Seite 1 von 4
der "Gebrüder Strugatzki" Thread
Verfasst: 15. August 2010 15:46
von metropunk
Dieser Thread soll ganz allein Arkadi und Boris Strugatzki gehören - und natürlich ihren Lesern.
Wer von euch liest sie (noch/wieder)?
Was unterscheidet diese Autoren von anderen?
Mit welchem Buch haben sie euch so richtig "drangekriegt"?
Welches Werk hat euch am meisten fasziniert/beschäftigt?
Old School oder unsterblich - passen ihre Werke noch in unsere Zeit?
Ich bin sehr gespannt auf eure Ansichten!
Re: der "Gebrüder Stugatzki" Thread
Verfasst: 15. August 2010 20:08
von Nina
Ich glaube, Picknick am Wegesrand, da sind sich viele einig, dass das ein absolutes Meisterwerk ist. Ich auch!
Dass ich das gelesen habe, ist allerdings schon länger aus. Dafür habe ich diesen Sommer bei einem Freiluftkino endlich mal die Verfilmung (Stalker) gesehen. Natürlich sind Buch und Film zwei verschiedene Medien, das ist klar: Aber der Film ist auch ein Meisterwerk für sich. Man braucht allerdings Muße dafür, sich den nach einem stressigen Tag "so nebenbei", während man noch ein wenig Hausarbeit macht, reinzuziehen, ist natürlich nicht drin. Da muss man sich wirklich einlassen können drauf - das ist glaube ich auch der einzige Film, den ich kenne, in dem im Grunde genommen nur hässliche Schauspieler mitspielen (eine unbedeutende weibliche Nebenrolle mal ausgenommen).
Faszinierend finde ich überhaupt diesen Minimalismus. Seltsame Dialoge und auch nie irgendwas aus "allwissender" Perspektive geschildert. Dazu unglaublich trostlos. Helden oder Schurken in der Form, wie ich sie kenne, sind mir nicht untergekommen.
Weiters kenne ich noch Die Schnecke am Hang. Beeindruckt war ich auch davon, aber ich war auch verwirrt und habe nicht alles verstanden. Allerdings war ich da noch eine Jugendliche. Vielleicht sollte ich das Buch noch mal lesen.
Ob die Werke in unsere Zeit passen? - Ich weiß nicht. Vielleicht passe ich nicht mal selbst in unsere Zeit. Ich denke, bei etwas, das wohl nie ein Massenpublikum wie Biss zum Irgendwas und ähnliche Machwerke angesprochen hat, kann man das nie mit Sicherheit sagen. Ich denke, das ist eher was Langlebiges, das aber dafür aber auch nie reihenweise schmachtender Teenies zur Folge haben wird.
Re: der "Gebrüder Stugatzki" Thread
Verfasst: 16. August 2010 07:20
von Kringel
1: Ich (noch und wieder)
2: Keine Ahnung - Die Ideen? Der Stil? Der Humor?
3: Picknick am Wegesrand
4: Dito
5: Was bitte ist "Old School"? Warum sollten die Werke nicht in unsere Zeit passen?
Re: der "Gebrüder Stugatzki" Thread
Verfasst: 16. August 2010 12:22
von saz
Obwohl ich schon eine ganze Weile Science Fiction lese, war mir irgendwie noch nie etwas von den Strugatzki-Brüdern unter die Finger gekommen - was sich nun dank der Neuauflage der Werke bei Heyne geändert hat. Zur Zeit lese ich gerade
Ein Käfer im Ameisenhaufen. Da ich aber quasi noch ein Strugatzki-Neuling bin, kann ich dir leider nicht viel auf die anderen Fragen Antwort geben, sondern mich nur als Leser outen.

Re: der "Gebrüder Stugatzki" Thread
Verfasst: 16. August 2010 20:08
von heino
Ich habe vor einiger Zeit dank unserer Büchertauschaktion gleich mehrere ihrer Bücher in die Finger bekommen. Das waren Atomvulkan Golkonda (ihr erstes Werk, ziemlich schwach), Picknick am Wegesrand, Ein Gott zu sein ist schwer, Die gierigen Dinge des Jahrhunderts und Hotel zum verunglückten Bergsteiger. Am besten gefielen mir Picknick am Wegeserand und Ein Gott zu sein ist schwer, den ich auch schon vorher als Film gesehen hatte.
Was sie ausmacht, ist sicherlich ihre Sichtweise. Sie haben immer einen sehr pessimistischen Blickwinkel auf die Dinge beibehalten, der Humor ist stets traurig-resignativ und es gibt keine eindeutigen Heldenfiguren. Ganz im Gegenteil könnte man ihre Romanfiguren noch am ehesten mit denen von Philip Dick vergleichen, eben ganz normale Menschen, die in haarsträubende Situationen geraten. Die Romane sind auch meist unterschwellig systemkritisch und für westliche Lesegwohnheiten aufgrund der etwas schwerfälligen Ausdrucksweise russischer Autoren nicht immer leicht konsumierbar.
Aber im Gegensatz zu Hard SF-Autoren wie Asimov oder Clarke passen ihre Romane auch noch gut in die heutige Zeit, weil sie sich in erster Linie mit den Menschen und nicht mit der Technik befassen.
Re: der "Gebrüder Stugatzki" Thread
Verfasst: 17. August 2010 08:11
von deval
Habe noch nie einen Strugatzki gelesen.
Re: der "Gebrüder Stugatzki" Thread
Verfasst: 17. August 2010 10:58
von Doop
"Der ferne Regenbogen" hat mich seinerzeit sehr beeindruckt. Es wundert mich bis heute, dass das Buch an der sowjetischen und DDR-Zensur vorbeikam. Ein paar andere Dinge habe ich auch gelesen (z.B. die "gierigen Dinge"...

), ist aber lange her. Ich habe jetzt den Heyne-Sammelband zu Hause und auch "Das Experiment" und werde mal schauen, ob ich die Strugatzkis bei Gelegenheit wieder lesen werde.
Die Strugatzkis sind Klassiker und als solche weiter von Relevanz.
Re: der "Gebrüder Stugatzki" Thread
Verfasst: 17. August 2010 15:40
von Rusch
Also Picknick am Wegesrand sollte man als Genrefreund gelesen haben. Das Buch gehört einfach zum Pflichtprogramm. Für mich ist es einer der besten SF Romane überhaupt. Die Stimmung dieses Romans ist granios.
Ich habe des weiteren noch Schnecke am Hang und Die dritte Zivilsation gelesen. Ersters war recht gut, letzteres konnte mich nicht so recht überzeugen und ist einfach auch etwas gealtert. Ich denke aber, das ist auch geschmacksache.
Ich habe mir jetzt den ersten Band der Werksausgabe geholt, aber ich zögere noch ein wenig. Hätte jemand Lust auf eine gemeinsame Leserunde?
Re: der "Gebrüder Stugatzki" Thread
Verfasst: 17. August 2010 19:23
von metropunk
Also eure Antworten sind sehr interessant. So viele individuelle Zugänge zu den Strugatzkis, klasse.
Ich finde es nicht selbstverständlich, dass man auch heute noch ihre Bücher liest und mag.
Sehen wir mal vom Picknick ab, das Buch ist wirklich zeitlos und unerreicht, für mich die Quintessenz der Strugatzkischen Frage danach, was auch Kant schon wissen wollte: was ist der Mensch, wo kommt er her, wo geht er hin. Hier halt in Bezug auf das Thema der moralischen Entscheidung, des ethischen Handelns und des Menschseins. Dafür werde ich den Autoren ewig danken, dass sie das immer und immer wieder auf den Prüfstand stellen, und immer leidet der Mensch, und quält sich und immer will er sich verbessern und immer wieder scheitert er, aber immer wieder grandios, grandios.
Überhaupt ist es für mich das tolle an "den Russen" (ist heute noch genauso - finde ich - ob bei bei Lukianenko oder Glukohvsky), dass es immer menschelt, da wird eben auch mal auf 'ner halben Seite beschrieben, wie man Pelmeni macht oder wie die alte Nachbarin die Treppe raufkommt mit der schweren Einkaufstasche und die schmale Rente, dank der Reformen, da wars doch besser für die Babuschka unte rden Kommunisten, was, und es riecht nach Kohl im Hausflur und... Da menschelt es, da muss es einfach menscheln, und wenn Aliens grade die Erde übernehmen: ein Stück Speck und ein ordentlicher Schluck Wodka ist für den Helden und seinen Kumpan immer drin. Als Kind hat mich das nicht so begeistert, da fiel es mir schwer, das zu lesen , da sollte die Action kommen und nicht die Nachbarin auf der Suche nach Zucker, den sie sich leihen kann. Als in der DDR Aufgewachsener hatte ich aber keine große Auswahl bei der SF. Was aus dem Westen gabs so gut wie nicht, dafür (vglw.) viel aus dem Osten. Vieles war davon Müll, einiges toll, manches wirklich wunderbar. Wie eben die Bücher der Strugatzkis. Klar hätte ich mir damals öfters mal was anderes gewünscht zu lesen, aber so war ich halt gezwungen, die wenigen Perlen zu entdecken im Misthaufen.
Mit old school meinte ich, dass es heute um groß angelegte Weltenentwürfe geht, verzwickte Stränge mit grandiosen Zukunftsphantasien, denke ich nur an Hyperiongesänge usw., da ist was die Science Fiction im Wortsinne betrifft doch was ganz anderes als ältere Sachen, wenn man von der Ringwelt mal absieht. Die SF-Stories aus der goldenen Ära liest man heute ja auch als Klassiker und mit eine gewissen Lächeln, ganz gut, eben aus den 30ern, aber kein Vergleich zu heute, da steckte die SF ja noch in den Kinderschuhen...
So könnte es mit den Strugatzkis ja auch sein. Könnte - ist es aber nicht. Ich sehe das wie ihr: sie sind eigen, sie sind auch Philosophen, sie haben zeitlose Inhalte und sind auch heute noch lesenswert. Ich habe am Freitag das "Hotel zum Verunglückten Bergsteiger" bekommen und es Samstag und Sonntag gelesen. Nach ca. 30 Jahren erstmals wieder. Ich war hin und weg, es ist so ein wunderbares Buch. So simpel, so tief, so verrückt, so normal. Ich konnte die Details sehen, die Leute hören, ich war drin und dabei und sehr traurig, als es zu Ende war. Als Jugendlicher fand ich es "irgendwie ganz gut", heute finde ich es exzellent und gerade seine gewisse Antiquiertheit fasziniert mich besonders. Das würde heute keiner verlegen, wenn es ein Manuskript eines Erstautors wäre. Wie schade, wer weiß, was sonst noch alles verlorengeht auf überfüllten Arbeitsplätzen überforderter, Veraufszwängen unterworfener Lektoren.
Ich habe die drei Maxim Kammerer Bücher noch aus DDR-Zeiten im Schrank stehen, ich wäre also gern dabei, wenn eine gemeinsame Leserunde losgeht. Hab sowas noch nie mitgemacht, stelle mir das aber mir gut vor.
Re: der "Gebrüder Stugatzki" Thread
Verfasst: 17. August 2010 19:31
von L.N. Muhr
Du wirfst da Dinge zusammen, die nicht zusammengehören. Einerseits die "großen Weltentwürfe", die seit Asimov und was weiß ich Bestandteil der SF sind. Andererseits die Social Fiction, die seit Gold betrieben wird und zu der auch die Strugatzkis größtenteils gehören.
Beides schließt einander nicht aus, und die eskapistischen "Weltentwürfe" waren schon immer marktdominanter.
Darüber hinaus verirrt sich deine Aussage ein wenig in der eigenen Argumentation - oder kurz: ich kann ihr nicht richtig folgen, weil sie relativ ziellos vor sich hin mäandert. "Sehen wir mal vom Picknick ab," --- dann? Was passiert denn, wenn wir mal davon absehen?
Außerdem beschreibst du doch im Endeffekt Russenklischees. Das ist kein Menscheln, das ist Kitsch - den ich bei den Strugatzkis aber nie finde. So verschieden kann die Wahrnehmung sein.

Re: der "Gebrüder Stugatzki" Thread
Verfasst: 17. August 2010 19:45
von heino
Doop hat geschrieben:Ich habe jetzt den Heyne-Sammelband zu Hause und auch "Das Experiment" und werde mal schauen, ob ich die Strugatzkis bei Gelegenheit wieder lesen werde.
Den Roman hatte ich mal in der Hand und wenn ich mich recht entsinne, klang der Klappentext sehr danach, als wäre das Buch die inoffizielle Vorlage zu Dark City. Wenn du das gelesen hast, würde mich deine Meinung sehr interessieren.
Re: der "Gebrüder Stugatzki" Thread
Verfasst: 17. August 2010 19:58
von metropunk
L.N. Muhr hat geschrieben:Du wirfst da Dinge zusammen, die nicht zusammengehören. Einerseits die "großen Weltentwürfe", die seit Asimov und was weiß ich Bestandteil der SF sind. Andererseits die Social Fiction, die seit Gold betrieben wird und zu der auch die Strugatzkis größtenteils gehören."
Nun, das ist dann halt deine Rekonstruktion von science und social. Ich halte es da lieber mit Karlheinz Steinmüller und nenne das Strugatzkische Werk "social SF".
L.N. Muhr hat geschrieben:Darüber hinaus verirrt sich deine Aussage ein wenig in der eigenen Argumentation - oder kurz: ich kann ihr nicht richtig folgen, weil sie relativ ziellos vor sich hin mäandert. "Sehen wir mal vom Picknick ab," --- dann? Was passiert denn, wenn wir mal davon absehen?

Ja, Unglückliche Zeilenumbrüche können schon verwirren, da hast du Recht.
Also für dich nochmal ohne:
"Ich finde es nicht selbstverständlich, dass man auch heute noch ihre Bücher liest und mag. Sehen wir mal vom Picknick ab, das Buch ist wirklich zeitlos und unerreicht [...]"
Und bitte sage mir (der du dich nun zum Kritiker der literarischen Qualität meines Beitrag berufen fühlst): ist es hier üblich, den Mäandrigkeitsgrad eines leicht dahingeworfenen Postings zu beurteilen? Wenn ja, so müsste ich der Gerechtigkeit halber dem Galimathias in deinen Worten nachsprüfen...
L.N. Muhr hat geschrieben: Außerdem beschreibst du doch im Endeffekt Russenklischees. Das ist kein Menscheln, das ist Kitsch - den ich bei den Strugatzkis aber nie finde. So verschieden kann die Wahrnehmung sein.

Der letzte Teil ist wahr gesprochen, wenn auch trivial. Über Russenklischees jedoch weiß ich nichts zu sagen.
Re: der "Gebrüder Stugatzki" Thread
Verfasst: 17. August 2010 20:05
von Rusch
metropunk hat geschrieben:L.N. Muhr hat geschrieben: Außerdem beschreibst du doch im Endeffekt Russenklischees. Das ist kein Menscheln, das ist Kitsch - den ich bei den Strugatzkis aber nie finde. So verschieden kann die Wahrnehmung sein.

Der letzte Teil ist wahr gesprochen, wenn auch trivial. Über Russenklischees jedoch weiß ich nichts zu sagen.
Klischees müssen ja nicht unbedingt falsch sein. Ich habe diese Seiten der Lukianenko Roman im gemocht. Bei den Strugatzkis findet man diese Sachen allerdings in der Tat seltener, auch wenn Dialoge und Alltagshandlungen durchaus eine Rolle spielen.
Re: der "Gebrüder Strugatzki" Thread
Verfasst: 17. August 2010 20:49
von breitsameter
Rusch hat geschrieben:Ich habe mir jetzt den ersten Band der Werksausgabe geholt, aber ich zögere noch ein wenig. Hätte jemand Lust auf eine gemeinsame Leserunde?
Da ich noch gar nichts von den Gebrüdern Strugatzki gelesen habe, wäre ich da auch dabei. Aber welcher Roman bietet sich dafür an?
Zur Zeitplanung dann bitte mehr in diesem Thread schreiben:
http://forum.sf-fan.de/viewtopic.php?f=17&t=4871
Re: der "Gebrüder Stugatzki" Thread
Verfasst: 18. August 2010 11:50
von Doop
metropunk hat geschrieben:
Und bitte sage mir (der du dich nun zum Kritiker der literarischen Qualität meines Beitrag berufen fühlst): ist es hier üblich, den Mäandrigkeitsgrad eines leicht dahingeworfenen Postings zu beurteilen? Wenn ja, so müsste ich der Gerechtigkeit halber dem Galimathias in deinen Worten nachsprüfen...
Der L.N. ist Berufskritiker, und wenn Du alte Beiträge liest, dann wirst Du feststellen, dass er auch hier oft nicht aus seiner Haut kann.

Seine Beiträge sind manchmal etwas harsch, aber oft ganz interessant. Auch wenn man mit ihm nicht immer einer Meinung ist.
@Ellen: Nicht schon wieder Newbies vergraulen...
An das "Picknick" (damals als "Romanzeitung" gelesen) habe ich nur noch sehr dunkle erinnerungen. Es war ausgesprochen seltsam, merkwürdig, das weiß ich noch. Und dass es mir gefallen hat, das weiß ich auch noch.
@heino: "Das Experiment" liegt leider seit Jahren auf dem Stapel zu lesender Bücher...