Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Science Fiction in Buchform
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a3kHH
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von a3kHH »

Ausnehmend schönes Beispiel, Ellen.
:prima:
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Überlicht, Beamen, Günther Jauch als Bundespräsident, intelligente Forenbeiträge und eine positive Rezension von John Ashts Machwerken wird von Elfen verhindert
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Doop
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Doop »

L.N. Muhr hat geschrieben: *3 BluRay, 50 Cartoons, voll restauriert + 4h Dokumentationen über Schlesinger, Chuck Jones etc. + 30 weitere Cartoons, u.a. frühe Merry Melodies, Armed-Forces- und Anti-Hitler-Cartoons, für 7,95 bei der bösen Tante A.
Was für ein Schnapp! Danke für den Hinweis, zu dem Preis habe ich gerade sowohl Volume 1 als auch 2 bestellt und werde mal meine Golden Collections upgraden (wobei da wohl keine Identität der Boxsets besteht, ich muss das mal bei Gelegenheit prüfen, was auf den neuen Platinum-Collections wirklich neu ist.

Jetzt aber mal wieder zurück zum Thema:

Gerade die alten Animationsfilme sind ein schönes Beispiel dafür, wie problematisch das vermeintlich oder tatsächlich rassistische Erbe bis heute in den USA gesehen wird. Von Warners Looney Tunes / Merry Melodies verstauben die legendären Censored Eleven aus der Zeit zwischen 1931 und 1944 noch immer in den Archiven. Inzwischen wohl immerhin schon restauriert - aber weiterhin ohne Veröffentlichungsdatum. Es gibt zwar einige Veröffentlichungen von unabhängigen Produzenten, da die Rechte an den Filmen ausgelaufen sind, aber nur in hundsmiserabler Qualität.

Und Disney hat aus gleichen Gründen bis heute einem seiner größten Klassiker, nämlich Song of the South (Onkel Remus' Wunderland) aus dem Jahr 1946 eine Veröffentlichung auf Home Video in den USA verweigert. In Deutschland erschien er noch auf VHS, in gekürzter Fassung, auf DVD oder Blu-Ray aber herrscht in Deutschland Fehlanzeige. Ebenso in allen anderen Ländern auch. Der Film gewann einen Oscar für den besten Song, die gesamte Filmmusik war nominiert und heute taucht der Film in den Top 100 der besten Animationsfilme aller Zeiten auf. Und zwar nicht in den hinteren Rängen.

Disney hatte durchaus Reihen, in denen der Film eine angemessene Veröffentlichung für den Sammlermarkt hätte bekommen können. Es gab eine hochpreisige Reihe mit dem Namen "Walt Disney Treasures", in der die Mehrzahl der alten Anmimationskurzfilme, aber auch frühe Fernsehproduktionen von Disney veröffentlicht wurden - versehen mit Extras wie Audiokommentaren und filmhistorischen Einführungen (das eine großartige Reihe, die es leider nicht mehr gibt...). Aber "Song of the South" (der ebenso wie die "Censored Eleven" zwar den rassischen Stereotypen der Zeit anhängt, aber eben keineswegs rassistisch in einem Sinn wäre, dass Schwarze als minderwertig dargestellt werden) ist bis heute für Disney ein heißes Eisen, dass man sich nicht anzupacken wagt. Ich finde das traurig, feige und falsch. Aber letztlich besser so, als ein zensierter, geschnittener Film. "Fantasia", ein anderer großer Disney-Klassiker nämlich wurde in einer Sequenz in den 60er Jahren editiert, um eine vermeintlich raissistische Szene aus dem Film zu tilgen. Ob diese Szene nun wirklich rassistisch war oder nicht - davon können wir uns leider kein Bild mehr machen, da der Film seit den 60er Jahren nie mehr in der ursprünglichen Fassung gezeigt wurde.

Die Amerikaner sind in Sachen Rassismus deutlich sensibler als wir Deutsche. Wenn ich mir alte Cartoons aus dem 2. Weltkrieg ansehe, entschuldigen sich die Produzenten der heutigen Disks bei den Zuschauern dafür, dass die Japaner und auch die Deutschen so stereotyp und rassistisch dargestellt werden. Ja, wie hätte es denn auch anders sein sollen? Die Japaner hatten Pearl Harbor angegriffen, die Deutschen Europa überrannt - natürlich wurden die Bewohner der Achsenmächte in den Cartoons jener Zeit rassistisch stereotypisiert. Schließlich dienten die viele Cartoons jener Zeit (auf beiden Seiten übrigens) auch dazu, Propaganda für die jeweilige Sache zu machen. Die Cartoons sind historische Artefakte, die man weiterhin zugänglich halten muss - und vieles ist auch in den letzten Jahren restauriert und veröffentlicht worden. Ich hoffe seit Jahren, dass "Song of the South" und die "Censored Eleven" folgen werden. Mit Liner Notes und Audiokommentaren ausgestattet - aber ansonsten unangetastet und restauriert.

Ähnliches erwarte ich auch bei Büchern - für Erwachsene und für Kinder.
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L.N. Muhr
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Vol. 1 ist aber nur die Sparfassung im Vergleich zur US-/ UK-Ausgabe, nur eine Disk statt dreien. Ich täts canceln. Auf der Vol. 2 sind mWn 10 unveröffentlichte Cartoons drauf (nicht gezählt die Bonus-Cartoons auf Disk 3), das wird sich also schon ordentlich überschneiden.
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Doop
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Doop »

L.N. Muhr hat geschrieben:Vol. 1 ist aber nur die Sparfassung im Vergleich zur US-/ UK-Ausgabe, nur eine Disk statt dreien. Ich täts canceln.
Aha danke, danke für den Hinweis. Volume 1 habe ich gecancelt und werde gelegentlich mal die britische Ausgabe prüfen und ggf. ordern. Das Problem der US-Ausgabe ist, dass sie nach meiner Kenntnis durch Regionalcode geschützt ist - und den Trick, wie ich den bei Blu-rays umgehe, (bei DVDs ist das kein großes Problem) habe ich leider noch nicht herausgefunden... :D
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Bully
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Bully »

L.N. Muhr hat geschrieben:Ich setze die Entscheidung in den Kontext und stelle vor allem die Fakten klar, die du eher verzerrt wiedergegeben hast. Fakt schlägt Meinung, immer.
Welche Fakten, die Du geliefert hast, würden was daran ändern, dass "Zehn kleine irgendwas" diskriminierend sind? Rassistisch diskriminierend, um es zu präzisieren?
Bzw., wenn wir uns darin einig sind, und wenn das gedankenlose Verwenden rassistischer Schimpfwörter ("Fidschis") "unbewusste Diskriminierung" ist, ist das Aufzählen von Leuten einer bestimmten Hautfarbe, die auf eher dämliche Weise sterben (Das ist jetzt in der Tat meine Meinung, es gibt bestimmt Leute, die es für heldenhaft oder wenigstens nicht dämlich halten, sich von einem Bär _im Zoo_ erdrücken zu lassen. Be-Stimmt.), vllt. sogar "bewusste Diskriminierung"? Oder vllt. hatte das Gedicht sogar den Zweck, kleinen Kindern einzutrichtern, wie dumm bestimmte Leute seien? Ich halte die bewusste Diskriminierung für tendenziell schlimmer, weil die eher in brennenden Asylantenheimen und dergleichen eskaliert.
Man könnte auch argumentieren: bei der US-Edition hat "Zehn kleine Mings" seinen Originaltitel wiederbekommen, immerhin ist die britische Fassung des Verses eine Version der originalen us-amerikanischen Fassung des Verses.
Ja, aber das heißt vllt. auch nur, dass die US-Amerikaner ihr Lieblingsopfer wiederbekommen sollten. Die Leute im Originaltitel fühlten sich vllt. sogar doppelt verarscht. Ich an deren Stelle wäre es.
Vor allem aber argumentiere ich damit, dass besagte Änderung im Kontext ihrer Zeit zu verstehen ist, so wie Twain im Kontext seiner Zeit zu verstehen ist.

Bei Publikationen für Erwachsenen, die das mehrheitlich nachvollziehen können, finde ich das völlig okay.
...
Ich dachte, damals waren die Erwachsenen mehrheitlich rassistisch? Soll ich annehmen, dass die aus der Titeländerung die Lehre zogen: "Es ist falsch, Leute wegen ihrer Hautfarbe zu beschimpfen und zu diskriminieren." oder könnte es vllt. auch die Lehre gewesen sein: "Indians" stehen sogar noch unter "Niggers"?

Twain war, besonders im Kontext seiner Zeit, ziemlich unrassistisch, wenn man das, was er so geschrieben hat, mal als Maßstab nehmen kann.
Bei Christie wurde ein Rassismus durch einen anderen ersetzt, was man jetzt meinetwegen unter "unbewussten Rassismus" verbuchen kann, weil vllt. einfach keiner darüber nachdachte, aber trotzdem.
Wenn im Buch die Leute wegen rassistisch motivierter Verbrechen bestraft worden wären, könnte man das ja unter "bewusster Auseinandersetzung mit Rassismus und/oder rassistischen Stereotypen verbuchen, aber so ist das eine andere Liga als Twain.
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Knochenmann
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Knochenmann »

"Zehl keine Negerlein" ist doch das perfekte Beispiel: Ein Zeitdokument mag es ja sei, als Kinderreim taugt es heutzutage aber nichts mehr.

Und um den Bogen zu Kiderbüchern zu schlagen: da ist es genauso. Ein Kinderbuch ist ein Buch für Kinder, und kein Zeitdokument für Kinder.
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Bully
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Bully »

Knochenmann hat geschrieben: ...
Und um den Bogen zu Kiderbüchern zu schlagen: da ist es genauso. Ein Kinderbuch ist ein Buch für Kinder, und kein Zeitdokument für Kinder.
Da hast Du natürlich Recht.
In den Enid-Blyton-Geschichten, die ich kenne, kommt z.B. nur noch eine Ohrfeige vor (jemand hatte zur Abwechslung mal den falschen beschuldigt), was sich in dem Fall aber wohl mehr an die Eltern richtet. :wink:
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L.N. Muhr
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von L.N. Muhr »

Ich hab merkwürdigerweise nie behauptet, dass besagte Texte nicht diskriminierend seien. Ich habe sie lediglich in den Zeitkontext gesetzt. Mir scheint, hier wird vergangenes Handeln zu sehr aus der Position der Gegenwart beurteilt. Kann man machen, aber das Urteil fällt dann in den meisten Fällen zwangsläufig vernichtend aus.
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Re: Nachträgliche Anpassungen an Kinderbüchern

Ungelesener Beitrag von Bully »

Nun, ich habe die damalige Titelvariante A mit der damaligen Titelvariante B verglichen. Warum ich den Eindruck habe, dass es möglicherweise überhaupt nicht um "weniger Diskriminierung" ging, sondern um "mehr Zielgruppenorientierung", habe ich versucht dazustellen.
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