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Zum Werk von A. Lee Martinez

Verfasst: 15. Oktober 2014 20:04
von Ming der Grausame
Wie bereits angekündigt nun ein paar abschließende Worte zu A. Lee Martinez.
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Fangen wir am Besten gleich mit der literarischen Verortung an. Was aber gar nicht so einfach ist, weil er als Autor für Horror einfach zu vergnüglich, für Fantasy zu rational-technisch ableitbar und für Science-Fiction einfach viel zu ausgeflippt ist. So werden atheistische Vampire nicht von Kruzifixen tangiert, wohl aber von Knoblauch. Hexen haben zwar keine rationale Erklärung für Magie, aber nur weil sie sich nie die Mühe gemacht haben danach zu suchen. Zauberer und Hexenmeister dagegen könnten Magie wissenschaftlich ableiten, sind aber viel zu egomanisch, um es wirklich vollständig und für jeden zugänglich zu machen – da könnte ja jeder dahergelaufener zum Zauberer werden. Lebende Götter andererseits sind ziemlich mächtig, aber da sie allesamt unsterblich sind, sind Kämpfe zwischen Götter in der Regel ziemlich nutzlos und für das jeweilige Universum ziemlich gefährlich. Also hat man es als lebender Gott auch nicht leicht. Wie man sieht, menschelt es bei A. Lee Martinez ziemlich arg. Selbst seine für Mord und Zerstörung ausgelegte Roboter können infolge eines Bugs einen freien Willen bekommen, wodurch sie für Mord und Zerstörung ziemlich unbrauchbar werden, mangels Mord und Zerstörung aber auch nicht sonderlich glücklich sind. Sogar auf die Technik ist also nicht wirklich verlass und egal wie man es macht, es ist immer falsch.
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Würde man mit obiger Beschreibung aber A. Lee Martinez gerecht werden? Selbstverständlich nicht! A. Lee Martinez erzählt zwar rein formal-dramaturgisch immer dieselbe Geschichte, aber das ist bei Schemaliteratur eher die Regel als die Ausnahme. Das Szenario wird von Roman zu Roman etwas variiert, ebenso die Konfiguration der Figuren, aber die narrative Struktur ist immer kongruent. Das stört aber ganz und gar nicht, da Martinez das normative Gattungsschema in der Regel durch Esprit und Kreativität auszugleichen vermag. Nur beim Der automatische Detektiv konnte er damit nicht wie gewohnt glänzen, wodurch das Ganze zumindest für mich doch etwas absehbar wurde. Aber deswegen ist Der automatische Detektiv nicht schlecht, sondern lediglich das schwächste Werk seines Œuvres. Dass er auch exzellente Science-Fiction schreiben kann, kann man an Terror der Tentakel sehen, wo er die normativen Subgenre-Schemata so überspitzt, dass man total geplättet davon ist, obwohl vollkommen klar ist, wie das Ganze ausgehen wird. Man ist aber so absolut perplex über die Wirrungen und Windungen des Plots, dass man nur noch wissen will, wie das Ganze überhaupt aufgedröselt werden soll.

Kann ich das Werk von A. Lee Martinez also weiterempfehlen? Zweifellos. Sie sind allesamt reine Pageturner, handeln immerzu von geradezu amoralische Antihelden, die durch die Widrigkeiten des Lebens in eine einzigartige Position laviert werden, wodurch sie zum Heroismus gezwungen sind, wodurch man aus dem Breitgrinsen gar nicht rauskommt.

Re: Zum Werk von A. Lee Martinez

Verfasst: 15. Oktober 2014 20:24
von a3kHH
Ich kenne den Autor noch gar nicht. Habe ich Dich richtig verstanden : Trvial, kein großer Tiefgang, aber höchst amüsant?

Re: Zum Werk von A. Lee Martinez

Verfasst: 15. Oktober 2014 20:35
von Ming der Grausame
Nein, so kann man es wirklich nicht zusammenfassen. Nur, weil es Schemaliteratur ist, ist es keinesfalls trivial. Und ich würde A. Lee Martinez Œuvre keinesfalls keinen Tiefgang attestieren. Das Ganze hat Hand und Fuß und man merkt, dass er mehr als nur einen Gedanken daran investiert hat. Aber es steht nicht in den Vordergrund und wer sich darüber keine Gedanken machen will, muss sich auch keine machen. Wer es jedoch doch tut, kommt sogar auf recht tiefsinnige Schlussfolgerungen. Aber amüsant ist es definitiv.

Re: Zum Werk von A. Lee Martinez

Verfasst: 16. Oktober 2014 14:02
von Knochenmann
a3kHH hat geschrieben:Ich kenne den Autor noch gar nicht. Habe ich Dich richtig verstanden : Trvial, kein großer Tiefgang, aber höchst amüsant?
Schwer zu beschreiben.

Wenn ich den Stiel von Martinez beschreiben müsste, dann kämen mit Vokabel wie "simplifiziert, einfach oder runtergebrochen" in den Sinn.. obwohl das alles irgendwie nicht passt. Unaufgeregt tifft es vielleicht besser bzw: auch nicht. Martine geht bei seinen Romen oft einfach Wege, aber eben um eine interresante Geschichte zu erzählen.

Re: Zum Werk von A. Lee Martinez

Verfasst: 16. Oktober 2014 14:31
von Pogopuschel
"Diner des Grauens" fand ich ganz nett und witzig, den Humor aber schon recht simpel gestrickt.

Re: Zum Werk von A. Lee Martinez

Verfasst: 16. Oktober 2014 16:28
von Ming der Grausame
Knochenmann hat geschrieben:Wenn ich den Stiel von Martinez beschreiben müsste, dann kämen mit Vokabel wie "simplifiziert, einfach oder runtergebrochen" in den Sinn.. obwohl das alles irgendwie nicht passt.
Yep! Ich zumindest kenne nicht viele Fantasy-Romane, wo en passant über Kosmologie und Parallelwelten philosophiert wird – allerdings muss ich auch zugeben, dass ich nicht wirklich allzu viele Fantasy-Romane gelesen habe. Natürlich handelte es sich dabei eher um Kosmologie für Eilige, aber immerhin...

Re: Zum Werk von A. Lee Martinez

Verfasst: 16. Oktober 2014 16:37
von Doop
Ming der Grausame hat geschrieben:
Ich zumindest kenne nicht viele Fantasy-Romane, wo en passant über Kosmologie und Parallelwelten philosophiert wird – allerdings muss ich auch zugeben, dass ich nicht wirklich allzu viele Fantasy-Romane gelesen habe. [/quote]

Philip Pullmans "His Dark Materials"-Trilogie! :prima:

Re: Zum Werk von A. Lee Martinez

Verfasst: 23. Oktober 2014 16:01
von Stefanie
Pogopuschel hat geschrieben:"Diner des Grauens" fand ich ganz nett und witzig, den Humor aber schon recht simpel gestrickt.
Genau. Las sich fluffig weg, hat das Hirn nicht unnötig angestrengt, wird in größeren Dosen aber langweilig.