Legen wir los.
Ich bin schon etwas weiter, deshalb werde ich mal nur auf den Anfang eingehen. Auch wenn es legitim ist, toughe Kerle mit schnoddriger Sprache zu charakterisieren, gehört "Ausgerechnet heute musste es pissen" sicherlich nicht zu den schönsten Eröffnungssätzen der letzten Jahre.
Was sehr positiv ist und vielleicht auch einen Teil des Erfolgs von Markus Heitz erklärt: Das liest sich alles ruckizucki, ich habe in nicht mal 48 Stunden schon über 200 Seiten weggeatmet.
Und das, was negativ ist, obwohl ich mit dem Roman noch nicht richtig warm geworden bin. Das
Worldbuilding sagt mir gar nicht zu. Mit dem Vorwand der menschlichen Kolonisierung des Alls einfach Erdenländer auf Planetengröße aufzublasen, das ist eigentlich Space Opera, wie wir sie 2010 nicht mehr lesen wollen, oder? Arabische Planeten? Russische Planeten? Das geht auch etwas kreativer und einfallsreicher, denke ich. Ich kann da nicht so richtig eintauchen, sowas hält mich konstant außen vor.
Ebenfalls begeistert mich nicht, dass die Nomenklatura dieses Romanuniversums durch ein Übermaß an AKüFi, ungelenken Spitznamen (die Alienrasse Collector mit Collie abzukürzen ist schon ziemlich schmerzinduzierend) und vor allem reichlich Einsatz von Cool-Englisch erzeugt wird. Markus Heitz hat natürlich verstanden, dass man Fans und Leser durch reichlich eigene Nomenklatura sehr wohl gewinnt (nicht anders lief es bei Dune, Star Wars oder Star Trek), vielleicht ist der Rollenspielhintergrund aber da hinderlich, bei welchem man auf dem Brett oder hinter dem Papp-Schirm des Dungeon Masters so wenig Kreativität noch etwas eher verzeiht als in einem Roman. Ferner durchzieht COLLECTOR auch das Perry Rhodan-Syndrom, dass selbst im Jahr 3000 noch sämtliche Bezugsgrößen Anfang des 21. Jahrhunderts angesiedelt sind. Dazu an Euch eine Testfrage: Wie glaubwürdig ist im Jahr 3000 ein 'russischer Planet' mit dem Namen Putin?
Grundsätzlich in Ordnung ist, es ist ja Space und nicht Science Fiction

, dass der technische Hintergrund z.B. von Überlichtweltraumflug durch Handwedeln des Autors erzeugt wird. Da habe ich gar nichts gegen, im Gegenteil. Wie Markus Heitz das hier aber macht, das geht gar nicht. Mit welcher Selbstverständlichkeit er im Roman einfach behauptet, dass die Menschheit zum Bau von Überlichtflug nicht in der Lage sei und deshalb einfach in der Erde in Tempeln und Kultstätten nach Alien-Artefakten(TM) buddelte, und dabei natürlich

auch auf Alien-Antriebe stieß - da fiel mir fast das Buch aus der Hand. Und er legt noch eine Schippe drauf: Die Menschheit fliegt mit diesen Schiffen im All umher, ohne die Antriebe zu verstehen, repaieren oder nachbauen zu können. Ne, ist klar. Als Leser, der schon eine Fahrradgangschaltung nicht versteht und sich deshalb gut ausmalen kann, was passiert, wenn mir die mal im Wald die Grätsch macht, will ich mich einfach standhaft weigern zu glauben, dass Weltraumflug funktionieren soll, wenn man die Schiffe nicht verstehen und repaieren kann. Oh bitte.
Abschließend noch ein Detail: Ich habe mich in diesem Forum und auch im SF-Netzwerk die letzten Jahre immer gegen allzu große Logik-Nitpickerei ausgesprochen und mich häufig auch darüber lustig gemacht. Wenn mir ein dicker Klops aber bereits auf den Romanseiten zwei und drei präsentiert wird, dann ärgere ich mich auch. In der Eröffnungsszene fährt der Held mit einem riesigen futuristischen Truck durch ein ausgetrocknetes Venedig des Jahres 3000nochwas. Auf Romanseite zwei wird behaupet, dass der Held sich kaum/nicht für Geschichte interessiere und Venedig lediglich von dem Plan kenne, den er sich angesehen hätte. Auf Romanseite drei grinst der Held dann, fährt mit seinem Truck durch verlassene, trockene ehemalige Wasserläufe und meint, er wäre der einzige verbliebene Gondoliere noch in Venedig. Wie soll jemand, der sich nicht für Geschichte interessiert, irgend etwas über Gondolieres wissen, ein Beruf, der in COLLECTOR wohl seit Jahrhunderten ausgestorben ist? Wie gesagt, man muss das Suchen nach Logikbugs nicht übertreiben, aber wenn mich sowas gleich auf den ersten 2-3 Seiten anspringt, das nervt ein wenig.
So, genug geschrieben. Ich gebe jetzt mal ein paar Tage hier Ruhe (ggf. reagiere ich nur) und lasse Euch erstmal zum aufholen kommen.
Als ich heute Morgen das Buch zuklappte, stand gerade die erste große Raumschlacht an. Denn mal los!