Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Science Fiction in Buchform
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lapismont
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Re: Otfried Preussler

Ungelesener Beitrag von lapismont »

Bully hat geschrieben:Eigentlich wird nur Vater Langstrumpf verherrlicht, wenn man nach dem Text geht, andere schwedische Erwachsene sind weniger ähem "überlegen".
Du hast für Dich eine Interpretation gefunden. Gut so. Du musst Dich den Hinweisen auf Rassismus weder stellen noch ihnen Gehör schenken.
Bully hat geschrieben:Dass Lapismont das nicht zu Ende denkt.
Ich habe keine Ahnung was Du meinst. Aber ich finde es schade, dass Du anstatt Dich mit Rassismus in Kinderbüchern auseinanderzusetzen, Gegenbeispiele bringst.
Aber der Michael Ende war ein Guter!

Keine Ahnung wie Du aufgewachsen bist, aber bei uns auf dem Schulhof waren Bimbo, Kongolippe und auch N**** Schimpfwörter.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Anubizz »

@Bully:

Ich glaube, man muss zwei Dinge auseinanderhalten:

1. Die Frage, ob jemand Rassist ist. Das hieße, ein Urteil über die Gesinnung oder Ideologie eines Menschen abzugeben. Schwierig, ein solches Urteil am Gebrauch einzelner Wörter festzumachen. Spielt m.E. bei einer Diskussion über Texte, nicht über Personen, auch nur eine nachgeordnete Rolle.

2. Die Frage, ob ein Text aufgrund eines bestimmten Sprachgebrauchs rassistisch ist. Ein Wort, das im sozialgeschichtlichen Kontext von Sklaverei und Kolonialismus entstanden ist, weist immer eine rassistische Semantik auf, wenn es unkritisch (d.h. ohne Reflexion darüber, wie es zu diesem Sprachgebrauch gekommen ist) gebraucht wird. Das ist auch dann so, wenn das betreffende Wort im individuellen Sprechakt nicht abwertend gemeint ist. Die Bedeutung lege ich ja nicht alleine fest, deshalb kommt es auch nicht nur auf meine Intention an. Anders verhält es sich natürlich, wenn ein vom Entstehungszusammenhang her rassistisches Wort angeeignet und zur positiven Selbstbezeichnung umgedeutet wird. Menschen als Schwarze zu bezeichnen war noch in den 60er Jahren eine sehr herabsetzende Ausdrucksweise. Durch die Black-Power-Bewegung und Slogans wie »Black is beautiful!« änderte sich das.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Doop »

lapismont hat geschrieben:Ich glaube, die Argumente sind ausgetauscht, jeder hat seine eigene Ansicht dazu,
Jepp. Das denke ich auch.
Letztlich sollte man die Kirche auch mal im Dorf lassen, wer das mit Bücherverbrennung bei Nazis oder den Bücherverboten bei Kommunistens gleichsetzt, der schießt mit dem Raketenwerfer auf einen Spatz (einen in meinen Augen durchaus nervigen und frechen Spatz, aber nur ein Spatz). Ich halte das Ersetzen "böser" Worte gegen "gute" für ziemlich bescheuert und durchaus auch bigott, siehe oben. Warum kein Vorwort oder Nachwort, in dem den Kindern erklärt wird, dass Sprache eine Sache ist, die im Fluss ist. Dass das Wort "N****" vor 60 Jahren ein übliches war und warum es gut und richtig ist, dass wir es heute nicht mehr verwenden. Man könnte den Text intakt lassen und doch auch zur Bildung und Erziehung der Kinder beitragen.

Um vielleicht noch einen anderen Gesichtspunkt in die Debatte einzubringen: Es gab in jüngerer Vergangenheit auch schon "Selbstzensur" bei Erwachsenenliteratur. Ich weiß, dass der Name Richard Laymon hier bei einigen :kotzen: auslöst, und es geht mir auch nicht darum, sein Werk zu diskutieren. Aber ich denke, dass der Heyne-Verlag das komplette Schlusskapitel seines Romans "Die Insel" komplett aus späteren Auflagen des Buches gestrichen hat (womit der Roman ein völlig anderes Ende hat), um der drohenden Indizierung durch die Bundesprüfstelle zu entgehen, ist auch kein Fall einer besonders mutigen Verlagsentscheidung. Um es mal vorsichtig auszudrücken.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von a3kHH »

Doop hat geschrieben:Es gab in jüngerer Vergangenheit auch schon "Selbstzensur" bei Erwachsenenliteratur. Ich weiß, dass der Name Richard Laymon hier bei einigen :kotzen: auslöst, und es geht mir auch nicht darum, sein Werk zu diskutieren. Aber ich denke, dass der Heyne-Verlag das komplette Schlusskapitel seines Romans "Die Insel" komplett aus späteren Auflagen des Buches gestrichen hat (womit der Roman ein völlig anderes Ende hat), um der drohenden Indizierung durch die Bundesprüfstelle zu entgehen, ist auch kein Fall einer besonders mutigen Verlagsentscheidung. Um es mal vorsichtig auszudrücken.
Das ist aber ein ganz anders gelagerter Fall.
Allerdings unterstützt das meine Vorurteile gegen Heyne heutzutage. Weshalb ich mich eines Kommentars enthalte.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Doop »

a3kHH hat geschrieben:
Doop hat geschrieben:Es gab in jüngerer Vergangenheit auch schon "Selbstzensur" bei Erwachsenenliteratur. Ich weiß, dass der Name Richard Laymon hier bei einigen :kotzen: auslöst, und es geht mir auch nicht darum, sein Werk zu diskutieren. Aber ich denke, dass der Heyne-Verlag das komplette Schlusskapitel seines Romans "Die Insel" komplett aus späteren Auflagen des Buches gestrichen hat (womit der Roman ein völlig anderes Ende hat), um der drohenden Indizierung durch die Bundesprüfstelle zu entgehen, ist auch kein Fall einer besonders mutigen Verlagsentscheidung. Um es mal vorsichtig auszudrücken.
Das ist aber ein ganz anders gelagerter Fall.
Allerdings unterstützt das meine Vorurteile gegen Heyne heutzutage. Weshalb ich mich eines Kommentars enthalte.
Anders gelagert - ja. Aber eben auch ein Eingriff in den Text durch den Verlag aus Angst davor, dass man aneckt und Probleme bekommt, wenn man den Text unangetastet lässt.
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Re: Otfried Preussler

Ungelesener Beitrag von Bully »

lapismont hat geschrieben:
Bully hat geschrieben:Eigentlich wird nur Vater Langstrumpf verherrlicht, wenn man nach dem Text geht, andere schwedische Erwachsene sind weniger ähem "überlegen".
Du hast für Dich eine Interpretation gefunden. Gut so. Du musst Dich den Hinweisen auf Rassismus weder stellen noch ihnen Gehör schenken.
Ich habe nicht behauptet, dass man das nicht rassistisch interpretieren könnte, wenn man wollte, ich bestreite nur, dass die Interpretation ausschließlich am Wort "N****" festzumachen ist.
Ein Rassist wird das immer noch rassistisch interpretieren können, obwohl es andere Interpretationen gibt. Oder selbst, wenn es keine rassistische Interpretation gäbe, würde ein Rassist nicht aufhören, Rassist zu sein, weil irgendwo "Schwarzer" steht. Und wenn man ein antirassistisches Buch schreibt, wird der Rassist es vermutlich nicht lesen.

Aber Du machst mir zum Vorwurf, nicht-rassistische Interpretationen zu finden. Gut so. :prima:
Bully hat geschrieben:Dass Lapismont das nicht zu Ende denkt.
Ich habe keine Ahnung was Du meinst. Aber ich finde es schade, dass Du anstatt Dich mit Rassismus in Kinderbüchern auseinanderzusetzen, Gegenbeispiele bringst.
Aber der Michael Ende war ein Guter!
Nun, wenn Frau Lindgren "böse" war, weil sie einen Weißen zum König von lauter Dunkelhäutigen (oder in der Südsee, meinetwegen) werden ließ, ist Herr Ende demzufolge "gut" weil er einen Schwarzen zum König einer neuerstandenen Landmasse im Pazifik, bevölkert mit Menschen gemischter Hautfarbe werden ließ.
Keine Ahnung wie Du aufgewachsen bist, aber bei uns auf dem Schulhof waren Bimbo, Kongolippe und auch N**** Schimpfwörter.
War das, bevor oder nachdem die kleine Hexe geschrieben wurde?
Aber zugegeben, offenbar hatten Deine Schulkameraden was gegen Leute mit dunkler Haut, sonst hätten sie andere Schimpfwörter verwendet.
"Kongolippe" höre (bzw. lese) ich zum ersten Mal.
"Bimbo" kenne ich, witzigerweise kommt es inzwischen auch in verschiedenen Sitcoms als Schimpfwort für hübsche, aber dumme Frauen vor, die leicht zu haben sind. Häufig Blondinen.
"N****" ist inzwischen auch ein Schimpfwort, weshalb man es meinetwegen durch einen heutigentags zeitgemäßen Begriff ersetzen sollte, wenn es im Original wertneutral gemeint war, um Kindern eben eine wertneutrale Sprache beizubringen; das heißt jetzt aber nicht, dass bestimmte Autoren magischerweise rückwirkend zu Rassisten wurden. Entweder waren sie es oder nicht. Vllt. heißen "Schwarze" in Zukunft "Melanide", und man wird denken, die heutigen Nicht-Melaniden wären alle Rassisten gewesen.
Vllt. stimmt das ja auch, und die ganze Diskussion soll bloß unterdrückte Schuldgefühle kompensieren.
Wenn Du Beispiele für real existierenden Rassismus suchst, die Verfilmung von "Hunger Games" zog eine unschöne Empörung nach sich, weil eine gewisse Figur mit einer Schwarzen besetzt wurde. Was in universo eigentlich Sinn ergibt, aber egaaal. Punkt ist, die Verwendung des Wortes "Schwarze" macht ihren Rassismus nicht irgendwie besser.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Bully »

Anubizz hat geschrieben:@Bully:

Ich glaube, man muss zwei Dinge auseinanderhalten:

1. Die Frage, ob jemand Rassist ist. Das hieße, ein Urteil über die Gesinnung oder Ideologie eines Menschen abzugeben. Schwierig, ein solches Urteil am Gebrauch einzelner Wörter festzumachen. Spielt m.E. bei einer Diskussion über Texte, nicht über Personen, auch nur eine nachgeordnete Rolle.

2. Die Frage, ob ein Text aufgrund eines bestimmten Sprachgebrauchs rassistisch ist. Ein Wort, das im sozialgeschichtlichen Kontext von Sklaverei und Kolonialismus entstanden ist, weist immer eine rassistische Semantik auf, wenn es unkritisch (d.h. ohne Reflexion darüber, wie es zu diesem Sprachgebrauch gekommen ist) gebraucht wird. Das ist auch dann so, wenn das betreffende Wort im individuellen Sprechakt nicht abwertend gemeint ist. Die Bedeutung lege ich ja nicht alleine fest, deshalb kommt es auch nicht nur auf meine Intention an. Anders verhält es sich natürlich, wenn ein vom Entstehungszusammenhang her rassistisches Wort angeeignet und zur positiven Selbstbezeichnung umgedeutet wird. Menschen als Schwarze zu bezeichnen war noch in den 60er Jahren eine sehr herabsetzende Ausdrucksweise. Durch die Black-Power-Bewegung und Slogans wie »Black is beautiful!« änderte sich das.
Zu erstens: schon, aber genau diese Differenzierung Autor/Text vermisse ich nicht nur gelegentlich. Und vom heutigen Sprachgebrauch auf frühere Sprachbenutzer rückzuschließen, ist in mehrfacher Hinsicht falsch.
Zu zweitens: ein Text ist rassistisch, wenn darin sowas steht wie: "Nazi-Übermenschen sind uns überlegen!" Viele rassistische Texte befleißigen sich einer wertneutral-sachlichen Sprache, um wissenschaftlicher zu klingen.
Ein Wort kann durch die "unsichtbare Hand" von neutral zu pejorativ werden oder andersrum, ja. Aber das heißt eben genau nicht, dass jemand, der "Schwarzer" oder "N****" oder "Mohr" sagt, immer eine "niedrige Lebensform" meint.
Aber man kriegt den realen Rassismus nicht aus den Köpfen raus, indem man sich um eine bestimmten Wortwahl bemüht.
Dass kann Rassismus auch verstärken, mMn.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Anubizz »

Bully hat geschrieben: Ein Rassist wird das immer noch rassistisch interpretieren können, obwohl es andere Interpretationen gibt. Oder selbst, wenn es keine rassistische Interpretation gäbe, würde ein Rassist nicht aufhören, Rassist zu sein, weil irgendwo "Schwarzer" steht. Und wenn man ein antirassistisches Buch schreibt, wird der Rassist es vermutlich nicht lesen. [...] Punkt ist, die Verwendung des Wortes "Schwarze" macht ihren Rassismus nicht irgendwie besser.
Wurde denn irgendeine dieser Aussagen im Laufe des Threads von irgendwem bestritten? :kopfkratz: Ich meine, das dürfte so ziemlich das unkontroverseste sein, was es in dieser Diskussion festzustellen gibt.
Bully hat geschrieben:Aber das heißt eben genau nicht, dass jemand, der "Schwarzer" oder "N****" oder "Mohr" sagt, immer eine "niedrige Lebensform" meint.
Deshalb habe ich ja auch darauf hingewiesen, dass es beim Gebrauch bestimmter Wörter gar nicht so sehr darauf ankommt, was jemand meint. Ihre konnotative Bedeutung haben sie auch so.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Bully »

Anubizz hat geschrieben:
Bully hat geschrieben: Ein Rassist wird das immer noch rassistisch interpretieren können, obwohl es andere Interpretationen gibt. Oder selbst, wenn es keine rassistische Interpretation gäbe, würde ein Rassist nicht aufhören, Rassist zu sein, weil irgendwo "Schwarzer" steht. Und wenn man ein antirassistisches Buch schreibt, wird der Rassist es vermutlich nicht lesen. [...] Punkt ist, die Verwendung des Wortes "Schwarze" macht ihren Rassismus nicht irgendwie besser.
Wurde denn irgendeine dieser Aussagen im Laufe des Threads von irgendwem bestritten? :kopfkratz: Ich meine, das dürfte so ziemlich das unkontroverseste sein, was es in dieser Diskussion festzustellen gibt.
Nein? Dann verstehe ich die Wichtigkeit der Sache aber nicht. Bestimmte Wörter, die inzwischen als Schimpfwort gelten oder eine sonstwie veränderte Bedeutung haben, durch etwas neutrales zu ersetzen, ist ja ok. "N****" oder "Schuhwichse" z.B., aber dann sollte man nicht so tun, das wäre der Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung.
Es ist der Kampf für mehr Höflichkeit. Sicher auch gerechtfertigt, wenn man nicht übertreibt, aber Höflichkeit ist auch nur eine Sekundärtugend.
Es hält Rassisten nicht davon ab, rassistisch zu sein, sie können es bloß besser verbergen. Man kann umgekehrt so tun, als wären Leute, die vor 40 Jahren mal ein Buch geschreben haben, Rassisten (was jetzt so ein ganz kleines bisschen an Rufmord grenzt), worüber sich die richtigen Rassisten natürlich nur ins Fäustchen lachen.
Kann sein, dass man sich ein Eigentor schießt, wenn in zehn, zwanzig Jahren die echten Rassisten aus ihren Löchern kommen und sagen: "Hey, ihr lest Lindgren und Twain und Preussler, aber beschimpft uns als Rassisten? Wisst ihr nicht, wie rassistisch die waren, ihr bigotten Heuchler?"
Bully hat geschrieben:Aber das heißt eben genau nicht, dass jemand, der "Schwarzer" oder "N****" oder "Mohr" sagt, immer eine "niedrige Lebensform" meint.
Deshalb habe ich ja auch darauf hingewiesen, dass es beim Gebrauch bestimmter Wörter gar nicht so sehr darauf ankommt, was jemand meint. Ihre konnotative Bedeutung haben sie auch so.
Dann ist es eben doch egal, was jemand meint.
Der nicht-rassistischste Mensch aller Zeiten kann ein Buch schreiben, aber er darf keines dieser drei Wörter verwenden, weil sie die beleidigende Konnotation haben. Wie soll er das machen? Eine komplizierte Umschreibung benutzen? Klingt immer so, als würde man um den heißen Brei herumreden, was den falschen Eindruck erweckt, dass bestimmte Menschen wegen ihrer Hautfarbe ein "heißer Brei" sind. Und außerdem den Textfluss hemmt.
Das einfachste für Nicht-Rassisten wäre es, über Leute bestimmter Hautfarbe gar nicht zu reden oder zu schreiben. Sicher ein großer Sieg für den Rassismus.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von a3kHH »

Doop hat geschrieben:Aber eben auch ein Eingriff in den Text durch den Verlag aus Angst davor, dass man aneckt und Probleme bekommt, wenn man den Text unangetastet lässt.
Das ist aber gerade bei Kinderbüchern nicht der Fall.
Die Bücher altern und werden für die Kinder ob der Sprache uninteressant. Dies kann man durch behutsame Eingriffe korrigieren (die übrigens nicht nur die hier diskutierten Reizworte enthalten) und die Bücher länger als Kinderbücher verkaufen.
Wobei ich für die hier nörgelnden Puristen durchaus Verständnis habe und auch gerne Originaltexte vorhalten lassen würde.
Und : Werden nicht sogar manchmal Texte von den Autoren aktualisiert / überarbeitet ?
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

a3kHH hat geschrieben:
Doop hat geschrieben:Es gab in jüngerer Vergangenheit auch schon "Selbstzensur" bei Erwachsenenliteratur. Ich weiß, dass der Name Richard Laymon hier bei einigen :kotzen: auslöst, und es geht mir auch nicht darum, sein Werk zu diskutieren. Aber ich denke, dass der Heyne-Verlag das komplette Schlusskapitel seines Romans "Die Insel" komplett aus späteren Auflagen des Buches gestrichen hat (womit der Roman ein völlig anderes Ende hat), um der drohenden Indizierung durch die Bundesprüfstelle zu entgehen, ist auch kein Fall einer besonders mutigen Verlagsentscheidung. Um es mal vorsichtig auszudrücken.
Das ist aber ein ganz anders gelagerter Fall.
Allerdings unterstützt das meine Vorurteile gegen Heyne heutzutage. Weshalb ich mich eines Kommentars enthalte.
Anderenfalls wäre das Buch indiziert worden. Heisst: keine Bewerbung des Titels mehr, kein öffentliches Anbieten in Buchhandlungen, Verkauf nur noch auf Nachfrage an Erwachsene und Versand zu den Amazon-FSK18-Richtlinien.

Was hätten sie denn tun sollen?

Der Band war immerhin schon in der zwölften Auflage. Einen Titel, der so dauerhaft so gut läuft, opfert man nicht einfach. Die Alternativen wären Indizierung oder Einstellung des Titels gewesen, was wirtschaftlich identisch gewesen wäre.
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Re: Otfried Preussler

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Bully hat geschrieben: Aber zugegeben, offenbar hatten Deine Schulkameraden was gegen Leute mit dunkler Haut, sonst hätten sie andere Schimpfwörter verwendet.
Ich weiss gar nicht, ob man sowas so pauschal sagen kann.

Im Osten war - und ist stellenweise noch - der Vietnamese der "Fidschi". Das ist in gewisser Weise sogar nett gemeint. Das ist auf vergleichbare Weise rassistisch wie die Schwarzen bei Karl May: eine komplett unbewusste Form der Diskriminierung, nicht wahrgenommen von denen, die sie begehen.
"Bimbo" kenne ich, witzigerweise kommt es inzwischen auch in verschiedenen Sitcoms als Schimpfwort für hübsche, aber dumme Frauen vor, die leicht zu haben sind. Häufig Blondinen.
Eine Übertragung aus dem US-Englischen. Das englische "bimbo" war schon immer etwas anderes als der deutsche "Bimbo".
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Doop »

L.N.Muhr hat geschrieben:Was hätten sie denn tun sollen?
Indizierung und dann dagegen klagen. Haben andere Verlage erfolgreich vorgemacht, vgl Henry Millers "Opus Pistorum" oder das andere Buch von Felix Salten. Es geht. Wenn man ***** in der Hose hat. Wer auch einen solchen Kampf durchgeführt und gewonnen hat: das DVD-Label Turbine im Kampf um das originale "Texas Chainsaw Massacre". In dem Fall war es ein Kampf gegen Beschlagnahmebeschlüsse, also noch viel schwerer als beim rein verwaltungsrechtlichen Kampf gegen die Indizierung.

Wer übrigens glaubt, die Veränderung von Buchtexten zum Zweck der Tilgung von Rassismen sei eine deutsche Erfindung oder sei ein Zeichen moderner PC:

Der bis heute wohl erfolgreichste Roman Agatha Christies hieß im Original "Ten Little Niggers", bei Veröffentlichung in den USA wurde er umgetitelt zu "And then there were none". Das war 1940. Und in dem Fall fällt es mir schwer, das nicht richtig zu finden.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Doop hat geschrieben:
L.N.Muhr hat geschrieben:Was hätten sie denn tun sollen?
Indizierung und dann dagegen klagen. Haben andere Verlage erfolgreich vorgemacht, vgl Henry Millers "Opus Pistorum" oder das andere Buch von Felix Salten. Es geht. Wenn man ***** in der Hose hat. Wer auch einen solchen Kampf durchgeführt und gewonnen hat: das DVD-Label Turbine im Kampf um das originale "Texas Chainsaw Massacre". In dem Fall war es ein Kampf gegen Beschlagnahmebeschlüsse, also noch viel schwerer als beim rein verwaltungsrechtlichen Kampf gegen die Indizierung.
Kann man machen, aber es gibt keine Garantie, dass man recht behält.

Ich finde es arg pauschal, hier zu sagen "die haben keinen *blub* in der Hose".
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Re: Otfried Preussler

Ungelesener Beitrag von Bully »

L.N. Muhr hat geschrieben:
Bully hat geschrieben: Aber zugegeben, offenbar hatten Deine Schulkameraden was gegen Leute mit dunkler Haut, sonst hätten sie andere Schimpfwörter verwendet.
Ich weiss gar nicht, ob man sowas so pauschal sagen kann.

Im Osten war - und ist stellenweise noch - der Vietnamese der "Fidschi". Das ist in gewisser Weise sogar nett gemeint. Das ist auf vergleichbare Weise rassistisch wie die Schwarzen bei Karl May: eine komplett unbewusste Form der Diskriminierung, nicht wahrgenommen von denen, die sie begehen.
"Bimbo" kenne ich, witzigerweise kommt es inzwischen auch in verschiedenen Sitcoms als Schimpfwort für hübsche, aber dumme Frauen vor, die leicht zu haben sind. Häufig Blondinen.
Eine Übertragung aus dem US-Englischen. Das englische "bimbo" war schon immer etwas anderes als der deutsche "Bimbo".
"Fidschi" kenne ich nur als ziemlich unterste Schublade, also bewusst beleidigend.
Bei "Bimbo" ok, aber wird da über die Hintertür ein Wort nicht wieder salonfähig gemacht, was man anderswo eigentlich schon vermeiden würde? Bzw., wenn man sowieso übersetzt, wäre "Tussi" nicht ungefähr das deutsche Gegenstück? Wenn man sich schon die Mühe macht, dann doch besser richtig.

Was den Rest betrifft: Dass man unbewusste Vorurteile haben kann, also Ansichten, bei denen man sich nicht bewusst ist, dass das Vorurteile sind, erscheint mir klar, und dass man jemanden beleidigen kann, ohne es zu wollen, auch, aber woher soll man sich dessen bewusst sein, das ein Wort in 40 Jahren zum No-Go wird, selbst wenn man zufällig kein Rassist, Sexist oder Anti-(Philosophie, Religion, Ideologie oder sonstige Weltanschauung)-ist ist? Gesetzt den Fall, solche Menschen gibt es überhaupt, was ich allmählich bezweifele.

Ein nicht-rassistisches Beispiel fällt mir noch dazu ein - in "Drei Männer im Schnee" wird mit "Propaganda" das bezeichnet, was wir heute als "Werbung" bezeichnen würden. Und zwar von einem Werbezeichner, der sich auf einen Job in seinem Beruf freut, und das sicher nicht irgendwie herablassend oder verächtlich meint. MMn sollte man das in alle Ewigkeit drin lassen, weil das Buch geschrieben wurde, bevor die Nazis das Wort unmöglich machten, und die Nachwelt sehen soll, welchen Einfluss die hatten.
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