muellermanfred hat geschrieben:
Man sollte aber auch nachsichtig mit Autoren sein: gemessen an der Arbeit, die in einem Werk steckt, ist eine Kritik schnell verfaßt. Und gerade Vielleser, die ungern für Bücher bezahlen und sich deshalb Rezensionsexemplare schicken lassen (manchmal braucht man ja nur ein Blog, um welche zu bekommen), feuern ihre Rezensionen im Wochentakt raus. Da sind welche bei, die besser ungeschrieben geblieben wären, lieblos runtergerotzte Tiraden, die keinerlei Hilfestellung geben, was man denn hätte besser machen können, wenn es darum gegangen wäre, diese oder jene Zielgruppe anzusprechen.
Klar, es herrscht Meinungsfreiheit, aber ein wenig Fairneß beim Verreißen hat noch niemandem geschadet.

Es besteht vielleicht (aus meiner Warte zumindest) ein landläufiger breiter Unterschied zwischen einer guten und breiten Rezension sowie einem "Leseeindruck" (.d.h. hat es mir gefallen oder nicht?).
Ich schreibe meine "Leseeindrücke" meistens direkt nach dem "Genuss" des Buches. Da ich nur auf gewissen großen Verkaufsplattformen "rezensiere" (Achtung: begriffliche Irreführung!), habe ich die Erfahrung gemacht, dass lange detaillierte Traktate (wie sie der Autor sich etwa wünschen würde) gefragt sein können, aber in der Mehrzahl der Fälle doch eher nicht. Gerade wegen der Angepasstheit an diese "Rezensionsumgebung" schreibe ich meistens, wie mir das Buch gefallen hat und wenn ich in der entsprechenden Serie drin stecke, ob es halt wiederum dazu passt oder nicht. Wenn ich ein Buch "verreiße", sage ich subjektiv, was mir daran nicht gefallen hat. Ich ordne es in den Kontext ein (Reihe?), beurteile den Unterhaltungswert und gehe auf den Inhalt ein, ohne zu spoilern. Sprache o.ä. kommen bei mir nur vor, wenn es etwas zu meckern gibt oder etwas auffällig ist.
Amazon definiert "Rezension" halt auch als "Erfahrungsbericht". Mag sein, dass ich mir das von der Technik (die ich dort jetzt gehäuft "rezensiere") abgeschaut habe, aber dort sind halt auch bei Büchern "Leseerfahrungen" gefragt.
Im Folgeschluss muss ich mich also fragen: "Hat mir das Buch gefallen?" Ja? Gut... dann schreiben wir mal, warum. Was hat der Autor aus meiner Sicht gut gemacht? Im umgedrehten Fall ist es dasselbe. Warum hat es bei mir lange gelegen und mich nicht gereizt?
Für ein Literaturjournal würde ich mir wohl auch mehr Mühe geben.
Im übrigen rennt ihr bei mir offene Türen ein, was "Verständnis des Autors" angeht. Ich bin ja auch Hobbyschreiberin. Meine Lebensschreibzeit beläuft sich auch auf etliche Tausend Stunden. Ich kenne den zeitlichen Unterschied zwischen 400 Seiten Buch und einer halben Seite Rezension durchaus.
Es tut natürlich sehr weh, wenn jemand ein Werk verreißt. Mir ist es zum Glück noch nicht extrem arg passiert, weil ich kein Geld damit verdiene. Bei kostenlosen Sachen hören diejenigen, denen es nicht passt, meistens einfach mit dem Lesen auf und sagen gar nichts dazu. Bei gekauften Sachen ist das logischerweise anders.
Ich habe jedoch mit meiner Bemerkung auch auf einen amerikanischen Autoren angespielt, dem ich mal einen "detaillierteren Leseeindruck" zukommen ließ, woraufhin er ziemlich angegrätzt war. Ich hatte gewagt, ein Golfturnier im frühen 19. Jahrhundert (inklusive der passenden Schlägerauswahl usw.) zu kritisieren, das ich in seiner langen Breite in einem historischen Seekriegsroman nicht sonderlich gelungen fand. Wohlgemerkt, das zeitgenössische Theaterstück etc. kamen vorher in demselben Buch. Es war aus meiner Sicht halt etwas zuviel... und der Verfasser war nicht begeistert von meinem Werturteil. Da wären wir dann wieder bei meinem "Lob" von Andreas Eschbachs Auffassung. Der Kollege von ihm hatte ein etwas anderes Verhältnis zur Kritik an seinem "Baby".