind aber weniger dem aktuellen Geschehen verbunden, sondern einem zeitlosen Thema. Das macht Longseller nicht automatisch besser als Bestseller.
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breitsameter
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Re: Ist der Massengeschmack automatisch schlecht?

Ungelesener Beitrag von breitsameter »

Bungle hat geschrieben:Massengeschmack und Bestseller sind nicht unbedingt deckungsgleich. Bestseller sind ein soziales Phänonmen, es sind Bücher über die man spricht, und man kauft und liest Bücher nun mal, auch weil Bekannte und Freunde sie kaufen und lesen - ihr kennt das. Und hier sind es nun sehr viele Leute.
Dem ersten Satz würde ich nicht zustimmen, dem Rest schon: Bestseller sind kaum planbar, sondern meist das Produkt eines Zufalls, verbunden mit dem Glück, daß das Werk vielen unterschiedlichen Lesern etwas bieten kann. Was dieses »etwas« ist, das kann sicher unterschiedlich sein. Es kann ein sehr aktueller Aspekt sein (Schätzing hat da Glück, daß der Roman nochmals Rückenwind durch den Tsunami bekommen hat) oder aber weil einfach die Medien sich auf etwas einschießen und das Werk irgendwann einfach zum Gesprächsthema wird (da hat Frau Roche davon profitiert).
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Ulrich
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Re: Ist der Massengeschmack automatisch schlecht?

Ungelesener Beitrag von Ulrich »

Wenn der Massengeschmack automatisch schlecht ist, widerspricht das dann der "Weisheit der Vielen"? In seinem argumentierte nämlich James Surowiecki, dass die Kumulation von Informationen in Gruppen zu gemeinsamen Gruppenentscheidungen führen, die oft besser sind als Lösungsansätze einzelner Teilnehmer.
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Re: Ist der Massengeschmack automatisch schlecht?

Ungelesener Beitrag von Helge »

Der Massengeschmack ist ganz automatisch durchschnittlich, sonst wäre es nicht der Massengeschmack. Weder besonders schlecht noch besonders gut. Ich habe, zumindest was Filme angeht, recht oft den Eindruck, dass genau die Leute, die sich gern gute Filme anschauen, auch den meisten Spaß an richtig grottigen Arschbomben haben - beides ist für den Durchschnittskonsumenten bäh.
Wenn Bestseller gute Bücher sind (gar nicht selten), dann hat der Autor es geschafft, etwas Gutes so zu schreiben, dass es auch der breiten Masse schmeckt, auch wenn sie Wesentliches vielleicht gar nicht mitbekommt.
Wobei Bücher aber schon fast ein Spezialfall sind, weil die Menschen, die überhaupt Bücher lesen, an sich schon mal eine spezielle Zielgruppe sind, vielleicht sogar schon eine Minderheit.
Ausreichend hochentwickelte Magie ist nicht von Technologie zu unterscheiden.
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Re: Ist der Massengeschmack automatisch schlecht?

Ungelesener Beitrag von Naut »

Die Fähigkeit, Trash und Kunst gleichermaßen zu schätzen, hat mit Reflexion über das Medium und Spezialistentum zu tun. Nur, wenn ich mich mit dem Filmhandwerk auskenne, kann ich wertschätzen, wenn etwas so richtig schief geht oder absichtlich versenkt wird.

Dem Durchschnittsseher sind solche Erwägungen egal. Er ist auf den Effekt aus, am Medium selbst ist er nicht interessiert.
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Re: Ist der Massengeschmack automatisch schlecht?

Ungelesener Beitrag von Ben79 »

Aus meiner Sicht gibt es eigentlich gar nichts, was der Masse schmeckt (außer nach der Zombieapokalypse). Selbst der erfolgreichste Film (Titanic) hat nur ca. 20% der Deutschen ins Kino gelockt (über fast 20 Jahre verteilt). Bei Büchern sieht das natürlich noch viel schlechter aus. Wenn jemand in Deutschland einen Top-Hit landet und 1.000.000 Bücher verkauft, dann ist das gigantisch, aber doch mal gerade etwas mehr als 1% der Bevölkerung.

Es gibt massenweise Massen mit ihrem jeweiligen Geschmack. Ich persönlich schreib einfach was mir gefällt und wenn das 0.001% der Bevölkerung lesen, find ich das super. Wobei ich genau weiß, dass von denen die es lesen, es auch nur die Hälfte wirklich gut finden. Der Geschmak der Masse kann nicht schlecht sein, da er als solcher nicht existiert.
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Re: Ist der Massengeschmack automatisch schlecht?

Ungelesener Beitrag von Lensman »

Ben79 hat geschrieben:... Der Geschmak der Masse kann nicht schlecht sein, da er als solcher nicht existiert.
Wann beginnt "Masse"?

Einschaltquote "RTL Dschungelcamp" 2017 je Folge 6 - 7 Mio. Zuschauer. Das sind mindestens 10 % der fernsehfähigen Bevölkerung in Deutschland.

Lensman :kopfschuettel:
"Und nun, durch zwiefach Glas, sehe ich
Des Bruders dunkelnd Ebenbild.
Jetzt mach' uns frei, an unserer Seite stehe,
den Hammer schwing, o Thor, und leih uns deinen Schild."
Gordon Dickson
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Re: Ist der Massengeschmack automatisch schlecht?

Ungelesener Beitrag von Ben79 »

Und 90% der fernsehfähigen Bevölkerung interessiert es nicht.

Es geht um Werbung. Vermittle den Eindruck viele (alle) machen es, und andere laufen hinterher. Mit einem hinreichend großen Budget, kann jeder noch so blöde Trend als Massenbewegung dargestellt werden.
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Re: Ist der Massengeschmack automatisch schlecht?

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Ben79 hat geschrieben:Aus meiner Sicht gibt es eigentlich gar nichts, was der Masse schmeckt (außer nach der Zombieapokalypse). Selbst der erfolgreichste Film (Titanic) hat nur ca. 20% der Deutschen ins Kino gelockt (über fast 20 Jahre verteilt).
Der läuft immer noch im Kino?

Wieviel Deutsche gabs denn in den Zwanzigjahren? Das sind ja in summa mehr als die üblichen 80 Millionen.

Der Begriff der Masse sollte nicht mit dem Begriff der Mehrheit verwechselt werden. Stell zwanzigtausend Leute auf einen Platz - und dann versuch mal, NICHT zu denken, dass das eine Masse ist.
Ben79
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Re: Ist der Massengeschmack automatisch schlecht?

Ungelesener Beitrag von Ben79 »

Zwanzigtausend Menschen sind nicht viel, wenn der Platz groß genug ist. Denk nur mal an Trumps Vereidigung. Da kamen hunderttausende und trotzdem sah es leer aus.

Je schwammiger der Begriff, desto besser lässt sich darüber diskutieren :)
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Re: Ist der Massengeschmack automatisch schlecht?

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Drüber reden vielleicht. Drüber diskutieren nicht.
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