Das war das Buch-Jahr 2010

Science Fiction in Buchform
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muellermanfred
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Re: Das war das Buch-Jahr 2010

Ungelesener Beitrag von muellermanfred »

Yuven hat geschrieben: Die Auffassung seitens eines Autoren "Jeder Leser..." finde ich übrigens sehr löblich. Dieses "Grundrecht" sehen bei Weitem nicht alle so. In vielen Fällen hört es genau da auf, wo der Leser das "eigene" Werk schlecht findet. :prima:
Man sollte aber auch nachsichtig mit Autoren sein: gemessen an der Arbeit, die in einem Werk steckt, ist eine Kritik schnell verfaßt. Und gerade Vielleser, die ungern für Bücher bezahlen und sich deshalb Rezensionsexemplare schicken lassen (manchmal braucht man ja nur ein Blog, um welche zu bekommen), feuern ihre Rezensionen im Wochentakt raus. Da sind welche bei, die besser ungeschrieben geblieben wären, lieblos runtergerotzte Tiraden, die keinerlei Hilfestellung geben, was man denn hätte besser machen können, wenn es darum gegangen wäre, diese oder jene Zielgruppe anzusprechen.

Klar, es herrscht Meinungsfreiheit, aber ein wenig Fairneß beim Verreißen hat noch niemandem geschadet. :)
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breitsameter
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Re: Das war das Buch-Jahr 2010

Ungelesener Beitrag von breitsameter »

muellermanfred hat geschrieben:Man sollte aber auch nachsichtig mit Autoren sein: gemessen an der Arbeit, die in einem Werk steckt, ist eine Kritik schnell verfaßt. Und gerade Vielleser, die ungern für Bücher bezahlen und sich deshalb Rezensionsexemplare schicken lassen (manchmal braucht man ja nur ein Blog, um welche zu bekommen), feuern ihre Rezensionen im Wochentakt raus. Da sind welche bei, die besser ungeschrieben geblieben wären, lieblos runtergerotzte Tiraden, die keinerlei Hilfestellung geben, was man denn hätte besser machen können, wenn es darum gegangen wäre, diese oder jene Zielgruppe anzusprechen.

Klar, es herrscht Meinungsfreiheit, aber ein wenig Fairneß beim Verreißen hat noch niemandem geschadet. :)
Da bin ich mit Dir fast völlig auf einer Linie, nur einen Unterschied sehe ich: Der Punkt »Hilfestellung, was man denn hätte besser machen können« interessiert streng genommen nur den Autor des Werks, während die anderen Punkte für alle potentiellen Leser interessant sein könnten.

Kleine Ergänzung – wir hatten auch mal eine Diskussion darüber, wie schnell man sich eine abschließende Meinung zu einem Werk bildet:
http://forum.sf-fan.de/viewtopic.php?f=1&t=1045
Echte Vampire schillern nicht im Sonnenlicht, sie explodieren. Echte Helden küssen keinen Vampir, sie töten ihn.
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Thomas Wawerka
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Re: Das war das Buch-Jahr 2010

Ungelesener Beitrag von Thomas Wawerka »

Hm, ob "Nachsicht" wirklich eine Kategorie ist, die etwas in der Literaturkritik zu suchen hat? Kritik ist schon dazu da, Fehler aufzudecken und nicht zu verschweigen oder gnädig zu übersehen ... Ich denke, es gibt ein Problem bei den Kritikern und nicht bei den Autoren. Das Internet machts möglich, unbegründete Meinungen und Geschmacksurteile auszubreiten, die manchmal nichts weiter sind als das, was einem sog. "Kritiker" stimmungsabhängig gerade vom ***** in den Kopp steigt. Sowas wie redaktionelle Auswahl, also eine Güteprobe, findet da gar nicht statt. Eine Kritik ist doch viel mehr als darüber zu schwadronieren, was gefällt und was nicht. Einer meiner "Lieblingssätze": "Die Geschichte hat mich nicht berührt." Tja, was soll man als Autor damit anfangen? Der selbsternannte "Kritiker" bleibt damit ganz in seiner kleinen Welt, obwohl es seine Aufgabe wäre, sich auf die Geschichte einzulassen und zu fragen (und zu beantworten): Warum hat sie denn nicht berührt? War sie zu sperrig? Warum war sie sperrig? Liegt es an handwerklichen Mängeln oder wollte der Autor es mir evtl. ganz bewusst nicht einfach machen? Soll die Geschichte vielleicht nicht leicht konsumierbar sein, weil sie sich (bloß als Beispiel) mit Gewalt beschäftigt, und im Sinne des Autors Gewalt nicht wohlschmeckend und leicht verdaulich serviert werden sollte? Oder distanziert sich der Autor mit dieser Sperrigkeit von anderen, ähnlichen literarischen Erzeugnissen? Wovon genau distanziert er sich? Etc. pp.
Kritik kommentiert ein literarisches Werk, sowohl dessen gute wie dessen schlechte Seiten, sie informiert über Hintergründe und gibt Hilfestellung zur Interpretation. Sie sollte mehr sein als Meinungsmache. Gerade in der Phantastik-Szene, deren Werke es ja nur selten ins Feuilleton und damit in eine qualitative Kritik schaffen, wäre es die Aufgabe der Kritiker, endlich mal Standards für Kritiken zu setzen und das, was darunter liegt, in die Plauderecke zu verbannen. Autoren und interessierte Leser wären die Gewinner. Klar, verreißen macht auch Spaß (auch mir), aber sowas sollte dann nicht mit dem Etikett "Kritik" oder auch "Rezension" gewürdigt werden. Mit großem Gewinn gelesen habe ich in unserem Zusammenhang die Kritiken/Rezensionen von Molosovsky und Michael Drewniok - vorbildlich!

P.S.: Wow, man kann hier nichtmal das Wort A.r.s.c.h. schreiben, ohne dass es in niedliche * verwandelt wird. :mad:
"Hilfreich wäre es, wenn wir die, die sich dem Leistungsdruck widersetzen, bewundern, anstatt sie als Loser anzusehen." -
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muellermanfred
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Re: Das war das Buch-Jahr 2010

Ungelesener Beitrag von muellermanfred »

Thomas Wawerka hat geschrieben:Hm, ob "Nachsicht" wirklich eine Kategorie ist, die etwas in der Literaturkritik zu suchen hat?(…)
Hach, nein, in der Kritik natürlich nicht. :) Aber gerade wir Amateurkritiker sollten es in Betracht ziehen, es wenigstens verstehen. Der Autor, der gelernt hat, Kritik als ein Raunen im Publikum zu verstehen, aus dem man Bedenkenswertes fischen kann, hat sicher die nächste Ebene erreicht.

Es gibt aber auch die anderen: von Ascan von Bargen z.B. hab' ich erst am Montag einen Beitrag gelesen mit dem schönen Titel "Die Schneidezähne des Lästermauls", darüber, wie man den Kritiker bearbeiten sollte und welche Heavy-Metal-Musik dazu passen könnte. Leider wurde der Beitrag schon wieder entfernt, dabei war er so unterhaltsam …

Als Hobby-Autor habe ich in Schreibforen Erhellendes erlebt: da erhofft man sich von routinierteren Schreibern vielleicht Tips in Sachen Dramaturgie oder Charakterzeichnung, stattdessen gibt es Kommentare zur Rechtschreibung (ich klebe an der alten …) oder den Rat, Figuren aus einer archaischen Welt so reden zu lassen wie Jugendliche in der Fußgängerzone. Insofern ist es wohl verfehlt, ausgerechnet von Amateurkritikern Dinge erfahren zu wollen, die einen handwerklich weiterbringen.

Trotzdem kann man vom Zuhören lernen. Eine Dozentin für Text in der Werbung riet uns mal: „Fahren Sie Straßenbahn!“ Okay, sie sagte auch Dinge wie "Sprechen Sie mit Ihrem Produkt!“ und meinte das Deodorant vor uns auf dem Tisch, aber prinzipiell hatte die Gute doch recht: Zuhören bildet.
Thomas Wawerka hat geschrieben: Wow, man kann hier nichtmal das Wort A.r.s.c.h. schreiben, ohne dass es in niedliche * verwandelt wird. :mad:
Oh, und es werden noch mehr Schimpfwörter umgewandelt! Versuch es doch mal mit dem Kosenamen des Admins …! :D *duckundwech*
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Re: Das war das Buch-Jahr 2010

Ungelesener Beitrag von Yuven »

muellermanfred hat geschrieben: Man sollte aber auch nachsichtig mit Autoren sein: gemessen an der Arbeit, die in einem Werk steckt, ist eine Kritik schnell verfaßt. Und gerade Vielleser, die ungern für Bücher bezahlen und sich deshalb Rezensionsexemplare schicken lassen (manchmal braucht man ja nur ein Blog, um welche zu bekommen), feuern ihre Rezensionen im Wochentakt raus. Da sind welche bei, die besser ungeschrieben geblieben wären, lieblos runtergerotzte Tiraden, die keinerlei Hilfestellung geben, was man denn hätte besser machen können, wenn es darum gegangen wäre, diese oder jene Zielgruppe anzusprechen.

Klar, es herrscht Meinungsfreiheit, aber ein wenig Fairneß beim Verreißen hat noch niemandem geschadet. :)
Es besteht vielleicht (aus meiner Warte zumindest) ein landläufiger breiter Unterschied zwischen einer guten und breiten Rezension sowie einem "Leseeindruck" (.d.h. hat es mir gefallen oder nicht?).

Ich schreibe meine "Leseeindrücke" meistens direkt nach dem "Genuss" des Buches. Da ich nur auf gewissen großen Verkaufsplattformen "rezensiere" (Achtung: begriffliche Irreführung!), habe ich die Erfahrung gemacht, dass lange detaillierte Traktate (wie sie der Autor sich etwa wünschen würde) gefragt sein können, aber in der Mehrzahl der Fälle doch eher nicht. Gerade wegen der Angepasstheit an diese "Rezensionsumgebung" schreibe ich meistens, wie mir das Buch gefallen hat und wenn ich in der entsprechenden Serie drin stecke, ob es halt wiederum dazu passt oder nicht. Wenn ich ein Buch "verreiße", sage ich subjektiv, was mir daran nicht gefallen hat. Ich ordne es in den Kontext ein (Reihe?), beurteile den Unterhaltungswert und gehe auf den Inhalt ein, ohne zu spoilern. Sprache o.ä. kommen bei mir nur vor, wenn es etwas zu meckern gibt oder etwas auffällig ist.
Amazon definiert "Rezension" halt auch als "Erfahrungsbericht". Mag sein, dass ich mir das von der Technik (die ich dort jetzt gehäuft "rezensiere") abgeschaut habe, aber dort sind halt auch bei Büchern "Leseerfahrungen" gefragt.
Im Folgeschluss muss ich mich also fragen: "Hat mir das Buch gefallen?" Ja? Gut... dann schreiben wir mal, warum. Was hat der Autor aus meiner Sicht gut gemacht? Im umgedrehten Fall ist es dasselbe. Warum hat es bei mir lange gelegen und mich nicht gereizt?
Für ein Literaturjournal würde ich mir wohl auch mehr Mühe geben.

Im übrigen rennt ihr bei mir offene Türen ein, was "Verständnis des Autors" angeht. Ich bin ja auch Hobbyschreiberin. Meine Lebensschreibzeit beläuft sich auch auf etliche Tausend Stunden. Ich kenne den zeitlichen Unterschied zwischen 400 Seiten Buch und einer halben Seite Rezension durchaus. ;)
Es tut natürlich sehr weh, wenn jemand ein Werk verreißt. Mir ist es zum Glück noch nicht extrem arg passiert, weil ich kein Geld damit verdiene. Bei kostenlosen Sachen hören diejenigen, denen es nicht passt, meistens einfach mit dem Lesen auf und sagen gar nichts dazu. Bei gekauften Sachen ist das logischerweise anders.
Ich habe jedoch mit meiner Bemerkung auch auf einen amerikanischen Autoren angespielt, dem ich mal einen "detaillierteren Leseeindruck" zukommen ließ, woraufhin er ziemlich angegrätzt war. Ich hatte gewagt, ein Golfturnier im frühen 19. Jahrhundert (inklusive der passenden Schlägerauswahl usw.) zu kritisieren, das ich in seiner langen Breite in einem historischen Seekriegsroman nicht sonderlich gelungen fand. Wohlgemerkt, das zeitgenössische Theaterstück etc. kamen vorher in demselben Buch. Es war aus meiner Sicht halt etwas zuviel... und der Verfasser war nicht begeistert von meinem Werturteil. Da wären wir dann wieder bei meinem "Lob" von Andreas Eschbachs Auffassung. Der Kollege von ihm hatte ein etwas anderes Verhältnis zur Kritik an seinem "Baby".
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Thomas Wawerka
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Re: Das war das Buch-Jahr 2010

Ungelesener Beitrag von Thomas Wawerka »

Der Autor, der gelernt hat, Kritik als ein Raunen im Publikum zu verstehen, aus dem man Bedenkenswertes fischen kann, hat sicher die nächste Ebene erreicht.

Toller Satz. Wird auswendig gelernt. :prima:

(Irgendwann krieg ich auch noch raus, wie das mit dem Zitieren funktioniert ...)
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Re: Das war das Buch-Jahr 2010

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Thomas Wawerka hat geschrieben:Mit großem Gewinn gelesen habe ich in unserem Zusammenhang die Kritiken/Rezensionen von Molosovsky und Michael Drewniok - vorbildlich!
Ohhh, danke für die netten Worte. Das spornt an.

Wenn man mich fragt, dann sag ich ja immer, das Beste was einer Kritiker / Rezensent machen kann, ist, seinen eigenen Standpunkt kenntlich zu machen. Was ist ihm wichtig, was kann sein Urteil beeinflussen, was sind seine Vorlieben und Abneigungen, womit tut er sich leicht oder schwer. Und dann ist es auch erhellend, wenn ein Kritiker mitteilt, wie er ein Werk verstanden, was er von ihm erwartet hat. — Wenn man diese beiden Sachen in einer Kritik unterbringt, dann ergibt sich der Rest fast von selbst. — Leser, die ein Werk bereits kennen, können diese Informationen freilich auch aus ›schlechten‹ Rezensionen herauslesen.

Grüße
Alex / molo
MOLOSOVSKY IST DERZEIT IN DIESEM FORUM NICHT AKTIV STAND: 30. JANUAR 2013.

»Die Wirklichkeit ist überall gleich – nämlich unbekannt.« — Egon Friedell
(Ich weiß es im moment schlicht nicht besser.)

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