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"Mars One" – Meilenstein oder Abzocke?
Verfasst: 2. November 2014 18:27
von Andreas Eschbach
Haben wir hier eigentlich schon irgendwo mal dieses ominöse
"Mars One"-Projekt diskutiert? (Wenn ja, sorry, dann hab ich's nicht gefunden.)
Die
Liste der Unterstützer liest sich lang und beeindruckend.
Die
"Roadmap" könnte aus einem guten SF-Roman stammen.
Man liest das und spürt den "sense of wonder" tickeln.
Aber: Irritierend finde ich, dass so getan wird, als seien alle technischen Probleme eines solchen Unternehmens bereits gelöst, was meines Erachtens bei weitem nicht der Fall ist (das
sagt auch Professor. Ulrich Walter). So hat z.B. bis jetzt noch kein abgeschlossenes Habitat jemals lange Zeit wirklich funktioniert - nicht unwichtig für eine "Mars-Besiedelung".
Verblüffend finde ich auch die mit 6 Mrd. Dollar vergleichsweise niedrigen Kosten (zur Zeit der Apollo-Mondflüge hat man für eine Mission zum Mars 400 Mrd. Dollar veranschlagt - und das war der Dollar von vor 40 Jahren!).
Ist das Ganze nicht nur Show und Abzockerei? Jeder Kandidat musste eine Startgebühr zahlen, habe ich gehört; bei 200.000 Bewerbungen kommt da schon mal ein nettes Sümmchen zusammen. Dann kann man ein paar Jahre mit allerlei fernseh- und werbewirksamen Casting/Big Brother/sonstigen Shows verbringen … und am Schluss alles absagen. (Oder, schlimmer: die Leute wirklich zum Mars schießen und quotenträchtig übertragen, wie sie nach und nach draufgehen.)
So kann man die bemannte Raumfahrt auch in Verruf bringen …
Re: "Mars One" – Meilenstein oder Abzocke?
Verfasst: 3. November 2014 21:55
von Jorge
Der Marsch der Idioten http://en.wikipedia.org/wiki/The_Marching_Morons wird Realität...nur hier bezahlen selbige auch noch Geld dafür, um sich umbringen zu lassen

.
Re: "Mars One" – Meilenstein oder Abzocke?
Verfasst: 3. November 2014 22:40
von Teddy
Wenn man die Berichte von Herrn Walter oder der MIT-Gruppe liest, wird einem bestätigt, was man eigentlich selbst auch schon wusste. Solch eine Mission birgt so viele Ungewissheiten und Gefahren, dass die Lebenserwartung der Teilnehmer nicht besonders hoch sein kann. Das Risiko der Raumfahrt ist nach wie vor hoch, wie zuletzt die Explosion der Antares-Rakete und der Absturz von SpaceShipTwo gezeigt haben oder - schon etwas länger her - der Verlust der beiden Space-Shuttle.
Ich habe das Gefühl, da hockt ein Haufen Träumer zusammen, denen bei den ersten Schwierigkeiten das Geld ausgehen wird, was für die potenziellen Möchtegern-Astronauten wohl das Beste ist.
Die veranschlagten Kosten sind einfach lächerlich. Ich weiß nicht, wie das in Holland ist, aber in Deutschland bekommt man für 6 Mrd. Dollar wahlweise 6 Opernhäuser oder einen Großflughafen. (Für einen Tiefbahnhof reicht es schon nicht mehr.)
Ich habe mal eine Detailfrage zu der Kritik der MIT-Gruppe an der Sauerstoffversorgung. Dort wird behauptet, dass die Pflanzen auf dem Mars schon nach kurzer Zeit zu viel Sauerstoff produzieren, sodass ein sicheres Sauerstoff-Stickstoff-Verhältnis nicht mehr gegeben wäre. Aber die Pflanzen produzieren doch nur soviel Sauerstoff, wie CO2 vorhanden ist. Der dabei umgesetzte Kohlenstoff muss letztendlich wieder in CO2 umgewandelt werden, das den produzierten Sauerstoff wieder aufnimmt. Produzieren die Pflanzen schon zuviel Sauerstoff bevor sich ein Gleichgewicht einstellt? Und woher kommt dann das ganze CO2?
Re: "Mars One" – Meilenstein oder Abzocke?
Verfasst: 4. November 2014 15:10
von Bully
Aus der Marsatmosphäre?
Spontan gesagt.
Re: "Mars One" – Meilenstein oder Abzocke?
Verfasst: 4. November 2014 15:35
von Pogopuschel
Die Sauerstoffversorgung war doch auch immer das Hauptproblem, an dem alle bisherigen Biosphäre-Projekte gescheitert sind. Eben, weil die Pflanzen nicht genug Sauerstoff produzieren konnten.
Re: "Mars One" – Meilenstein oder Abzocke?
Verfasst: 4. November 2014 18:00
von Andreas Eschbach
Ich hab mal die Geschichte der "Biosphere II"-Projekte gelesen. Ohne mich jetzt an Details zu erinnern, weiß ich, dass ich es beeindruckend fand, was alles schief gehen kann in einem ökologischen System. Sauerstoff ist da nur einer von vielen Punkten.
Re: "Mars One" – Meilenstein oder Abzocke?
Verfasst: 4. November 2014 21:09
von Teddy
Bully hat geschrieben:Aus der Marsatmosphäre?
Spontan gesagt.
Ja, du hast recht. Die Marsatmosphäre besteht aus CO2. Davon hat man also genug.
Pogopuschel hat geschrieben:Die Sauerstoffversorgung war doch auch immer das Hauptproblem, an dem alle bisherigen Biosphäre-Projekte gescheitert sind. Eben, weil die Pflanzen nicht genug Sauerstoff produzieren konnten.
Der Kritikpunkt geht aber in die entgegengesetzte Richtung: Die Pflanzen, die man benötigt, um die notwendigen Lebensmittel zu erzeugen, produzieren soviel Sauerstoff, dass die Sauerstoff-Konzentration schon noch kurzer Zeit gefährliche Werte annehmen wird. Verdünnen mit Stickstoff geht nicht, da der nicht verfügbar ist, und abtrennen geht auch nicht. Mit CO2 verdünnen wird wohl recht schnell giftig für Menschen.
Re: "Mars One" – Meilenstein oder Abzocke?
Verfasst: 5. November 2014 16:13
von Andreas Eschbach
Finanziert werden soll es ja wohl durch TV-Übertragungen und Lizenzerlöse dafür. "Big Brother In Space", quasi.
Davon merkt man bis jetzt wenig. Aber: Wenn es denen gelänge, das Thema über längere Zeit in den Medien interessant zu halten - könnte das nicht durchaus etwas verändern? Ideen auslösen? Fragen aufwerfen?
Re: "Mars One" – Meilenstein oder Abzocke?
Verfasst: 5. November 2014 18:11
von upanishad
Ich finde es befremdlich - habe da mal eine Reportage zu gesehen und es so verstanden, das keine Rückkehrmöglichkeit besteht und auch keine dauerhafte Kolonisierung geplant ist, sondern: Hinfliegen, Lebensabend (wie lange auch immer der sein mag) dort verbringen, Finale.
Erschließt sich mir nicht, aber das geht mir bei Bauer sucht Frau, big brother und co genau so und dort gehört es m.E. thematisch hin.
Von den technischen Problemen wie einer dauerhaften Biosphäre-Erhaltung und den psychischen Folgen für die Teilnehmer möchte ich gar nicht erst sprechen. So faszinierend der Ansatz einer Aussenweltkolonie ist, so grundverkehrt ist meines Erachtens der Hintergrund dieses Plans - nämlich Entertainment. Nein, danke.
Re: "Mars One" – Meilenstein oder Abzocke?
Verfasst: 5. November 2014 18:46
von Doop
Aus meiner Sicht ein vollkommen unseriöses Vorhaben, bei dem es mich wundern sollte, wenn nicht innerhalb der nächsten paar Jahre einige der Initiatoren per Haftbefehl gesucht werden. Wenn das Unternehmen pleite ist und sich alle fragen, wo eigentlich das Geld geblieben ist.
Re: "Mars One" – Meilenstein oder Abzocke?
Verfasst: 11. Dezember 2014 16:35
von Ulrich
Ob es bereits Umweltschützer gibt, die den Mars vor solchen Abenteurern retten wollen? Und wie sieht es mit Recycling dort aus? Vermutlich gibt es keins.
Ich denke, dass (falls die überhaupt jemals dahin kommen) elendig sterben werden.
Re: "Mars One" – Meilenstein oder Abzocke?
Verfasst: 19. Februar 2015 14:52
von Gast09
SPON interviewt einen der Kandidaten aus der 100-Short-List.
Mein Eindruck:
Das kann nichts werden. Ich denke an "Operation Ganymed" und vermute, dass das hier ähnlich ablaufen wird. Das anfängliche Medieninteresse wird nach wenigen Wochen erlahmen, die Berichterstattung rückt immer weiter in den Hintergrund und geht alsbald gegen Null. Dies kann zwar durch die ein oder andere künstliche Sequenz verzögert werden (bei BigBrother macht man das ja auch so), aber egal wie professionell das betrieben wird, um z.B. Werbeeinnahmen zu generieren: Es geht hier um Jahre oder gar Jahrzehnte auf dem Mars, je nachdem wie die Versorgung geregelt sein wird.
Die 25 Leute werden sich gegenseitig umbringen oder in den kollektiven Wahnsinn abgleiten.
Hier der Beitrag:
http://www.spiegel.de/unispiegel/wunder ... 18771.html
Gast09
Re: "Mars One" – Meilenstein oder Abzocke?
Verfasst: 21. Februar 2015 16:32
von Helge
Ich wünsche mir natürlich, dass das funktioniert, aber der Zeitplan sieht mir schon SEHR optimistisch aus dafür, dass man sehr wenig Geld zur Verfügung hat. Die ersten beiden unbemannten Flüge sollen ja in 5 und 7 Jahren schon stattfinden!
Was das Problem einer abgeschlossenen Biosphäre angeht, übersieht dabei fast jeder eine wesentliche Vereinfachung in der Mars-Realität: Das Habitat ist nicht komplett abgeschlossen, sondern man kann sowohl Rohstoffe von draußen hereinholen als auch Abfallstoffe herausschaffen.
Re: "Mars One" – Meilenstein oder Abzocke?
Verfasst: 22. Februar 2015 17:22
von Bully
Ach, "machbar" im Sinne von "technisch umsetzbar" ist das sicherlich. Aber ich würde mit so etwas warten, bis mindestens eine dauerhafte Mondsiedlung etabliert wurde, und man nicht nur die theoretischen Probleme solcher Stationen kennt, sondern auch die praktischen*, und außerdem beide Sorten von Problemen nicht nur theoretisch, sondern auch praktikabel lösen kann.
Und ganz ehrlich: irgendwohin auswandern im Wissen, dass man nicht aus der Welt ist, und man notfalls auch wieder heimkehren kann, ist was völlig anderes als DAS.
*Z.B.: die Sommer in Manhattan sind so warm, wie man sich das als mitteleuropäischer Migrant das vorstellt von einem Ort, der in den Breiten von Spanien und Italien liegt. Die Winter sind aber deutlich kälter als gedacht, so dass die ersten Europäischen Siedler in Neuholland zu wenig Brennholz hatten. (Eigentlich sind die Winter und Sommer im heutigen New York _normal_ für den Breitengrad und Meeresnähe, und Europa ist wettertechnisch viel zu verwöhnt, aber davon mal ab.)
Jedenfalls wird es solche Fehler auch bei wissenschaftlich besser betreuten Expeditionen der Zukunft geben, da bin ich mir recht sicher - wie selbsterhaltungstrieblos muss man für so eine Expedition dann sein?
Re: "Mars One" – Meilenstein oder Abzocke?
Verfasst: 22. Februar 2015 17:26
von Bully
Achja, eine Sache, die die Medienaufmerksamkeit wohl regelmäßig erneuern könnte, wäre der Tod eines der Siedler. Die Männer und Frauen in Neuholland hatten den Plan, ihren Lebensunterhalt mit Landwirtschaft und Handel zu sichern, nicht mit Mitleid und medialem Interesse. Ersteres scheint mir doch nachhaltiger und zuverlässiger zu sein.