Da ich hier die meisten Beiträge verfasst habe und entschiedene Gegenmeinungen von Torsten Dewi und Breitsameter kommen, möchte ich noch etwas schreiben.
Futurologie, Zukunftsforschung und Technikvorausschau sind voneinander zu unterscheiden.
Die Zukunftsforschung beschäftigt sich mit der Zukunft als solche und ist nicht eingegrenzt. Die Technikvorausschau (Foresight) deckt nur einen kleinen der Zukunftsforschung ab und antizipiert Entwicklungen lediglich im Bereich der Wissenschaft und Technik sowie daraus herzuleitende Konsequenzen für die Gegenwart, Praxis-Beispiele sind die Delphi-Studien (mehrfache Expertenbefragungen) oder der jetzige Futur-Prozess der Bundesregierung.
Die Beteiligten an Vorausschau-Programmen erheben nicht den Anspruch umfassenden Wissens über die Zukunft.
„(...)Die Zukunft lässt sich zwar nicht voraussehen, aber die Chancen und Risiken lassen sich abschätzen, und die Bandbreite zukünftiger Entwicklungen lässt sich in einem kontinuierlichen Prozess in realistische Szenarien fassen, die Hinweise auf erwünschte und unerwünschte Entwicklungen und auf politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Steuerungsmöglichkeiten geben, um eine nachhaltige Entwicklung zu ermöglichen.
Vorausschau ist ein Instrument.
(...) „Die Zukunft“ kennt niemand. Vorausschau wird daher immer nur Annäherungen bereitstellen, damit sich die einzelnen Akteure auf die verschiedenen Zukünfte vorbereiten bzw. diese aktiv gestalten können. Die aktive Antizipation bewirkt daher in einigen Fällen sich selbst erfüllende oder sich selbst zerstörende Prophezeiungen.(...)
Kerstin Cuhls, Wie kann ein Foresight-Prozess in Deutschland organisiert werden?, 2000
breitsameter hat geschrieben:Ulrich hat geschrieben:Zukunftsforschung und Science Fiction sind unterschiedlich. Dennoch sind häufig Überschneidungen feststellbar. Bei Futur, dem deutschen Forschungsdialog, sind Szenarien zu finden, wie wichtig befundene Innovationen in der Zukunft einsetzbar sind.
http://www.futur.de
Tatsache ist, daß die Zukunftsforschung nichts anderes darstellt, als einen Mischmasch aus statistischer Hochrechnung und Astrologie im modernen Gewand. Praktisch keine der vorhergesagten Entwicklungen ist eingetreten - weder im kleinen, noch im großen. Die Futurologie ist ein Betrug am Kunden: das Versprechen etwas vorhersagen zu können, das man nicht vorhersagen kann.
Von 530 ausgewerteten Thesen des ersten japanischen Delphi-Berichts aus dem Jahr 1971 sind bis 1991: 147 realisiert, 193 zum Teil realisiert, 190 nicht realisiert.
Kerstin Cuhls, Technikvorausschau in Japan, Ein Rückblick auf 30 Jahre Delphi-Expertenbefragungen, Heidelberg 1998, S. 203
190 Thesen von 530 sind innerhalb von 20 Jahren nicht realisiert worden, das sind immerhin 36 Prozent. Dennoch gibt es richtige "Vorhersagen". Zu beachten ist, dass im Nachhinein immer nur von den bestätigten Vorhersagen gesprochen wird. Die große Menge an falschen Prognosen wird vergessen.
Ich denke, dass dahinter mehr steckt als ein „Mischmasch aus statistischer Hochrechnung und Astrologie im modernen Gewand.“ Wenn auch nicht im großen Rahmen der Zukunftsforschung, sind Expertenbefragungen in Form von Delphi-Studien oder Szenarien in der unternehmerischen Planung vorhanden. In der Vergangenheit gab es Kritik an der Zukunftsforschung, weil sie plötzlich eintretende Ereignisse wie die Ölkrise von 1973 nicht hatten vorhersehen können.
Die Futurologie vermischt Prognose- und Planungsaspekte mit utopischen Vorstellungen. Der Begriff der Futurologie wird heute nicht mehr benutzt, weil kaum ein Wissenschaftler mehr einen so hohen Anspruch an sich stellt.
Die Vorhersagekraft staatlicher Technikvorausschau oder sogar die generelle Zukunftsforschung ist skeptisch zu beurteilen, weil vor allem die Marktakteure die Informationen über gewünschte Innovationen haben, also welche Produkte gebraucht werden. Der Staat maßt sich Wissen an, wenn er meint es besser zu können („Anmaßung von Wissen“, F. A. von Hayek). Vielleicht sind staatliche Vorausschauprogramme eine Art von gefördertem Lobbyismus. Und man sollte sich ohnehin nie einseitig auf Zukunftsaussagen verlassen.
Vorausschau-Aktivitäten können durchaus sinnvoll sein, insbesondere in Zusammenhang mit Technikfolgenabschätzung. Diese Technikbewertung schätzt die Entwicklungsmöglichkeiten ein und verdeutlicht mögliche Folgen der Technik.