"Andymon" - Geniestreich aus den letzten Tagen der DDR
Verfasst: 25. Juni 2017 15:34
Vor einigen Tagen habe ich erneut ein Buch gelesen das mich schon Anfang der 90'er außerordentlich beeindruckt hat. Es handelt sich um "Andymon", das Erstlingswerk des Autorenehepaars Angela und Karlheinz Steinmüller. Veröffentlich wurde das Buch 1982 in der - noch existierenden - DDR. Während das saturierte Westdeutschland die Welt mit seinem seichten Exportschlager Perry Rhodan flutete gelang den beiden im abgeriegelten Teil Deutschlands ein echtes Meisterstück. War es die Kreativität der Eingeschlossenen, eine glückliche Hand bei der Themenwahl oder beides?
Erzählt wird die Reise einer von Robotern bewirtschafteten Lebesarche zum Endziel, dem Kolonialplaneten Andymon. Das Schiff beherbergt mehrere Generationen von Invitro - Kindern deren Versorgung und - mitunter anstrengende - Erziehung der Bordcomputer und sogenannte "Guros" übernehmen. Schon diese Schilderungen, die in einer flüssigen und sehr klaren Sprache erfolgen sind reizvoll. Die "ausgebrüteten" Kinder fügen sich schnell in die Gruppendisziplin ein und gehen - alles in allem - recht friedvoll miteinander um. Zumindest solange der Schiffscomputer noch das Heft in der Hand hat. Viele Kapitel beschreiben das kurzweilige Leben in dem Generationenschiff, dem mit der Zeit jedoch der spielerische Ernst abhanden kommt. Die Protagonisten werden erwachsen und Andymon - das große Ziel der Reise - kommt in Sichtweite. Die Besiedelung dieses unwirtlichen Planeten stellt die nächste Herausforderung dar und erstmals treten massive Zweifel und Autoritätskonflikte auf: lohnt die Terraformung von Andymon. Wer ist der Chef der Gruppe und vor allem wie lange?
Bevor die Biosphäre der neuen Welt mittels genetisch veränderter Algen "umgekrempelt" wird entdecken zwei Pioniere einen kristallinen Baum. Möglicherweise eine Lebensform dieses Planeten basierend auf Siliciumgrundlage? Der Gedanke wird nicht weiter vertieft. Das Wesen muss räumen. Wer hier leben möchte, der macht sich - in bester menschlicher Tradition - über Ureinwohner nur wenig Gedanken. Probleme bereitet neben der schleppend verlaufenden Terraformung zudem die Abspaltung diverser Gruppen. So bildet sich auf einem der zwei Monde des Kolonialplaneten ein durch Elektroden verbundenes Gruppennetzwerk, das sogenannte "Monstrum". Wollten die Autoren vor den Gefahren eines ungesunden Kollektivismus warnen? Die Ähnlichkeit zum "Borg Kollektiv" bei Star Trek springt zumindest in die Augen.
Den Höhe- letztlich auch Schlusspunkt des Romans bildet der Machtkampf zwischen dem Erzähler Beth und seinem jüngeren Invitrobruder Resth. Während Beth nach dem Unfalltod des unumstrittenen Kommandanten Delth eher widerwillig dessen Platz einnahm handelt es sich bei Resth um einen eiskalten Strategen ohne Skrupel und Moral. Seine - durchaus an Stasimethoden erinnernden - Machenschaften spalten die Gruppen und führen zur Konfrontation. Es ist der Überlegtheit Beths aber auch dem stark vernunftgeleiteten Handeln aller Beteiligten zu danken, dass die junge Gesellschaft keinen Absturz in die Barbarei a la "Herr der Fliegen" erleidet. Doch sind sich alle einig, dass die Zukunft wohl Gesetze erforderlich macht...
Nach dem Wiederlesen kann ich mich nur wiederholen: ein Glanzlicht am deutschen SF Himmel. Ein mutiges Buch zudem, werden doch recht plakativ und unverhohlen Überwachungsmethoden und Restriktionen des bröckelnden SED Staates aufs Korn genommen. Dies dürfte selbst in den - relativ liberalen - Schlussjahren der DDR ein Wagnis gewesen sein. Zumal die Geschichte einer noch jungen Gesellschaft und die Entwicklung demokratischer Handlungsformen beschrieben wird. Dazu kommt das fundierte Wissen der Steinmüllers auf wissenschaftlichem Gebiet und ein exzellenter Schreibstil, der - interessanterweise - von nicht wenigen englischen (besser: amerikanischen) Vokabeln und Begriffen durchzogen ist. Das Buch ist ein absolutes Lesevergnügen und so schließe ich mit der Begrüßungsformel der Protagonisten: "Vivat Andymon!"
Erzählt wird die Reise einer von Robotern bewirtschafteten Lebesarche zum Endziel, dem Kolonialplaneten Andymon. Das Schiff beherbergt mehrere Generationen von Invitro - Kindern deren Versorgung und - mitunter anstrengende - Erziehung der Bordcomputer und sogenannte "Guros" übernehmen. Schon diese Schilderungen, die in einer flüssigen und sehr klaren Sprache erfolgen sind reizvoll. Die "ausgebrüteten" Kinder fügen sich schnell in die Gruppendisziplin ein und gehen - alles in allem - recht friedvoll miteinander um. Zumindest solange der Schiffscomputer noch das Heft in der Hand hat. Viele Kapitel beschreiben das kurzweilige Leben in dem Generationenschiff, dem mit der Zeit jedoch der spielerische Ernst abhanden kommt. Die Protagonisten werden erwachsen und Andymon - das große Ziel der Reise - kommt in Sichtweite. Die Besiedelung dieses unwirtlichen Planeten stellt die nächste Herausforderung dar und erstmals treten massive Zweifel und Autoritätskonflikte auf: lohnt die Terraformung von Andymon. Wer ist der Chef der Gruppe und vor allem wie lange?
Bevor die Biosphäre der neuen Welt mittels genetisch veränderter Algen "umgekrempelt" wird entdecken zwei Pioniere einen kristallinen Baum. Möglicherweise eine Lebensform dieses Planeten basierend auf Siliciumgrundlage? Der Gedanke wird nicht weiter vertieft. Das Wesen muss räumen. Wer hier leben möchte, der macht sich - in bester menschlicher Tradition - über Ureinwohner nur wenig Gedanken. Probleme bereitet neben der schleppend verlaufenden Terraformung zudem die Abspaltung diverser Gruppen. So bildet sich auf einem der zwei Monde des Kolonialplaneten ein durch Elektroden verbundenes Gruppennetzwerk, das sogenannte "Monstrum". Wollten die Autoren vor den Gefahren eines ungesunden Kollektivismus warnen? Die Ähnlichkeit zum "Borg Kollektiv" bei Star Trek springt zumindest in die Augen.
Den Höhe- letztlich auch Schlusspunkt des Romans bildet der Machtkampf zwischen dem Erzähler Beth und seinem jüngeren Invitrobruder Resth. Während Beth nach dem Unfalltod des unumstrittenen Kommandanten Delth eher widerwillig dessen Platz einnahm handelt es sich bei Resth um einen eiskalten Strategen ohne Skrupel und Moral. Seine - durchaus an Stasimethoden erinnernden - Machenschaften spalten die Gruppen und führen zur Konfrontation. Es ist der Überlegtheit Beths aber auch dem stark vernunftgeleiteten Handeln aller Beteiligten zu danken, dass die junge Gesellschaft keinen Absturz in die Barbarei a la "Herr der Fliegen" erleidet. Doch sind sich alle einig, dass die Zukunft wohl Gesetze erforderlich macht...
Nach dem Wiederlesen kann ich mich nur wiederholen: ein Glanzlicht am deutschen SF Himmel. Ein mutiges Buch zudem, werden doch recht plakativ und unverhohlen Überwachungsmethoden und Restriktionen des bröckelnden SED Staates aufs Korn genommen. Dies dürfte selbst in den - relativ liberalen - Schlussjahren der DDR ein Wagnis gewesen sein. Zumal die Geschichte einer noch jungen Gesellschaft und die Entwicklung demokratischer Handlungsformen beschrieben wird. Dazu kommt das fundierte Wissen der Steinmüllers auf wissenschaftlichem Gebiet und ein exzellenter Schreibstil, der - interessanterweise - von nicht wenigen englischen (besser: amerikanischen) Vokabeln und Begriffen durchzogen ist. Das Buch ist ein absolutes Lesevergnügen und so schließe ich mit der Begrüßungsformel der Protagonisten: "Vivat Andymon!"