Andreas Eschbach hat geschrieben:Das ist im Grunde nicht schwer zu verstehen. Ich hab mich während der Niederschrift dieses Romans ein Jahr lang mit Schicksalen befasst von Leuten, die wegen einem Euro, zwanzig Cent oder gar nichts niedergestochen, zu Krüppeln oder zu Tode geprügelt worden sind, von Fällen, in denen diejenigen, die ihnen das angetan haben, mit minimalsten Gefängnis-, Bewährungsstrafen oder Freispruch davongekommen sind, von Leuten, die Geldstrafen bekommen haben oder ins Gefängnis gekommen sind dafür, dass sie sich gegen solche Angriffe verteidigt (und dabei einen ihrer Angreifer verletzt) haben, und getan, was ich konnte, um meine Fassungslosigkeit in Romanform zu bringen ... und sehe plötzlich einen Comic, der für mich aussieht wie ein Denkmal für einen Serienmörder: Für mein Gefühl habe ich mich da noch sehr zurückgehalten.
Ich arbeite seit 1997 mit Vorurteilen wie deinen (ich würde nicht behaupten, dagegen anzuarbeiten, das wäre eine Augiasarbeit), und musste mich auch sehr zurückhalten angesichts der Art, wie du - mit der Meinung nicht greifbarer anderer arbeitend - argumentiert hast.
Was lehrt uns das?
Emotionen und erste Eindrücke sind weder alles noch zwingend richtig.
Vielleicht sind Vorurteile sogar doof. Kann ja sein?
Und jedes Buch, das wir ungelesen liegen lassen, haben wir nach dem äußeren Eindruck beurteilt, nicht wahr?
Ich wußte ja, dass das Argument kommt. Ich versuchs mal mit einem Beispiel:
Ich gehe in ein Restaurant essen, irgendwas exotisches, von dem ich noch nie gehört habe. Auf der Karte stehen 15 Vor- und 20 Hauptspeisen sowie 50 Getränke. Fremde Namen und Begriffe, netterweise hat der Besitzer immerhin ein paar der Zutaten ("Katoffeln, Reiz") unten drunter entschlüsselt.
Ich entscheide mich für ein Getränk, eine Hauptspeise, keine Vorspeise.
Habe ich mich nun gegen alle 83 übrigen Dinge auf der Karte entschieden?
Nein.
Sicher gibt es Speisen, gegen die ich mich entschieden habe. Ich mag keinen "Reiz", also sondere ich alles damit aus.
Aber dann gibt es Sachen, die mich durchaus absprechen. Ich habe aber nur einen Magen und nur eine Mittagspause und will nur was essen. Gegen die Vorspeise z.B. entscheide ich mich, weil ich nicht sooo hungrig bin - ich überblättere den Teil der Karte. Und ein paar der Hauptspeisen klingen toll, aber andere noch toller.
Was also mache ich da grade?
Ich entscheide mich nicht "gegen" die Sache, sondern ich definiere mein
Verhältnis zu ihr. Ich beurteile nicht das Essen, sondern ich beurteile lediglich mein
Verhältnis zum Angebot. Nicht das Essen selbst wird beurteilt, sondern das, was es meinem Eindruck nach
sein könnte. Und ich lehne es auch nicht in jedem Fall ab - ich entscheide mich nur nicht dafür. Die Vorspeisen, die ich überblättert habe, sind nichtmal Bestandteil meines Entscheidungsprozeßes.
Hier einfach von einer "Entscheidung gegen" zu sprechen, wird der Sache nicht gerecht. Ich habe mich auch nicht "gegen" alle anderen Frauen entschieden, nur weil ich mich für meine Frau entschieden habe.